Achtsam Lieben - Angela Kraus - E-Book

Achtsam Lieben E-Book

Angela Kraus

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Beschreibung

Sexualität ist immer noch eines der größten Tabuthemen und oft läuft es anders, als wir es uns wünschen. In unserer Gesellschaft wird zu selten vermittelt, wie wir uns sexuell begegnen und wie tiefe Verbundenheit und Intimität im körperlichen Kontakt erlebt werden können. Das Prinzip der Achtsamkeit in Sexualität und Berührung zu integrieren, kann ein entscheidender Schlüssel zur Veränderung sein. Denn es ist möglich, ein erfülltes Liebesleben mit mehr Sinnlichkeit, Genuss und Freude zu erfahren. Ganz unabhängig vom persönlichen Alter oder der Dauer einer Beziehung. Dieses Buch versteht sich als Wegbegleiter: Zahlreiche Übungen laden dazu ein, das geteilte Wissen direkt umzusetzen. Ganz offen und authentisch sprechen die Autoren auch über ihre eigenen Erfahrungen.

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Seitenzahl: 231

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Angela Kraus

Christoph Kraus

Achtsam Lieben

Eine sexuelle Entdeckungsreise für mehr Intimität, Verbindung und Nähe

Die in diesem Buch vorgestellten Informationen sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Die Autoren übernehmen keine Haftung für Schäden irgendeiner Art, die sich aus dem Gebrauch dieser Informationen, Tipps und Übungen ergeben. Im Zweifelsfall bitte ärztlichen oder therapeutischen Rat einholen.

Sollte dieses Buch Hinweise oder Links zu Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

© 2022 Angela Kraus, Christoph Kraus

ISBN Softcover: 978-3-347-70975-1

ISBN E-Book: 978-3-347-71652-0

Druck und Distribution im Auftrag der Autoren:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte sind die Autoren verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autoren, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg,

Deutschland.

Fotos Umschlag: Antonia Vilos - antoniavilos.com

Fotos im Buch: Chris Loup - chrisloup.com

Cover, Illustration: Gloria Kison – gloriakison.design

Lektorat: Johannes Thies – gonzomode.com

Mehr zur Arbeit der Autoren unter:

achtsam-lieben.de

Kontakt unter:

[email protected]

Das Leben ist Veränderung.

Sexualität ist ein Teil des Lebens.

Über uns: Angela und Christoph Kraus

Seit 1986 sind wir ein Paar. Zur achtsamen Sexualität sind wir über eine gemeinsame Sexualtherapie in den Jahren 2013 und 2014 gekommen, an deren Ende das Buch Slow Sex von Diana Richardson unseren Weg kreuzte. Seitdem forschen wir gemeinsam mit sehr viel Freude auf diesem Gebiet. Für uns hat sich alles verändert: Wir konnten unseren sexuellen Frust verwandeln in echte Nähe, Intimität, Lust und Sinnlichkeit. Nachdem unser Knoten in Sachen Sexualität geplatzt war und wir diese ganz andere Art der sexuellen Begegnung entdecken durften, haben wir festgestellt, dass viele Menschen keinen Ausweg finden und festgefahren sind in alten Mustern und gesellschaftlichen Bildern von Sexualität und wie sie zu sein hat. Es ist uns eine Herzensangelegenheit, unser Wissen und unsere Erfahrung weiterzugeben an Menschen, die Freude an ihrer Sexualität erleben möchten und die neugierig und offen dafür sind, wie das Prinzip der Achtsamkeit in die Sexualität integriert werden kann. Achtsamkeit, Berührung und Sexualcoaching sind nach und nach immer mehr zu unserer Berufung geworden. Ich (Angela) bin MBSR-Lehrerin (Mindfulness Based Stress Reduction) und Klangtherapeutin. Ich (Christoph) bin Sexualcoach, Tantramasseur und Ausbilder im Tantramassageverband. Gemeinsam sind wir Achtsam Lieben und geben seit 2018 Workshops, Seminare und Coachings rund um das Thema achtsame Sexualität. Wir sind zutiefst dankbar für unsere gemeinsame Arbeit, die sich so gar nicht wie Arbeit anfühlt. Wir werden sehr oft gefragt, welches Buch wir zum Thema achtsame Sexualität empfehlen. Es gibt einige gute Bücher, in denen uns jedoch meist das Thema »Berührung« gefehlt hat. So ist die Idee zu diesem eigenen Buch entstanden.

Inhalt

Ein paar Worte vorab

Wie alles begann

Was ist achtsame Sexualität?

Was macht den Unterschied?

Vom Ziel zum Hier und Jetzt

Von Anspannung zu Entspannung

Von Schmerzen zu Empfindsamkeit

Von Unruhe zu Zufriedenheit

Von Langeweile zu Lust

Von Fantasie zu Präsenz

Von Dienstleistung zu Eigenverantwortung

Von Zeit zu viel mehr Zeit

Erregung und Lust sind nicht das gleiche

Von Frau zu Frau

Von Mann zu Mann

Die Schlüssel zur achtsamen Sexualität

Verabredungen

Vom Kopf in den Körper

Absichtslosigkeit

Verbindung von Herz und Schoß

Eigenverantwortung

Kommunikation

Der Weg in die achtsame Sexualität

Alles zurück auf Null

Die achtsame Vereinigung

Berührungsreise

Schritt 1 – Intuitive Berührung

Schritt 2 – Wie möchte ich berührt werden?

Schritt 3 – Wie möchte ich berühren?

Schritt 4 – Der Intimbereich kommt mit dazu

Schritt 5 - Berührende Vereinigung

Vom DU zum DIR

Ich-Botschaften

Mein Partner - mein Spiegel

Macht eures draus!

Erfahrungsberichte anderer Paare

Unterstützung durch uns

Alle Übungen im Überblick

Empfohlene Literatur und Quellen

Ein paar Worte vorab

DU oder SIE? In diesem Buch nutzen wir das vertrauliche »Du«. Wir bitten, dies nicht als fehlende Wertschätzung oder mangelnden Respekt aufzufassen. Ein »Sie« für ein Thema, das uns als Menschen so tief berührt und so nah geht, empfinden wir nicht vertraut genug und irgendwie sperrig im Rede- beziehungsweise Schreibfluss. Auch in unserer gemeinsamen Arbeit verwenden wir das »Du«.

Dieses Buch ist für dich, wenn du nach Entwicklung oder Veränderung in deiner Sexualität suchst. Wenn du festgefahren bist in alten Mustern und dir mehr Nähe und Intimität in deiner Beziehung wünschst. Du erlebst das Prinzip der Leistung in deiner Sexualität mit all ihren Schattenseiten und fragst dich, wie du stattdessen Entspannung und Leichtigkeit in dein Liebesleben einladen kannst. Du wünschst dir mehr Zeit und Aufmerksamkeit für das Liebesspiel in deiner Beziehung. Oder du bist einfach nur neugierig auf das Prinzip der achtsamen Sexualität.

Gendersprache. Ehrlich gesagt ist uns die gendergerechte Sprache bisher nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Gerade in einem Buch finden wir es wichtig, dass der Text flüssig und einfach lesbar ist. Daher haben wir Abstand genommen von Schreibweisen wie Partnerin/ Partner, Partner*in oder Partner: in. Uns persönlich bringt das beim Lesen immer wieder in ein Stocken oder wir überlesen dieses Wort stumm, da unser Auge schon das Sternchen, den Doppelpunkt oder den Schrägstrich wahrnimmt. Daher haben wir uns für das Wort »Lieblingsmensch« entschieden. Das ist aus unserer Sicht neutral, was Geschlecht oder die Geschlechtsidentität angeht. In manchen Paar-Übungen bleiben wir in der Beschreibung der Eindeutigkeit halber bei Mann und Frau.

Was befähigt uns zu dieser Arbeit? Diese Frage ist ganz typisch in unserer westlichen Welt, die für alles und jedes eine Ausbildung oder ein Zertifikat verlangt. Nun, es gibt kein Diplom in achtsamer Sexualität. Diesem Buch beziehungsweise unserer heutigen gemeinsamen Arbeit mit dem Thema liegt hauptsächlich unsere eigene Erfahrung zugrunde. Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht, unsere leistungsorientierte Sexualität hinter uns zu lassen. Zu den Menschen, die uns dabei inspiriert und angeleitet haben, zählen: Diana Richardson, Osho, Barry Long, Michaela Riedl, Dr. Betty Martin, Eva-Maria Zurhorst, Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn und viele mehr. Wir haben Seminare und Ausbildungen zu verschiedenen Themen im großen Feld der Achtsamkeit und Sexualität besucht. Doch vor allem:

Wir haben es ausprobiert und das Prinzip der achtsamen Sexualität selbst – in unserem eigenen Bett – erforscht. Und tun dies noch immer.

Ich (Angela) bin MBSR-Lehrerin und begleite Menschen im Erlernen von Stressbewältigung durch Achtsamkeit. Ich (Christoph) bin ausgebildeter Tantramasseur nach TMV und bilde heute selbst Tantramasseure aus. Ein Großteil meiner Arbeit ist der achtsamen Berührung gewidmet.

Gemeinsam haben wir aus all unserer Erfahrung die Dinge miteinander kombiniert und weiterentwickelt, die uns persönlich geholfen haben, die Sexualität zu verändern. Seit 2018 geben wir Workshops, Seminare und Coachings zum Thema Achtsam Lieben.

Dieses Buch ist aus Sicht eines heterosexuellen Paares geschrieben. Doch ist es ausschließlich für diese Zielgruppe geeignet? Nein! Bei der achtsamen Sexualität geht es in erster Linie um die Veränderung der inneren Haltung. In einem sexuellen Austausch begegnen sich zwei Menschen; hier ist es ganz egal, welche Geschlechter oder welche Geschlechtsidentitäten zusammenkommen. Wir selbst haben uns bewusst für eine monogame Beziehung entschieden und sind ein heterosexuelles Paar. Auch wenn dieses Buch aus unseren ganz eigenen Erfahrungen entstanden ist, bedeutet das nicht, dass sich ausschließlich monogam lebende, heterosexuelle Paare dadurch inspirieren lassen können. Ein Großteil dieses Buches beschäftigt sich mit dem Thema Berührung. Hier sind Geschlecht beziehungsweise Geschlechtsidentität völlig irrelevant. Solltest du in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben, dann sind die Kapitel, in denen es um weibliche und männliche Aspekte im energetischen und anatomischen Sinne geht, eher »zwischen den Zeilen« zu lesen. Du kannst dich hier auf den Inhalt konzentrieren, der dich anspricht. Solltest du deine Geschlechtsidentität von deinem biologischen Geschlecht verschieden erleben, dann lies dieses Buch aus Sicht des jeweiligen Geschlechtes, mit dem du dich identifizierst. In beiden Fällen können Teile des Buches eventuell als nicht stimmig empfunden werden. Dafür bitten wir um dein Verständnis.

In erster Linie geht es hier um Menschen in einer Partnerschaft. Wenn du gerade Single bist, dann lege dieses Buch bitte nicht gleich weg. Viele der von uns beschriebenen Themen und Situationen sind auch für Menschen interessant, die nicht in einer Beziehung leben. Und natürlich gibt es auch Beziehungen, in denen sich aktuell nur ein Teil dafür interessiert, etwas in der gemeinsamen Sexualität zu verändern. Solltest du dich in so einer Beziehung befinden und nach echter Veränderung streben, dann geh voran. Auch du kannst viele wertvolle Inhalte in diesem Buch entdecken und deinen Lieblingsmenschen dadurch erreichen, dass du die achtsame Sexualität für dich selbst angehst.

Begriffe in diesem Buch. Für unsere alte Sexualität benutzen wir das Wort »leistungsorientierte Sexualität«. Unsere damalige Sexualität war am Orgasmus orientiert und somit zielgerichtet. Es ging um starke Stimulation durch schnelle Bewegungen. Überzeugungen wie »seinen Mann stehen zu müssen« und »gut im Bett zu sein«, hatten unsere Sexualität stark geprägt. Es ging also um das Prinzip »Leistung bringen« und auch darum, zu funktionieren. Daher empfinden wir dieses Wort für uns als stimmig. Sex ist ebenso leistungsorientiert wie viele andere Bereiche unserer Gesellschaft. Vielleicht erkennst du dich hier wieder. Ebenso gut kann es sein, dass der Begriff der leistungsorientierten Sexualität nicht zu deiner jetzigen Situation passt oder dir insgesamt nicht gefällt. Dann bist du eingeladen, dies beim Lesen gedanklich durch ein dir angenehmeres Wort zu ersetzen.

Für Vulva, Vagina und Penis nutzen wir in diesem Buch die alten tantrischen Begriffe Yoni und Lingam. Yoni bezeichnet den weiblichen und Lingam den männlichen Genitalbereich. Wir persönlich nutzen diese Begriffe gerne, weil sie in der deutschen Sprache in keiner Weise vorbelastet oder schambehaftet sind. Unsere Kommunikation hat diese Entscheidung erleichtert und vielleicht geht es dir ebenso. Probiere es gerne einmal im Gespräch mit deinem Lieblingsmenschen aus.

Übungen. In diesem Buch beschreiben wir einige praktische Übungen. Diese sind – wie auch hier – grau hinterlegt und linksbündig geschrieben. Ob es sich um eine Übung für dich allein oder eine Paarübung handelt, kannst du an dem Personensymbol erkennen. Neben dem Uhrensymbol ist die dafür veranschlagte Zeit angegeben. So kannst du dich im Buch zurechtfinden und siehst beim Lesen oder Nachschlagen direkt, was inhaltlicher Text ist und wo es eine Übung zum Thema gibt

5 Minuten

60 Minuten (2 x 30)

Das Buch ersetzt keine Tharapie. Wir sind keine Therapeuten. Dieses Buch ist als Ratgeber gedacht, kann dir wertvolle Anregungen liefern und Bereicherung in dein Liebesleben bringen. Es gibt jedoch Themen, die besser in einer Psychotherapie oder in einer Paartherapie aufgehoben sind. Mit einem Buch können solche Themen nicht ausreichend bearbeitet werden Über eine mögliche Unterstützung durch uns (auf deinem oder eurem Weg) informieren wir dich im letzten Kapitel dieses Buches.

Nun sind genug einleitende Worte und Hinweise gefallen. Wir wünschen dir neue und liebevolle Erfahrungen und hoffen, dass unser Buch eine Begleitung auf deinem Weg in die achtsame Sexualität ist. Auch wenn dich einzelne Kapitel besonders ansprechen, laden wir dich ein, dieses Buch komplett zu lesen, da Inhalte und Übungen aufeinander aufbauen.

Viel Spaß beim Lesen und vor allem Freude beim Ausprobieren.

Wie alles begann

»Ich glaube, wir brauchen Hilfe«, sagte ich (Angela) im Bett nach einer unserer typischen, fast schon routinemäßig ablaufenden sexuellen Begegnungen zu Christoph und hatte große Angst vor seiner Reaktion. Seit Langem schon war ich frustriert von unserem Liebesleben und ich war mir ziemlich sicher, dass er es auch war. Aber halt nur ziemlich sicher. Es war noch ein Rest Zweifel da. Immerhin hatten wir regelmäßig Sex, doch unausgesprochen lag eine immer größer werdende Frustration zwischen uns im Bett! Um genug Mut aufzubauen, diesen Satz nicht nur zu denken, sondern auch auszusprechen, habe ich Jahre gebraucht. Umso erleichterter war ich, als Christoph sichtlich berührt erwiderte: »Ich bin so froh, dass du das sagst.« Dieser Dialog Ende 2013 hat den Anfang für eine tiefgreifende Veränderung unseres (Liebes-) Lebens bereitet. Und es gibt heute keinen einzigen Tag, an dem ich mir nicht selbst für diesen Moment des Mutes und der Offenheit dankbar bin.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass wir bereits seit 1986 ein Paar sind. Wir sind in der 8. Klasse zusammengekommen. Unsere gemeinsame Sexualität haben wir uns gegenseitig selbst beigebracht. Wir hatten damals bestenfalls ein Halbwissen in Sachen Sex und unser erstes Mal war eher ein Abhaken auf der Liste zum Erwachsenwerden. Mit Lust und Sinnlichkeit hatte das wenig zu tun. So kamen knapp 27 Jahre unerfüllter Sexualität zustande. Wir staunen immer noch über unsere »Leidensfähigkeit«. Natürlich hatten wir ebenso schöne Momente – vorwiegend in Urlauben – aber im Großen und Ganzen hatte sich die Frustration im Bereich unserer Sexualität langsam und stetig immer weiter aufgebaut. Wenn wir heute zurückblicken, können wir immer nur mit Erstaunen den Kopf schütteln und uns fragen, warum wir diese Situation so lange ertragen haben. Als es darum ging zu heiraten, kamen erste ernst zu nehmende Zweifel auf. Wir waren uns beide unsicher, ob es eine gute Idee sei, eine Ehe einzugehen mit einem Menschen, den man liebt, mit dem der Sex jedoch nicht erfüllend ist. Da diese Überlegungen unabhängig voneinander stattfanden, sind wir nicht auf den Gedanken gekommen, dass der jeweils andere auch so empfinden könnte. Heute können wir darüber schmunzeln. Komischerweise hat sich unsere steigende Frustration in Sachen Sex nur sehr langsam in unserer sonstigen Paarbeziehung bemerkbar gemacht. Wir hatten regelmäßig Sex, haben ein paar Dinge ausprobiert, die jeweils einen kurzen Kick und damit neue Hoffnung brachten. Doch geholfen hat das immer nur kurz. Vielleicht hat uns das so lange zögern lassen, das Thema anzusprechen. Wir hatten immer eine liebevolle Beziehung zueinander und waren uns sicher: Dieser Mensch an meiner Seite ist der Richtige. »Nur« das mit dem Sex war nicht so, wie wir uns das vorstellten.

Aber was genau waren unsere Vorstellungen? Ich (Angela) wollte Erregung, mühelose Orgasmen erleben, ich wollte Pulsieren zwischen meinen Beinen spüren und ehrlich gesagt wäre ich schon glücklich gewesen, überhaupt mal Lust auf Sex zu haben.

Und ich (Christoph) wollte schon immer mehr Sex als Angela und vor allem sollte er auch länger dauern. Ich war neugierig und hatte Vorstellungen von allen möglichen sexuellen Praktiken, die wir zusammen ausprobieren könnten – bis hin zu einem Besuch im Swingerclub.

Nun, was sollen wir sagen: Am Ende ist eine ganz andere Art der Sexualität dabei herausgekommen. Ganz anders, als wir sie uns jeweils vorgestellt hatten. Nachdem es also raus war, dass wir beide mehr als unzufrieden waren mit unserem gemeinsamen Sexualleben, ging alles recht schnell. Wir setzten uns an den Rechner und fanden eine Sexualtherapeutin, in deren Praxis wir bereits eine Woche später zu unserer ersten Sitzung saßen. Diese wunderbare Therapeutin hat uns gut ein Jahr lang begleitet und verfolgte einen sehr körperlich orientierten Ansatz. Wir hatten damals in der Therapie das gemeinsame Ziel, etwas zu verändern. Das hat uns einen starken Antrieb gegeben und war der gemeinsame Motor dafür, das Alte hinter uns zu lassen und offen für Neues zu sein. Wichtig für uns war die Zukunft. Wir haben nicht angefangen, die Vergangenheit zu analysieren oder dem jeweils anderen die Schuld für irgendwas zuzuweisen. Vielmehr haben wir mit therapeutischer Begleitung einen neuen Anfang in Sachen Sexualität gewagt, das Alte komplett hinter uns gelassen und absolute Ehrlichkeit eingeladen. In der Therapie waren unsere bisherigen Gewohnheiten und Praktiken eher unwichtig. Es ging vielmehr darum, sich selbst und den anderen neu zu entdecken. Wir waren quasi wieder Teenies und haben mit Anfang 40 noch mal ganz von vorn angefangen! Das bedeutet natürlich nicht, dass die Vergangenheit uns nicht immer wieder eingeholt und beschäftigt hätte. Wir haben uns oft im Kreis gedreht und sind durch viele Täler der Tränen gegangen. In unserem gemeinsamen Prozess haben wir uns gegenseitig unterstützt, auch wenn es sich manchmal nicht danach angefühlt hat. Die immer wieder gleichen Gespräche beziehungsweise Themen, die aufkamen, waren wichtig für uns, um zu wachsen; jeder für sich und gemeinsam als Paar.

Neugierig geworden auf unterschiedliche Berührungsqualitäten fand ich (Christoph) im Internet Videos über die Tantramassage. Mich faszinierte diese achtsame Art und Weise der Berührung sehr. So kam es, dass wir eine Tantramassage erleben wollten. Für uns beide war diese Erfahrung ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Achtsamkeit und selbstbestimmter Sexualität.

Am Ende der Therapie stellte uns die Therapeutin die Frage, was wir rückblickend in unseren neuen sexuellen Begegnungen am schönsten fanden. Wir mussten nicht lange überlegen: Die ganz langsamen und für uns so intensiven Momente waren es, die uns begeisterten. Die, in denen wir ganz präsent in unseren Körpern waren. So kam es, dass unsere Sexualtherapeutin uns damals den Tipp gab, dass Slow Sex vielleicht das Richtige für uns wäre. Wie recht sie doch hatte! Schon nach den ersten Kapiteln des Buches »Slow Sex« von Diana Richardson wussten wir, das ist genau die Sexualität, die wir gemeinsam entdecken wollen und die uns anspricht. Wir empfanden beide ein klares JA, in diese Richtung weiterzugehen. So begann unsere gemeinsame Forschungsreise der achtsamen Sexualität. Und nach so vielen Jahren entdecken wir auch heute immer noch Neues.

 

TIPPs für Paare:

Macht die Veränderung eurer Sexualität zu einem gemeinsamen Projekt.

Die schönsten Erfahrungen werdet ihr machen, wenn ihr beide etwas verändern wollt.

Nehmt euch vor, einen bestimmten Zeitraum der achtsamen Sexualität zu widmen – zum Beispiel ein halbes oder besser noch ein ganzes Jahr.

Deckt den Tisch neu!

Das bedeutet, dass ihr euch nicht so sehr mit Vergangenem beschäftigt. Vergesst alles, was ihr über Sexualität zu wissen glaubt oder wie Sexualität sein sollte.

Entdeckt sie für euch neu!

Holt euch Unterstützung, wenn ihr das Gefühl habt, ihr bräuchtet Begleitung.

Es gibt viele gut ausgebildete Menschen zu diesem Thema.

Was ist achtsame Sexualität?

Die achtsame Sexualität ist wie bereits erwähnt auch bekannt unter dem Begriff Slow Sex. Diana Richardson ist die Begründerin dieses Begriffes und die Autorin des gleichnamigen Buches. Wir waren bei Diana und ihrem Mann Michael in der Schweiz auf einem ihrer Making Love Retreats, bei dem sie erzählte, dass sie diesen Titel nicht selber gewählt habe. Sie wollte eher etwas wie »achtsamer Sex« nehmen. Doch damals gab es die Bücher zu Slow Food und die Verleger wollten auf diese Erfolgsstory aufspringen. So ist also der Begriff Slow Sex entstanden. Sehr oft werden wir gefragt, ob diese Art von Sex immer nur langsam sei: nein! Hier ist der Begriff tatsächlich irreführend. Achtsame Sexualität kann sehr wohl wild und leidenschaftlich sein. Es geht ums Fühlen im Moment. Und es geht um Kontakt. Kontakt mit uns selbst und Kontakt mit dem Menschen, dem wir sexuell begegnen. Um wirklich wieder ins Fühlen zu kommen, hilft die Langsamkeit sehr – gerade am Anfang. Wir sind es nicht gewohnt, mit aller Aufmerksamkeit auf unseren Sinnen eine Berührung zu geben oder zu empfangen. Wenn wir die Aufmerksamkeit auf unsere Sinne lenken (Fühlen, Schmecken, Riechen, Hören, Sehen), dann werden wir automatisch langsamer und bewusster in unserer körperlichen Wahrnehmung. Hierzu eine einfache Übung zur Verdeutlichung:

2 Minuten

Balle die linke Hand zur Faust und spanne dadurch den linken Arm an. Reibe mit der rechten Hand schnell über die Innenseite des linken Unterarmes. So schnell du kannst. Versuche, diese Berührung auf deinem linken Unterarm bewusst zu fühlen.

Höre abrupt auf.

Was hast du gespürt?

Nun mache diese Übung noch mal mit dem anderen Arm. Lasse hierfür den rechten Arm und die rechte Hand locker. Streichle leicht und langsam mit der linken Hand über die Innenseite des rechten Unterarmes. Versuche, diese Berührung auf dem rechten Unterarm bewusst zu fühlen.

Gehe ganz langsam wieder aus dem Kontakt.

Was hast du nun gespürt?

Sicherlich hast du im ersten Durchgang der Übung bemerkt, dass die Haut warm oder heiß wurde und sich schnell gereizt anfühlte, eventuell sogar unangenehm. Und vielleicht auch, dass es nicht möglich ist, einer so schnellen Bewegung bewusst zu folgen, sie also wirklich zu fühlen. Vielleicht hast du auch bemerkt, wie sich im Rest des Körpers eine gewisse Spannung aufbaute, wie der Atem entweder schneller wurde oder du ihn sogar gepresst beziehungsweise angehalten hast. Bei der langsamen und entspannten Variante konntest du der Berührung sicherlich gut folgen und hast sie als angenehm, interessant und eventuell sogar sinnlich empfunden. Der Muskeltonus im Rest des Körpers blieb womöglich entspannt(er), der Atem ging ruhig und fließend. Vielleicht stimmst du der Aussage zu: Der Körper kann einer langsamen und bewussten Berührung viel besser folgen als einer schnellen.

Wie du dir sicher denken kannst, steht die erste Variante der Übung für die leistungsorientierte Sexualität; also schnelle Rein-Raus-Bewegungen des Lingams in der Yoni. Genauso wie dein Arm – oder deine Hand – dieser Bewegung nicht so gut folgen konnte, können auch Yoni und Lingam dies nicht. Solche hastigen, möglicherweise stoßenden Bewegungen im Sex bewirken das genaue Gegenteil von lustvollem Spüren. Und wir sprechen hier von Spüren, nicht von Geilheit, die sich bei schnellem, reibendem Sex durchaus als tolles Gefühl einstellen kann. Doch bei einer langjährigen Praxis von schnellen und stoßenden Bewegungen, passiert nicht selten Folgendes: Die Genitalien schützen sich. Das Gewebe verhärtet und wird langsam, aber stetig immer unempfindsamer. So kommt es, dass wir immer mehr Druck und Geschwindigkeit brauchen, um Erregung aufzubauen oder zum gewünschten Ziel des Orgasmus zu gelangen. Wenn das Gewebe mit der Zeit mehr und mehr verhärtet, wird der erigierte Lingam immer angespannter und fühlt sich in der Yoni zunehmend wie ein Fremdkörper an. Und die Yoni reagiert nicht selten mit Schmerzen oder Taubheit. Generell wird das Gewebe unserer Genitalien durch diese Art der Berührung eher angespannt und unempfindsam. Also genau das Gegenteil von dem, was wir in der Sexualität suchen: Entspannung und schöne Empfindungen.

Die zweite Variante steht für die achtsame Sexualität: Hier bleibt alles entspannt und geschmeidig. Man weiß nicht, welche Berührung als Nächstes kommt, lässt sich treiben, es gibt kein Ziel, einfach nur genießen. Wenn man ganz in seinem Körper ist, kann man ihm die Führung überlassen und wird oft überrascht, welche Berührungsimpulse sich zeigen. Wenn Yoni und Lingam in dieser Art miteinander verbunden sind, fühlt sich irgendwann alles an wie EIN Körper; die Grenzen verschwinden. Die Yoni ist weich, offen und einladend und heißt den Lingam willkommen. Der Lingam ist biegsam und auch in einer Erektion behält er eine gewisse Weichheit und Beweglichkeit. Ich (Christoph) sage gerne: Der Lingam darf (wieder) zu einem Fühlorgan werden.

Es geht nicht darum, eine bestimmte Technik zu erlernen. Viel wichtiger ist die innere Haltung, mit der du dir selbst und deinem Lieblingsmenschen sexuell begegnest. Nicht WAS du tust, sondern WIE du etwas tust, ist entscheidend. Und eigentlich müssen wir gar nicht so viel TUN, wie wir immer glauben. In unserer Gesellschaft herrscht großer Leistungsdruck auf allen Ebenen. Auch die Sexualität ist hiervon nicht ausgeschlossen. Wir suchen nach neuen Reizen und probieren alles Mögliche aus, um den nächsten Kick zu erfahren. Höher, schneller, weiter! Wir merken gar nicht, dass wir uns dadurch immer weiter von unserem Körper entfernen und zunehmend den Kopf steuern lassen. Wenn du Erfahrung mit Meditation hast, dann weißt du, wie schwer es fällt, die Gedanken loszulassen und im Körper anzukommen. Und wie sehr der Kopf darauf aus ist, die Oberhand zu behalten.

In der achtsamen Sexualität schenken wir dem ganzen Körper unsere Aufmerksamkeit. Yoni und Lingam werden nicht zielgerichtet stimuliert, sondern genauso achtsam und absichtslos berührt wie jedes andere Körperteil auch. Die Sinnlichkeit steht im wahrsten Sinne des Wortes im Vordergrund. Mit allen Sinnen das Hier und Jetzt erleben. Und ganz entscheidend ist hier das Eigenerleben. Hand aufs Herz: Wie oft bist du beim Sex mit deinem Lieblingsmenschen und dessen Erleben beschäftigt? Fragst dich, wie du deinen Lieblingsmenschen berühren sollst, damit es für ihn zur gewünschten Erregung führt? Achtsamkeit heißt, bei sich zu bleiben und gerade in der Sexualität den Fokus auf das eigene Erleben zu richten. So paradox es klingt: Je mehr du bei dir bist und dich selbst spüren, deinen Körper und alle seine Sinne auf Empfang stellen kannst, desto mehr wird deine Berührung bei deinem Lieblingsmenschen ankommen. Dazu später noch mehr.

Entspannung spielt eine ebenso große Rolle in der achtsamen Sexualität. Nur in einem entspannten Körper kann die sexuelle Energie ins Fließen kommen und sich ausbreiten. Im Leistungssex hingegen konzentriert sich die Energie meist nur in dem Bereich rund um die Genitalien. Stell dir vor, die Empfindungen, die du von einem Orgasmus kennst, würden durch deinen ganzen Körper fließen. Ohne, dass du gerade einen (herkömmlichen) Orgasmus erlebst…

Die Erregung spielt in der achtsamen Sexualität, genau wie der Orgasmus, keine Hauptrolle. Erregung ist etwas, das sich in der achtsamen Sexualität ganz von allein entfalten darf, der Sinnlichkeit folgend. So oft sind wir in der leistungsorientierten Sexualität damit beschäftigt, möglichst schnell eine hohe Erregung zu erzeugen, die dann bestenfalls in einem Orgasmus gipfelt. Idealerweise auch noch gleichzeitig mit dem Lieblingsmenschen. In der achtsamen Sexualität sind Erregung und Orgasmus jederzeit willkommen, stellen jedoch kein Ziel dar, das es zu erreichen gilt. Auch eine sexuelle Begegnung ohne Orgasmus ist eine wertvolle, intime, verbindende Erfahrung. Wir fühlen das, was da ist und beschäftigen uns nicht damit, uns gegenseitig irgendwohin zu bringen. Oder irgendeine Vorstellung von Sexualität zu bedienen. Diese Annahmen kommen in der Regel aus unseren Konzepten über Sexualität, also aus unserem Kopf. Dort hineingelangt sind sie aus unserem Umfeld, der Gesellschaft und den Medien. In der achtsamen Sexualität ist jede Begegnung neu und anders. Es gibt nichts zu wiederholen oder zu erreichen, sondern immer nur die Schönheit des aktuellen Momentes zu erfassen und zu genießen. Uns persönlich hilft es sehr, die Erregung eher im mittleren Bereich zu halten und immer, wenn wir bemerken, dass sie stark ansteigt, uns wieder etwas abzukühlen. Als bildhaftes Beispiel: Du bist eine Woche in den Bergen und siehst um dich herum einige Gipfelkreuze. Dein auserkorenes Ziel ist es, in dieser Woche möglichst viele davon zu erreichen und abzuhaken. Also gehst du schnellen Schrittes deinem Ziel entgegen, ohne nach links und rechts zu schauen, kommst körperlich angestrengt am Gipfel an, um dann ein Foto zu machen und den Rückweg anzutreten, da der nächste Gipfel ja schon wartet. In der achtsamen Sexualität geht es vielmehr um den Weg an sich als um das Ziel. Du nimmst jeden Schritt wahr, entdeckst bezaubernde Blumen am Wegesrand, hörst das Pfeifen der Murmeltiere, riechst das frisch gemähte Gras der Almwiesen, siehst Schmetterlinge und genießt eine Pause mit nackten Füßen in einem kühlen Gebirgsbach. Und vielleicht entscheidest du dich auf dem Weg ganz bewusst, bis zum Gipfel zu wandern, um dort die Aussicht in vollen Zügen zu genießen. Also stelle dir die achtsame Sexualität eher wie ein Spaziergang als einen Sprint vor.

Ein weiterer, wichtiger Aspekt in der achtsamen Sexualität ist die Kommunikation. Wenn wir beim Thema Sex an Kommunikation denken, dann wandern die Gedanken schnell zum Dirty Talk. Also einer Sprache, die wir aus Pornos kennen und die die Erregung steigern soll. Das kann durchaus spannend und sexy sein. Was wir jedoch meinen, ist ausdrücken zu können, was genau mein Körper gerade fühlt, braucht und will. Und dies in einer Sprache, die sich keiner Kraftausdrücke bedient. Ebenso geht es darum, Zugang zur eigenen Wahrnehmung und den eigenen Gefühlen zu bekommen und diese auch auszudrücken. Hierzu fehlen uns oft die Worte, zuweilen auch eine innere Erlaubnis. Über Gefühle zu sprechen ist in unserer Gesellschaft eher unüblich, wenn nicht sogar verpönt. Wenn wir über unsere Gefühle sprechen, machen wir uns emotional verletzbar, quasi nackt. So sind wir in der achtsamen Sexualität nicht nur körperlich, sondern auch emotional ohne Hüllen. Das erfordert eine große Portion Ehrlichkeit und Mut.

Achtsame Sexualität ist für uns:

absichtslos,

denn jede Begegnung ist wie ein weißes Blatt Papier, immer wieder neu und ergebnisoffen,

sinnlich,

denn du wirst dir und deinen Sinnen begegnen,

nah,

denn durch die Begegnung mit dir selbst, öffnest du dich auch deinem Lieblingsmenschen,

verbindend,

denn du kommst mit deinen Gefühlen in Kontakt und kommst so in einen Austausch von Herz zu Herz,

entspannend,

denn du musst nichts leisten, nichts beweisen oder funktionieren,

berührend,

denn der ganze Körper »spielt« mit,

nährend,

denn deine tiefste Sehnsucht nach Nähe und Annahme wird gestillt.

Was macht den Unterschied?