Achtsamkeitsbasierte Persönlichkeitsentwicklung - Gabriele Kieser - E-Book

Achtsamkeitsbasierte Persönlichkeitsentwicklung E-Book

Gabriele Kieser

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Beschreibung

Praxishandbuch, das Pflegenden eine einfache Methode an die Hand gibt, um ihre sich weiter entfaltenden Persönlichkeit und die sich entwickelnde berufliche Tätigkeit in Einklang zu bringen. Die Entscheidung für einen Gesundheits-, Pflege- und Sozialberuf sagt oft viel über eine Person und das, was sie ist, aus: über ihre Fähigkeiten und Qualitäten, ihre tiefen Werte, ihre Träume, ihre Visionen und das, was ihr im Leben wichtig ist. Darum ist die Entscheidung oft mit einem hohen Anfangselan verbunden. Die Kunst ist es, diesen Elan im Berufsalltag zu vertiefen und langfristig lebendig zu halten. So können die hohen Herausforderungen bewältigt werden, denen Berufstätige in der Pflege, Begleitung, Beratung, Heilung und Schulung von Menschen in oft schwierigen Lebenssituationen begegnen. Andernfalls drohen Erschöpfung, Burnout oder zunehmende Gleichgültigkeit. Die wachsende Kongruenz zwischen der eigenen sich weiter entfaltenden Persönlichkeit und der sich entwickelnden beruflichen Tätigkeit ist im besten Fall ein Prozess, der das ganze Berufsleben hindurch andauert. Dieser Prozess vertieft die Vitalität der Person, die sich positiv auf ihren eigenen Elan und natürlich auch auf den Elan der Personen in ihrer Umgebung auswirkt. Ziel des Buches ist es, für diesen Prozess zu sensibilisieren und eine wirksame Methode für Menschen in Gesundheitsberufe anzubieten, um deren persönliche und berufliche Entwicklung in Einklang zu bringen, auf den Körper zu hören, Gefühle zu achten und selbstbestimmt zu leben. Konkret bietet das Praxisbuch rund 20 Fallbeispiele und über 50 Übungen zur Selbstflexion und Analyse persönliche Erfahrungen.

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Seitenzahl: 245

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Gabriele Kieser

Achtsamkeitsbasierte Persönlichkeitsentwicklung

Praxisbuch für Menschen in Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen

Achtsamkeitsbasierte Persönlichkeitsentwicklung

Gabriele Kieser

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Franz Wagner, Berlin; Angelika Zegelin, Dortmund

Dr. Gabriele Kieser. Promotion in Spiritueller Theologie, Logotherapieausbildung bei der renommierten Frankl-Schülerin Prof. Dr. Elisabeth Lukas, seit 2006 Ausbilderin der PRH-Persönlichkeitsentwicklung. Arbeitet als Seelsorgerin in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, als Seelsorgerin für Seelsorgende im Bistum Basel sowie als Seminarleiterin und Personal Coach in der Schweiz, in Österreich und Deutschland.

PRH-Persönlichkeitsentwicklung

Gotthelfstrasse 6

4054 Basel

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Pflege

z.Hd.: Jürgen Georg

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Martina Kasper, Linnéa Hölterhoff

Bearbeitung: Martina Kasper

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: © Getty Images/Westend 61

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Kapiteltrennerfotos: Jürgen Georg, Schüpfen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2020

© 2020 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95947-4)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75947-0)

ISBN 978-3-456-85947-7

http://doi.org/10.1024/85947-000

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Ich widme dieses Buch dankbar verbunden meinen Lehrerinnen

Ignatia Kretz,

Elisabeth Lukas,

Magda Uyttersprot und

Micheline Gagnon,

stellvertretend für alle,

ohne die ich nicht das geworden wäre,

was ich heute bin.

Und Andrea Dicht,

stellvertretend für alle,

die mein Leben schön gemacht haben.

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Vorwort

Einleitung: Gesundheitsberufe – Chancen und Risiken

1 Persönlichkeitsentwicklung im Gesundheitsberuf

1.1 Becoming myself – Schlüsselerlebnisse

1.2 Wie lautet Ihr Satz?

1.3 Auch Personen haben eine Mission

1.4 Persönlichkeitsentwicklung, Vitalität und Wirksamkeit

2 Persönlichkeitsentwicklung: die Vision der Humanistischen Psychologie

2.1 Drei wichtige Vertreter und ihre Hauptanliegen

2.1.1 Carl Rogers: Menschen sind in ihrem innersten Kern gut

2.1.2 Abraham H. Maslow: Menschen wollen wachsen

2.1.3 Viktor E. Frankl: Menschen brauchen Sinn

2.2 Die PRH-Persönlichkeitsentwicklung als Teil der Humanistischen Psychologie

2.2.1 André Rochais: Persönlichkeitsentwicklung ist Weltentwicklung

2.2.2 Gründung und Geschichte von „Personnalité et Relations Humaines“ (PRH)

3 Achtsamkeit und Persönlichkeitsentwicklung

3.1 Zen im Westen

3.2 Zen und Persönlichkeitsentwicklung

3.3 Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR)

3.3.1 Jon Kabat-Zinn

3.3.2 Achtsamkeitsübungen

3.4 Achtsamkeitsbasierte Persönlichkeitsentwicklung PRH

4 Die Kunst der Persönlichkeitsentwicklung

4.1 Fünf Beobachtungsfelder von PRH

4.1.1 Das Sein

4.1.2 Das Ich

4.1.3 Der Körper

4.1.4 Die Gefühle

4.1.5 Das Tiefe Gewissen

4.1.6 Die menschliche und materielle Umgebung

4.2 Eine präzise Methode: die PRH-Erfahrungsanalyse

4.2.1 Eine neue Art, sich auszudrücken

4.2.2 Eine wichtige Unterscheidung: Situation und Empfindung

4.2.3 Die Übung der ungeteilten Aufmerksamkeit

4.2.4 Die Persönliche Erfahrungsanalyse (PEA)

4.3 Ein Ziel

4.4 Die Falle und ihre Folge: das Burn-out-Syndrom

5 Das Sein: den Kern der eigenen Persönlichkeit entwickeln

5.1 Wie ich wurde

5.1.1 Personen, die mich positiv geprägt haben

5.1.2 Tätigkeiten, die mich angezogen haben

5.2 Der Kern meiner Persönlichkeit heute

5.2.1 Was liegt mir?

5.2.2 Welche Personen und Personengruppen liegen mir?

5.2.3 Welche Kolleginnen und Kollegen inspirieren mich?

5.2.4 Was macht mich glücklich?

5.2.5 Wo erlebe ich Sinn?

5.3 Was in mir will sich weiterentwickeln?

5.3.1 Wenn die Fee käme

5.3.2 Das eigene Potenzial verwirklichen

5.3.3 Warum ist das gerade im Gesundheitsberuf wichtig?

6 Das Ich: das eigene Leben führen

6.1 Ohne Rücksicht auf Verluste

6.2 Out of order?

6.3 Das Ich führt und dient

6.3.1 Interesse und Engagement

6.3.2 Die Wirklichkeit, wie sie ist

6.3.3 Das Selbstbild

6.3.4 Freiheit und Wille

7 Auf den Körper hören

7.1 Habe ich Reaktionen?

7.2 Ein Loblied auf die Regeneration

7.3 Die Quelle der Kraft für die Arbeit

8 Auf die Gefühle achten

8.1 Die schönsten Momente in der Woche

8.2 Gefühle in schwierigen Beziehungen und Situationen

8.2.1 Negative Gefühle wahrnehmen

8.2.2 Unverhältnismäßige und sich wiederholende Reaktionen

8.2.3 Die Unterscheidung im beruflichen Alltag treffen

8.2.4 Exkurs: Das Helfer-Syndrom?

9 Das Tiefe Gewissen: Kompass für gute Entscheidungen

9.1 Erwartung anderer erfüllen: das Sozialisierte Gewissen

9.2 Eigene Vorstellungen erfüllen: das Zerebrale Gewissen

9.3 Tun, was stimmt: das Tiefe Gewissen

9.3.1 Ort der Synthese

9.3.2 Wie gute Entscheidungen treffen?

9.4 Pfade und Grundhaltungen des Wachstums

9.4.1 Die sechs Pfade des Wachstums

9.4.2 Die fünf Grundhaltungen

10 Der inneren Lebensdynamik folgen

10.1 Die Spitze des Pfeils – Ort der Präsenz

10.2 Konsequente Analyse der Äußerungen des Seins

10.3 Sinn bedeutet auswählen und weglassen

10.4 Der Sinn meines Lebens

11 Konsequenzen für Personen, Organisationen und die Welt

11.1 Menschen, die ihr Potenzial umfassend entfalten

11.2 Organisationen als kollektives menschliches Potenzial

11.3 Eine Zukunftsvision

Anhang

Dank

Beispiele für Selbstreflexionen

Abkürzungsverzeichnis

Adressen der PRH-Persönlichkeitsentwicklung

PRH-International Bücher

PRH-Ausbilderin/PRH-Ausbilder werden

Quellenangaben zu den Zitaten

Abbildungs- und Arbeitsblattverzeichnis

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|11|Vorwort

„Zu werden, wer wir sind, ist sicherlich eine der erfüllendsten Formen von Glück, die wir als Mensch erleben können“. (André Rochais)

Diesen Satz hatte ich mir vor einigen Jahren als Motto für meine Arbeit genommen und er ist es seither geblieben. Er inspiriert mich. Und ich sehe gerne und oft bei anderen Menschen, wie sehr er zutrifft.

Ich sehe es auch in meinem Leben. Was ich heute bin, entwickelte sich über viele Jahre und Stationen meines Lebens. Es gab Wege und Umwege. Was mir geholfen hat, war die Bereitschaft, weiterzugehen und stets meiner Intuition zu folgen. Ich wurde Theologin und Logotherapeutin, arbeitete in Gemeinden und als Lehrerin, doktorierte über Spiritualität und arbeitete in einem Pfarramt für Industrie und Wirtschaft, führte eine Beratungsstelle „Time-Out“ und wurde Ausbilderin der PRH-Persönlichkeitsentwicklung. Heute bin ich Seelsorgerin für Menschen in der Krise, begleite in Kursen und Coachings Menschen in ihrem Wachstumsprozess, doziere manchmal und schreibe. Ich bin ein glücklicher Mensch. Und ich mache mehr denn je, was zu mir passt. Beides hängt eng zusammen.

Ich bin davon überzeugt, dass es gerade für Menschen in Gesundheitsberufen wichtig ist, dass sie in Entwicklung bleiben, immer mehr sie selbst werden, das machen, was zu ihnen passt, das, was sie am besten können und bei dem sie am meisten bei der Sache sind. Dabei fasse ich Gesundheitsberufe weit (in Anlehnung an die Gesundheitsdefinition der WHO): Pflegekräfte, Therapeutinnen und Ärzte, Lehrerinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen, Seelsorgende und Sozialarbeiter. Menschen, die sich um das physische, psychische, geistige und soziale Wohlbefinden von jungen und alten, gesunden und kranken, traurigen und glücklichen Menschen kümmern. Die sich mit ihrer ganzen Person einsetzen und mit ihrer ganzen Person wirken. Die einen sehr schönen Beruf haben, aber auch einen, der in besonderem Maße krank machen kann.

Dieses Buch richtet sich direkt an Sie, Frauen und Männer in den Gesundheitsberufen. Ich werde über die Chancen der kontinuierlichen Persönlichkeits|12|entwicklung für Ihre Berufsgruppe schreiben und Ihnen Impulse geben, wie Persönlichkeitsentwicklung im Alltag geschehen kann. Ich werde Sie nach Ihren Erfahrungen fragen und Ihnen Übungen vorschlagen.

Viele von Ihnen haben einen harten Job, den sie dennoch lieben. Falls Ihr Feuer erlischt und Ihre Kraft abnimmt, möchte ich auf Fallen hinweisen und Auswege zeigen.

Mein Ziel ist es, Ihnen Wissen zu vermitteln, Ihnen Mut zu machen und Ihre Lust zu wecken, Sie selbst zu werden – jeden Tag.

Es geht um Ihr Glück!

Gabriele Kieser

Oktober 2019

|13|Einleitung: Gesundheitsberufe – Chancen und Risiken

„Manchmal spricht die tiefe Intuition sehr leise. Aber wenn du ihr Flüstern dann hören kannst und wenn sie dein Herz höher schlagen lässt, und wenn sie dir etwas sagt, von dem du denkst, dass du es den Rest deines Lebens tun willst: Dann wird es das sein, was du für den Rest deines Lebens tun wirst. Und alles, was du tust, wird die Welt bereichern“. (Steven Spielberg)

Es gibt Menschen in den Gesundheitsberufen, die wussten schon von klein auf, welchen Beruf sie einmal ergreifen würden. Bei einem Krankenbesuch im Spital oder der Pflege der Großmutter, im Unterricht beim Lieblingslehrer oder im Spiel mit dem kleineren Geschwisterchen war der Wunsch plötzlich glasklar da: Das will ich werden! Das bin ich! Andere haben den Beruf eher zufällig ergriffen, intuitiv. Sie setzen sich erst im Laufe ihres Berufslebens mit der Frage auseinander, was genau an diesem Beruf zu ihnen passt und warum sie gerade diesen Beruf ergriffen haben. Fest steht, dass sich ein Gesundheitsberuf nur schwer – zumindest längerfristig – ohne eine gewisse Identifizierung mit der Aufgabe ausüben lässt.

Klar, es gibt sie: Lehrer, die Kinder hassen, Pflegekräfte, die von den Patienten nur noch angenervt sind, Pfarrer, die selbst nichts mehr glauben und Therapeutinnen ohne Hoffnung. Aber das ist die Minderheit: Menschen, die einen Gesundheits- und Sozialberuf angefangen haben und dort nicht oder nicht mehr hinpassen. Ein Teil von ihnen ist wirklich so. Ein anderer Teil ist mit der Zeit durch Enttäuschungen, Überforderung, Alleingelassen-Werden oder unmögliche Arbeitsbedingungen erst so geworden. Manchmal sind es gerade die Menschen, die sich anfangs am meisten mit der Aufgabe identifizierten und mit großem Elan und hohen Idealen gestartet sind.

Die Entscheidung für einen Gesundheits- und Sozialberuf sagt oft viel über eine Person aus und das, was sie ist: über ihre Fähigkeiten und Qualitäten, ihre tiefen Werte, ihre Träume und Visionen und das, was ihr im Leben wichtig ist. Darum ist die Entscheidung auch oft mit einem hohen Anfangselan verbunden. Die |14|Kunst ist es, diesen Elan im Berufsalltag zu vertiefen und über die Jahre lebendig zu halten. So können die hohen Herausforderungen bewältigt werden, denen Berufstätige in der Pflege, Begleitung, Beratung, Heilung und Schulung von Menschen in oft schwierigen Lebenssituationen begegnen, andernfalls drohen Erschöpfung, Burn-out oder wachsende Gleichgültigkeit.

Ein Weg, dies zu ermöglichen, soll Thema dieses Buches sein: die wachsende Übereinstimmung zwischen der eigenen Persönlichkeit und der beruflichen Tätigkeit. Dabei entfaltet sich die eigene Persönlichkeit stetig weiter und die berufliche Tätigkeit entwickelt sich im besten Falle passend zu ihr mit. Beides stimuliert sich gegenseitig. Dieser Prozess vertieft die Vitalität der Person, die sich positiv auf ihren eigenen Elan und natürlich auch auf den Elan der Personen in ihrer Umgebung auswirkt. Ziel des Buches ist es, für diesen Prozess zu sensibilisieren und eine einfache Methode für die konsequente Entwicklung dieser wachsenden Kongruenz aufzuzeigen. Wenn dabei ebenso aufmerksam auf die Befindlichkeit des Körpers und der Gefühle geachtet und Rücksicht genommen wird, ist das der Schlüssel für ein erfülltes und wirksames Berufsleben.

Steven Spielbergs tiefe Intuition war es, Filme zu machen, und er lebt sie als Regisseur und Produzent bis heute. Begonnen hat er als Zehnjähriger mit einer 8-mm-Kamera, die Faszination hat ihn nie verlassen und ihn seinen – zugegebenermaßen außergewöhnlichen – Weg finden lassen. Aber nicht nur einzelne hervorragende Gestalten haben in sich eine tiefe Intuition. Es gibt diese Intuition in jeder und jedem von uns. Es kann genau diese Art zu unterrichten sein, die ganz spezielle Fähigkeit im Pflegeberuf, die Begeisterung für eine Fachrichtung der Medizin bzw. einen Teil davon oder ein Projekt, das wie für mich gemacht ist. Es ist nicht immer leicht, diese tiefe Intuition zu hören, weil wir in unserer Gesellschaft so wenig darin geschult werden. Aber es lässt sich lernen.

Sie werden in diesem Buch etwas über das Abenteuer der Persönlichkeitsentwicklung erfahren und selbst Teil dieses Abenteuers werden. Das ist der Sinn der Selbstreflexionen und Erfahrungsanalysen, die regelmäßig angeboten werden. Fühlen Sie sich frei: Machen Sie jene, die Sie interessieren, und lassen Sie andere weg. Machen Sie diese schriftlich für sich alleine oder tauschen Sie sich mit Kollegen oder Freundinnen aus.

Falls es für Sie hilfreich ist, finden Sie im Anhang für jede der Selbstreflexionen Beispiele, die klären, anregen und Ihnen den Zugang erleichtern können. Nach einiger Übung wird es einfach sein. Für die Erfahrungsanalysen, die ab dem 5. Kapitel folgen, gibt es keine Beispiele mehr, sodass Sie Ihren persönlichen Weg, den Sie darin gehen werden, ganz ohne Ablenkung gehen können. Die Beispiele für die Selbstreflexionen und die Fallbeispiele, die ich gelegentlich im Verlaufe des |15|Buches zur Verdeutlichung gebe, greifen alle auf Erfahrungen zurück, die ich in Kursen und Gesprächsbegleitungen gemacht habe. Ich habe sie aber so verändert, dass keine konkreten Personen erkennbar sind.

Unter jeder Kapitelüberschrift finden Sie ein von mir passend gewähltes Zitat, das ein Eingangstor zum folgenden Inhalt sein kann (die Quellenangaben zu den Zitaten finden Sie im Anhang). Wenn Sie möchten, schreiben Sie es ab und kleben Sie es auf Ihren Kühlschrank, in Ihren Kleiderschrank oder an Ihren Spiegel. Vielleicht kann es etwas in Ihnen zum Klingen bringen und Ihnen den Zugang zum Text und zu sich erleichtern.

|17|1 Persönlichkeitsentwicklung im Gesundheitsberuf

„Inzwischen glaube ich, dass Erwachsene einem Kind kaum eine sinnlosere Frage stellen können als: Was willst du mal werden, wenn du groß bist? Als ob das Werden ein Ende hätte. Als ob man irgendwann etwas geworden ist, und damit hat es sich dann“. (Michelle Obama)

|19|1.1 Becoming myself – Schlüsselerlebnisse

Irvin D. Yaloms Biografie habe ich mit großem Interesse gelesen. „Wie man wird, was man ist“, so die etwas umständliche deutsche Übersetzung von „Becoming myself“ des amerikanischen Originaltitels. Der große Psychotherapeut und Geschichtenerzähler Yalom erzählt darin seinen Lebensweg. Beim Lesen ist mir einmal mehr aufgefallen, wie wichtig einzelne Begegnungen und Ereignisse für die Entstehung dieses Weges sind. Die eigene Persönlichkeit bildet sich, indem sie das aufnimmt und auf das reagiert, was sie aus ihrer Umgebung anspricht. Dass einzelne Begegnungen und Ereignisse richtungsweisend werden, hängt damit zusammen, dass wir in uns dafür ansprechbar sind, dass etwas in uns geweckt wird. Wir sind angezogen, weil es dem entspricht, was wir im Kern selbst sind. Erläutern wir das an einem Beispiel.

Dass Yalom als Zwölfjähriger ein „Biographienprojekt“ erfindet, hängt einerseits mit der beeindruckenden Washington Central Bibliothek zusammen, die nach vierzigminütiger Fahrradfahrt dazu die Möglichkeit bot (und die Eltern überzeugte, ihm dafür ein Fahrrad zu kaufen). Anderseits kommt das Projekt aber dennoch nicht jedem Kind in der Umgebung in den Sinn, nicht wahr? („Ich würde jede Woche eine Biographie lesen, beginnend mit einer Persönlichkeit, deren Name mit ‚A‘ anfing, und würde mich so durch das Alphabet arbeiten“. Yalom, 2017, S. 41)

Ein anderes Beispiel ist die Begegnung mit Dr. Manchester, dem mitfühlenden Hausarzt. Der Junge ist in schwerer Sorge um seinen Vater und erwartet zusammen mit der Mutter in der Nacht den Hausarzt. Die Mutter, in Todesangst um ihren Mann, wirft dem Vierzehnjährigen vor, er habe ihn zugrunde gerichtet, und schreit ihn mehrmals in dieser Zeit des Wartens mit schriller Stimme an: „Du hast ihn umgebracht, du hast ihn umgebracht!“ Schrecklich. Und dann kommt endlich morgens um drei Uhr der Arzt! „Ich mochte Dr. Manchester sehr, und bei dem vertrauten Anblick seines großen, runden lächelnden Gesichts verflog meine Panik. Er legte mir die Hand auf den Kopf, zerzauste mir die Haare, beruhigte meine Mutter und gab meinem Vater eine Spritze (vermutlich Morphium), hielt ihm das Stethoskop auf die Brust und sagte dann zu mir: ‚Schau, Sonny, es tickt weiter, kräftig und regelmäßig wie eine Uhr. Keine Sorge. Er wird wieder gesund werden.‘“ Yalom fährt fort: „…vor allem erinnere ich mich an meine große Erleichterung, als Dr. Manchester unser Haus betrat. Niemand hatte mich je so beschenkt. Hier und jetzt beschloss ich, ihm nachzueifern. Ich wollte diesen Trost, den er mir gespendet hatte, an andere weitergeben.“ (Yalom, 2017, S. 26 f.) Einerseits wäre für jeden Jugendlichen dieses Erlebnis einschneidend und das Auftauchen des Arztes eine große |20|Erlösung. Anderseits erlebte aber nicht jeder zeitgleich diesen Impuls des Nacheiferns, diesen Entschluss, den erfahrenen Trost weiterzugeben, oder?

Das Interesse für die Biografien der Menschen, ihr Begehren, ihre Ängste und ihre Sinnsuche und der dringende Wunsch, zu helfen und anderen Trost zu geben (Yalom, 2017, S. 104), kennzeichnen das Wesen des späteren Psychiaters, Psychotherapeuten und Schriftstellers Irvin D. Yalom. Aber sie lenkten auch schon das Kind und erfassten den Jugendlichen, als sich die Gelegenheit bot.

Bei den meisten Menschen gibt es diese Schlüsselerlebnisse im Hinblick auf ihren Gesundheitsberuf. Nicht immer sind sie auf den ersten Blick erkennbar wie bei Irvin Yalom. Manchmal braucht es ein längeres Hinschauen auf den eigenen Lebensweg, bis das innere Auge fündig wird.

Selbstreflexionen und Erfahrungsanalysen

Selbstreflexion 1

a)

Ich nehme mir Zeit und betrachte in Ruhe meinen Lebensweg als Kind und Jugendliche/r.

b)

Ich lasse Begegnungen und Ereignisse an mir vorüberziehen.

c)

Gibt es Schlüsselerlebnisse, die für die Wahl meines Gesundheitsberufs von Bedeutung sind?

d)

Was wurde durch dieses Erlebnis in mir wach?

Schlüsselerlebnisse sind Ereignisse und Begegnungen im Leben, die einem eine Tür öffnen zu sich selbst. Sie machen einen neuen Raum der eigenen Persönlichkeit zugänglich. Sie wird auf diese Weise geweckt. Auch später im Leben gibt es solche Schlüsselerlebnisse:

Fallbeispiel

Ich selbst war 25 Jahre, als ich ganz zufällig – ich hatte in einem Seminar an der Uni über verschiedene Arten der Gesprächsführung dieses Los gezogen – Viktor Frankl, seiner Schülerin Elisabeth Lukas und mit ihnen zusammen der Logotherapie begegnete. Ich habe nach eingehender Lektüre nicht nur ein Referat gehalten, sondern – obwohl das manche Entbehrung von mir forderte, da ich finanziell sehr knapp war – wenig später die Ausbildung im „Süddeutschen Institut für Logotherapie“ bei Elisabeth Lukas begonnen. Ich war v. a. von der Hoffnung fasziniert, die ich im Gelesenen vorfand. Ich wusste: Ich will, ich muss das machen!

|21|Ausschlaggebend war besonders die Geschichte eines knapp 18-jährigen Jugendlichen, der nach 13 vergeblichen Versuchen eines Arbeitsbeginns vom Jugendamt an Frau Dr. Lukas überwiesen wurde mit einer dicken Akte. Diese Akte verdeutlichte, dass er eigentlich ein „hoffnungsloser Fall“ war: Familienverhältnisse zum Davonlaufen, ständig wechselnde Erziehungspersonen, Gewalterfahrungen, Scheitern mit Pflegeeltern, Diebstähle und andere Delikte und jetzt das fortlaufende Scheitern bei der Arbeit. Frau Lukas berichtete:

„Eigentlich hätte ich allein nach dem Durchlesen der dicken Akte erklären müssen, dass nach menschlichem Ermessen keine Chance mehr zur Reintegration des Jugendlichen bestand. Dennoch forderte ich den jungen Mann offen heraus. Ich sagte ihm klipp und klar, dass wahrscheinlich niemand mehr ihm zutraue, er könne sich bessern und sich in ein normales Leben einfügen, sogar er selbst habe sich innerlich aufgegeben. Aber ich fügte hinzu, ich sei nicht bereit, ihn aufzugeben. Ich würde nun die Aktendeckel vor seinen Augen schließen und damit alles vergessen, was ich darin gelesen hätte. Wir würden ganz von vorne anfangen, so als stünden ihm alle Möglichkeiten des Lebens offen. Denn wenn er auch Beständigkeit, Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen in seiner Kindheit nie gelernt habe, umso mehr sei es an der Zeit, es zu lernen. Wir würden also davon ausgehen, dass er diese Eigenschaften durch eigene Erfahrungen lernen könne und dass seine bisherigen gescheiterten Versuche das ‚Lehrgeld‘ dafür seien. Andere Menschen würden vieles durch Erziehung und Vorbild der Eltern lernen, er lerne es eben durch zehn oder zwanzig misslungene Versuche. Und wenn der Lernprozess abgeschlossen sei, dann habe er endlich die Bedeutung des Durchhaltenmüssens erkannt, dann soll er in einer gewaltigen Anstrengung alle seine Kräfte sammeln für den ersten wirklichen Start in seinem Leben – und dieser würde ihm gelingen.

Der junge Mann war dieser Interpretation gegenüber sehr aufgeschlossen; zum ersten Mal erlebte er, dass jemand ihm etwas zutraute, dass eine Chance ihm zugesprochen wurde. Er begann seinen nächsten Job, eine Aushilfe in einem Spielwarengeschäft, mit viel gutem Willen, aber es gelang ihm dennoch nicht, zur Zufriedenheit seines Arbeitgebers zu arbeiten, er war zu unbeholfen im Verkauf. Das war also der 14. Versuch. Beim 17. Versuch wollte er fast aufgeben und nur mit grosser Überredungskunst gelang es mir noch einmal, ihn zur Annahme einer Arbeit zu bewegen. Es waren Hilfsdienste in einem Blumengeschäft: Er musste Blumen austragen, das Auto entladen und durfte auch manchmal in der Gärtnerei helfen.

|22|Man wird es mir vielleicht nicht glauben, aber er ist heute noch dort, und wenn er sich weiter bewährt, hat er sogar die Möglichkeit, noch eine Gärtnerlehre zu beginnen. Dabei ist er so stolz auf seinen Erfolg, dass er sogar einen Kurs auf der Volkshochschule besucht hat, um seine Rechtschreibkenntnisse aufzufrischen – und sogar den hält er durch! Dieser junge Mann ist der lebendige Beweis für den Edisonschen Satz: Das ist das Schöne an einem Fehler: Man muss ihn nicht – achtzehnmal begehen!“ (Lukas, 1984, S. 120 f.)

Hier wird die Freiheit deutlich, die wir Menschen angesichts unseres Schicksals haben. Keine leichtfertig behauptete, sondern eine gesehene, erlebte, eine in Solidarität erkämpfte Freiheit. Es ist der Glaube an das Potenzial der Person und der feste Entschluss, ihr bei der – durch Verletzungen und Traumata eventuell sehr mühsamen – Entfaltung dieses Potenzials beizustehen, die die Logotherapeutin – neben den ihr zur Verfügung stehenden Techniken, hier der Einstellungsmodulation – einbringt. Das zieht mich auch heute noch enorm an, weil es ganz dem entspricht, was ich im Kern meiner Persönlichkeit selbst bin. Wie schön, dass ich es damals sofort erkannte!

1.2 Wie lautet Ihr Satz?

Clare Booth Luce, eine der ersten Frauen im amerikanischen Kongress, stellte 1962 dem Präsidenten John F. Kennedy in der Sorge, dass dieser seine Aufmerksamkeit auf zu vieles richte und so seinen ganz eigenen Auftrag gefährde, die Frage: „Wie lautet Ihr Satz?“. Ihre Annahme: „Jeder große Mann entspricht einem Satz.“ David H. Pink greift in seinem empfehlenswerten Buch „Drive. Was Sie wirklich motiviert“ diese Anekdote auf und empfiehlt auch allen Nicht-Präsidenten, sich diese Frage zu stellen: „Wie lautet Ihr Satz?“ (Pink, 2010, S. 184 f.)

Pink nennt einige Beispiele:

„Er bewahrte die Union und befreite die Sklaven.“ (Lincoln)

„Sie brachte zwei Generationen das Lesen bei.“

„Er kümmerte sich um jeden, der sein Büro betrat, ganz egal, ob diese Person dafür bezahlen konnte oder nicht.“ (ebd.)

Wir können weitere Beispiele ergänzen:

Er scheute keine Herausforderungen.

|23|Von ihrem Fachwissen profitierten alle.

Er kümmerte sich vor allem um Patienten, die kaum einer mochte.

Sie war streng, aber gerecht.

Wenn er da war, wurde es einem immer ein bisschen wärmer ums Herz.

Sie liebte die alten Menschen.

Er hatte Humor und glaubte an jeden von uns.

Sie war weise und behielt immer die Ruhe.

Manchen Leserinnen und Lesern wird „ihr Satz“ sofort einfallen. Vielleicht haben Sie ihn schon längst entdeckt oder brauchen keine drei Minuten, um ihn zu finden. Andere haben noch nie darüber nachgedacht und tun sich schwer damit, diesen Satz heute zu benennen. Wo stehen Sie?

Selbstreflexionen und Erfahrungsanalysen

Selbstreflexion 2

Wie lautet mein Satz?

a)

Kenne ich ihn heute schon?

b)

Habe ich eine Ahnung, in welche Richtung er gehen könnte?

c)

Oder brauche ich noch Zeit, um diesen Satz zu finden?

d)

Gibt es mehrere Sätze?

Fallbeispiele

Nach einem Seminar schreibt mir Bert: „Seit ich ‚meinen Satz‘ gefunden habe, stelle ich mir am Abend die Frage: ‚Habe ich heute meinen Satz gelebt? Wann? Wo?‘ Und meistens finde ich etwas und schreibe mir das auf. Oft bin ich dann sehr glücklich.“ – Falls Sie Ihren Satz bereits gefunden haben: Probieren Sie das einfach mal aus!

Lydia hat ihren Satz noch nicht gefunden. Sie schreibt mir: „Die Sache mit dem Satz war für mich vollkommen neu. Ich frage mich jetzt – wie von dir vorgeschlagen – am Abend: ‚Bei welcher Tätigkeit war ich heute am meisten ich selbst? Wo konnte ich mein Bestes geben? Wann war ich glücklich?‘ Manchmal bin ich ziemlich überrascht, was dabei herauskommt. Irgendwie fange ich jetzt erst an, mich wirklich für mich zu interessieren. Ich bin gespannt, was ich da noch entdecken werde!“ – Falls Sie Ihren Satz noch nicht gefunden haben: Diese Fragen können auch Sie weiterbringen!

|24|Per Zufall bin ich auf den wunderbaren kleinen Film „Meet Dr. Audrey Evans“ gestoßen, in dem Julia Fisher Farbmann für die Seite „Modern Hero“ die damals 93-jährige weltbekannte Kinder-Onkologin Audrey Evans interviewte. Seither habe ich ihn immer wieder auch mit anderen angesehen, weil er so inspirierend ist (Fisher Farbman, 2018). Auf die Frage, was von ihr einmal in Erinnerung bleiben soll, antwortet sie: „Audrey Evans: a woman who cared.“

1925 in England geboren, wusste sie schon mit fünf Jahren, dass sie Ärztin werden wollte. Ihre Eltern unterstützten sie in diesem Ansinnen, obwohl sie damals die einzige Frau in ihrem Medizinstudium und in den anschließenden Forschungsprogrammen war. Sie fand zur Onkologie und dann zur Kinderonkologie und gründete im Children’s Hospital of Philadelphia das „Children’s Cancer Center“, das sie bis zu ihrer Pensionierung leitete. 1971 entwickelte sie das „Evans Staging System“, das es möglich machte, dass den Kindern mit Neuroblastom, einer bösartigen Erkrankung des sympathischen Nervensystems, durch genaue Analyse des Stadiums ihrer Erkrankung die optimale Behandlung zuteilwird.

Neben ihren medizinischen Erfolgen setzte sie sich auch für die Lebensverhältnisse der Kinder und ihrer Familien ein, die durch die häufigen Klinikaufenthalte sehr unvorteilhaft waren. 1974 gründete sie darum zusammen mit Jimmy Murray das erste Ronald McDonald House in Philadelphia. Diese Einrichtung bietet den Familien krebskranker Kinder eine kostenlose Unterkunft in der Nähe der Klinik und ermöglicht den Kindern ein Stück Normalität. 1987 folgte mit dem Ronald McDonald Camp die Möglichkeit für schwerkranke Kinder, Zeiten der Erholung und der Abenteuer zu erleben. Bis heute gibt es 360 Ronald McDonald Häuser weltweit und mehr als sieben Millionen Familien konnte so bisher geholfen werden.

Als sie 84-jährig als Medizinerin pensioniert wurde, fehlten ihr die Kinder und sie spürte in sich immer noch die Fähigkeit, etwas zum Wohl der Menschheit zu tun. So gründete sie 2011 zusammen mit anderen die St. James School, um armutsbetroffenen Kindern durch eine bessere Schulbildung das Durchbrechen des Zirkels der Armut zu ermöglichen. Bei der Frage, worum es ihr in ihrem Leben ging, antwortet sie: „To make a difference in the lives of children.“

1.3 Auch Personen haben eine Mission

Im Management von Unternehmen heißt dieser Satz Mission (Da sich das auch im Deutschen englisch ausgesprochene Wort Mission (miʃən) von der ursprünglichen Bedeutung des deutschen Wortes Mission unterscheidet, wird es im Text kursiv |25|wiedergegeben.). Sie ist die Antwort auf die Frage: „Was ist der Grund des Daseins unseres Unternehmens?“ In ihrer Untersuchung über die Strategien der Top-Unternehmen haben Jim Collins und Jerry I. Porras, beides ehemalige Professoren der Stanford University, nachgewiesen: Wirklich erfolgreiche Unternehmen haben einen fundamentalen Grund für ihr Dasein, der jenseits des Profitstrebens liegt, so wichtig dieses für ein Unternehmen auch ist. Sie haben eine Mission. Die beiden Forscher betonen: Man findet sie nicht, „indem man sich draußen umsieht, sondern indem man in sich hineinschaut. Sie muss authentisch sein.“ (Collins & Porras, 2003, S. 290)

Collins und Porras nennen als Beispiele die Mission verschiedener Unternehmen (Collins & Porras, 2003, S. 285):

„Innovative Meisterung ungelöster Probleme“ (3M)

„Menschen glücklich machen“ (Walt Disney)

„Schutz und Verbesserung des menschlichen Lebens“ (Merck)

„Erleben, wie man kämpft und gewinnt“ (Nike)

etc.

In dieser Mission liegt „die Seele des Unternehmens“, sie unterscheidet sich von kurzfristigen Erfolgszielen und Geschäftsstrategien und verändert sich in der Regel nicht. Sie hat „auch noch in hundert Jahren“ Bestand. Dennoch ist es gerade diese Mission, die Motivation für Wandel und Weiterentwicklung ist. Sie ist Ansporn und leuchtet „wie ein Leitstern am Horizont – unentwegt verfolgt aber unerreicht“. (Collins & Porras, 2003, S. 284 f.)

Auch Personen haben solch eine Mission. Und diese ist nicht etwas, das man findet, indem man sich draußen umsieht, sondern indem man in sich hineinschaut. Wir haben uns mit der Frage nach „Ihrem Satz“ im letzten Abschnitt auf die Suche danach begeben. Was da in einem Satz gesagt wird, hat oft mit der Mission zu tun. Bei Audrey Evans ist der Satz: „A woman who cared.“ Und die Präzision dieses Satzes auf ihr Leben mit Kindern geschieht schrittweise, indem sie ihrer tiefen Intuition folgt: Sie wird Ärztin und Forscherin, dann Onkologin, dann Kinderonkologin, dann Leiterin eines Zentrums für Kinder mit Krebs, dann Mitgründerin der Ronald McDonald-Häuser, um das Leben dieser Kinder und ihrer Familien zu erleichtern, dann Mitgründerin der Schule, um Kindern im Leben eine Chance zu geben. Schritt um Schritt entfaltet sich ihre Mission: „To make a difference in the lives of children.“

Die meisten von uns wirken in einem viel begrenzteren Umfeld als Audrey Evans, das spielt keine Rolle. Es geht darum, unsere ganz persönliche Mission schrittweise zu finden, indem wir unserer tiefen Intuition beständig folgen. Das ist |26|ein großes Abenteuer und wer seine Mission gefunden hat, wird verstehen, dass sie nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Personen die große Motivation für Wandel und Weiterentwicklung ist, Ansporn und Leitstern am Horizont. Das Leben dieser Mission erlaubt es der Person, sie selbst zu sein, sich selbst auszudrücken. Und dies ist ein Schlüssel zum Glück.

Selbstreflexionen und Erfahrungsanalysen

Selbstreflexion 3

a)

Erlebe ich mich als eine Person mit einer Mission? Wenn ich sie benennen kann, benenne ich sie.

b)

Habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich durch sie motiviert wurde, mich weiterzuentwickeln? Wann? Inwiefern?

c)

Habe ich schon einmal die Erfahrung gemacht, dass meine persönliche Mission und mein Glück zusammenhängen? Wann?

d)

Wenn nicht: Kann ich im Blick auf bestimmte andere Personen einen Zusammenhang zwischen Mission, Weiterentwicklung und Glück erkennen? Ich nenne die Personen und beschreibe, was ich in ihnen sehe.

1.4 Persönlichkeitsentwicklung, Vitalität und Wirksamkeit

Die hohe Entsprechung der eigenen Persönlichkeit und des beruflichen Engagements ist das, was den Gesundheitsberuf so faszinierend machen kann. Hier liegt das große Potenzial dieser Berufe, Menschen anzuziehen und glücklich zu machen. Wenn heute zu wenig junge Leute diese Anziehungskraft der Gesundheitsberufe verspüren, dann ist es sicher richtig, sich die äußeren Krisenfaktoren der Gesundheitsberufe genau anzuschauen (z. B. personelle Notstände, Lohnungerechtigkeit, Arbeitszeitchaos) und darauf mit politischen und unternehmerischen Maßnahmen zu reagieren. Interessant könnte es aber zudem sein, in der Schul- und Berufsbildung den Blick auf die eigene Persönlichkeit, ihren Kern und ihre persönliche Mission zu legen.

Die hohe Entsprechung der Persönlichkeit und des beruflichen Engagements ist auch eine stete Herausforderung. Die mit ihr einhergehende hohe innere Motivation und Leidenschaft führt zu hoher Einsatzbereitschaft und kann Energien freisetzen und vor Erschöpfung, Burn-out und wachsender Gleichgültigkeit schützen. Sie kann aber im Gegenteil auch gerade dazu führen. Dafür gibt es viele |27|