Achtsame Selbstführung und Führung im Schulsystem - Günter Engel - E-Book

Achtsame Selbstführung und Führung im Schulsystem E-Book

Günter Engel

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Beschreibung

Schulleiterinnen und -leiter sitzen zwischen allen Stühlen. Der Arbeitsalltag ist geprägt von hohem Arbeitstempo und vielen Unterbrechungen. Im Bemühen, trotz Lehrermangels, geringen Ressourcen und hohem Erwartungsdruck, die Schule gut und engagiert führen zu wollen, überschreiten Leitungspersonen oft ihre Belastungsgrenze. Basierend auf realen Praxisbeispielen, zeigt Günter Engel, selbst erfahrener Schulleiter und systemischer Berater, wie mit achtsamer Selbstführung und systemischen Kompetenzen elegante Lösungen und ein inneres Gleichgewicht im Führungshandeln gefunden werden können. Theoretisches und praktisches Wissen im Umgang mit Konflikten, Zwickmühlen und anderen emotional Schwierigen Konstellationen geben den Leserinnen und Lesern Handlungsmöglichkeiten an die Hand und einen realen Einblick in die täglichen Herausforderungen von Schulleitern und -leiterinnen. Die Umsetzung der beschriebenen Werkzeuge führt zu mehr Gelassenheit und höheren Präsenz im komplexen Berufsfeld Schule.

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Leben.Lieben.Arbeiten SYSTEMISCH BERATEN

Herausgegeben vonJochen Schweitzer undArist von Schlippe

Günter Engel

Achtsame Selbstführung und Führung im Schulsystem

Herausforderungen – Zwickmühlen – Lösungen

Mit 6 Abbildungen und einer Tabelle

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,

Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: akiyoko/shutterstock.com

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2625-6096

ISBN 978-3-647-99945-6

Inhalt

Zu dieser Buchreihe

Vorwort von Jochen Schweitzer

Einleitendes

I Der Kontext

1Herausfordernde Aufgaben von Schulleitern

1.1Praxisbeispiel 1: »Herr Göbel, ich habe nichts gegen Sie persönlich, aber …«

1.2Praxisbeispiel 2: »Herr Göbel, soll ich ehrlich sein? Frau Müller muss weg!«

1.3Praxisbeispiel 3: »Ich schmeiß den Kram hin, ich habe die Nase voll!«

1.4Multitalent in der Sandwichposition

1.5Gefangen im Dilemma

1.6Schulleiterin, Lehrerin und Sekretärin

1.7Schulleiter zwischen Gestalter und Verwalter

1.8Personalentwicklerin zwischen Schulbehörde und Schule

1.9Umgang mit Angst, Wut und anderen Emotionen

1.10Konflikte begrüßen lernen

1.11Leitung mit Neuer Autorität, (k)ein Problem?

1.12Nerven wie Drahtseile

1.13Fragmentierte Arbeit im Hamsterrad

1.14Verteilte Führungsverantwortung im Schulleitungsteam

II Die systemische Beratung

2Theoretische und praktische Werkzeuge zur Entwicklung achtsamer Selbstführung und Führung in Schulen

2.1Schulleiterin als Teil des Systems

2.2Jeder Zeit können wir die Dinge auch anders sehen

2.3Kommunikationssystem Schule ist nicht linear steuerbar

2.4Kontextsensibilität und Kontextgestaltung

2.5Reframing – Interesse für den anderen Blick

2.6Dilemma Kompetenz entwickeln

2.7Die Polyvagaltheorie – Erzeugung von Sicherheit und Präsenz in der Kommunikation

2.8Prämissen eines systemischen Konfliktmanagements

2.9Konzept »Konflikte begrüßen lernen« – ein erprobtes Werkzeug für die Schulleitung

2.10Selbstführung in der Führungsarbeit

2.11Rad der Selbstführung – ein praktisches Werkzeug für Schulleiterinnen und -leiter

3Gelungene Praxis

3.1Lösung zum Praxisbeispiel 1

3.2Lösung zum Praxisbeispiel 2

3.3Lösung zum Praxisbeispiel 3

3.4Musterwechsel in der Dienstbesprechung

3.5Einladung zur transparenten Kommunikation

3.6Neutralität statt Koalitionen

3.7Selbstfürsorge im Dilemma zwischen Erlass und Entwicklung

3.8Herr Göbel wirkt irgendwie gelassener

III Am Ende

Literatur

Dank

Der Autor

Zu dieser Buchreihe

Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwermachen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) betreffen unsere intimen Beziehungen, deren Anfang und deren Ende, Liebe und Hass, Fürsorge und Vernachlässigung, Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten.

Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrieben, allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungen« werden skizziert. Auf unter 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick.

Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Therapie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen Grundlagenwissen (1996/2012) und zum störungsspezifischen Wissen (2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das kontextspezifische Wissen der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben. Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind.

Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten.

Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe

Vorwort

Ich könnte dieses Vorwort mit mehreren Problembeschreibungen beginnen, was in Bezug auf das System Schule eine lange Tradition hat, etwa mit dem folgenden Witz, den Sie als Leserin vermutlich in verschiedenen Variationen kennen:

»Mama, ich will nicht in die Schule! – »Kind, warum denn nicht?« – »Mama, die sind alle so böse zu mir!« – (Nach mehreren weiteren, die Mutter entnervenden Sequenzen): »Kind, nun reiß dich mal zusammen und geh hin, schließlich bist du doch der Direktor!«.

Oder mit dem Zitat eines Schulleiters in diesem Buch (S. 24 in Kap. 1.4): »Ich fühle mich nicht wie der Käse im Sandwich, sondern wie das Hackfleisch im Hamburger«. Oder mit dem Zweizeiler: »Schulleiter werden ist nicht schwer, Schulleiter sein dagegen sehr« – eine kurze Formel für die Tatsache, dass deutschlandweit derzeit zahlreiche Schulleitungsstellen nicht besetzt und nicht besetzbar sind. Warum eigentlich ist die ehemals hochrespektierte Stelle einer Schulleitung etwas, das Schulämter derzeit wie saures Bier anbieten müssen? (Eine Frage, die dieses Buch überzeugend beantwortet).

Viel lieber beginne ich das Vorwort, nach zweimaliger und für mich jedes Mal gewinnbringender Lektüre des Textes, mit einem Kompliment an seinen Autor. Günter Engel schreibt dieses Buch hauptsächlich für Schulleiter, für Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleiter werden wollen und für Berater, die Schulleitungen und Schulleitungsteams zur Seite stehen. Aber eigentlich ist es ein tolles Buch für jede Führungskraft, die entspannt, achtsam und lebensfroh sich selbst und andere führen möchte. Für Menschen, die anstrengende Probleme in »reizvolle Herausforderungen« umformen möchten, die »Konflikte begrüßen« lernen wollen, die dabei zugleich mit sich und ihren Mitarbeitern »achtsam« umgehen möchten. Und für alle, die Führungskräfte bei diesem Unterfangen beraten.

Günter Engel ist ein Schulleiter mit einem besonderen Spektrum an Begabungen, Ausbildungen, Erfahrungen und Blicken auf die Welt. Wie viele seiner Generation nach Studienabschluss in den 1980er Jahren erst einmal nicht als Lehrer eingestellt, wurde er zunächst systemischer Familientherapeut. Er arbeitete in der ambulanten Familienberatung und in der ambulanten Suchttherapie. Später ist er dann doch Lehrer geworden, er gründete einen Schulzirkus, der mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde und mit dem er durch ganz Deutschland tingelte. Er bildete sich zum systemischen Supervisor und im systemischen Schulmanagement weiter, wurde im Saarland Landesbeauftragter für Gesunde Schulen und schließlich mit fast 50 Jahren Rektor einer Gemeinschaftsschule. Über 15 Jahre Selbsterfahrung als Schulleiter werden bei ihm durch langjährige Tätigkeit in Lehrerfortbildung, Schulbegleitung und Schulleitungscoaching ergänzt. In den letzten Jahren kamen bei ihm die Beschäftigung mit Achtsamkeitspraktiken und mit der Neurobiologie hinzu. Achtsamkeitsübungen vor Arbeitsbeginn und Saxofonspielen nach dem täglichen Arbeitsende geben in seiner heutigen Schulleiterpraxis anstrengenden Arbeitstagen einen guten Rahmen.

All diese satte Lebenserfahrung, kunstvoll kumuliert mit system- und anderen ergänzenden theoretischen Perspektiven, versammelt sich in diesem Buch. Leserinnen und Leser finden vertraute Lösungsansätze wie Dilemmakompetenz (Zwack u. Bossmann, 2017), Neue Autorität (Omer u. von Schlippe, 2002, 2004; Baumann-Habersack, 2019), Polykontexturalität (von Schlippe, 2019), die polyvagale Co-Regulation (Porges, 2010) oder das Rad der Selbstführung (angelehnt an Molter u. Nöcker, 2018), allesamt sehr elegant auf Schule angewandt, in diesem Buch in kreativer Abwandlung wieder. Nichts davon bleibt abstrakter Slogan, jedes vom Autor eingeführte Theoriefragment wird sogleich zum praktischen Handwerkszeug, umsetzbar in Mimik, Gestik, Bewegungen, Atmung, Sprechweise, Selbsterkundung, Klärungsgesprächen und Konferenzen.

Durch das Buch begleitet uns der fiktive Schulleiter Göbel. Zu Beginn leiden wir mit ihm in mehreren heiklen Situationen und an überfordernden Arbeitstagen. Am Ende des Buchs freuen wir uns mit ihm, wie er vielen Gefahrenmomenten glücklich entronnen ist. Vielleicht beginnen wir die Lektüre sogar mit dem abschließenden Kapitel »Herr Göbel wirkt irgendwie gelassener«. Da sehen wir, wie Herr Göbel all die Anregungen dieses Buchs sich zu eigen gemacht hat und nun freundlich lächelnd, mit Blickkontakt und aufrechtem Gang, präsent und ausgeglichen durch seinen Schulleitungstag wandert, und wie sich diese Veränderung auf das von ihm geführte System Schule ausweitet. Und in dem Augenblick, gestehen wir es uns ein, da möchten wir alle gern ein bisschen wie Herr Göbel sein.

Aber wir wünschen Schulleiter Göbel auch, dass sich im System Schule in den nächsten Jahrzehnten manches zum Besseren wenden möge, was er als Schulleiter nicht allein beeinflussen kann. Man wünscht ihm, dass seine Schule von Schulamt und Kultusministerium mehr Selbständigkeit in Personalbesetzung und Unterrichtsgestaltung zugestanden bekommt, er selbst mehr Stunden für seine Leitungstätigkeit und genügend Sekretariatsunterstützung erhält, dass Eltern und Schüler wieder respektvoller gegenüber Lehrern und Schulleitung agieren und dass Lehrerkollegien sich vermehrt als Kollektive verstehen, in denen es sich gemeinsam besser arbeitet als allein.

Nun wünsche ich jeder Leserin oder jedem Leser, sie oder er möge nach der Lektüre eine ähnliche glückliche Metamorphose erleben wie Schulleiter Göbel.

Jochen Schweitzer

Einleitendes

Worum geht es?

Händeringend werden Schulleiter1 gesucht. Viele Schulleiterstellen sind in Grundschulen unbesetzt. Wenn sie besetzt werden, sind es oft junge Lehrerinnen, die mit viel Leidenschaft und Herzblut an diese komplexe Aufgabe herantreten. Wie können wir als Führungskraft im Schulsystem, zwischen allen Stühlen sitzend, die vielfältigen Herausforderungen gut bewältigen? Wie können wir achtsam mit uns und unseren Kollegen, den Eltern und Schülerinnen und Schülern umgehen lernen? Es geht in diesem Buch darum, wie wir selbst Einfluss auf uns nehmen können. Es geht um achtsame Selbstführung und Führung in einem herausfordernden Terrain. Die dafür hilfreichen, theoretischen und praktisch erprobten Werkzeuge werden in diesem Buch an Praxisbeispielen vorgestellt.

Viele meiner Kolleginnen und Kollegen erleben Herausforderungen, die an die Grenzen der Belastbarkeit gehen und manchmal auch darüber hinaus. Dabei erbringen viele Schulleiterinnen mit ihrem Kollegium, der Schülerschaft und den Eltern erstaunliche Erfolge. Die vielen Schulen, die sich jährlich beim Schulpreis der Bundesländer und beim Deutschen Schulpreis beteiligen, zeigen exemplarisch, was Führungskräfte in Schulen zusammen mit Mitgliedern der Schulgemeinschaft schon seit Jahren leisten können (www. deutscher-schulpreis.de). Die psychischen und physischen Kosten für die einzelnen Schulleiter und Mitglieder des Schulleitungsteams sind in den Schulen unterschiedlich hoch. Besonders junge Schulleiterinnen in Grundschulen stehen unter einem enormen Belastungsdruck und können kaum Arbeiten delegieren. Obwohl eine Schulleiterin gesetzlich die Verantwortung für die Leitung der Schule hat, ist die Macht ihrer Führungsposition begrenzt (Jahn, 2017). So soll sie Personalentwicklung betreiben, darf aber keine Kolleginnen selbst einstellen oder entlassen. Sie soll eine moderne Schule von unten entwickeln und gleichzeitig strategische Entscheidungen umsetzen, an denen sie nicht beteiligt wird. Es sind weniger die Managementaufgaben, die uns Schulleitern Stress verursachen, sondern die Situation, dass wir zwischen allen Stühlen sitzend, vielen Stakeholdern gerecht werden sollen. Die teilweise widersprüchlichen Erwartungen und Aufgaben können unvorbereitet und ohne eine gute Selbstführung und Selbstfürsorge auf Dauer zu erheblichen gesundheitlichen Belastungen führen. Gesunde Schule gelingt nur mit gesunder Schulleitung.