Achtsamkeitstraining - Martina Wolf-Arehult - E-Book

Achtsamkeitstraining E-Book

Martina Wolf-Arehult

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Beschreibung

Das Konzept der Achtsamkeit wird seit langem in der Psychotherapie genutzt, die Wirksamkeit ist wissenschaftlich gut belegt. Dieses Manual gibt in seiner zweiten, aktualisierten Auflage eine Anleitung zur Durchführung von Achtsamkeitstrainings in der Gruppe oder auch im Einzelsetting mit psychiatrischen oder psychosomatischen Patienten. Das beschriebene Achtsamkeitstraining umfasst 13 Sitzungen, die ausführlich erläutert werden. Das Werk richtet sich insbesondere an Fachpersonen, die sich für die Kursleitung in die Praxis von Achtsamkeit einarbeiten. Über ContentPLUS stehen Materialien für die therapeutische Arbeit zur Verfügung.

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Die Autorinnen

 

Martina Wolf-Arehult leitet das DBT-Team, das Essstörungsteam und ein tagesklinisches Behandlungsteam für affektive Störungen am Universitätsklinikum in Uppsala, Schweden, und ist Teil eines Forschungsteams an der Uppsala Universität (Department of Neuroscience). Studium der Psychologie an der Uppsala Universität von 1991 bis 1996, Promotion 2003 an der Eberhard Karls Universität Tübingen. In den Jahren 2003–2008 Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin an der Tübinger Akademie für Verhaltenstherapie (TAVT). Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dipl.-Psychologin an der Universitätsklinik Freiburg (2002-2003) und am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (2003-2007). Nach dem Aufbau einer DBT-Station des Universitätsklinikums Tübingen von 2007–2010 Rückkehr zur Uppsala Universität in Schweden. Gründungsmitglied und Vorstand des Fördervereins der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) im skandinavischen Raum (DBT Scandinavia) seit 2012. Leitung verschiedener Workshops und Vorlesungen über Borderline Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, DBT und Radically open DBT nach Prof. Tom Lynch.

 

Cornelia Beckmann ist Psychologische Psychotherapeutin (VT) und Therapeutin für Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT) der Borderline-Störung, seit 2011 niedergelassen in eigener Praxis in Emmendingen bei Freiburg. Nach dem Abschluss des Diplom-Studiengangs Psychologie 2001 an der Universität Konstanz von 2001 bis 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Borderline-Forschungsprojekt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Freiburg. Von 2003 bis 2011 Beratung und Psychotherapie an der Beratungsstelle Frauenhorizonte gegen sexuelle Gewalt e. V. in Freiburg. Zusätzlich von 2001 bis 2012 tätig als vom Dachverband DBT zertifizierte DBT-Trainerin im Rahmen von Fort- und Weiterbildung für Psychotherapeuten und Pflegepersonal.

Martina Wolf-Arehult, Cornelia Beckmann

Achtsamkeitstraining

Ein Trainingsmanual für psychiatrische Patienten Unter Mitarbeit von Hans Gunia

2. aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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2. aktualisierte Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Zeichnungen: © Renate Alf

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-033711-4

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-033712-1

epub:    ISBN 978-3-17-033713-8

mobi:    ISBN 978-3-17-033714-5

Inhalt

 

 

Vorwort

Vorwort zur 2. Auflage

Einleitung

An wen richtet sich das Buch?

Zum Inhalt des Buches

I Theorie

1 Einführung

1.1 Was ist Achtsamkeit?

1.2 Die annehmende Haltung

1.3 Inwiefern ist Achtsamkeit hilfreich?

1.4 Wie wird Achtsamkeit von wichtigen Vertretern von Meditation und Achtsamkeit beschrieben?

1.5 Wie übe ich Achtsamkeit?

1.6 Anwendungsbereiche von Achtsamkeit

1.7 Biologische Effekte regelmäßiger Achtsamkeitspraxis

1.8 Achtsamkeit, Mitgefühl und Selbstmitgefühl

2 Rahmenbedingungen und Struktur

2.1 Struktur

2.2 Leitung der Gruppe

2.3 Die Rolle des Einzeltherapeuten

2.4 Gruppenregeln

3 Die therapeutische Haltung

3.1 Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre

3.2 Sammeln Sie eigene Erfahrungen mit Achtsamkeit!

4 Einführung für neue Teilnehmer

4.1 Das Aufnahmegespräch

4.2 Einführung in die Achtsamkeit

4.3 Ziele von Achtsamkeit

4.4 Mögliche Vorbehalte und persönliche Schwierigkeiten

4.5 Allgemeine Informationen zu den Rahmenbedingungen

4.6 Gruppenregeln

4.7 Die Basisübung

5 Allgemeiner Ablauf einer Sitzung

6 Die Übungsgruppe

II Praxis Sitzungen 1–13

Übersicht der Sitzungen

Sitzung 1 – Eine kleine Geschichte: In Eile durch das Leben

Sitzung 1 – Kommentare

Sitzung 1 – Kommen Sie an im Hier und Jetzt!

Sitzung 2 – Eine kleine Geschichte: Schrecklich oder ober-hammer-geil?

Sitzung 2 – Kommentare

Sitzung 2 – Achtung! Bewertung!

Sitzung 3 – Eine kleine Geschichte: Ein Fest für die Sinne

Sitzung 3 – Kommentare

Sitzung 3 – Riech doch mal wieder!

Sitzung 4 – Eine kleine Geschichte: Tango

Sitzung 4 – Kommentare

Sitzung 4 – Kennen Sie das »Wassergefühl«?

Sitzung 5 – Eine kleine Geschichte: Der Traum, fertig zu werden

Sitzung 5 – Kommentare

Sitzung 5 – Verbessern Sie Ihren Umgang mit Stress und Perfektionismus!

Sitzung 6 – Eine kleine Geschichte: Die Qual der Wahl

Sitzung 6 – Kommentare

Sitzung 6 – Achten Sie auf sich selbst!

Sitzung 7 – Eine kleine Geschichte: »Ich höre etwas, was du nicht hörst«

Sitzung 7 – Kommentare

Sitzung 7 – Werden Sie eine Torhüterin/ ein Torhüter!

Sitzung 8 – Eine kleine Geschichte: Die Kunst des Aufschiebens

Sitzung 8 – Kommentare

Sitzung 8 – Machen Sie den Weg zum Ziel!

Sitzung 9 – Eine kleine Geschichte: Der alte Mann am Meer

Sitzung 9 – Kommentare

Sitzung 9 – Gewinnen Sie Augenblicke!

Sitzung 10 – Eine kleine Geschichte: Eine Stadt voller Idioten

Sitzung 10 – Kommentare

Sitzung 10 – Weniger Ärger mit dem Ärger

Sitzung 11 – Eine kleine Geschichte: Wecken in zehn Schritten

Sitzung 11 – Kommentare

Sitzung 11 – Wissen Sie, wie sich Ihr Alltag anfühlt?

Sitzung 12 – Eine kleine Geschichte: Heldenhaft

Sitzung 12 – Kommentare

Sitzung 12 – Akzeptanz statt »Kopf-durch-die-Wand«

Sitzung 13 – Eine kleine Geschichte: Diese ewige Selbstkritik

Sitzung 13 – Kommentare

Sitzung 13 – Ab heute nur noch mit Mitgefühl …

III Umgang mit Schwierigkeiten

1 Schwierigkeiten beim Üben

2 Schwierigkeiten in der Gruppensituation

IV Anhang

Einverständniserklärung

Gruppenregeln für das Achtsamkeitstraining

Infoblatt Einführung in das Achtsamkeitstraining

Infoblatt Ihre Basisübung: Diese Übung soll Sie täglich begleiten!

Infoblatt Achtsamkeit im Alltag: Nutzen Sie jede Gelegenheit!

Übungsprotokoll

Literatur

Stichwortverzeichnis

Inhalt Content Plus

 

•  Materialien zu den Sitzungen 1–13: jeweils die einführenden Geschichten sowie die Hausaufgaben für die Teilnehmer

•  Einverständniserklärung – Gruppenregeln

•  Infoblatt – Einführung in das Achtsamkeitstraining

•  Infoblatt Basisübungen

•  Infoblatt – Achtsamkeit im Alltag

•  Übungsprotokoll

Hinweise zum Download finden Sie im Buchinnenteil.

Vorwort

 

 

Achtsamkeit bietet die Möglichkeit frei zu werden – frei von starren Vorstellungen und eingefahrenen Denk- und Verhaltensmustern. Mittels ihrer werden wir uns nicht nur unserer Konzepte bewusst, sondern wir lernen zugleich, sie zu relativieren und unsere Persönlichkeit auf neue selbst gesteckte Ziele auszurichten. Vermutlich ist dies der Grund, warum Achtsamkeit nicht nur in Fachkreisen geschätzt wird, sondern mittlerweile das Interesse einer breiten Öffentlichkeit erfährt.

Wir haben ihren unschätzbaren Wert für die psychotherapeutische Arbeit zuerst im Rahmen unserer Arbeit mit der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) der Borderline-Störung nach M. Linehan kennen gelernt. Mittlerweile ist sie untrennbar mit unserer gesamten therapeutischen Arbeit verbunden und darüber hinaus ein wichtiger Teil auch unserer persönlichen Entwicklung geworden.

Im Rahmen unserer Tätigkeit als Leiterinnen von Fortbildungen und im Austausch mit Fachkollegen haben wir das wachsende Interesse an Achtsamkeit wahrgenommen. Mit unserem Buch reagieren wir auf das wachsende Interesse gerade auch bei Kolleginnen und Kollegen, die bisher wenig eigene Erfahrung mit dem Üben und v. a. Vermitteln von Achtsamkeit haben und dennoch ein Training für Patientinnen und Patienten anbieten wollen oder mit dem Angebot den Anforderungen des Klinikalltags genügen müssen. Dieses Buch ist deshalb als Manual für die schnelle Umsetzung im klinischen Alltag entwickelt worden.

An dieser Stelle möchten wir uns bedanken. Das vorliegende Manual ist das Ergebnis unserer praktischen Erfahrung im Verlauf der vergangenen 15 Jahre. Unsere Patientinnen und Patienten waren uns dabei mit ihren Anregungen, Rückmeldungen und Kritik ungemein wichtige Lehrmeister. Ohne sie gäbe es das Manual in dieser Form nicht. Unser herzlichster Dank geht deshalb zuallererst an sie für ihre Unterstützung, ihr Vertrauen und auch ihre Geduld, wenn wir wieder etwas Neues ausprobiert haben.

Bedanken möchten wir uns auch bei Prof. Dr. med. Martin Bohus, unserem Ausbilder und Supervisor in DBT, sowie unseren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen aus dem DBT-Team der Psychiatrischen Universitätsklinik Freiburg, des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim sowie der Psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen. Die Zusammenarbeit hat uns geprägt und hat uns wertvolle Erfahrungen gegeben, die dieses Buch maßgeblich beeinflusst haben.

Unser besonderer Dank gilt Sandra, die uns mit ihren eigenen Beispielen einen persönlichen Einblick in die Arbeit mit Achtsamkeit erlaubt hat.

Unseren Familien danken wir für ihre endlose Geduld und Unterstützung.

Freiburg und Uppsala, September 2012

Vorwort zur 2. Auflage

 

 

Das anhaltende Interesse und die mittlerweile etablierte Integration von Achtsamkeit in die Psychotherapie bestätigt, was auch durch Forschungsergebnisse zunehmend untermauert wird – Achtsamkeit ist von unschätzbarem Wert für die Entwicklung, Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von psychischer Gesundheit.

Wir haben den Druck der zweiten Auflage genutzt, das Trainingsmanual durch eine, wie wir meinen, weitere wichtige und eng mit Achtsamkeit verknüpfte Komponente zu ergänzen, der Entwicklung von Mitgefühl und Selbstmitgefühl. Hierzu existieren bereits eigene vollständige Therapieansätze und Übungsbücher anderer Autoren, weswegen die Anregung zur Erarbeitung des Themas mit Patientinnen und Patienten und die vorgeschlagenen Übungen nur einen Anreiz geben können, sich auch außerhalb des Trainings weiter mit diesem Thema zu beschäftigen.

Letztendlich gilt dies natürlich für alle Inhalte unseres Manuals. Achtsamkeit kann zur kurzfristigen Regulation von Stress und Unwohlsein genutzt werden, ihren tiefgreifenden Wert entfaltet sie jedoch erst durch regelmäßige Übung. Und so freuen wir uns immer wieder über die Rückmeldung unserer Patientinnen und Patienten über die positiv erlebten Veränderungen, die die Übung von Achtsamkeit in ihrem Leben bewirkt haben.

Die bisherigen Sitzungen sind bei nur kleineren sprachlichen Änderungen nahezu identisch geblieben. Für die bessere Handhabung haben wir uns in der Überarbeitung allerdings entschlossen, ein eigenes neues Übungsprotokoll zu erstellen mit Platz für Bemerkungen, so dass es einen höheren Informationswert besitzt als die bisherigen Protokolltabellen. Die Hausaufgabenblätter sind im Download nun auf einer Seite, soweit dies möglich war. Eine weitere Änderung zur ersten Auflage betrifft die Vorschläge für die Übungszeiten der Basisübung, die etwas verlängert wurden. Letztendlich bleibt es eine individuelle Abwägung, Zutrauen in die Fähigkeiten von uns selbst und unseren Patientinnen und Patienten zu haben und gleichzeitig nicht zu überfordern.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Patientinnen und Patienten weiterhin viel Freude beim Üben und Umsetzen!

Uppsala und Freiburg, Mai 2018

Einleitung

 

 

In dem Film »Forrest Gump« von Robert Zemeckis, ausgezeichnet mit sechs Oscars, dürfen wir die Welt mit den Augen von Forrest Gump kennen lernen. In der ersten Szene des Films wiederholt er die Worte seiner Mutter: »Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen: Man weiß nie, was man bekommt.«

Der Vergleich gibt einen Hinweis darauf, warum wir Achtsamkeit brauchen – wir brauchen Achtsamkeit,

•  um die Pralinen und die Schachtel selbst besser kennen zu lernen,

•  um anzunehmen, was wir in der Schachtel finden,

•  um nicht ausgerechnet die Pralinen haben zu wollen, die nicht in der Schachtel liegen,

•  um unsere Reaktionen auf die Schachtel sowie auf die Pralinen darin wahrzunehmen und zu verstehen, und

•  um Distanz zu unseren Reaktionen und auch Kontrolle über unser Verhalten zu bekommen.

Damit erschließt sich auch der Nutzen für die Psychotherapie. Probleme entstehen häufig dadurch, dass wir in Gedanken bei negativen Ereignissen aus der Vergangenheit sind oder negative Ereignisse in der Zukunft antizipieren. Dabei verpassen wir gleichzeitig den Augenblick und können unter Umständen nicht situationsadäquat reagieren. Probleme entstehen, wenn wir die aktuelle Situation nicht annehmen können und versuchen Dinge zu erreichen, die nicht erreichbar sind. Probleme erleben wir auch, wenn wir keinen Abstand zu unseren Gedanken und Gefühlen bekommen, uns in ihnen verwickeln und unser Verhalten nicht kontrollieren können. Achtsamkeit wirkt dem allem effektiv entgegen. Ihre Wirksamkeit im Rahmen von beispielsweise Stressminderung, Rückfallprävention bei Depression u. a. konnte in unterschiedlichen Studien nachgewiesen werden (Kap. 1.6).

An wen richtet sich das Buch?

Dieses Buch gibt in manualisierter Form eine Anleitung zur Durchführung einer Achtsamkeitsgruppe mit psychiatrischen oder psychosomatischen Patienten1 im stationären Rahmen. Die Durchführung im ambulanten Rahmen oder in Einzelsitzungen ist jedoch ebenso möglich. Das Buch richtet sich vor allem an die Kollegen, die sich in die Praxis von Achtsamkeit und vor allem deren Vermittlung einarbeiten wollen.

Die Übungen der einzelnen Sitzungen sind sehr einfach und kurz gehalten und deshalb besonders für Patienten geeignet, die ein hohes Kontrollbedürfnis haben (z. B. traumatisierte Patienten oder Patienten mit Persönlichkeitsstörungen) oder in ihrer Konzentrationsfähigkeit stark beeinträchtigt sind und die keine oder wenig Erfahrung mit Achtsamkeit haben. Wir empfehlen in jedem Fall die Einbindung in ein therapeutisches Gesamtkonzept mit begleitender Einzeltherapie.

 

Zum Inhalt des Buches

 

 

Das Buch gliedert sich in einen Theorie- und einen Praxisteil. Der Praxis von Achtsamkeit soll in diesem Buch das Hauptaugenmerk gelten. Achtsamkeit können wir nur begreifen, wenn wir sie aktiv üben. Dies gilt nicht nur für die Patienten, mit denen wir arbeiten, sondern in gleichem Maße auch für uns selbst. Wir möchten Sie deshalb darin bestärken, Achtsamkeit von Beginn an auch als Haltung und als tägliche Übung für sich selbst zu entdecken. Die innere Ausrichtung und Haltung sind von zentraler Bedeutung. Deshalb beginnt das Buch im Theorieteil mit einer kurzen allgemeinen Einführung zur Achtsamkeit. Nach einer Übersicht der Anwendungsfelder von Achtsamkeit und dem aktuellen Forschungsstand endet der Theorieteil mit allgemeinen Informationen zur Durchführung des Trainings.

Der Praxisteil beinhaltet genaue Anleitungen für die Durchführung von insgesamt 13 Sitzungen. Sie bestehen aus einer Mischung von Wissensvermittlung, Diskussion, Übung und Erfahrungsaustausch und verfolgen unterschiedliche thematische Schwerpunkte. Zu jeder Sitzung finden Sie neben der Übungsanleitung der jeweiligen Stunde eine kurze Geschichte, die in der Gruppe vorgelesen wird und die das Thema der Stunde aufgreift, Anregungen für die Diskussion mit Kommentaren für Gruppenleiter und ein Arbeitsblatt für Gruppenteilnehmer, das wichtige Informationen und Anleitungen von Hausaufgaben beinhaltet. Die große Bandbreite an Übungen gibt einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten des Trainings und der Vertiefung von Achtsamkeit im Alltag wie auch in der formalen Praxis.

Am Ende des Buches gehen wir schließlich noch auf häufig gestellte Fragen und Schwierigkeiten ein.

Die vorgestellten Übungen sind vornehmlich im Rahmen unserer langjährigen Arbeit mit Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und der Arbeit mit der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) nach Marsha Linehan entstanden (Kap. 1.6). Der theoretische Hintergrund und die Übungen sind ebenfalls beeinflusst durch unser Studium und die Praxis von Achtsamkeit nach u. a. Thich Nhat Hanh sowie des tibetischen Buddhismus als auch verschiedenste andere achtsamkeitsbasierte psychotherapeutische Methoden wie z. B. das Mindfulness Based Stress Reduction Program (MBSR) nach Jon Kabat Zinn (Kap. 1.6). Folglich wurde die klassische DBT-Nomenklatur nicht verwendet, obwohl es große Überschneidungen mit dem Achtsamkeitskonzept der DBT gibt. Das Programm findet mittlerweile Anwendung nicht nur in unserer Arbeit mit Borderline-Patienten, sondern auch in der Behandlung anderer psychiatrischer Störungsbilder (z. B. bei Depression und Angststörungen).

1     Wenn im Folgenden auf die Nennung beider Geschlechter verzichtet wird, dann dient dies ausschließlich der besseren Lesbarkeit. Selbstverständlich sind aber immer beide Geschlechter gemeint.

 

 

 

I           Theorie

1          Einführung

 

 

1.1       Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit beinhaltet verschiedene Aspekte. Im alltagssprachlichen Gebrauch meinen wir damit für gewöhnlich eine gelenkte und gesteigerte Aufmerksamkeit – Aufmerksamkeit für uns oder für das, was im Augenblick um uns herum geschieht. Sie ist damit das Gegenteil von dem, was wir im Folgenden »Autopilot-Modus« nennen wollen. Wir alle kennen diesen Zustand: Wir tun etwas – z. B. mit dem Auto von A nach B fahren – sind aber in Gedanken ganz woanders. Am Ende wissen wir nicht, was in der Zwischenzeit wirklich passiert ist. Achtsamkeit bedeutet also zunächst ganz vereinfacht gesagt Bewusstheit zu entwickeln für den gegenwärtigen Moment. Achtsamkeit heißt, mit unserer Aufmerksamkeit und unserem Bewusstsein bei dem zu sein, was jetzt gerade ist – was wir sehen, was wir hören, was wir fühlen, was wir riechen, was wir schmecken, aber auch was wir denken und was wir empfinden und fühlen.

Eine noch tiefer gehende Qualität von Achtsamkeit erreichen wir jedoch, wenn wir zusätzlich zur Entwicklung von Bewusstheit eine offene, annehmende und nicht-bewertende Haltung einnehmen. Beides zusammen – Bewusstheit und eine offene, annehmende und nicht bewertende Haltung – ist die Essenz buddhistischer Achtsamkeitspraxis, wie sie seit zweieinhalbtausend Jahren gelehrt und praktiziert wird. Diese Essenz wurde, losgelöst vom religiösen Hintergrund, in westlich geprägte Achtsamkeitskonzepte übernommen.

Der Wert einer annehmenden und nicht-bewertenden Haltung wird deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie wir die Dinge um uns herum für gewöhnlich wahrnehmen. Während kleine Kinder in der Regel ausgesprochen offen auf ihre Umgebung zugehen, mit Neugier und häufig noch unvoreingenommen, gewöhnen wir uns durch Erfahrung, Erziehung und soziale Einflüsse an, Begebenheiten und Wahrnehmungen auf eine ganz bestimmte Weise einzuordnen und zu interpretieren. Wir sind es gewohnt, fortwährend zu beurteilen und zu bewerten: das ist gut, jenes ist schlecht, das mag ich, das mag ich nicht. In vielen Situationen des Alltags erscheint dies auch sinnvoll. Bei näherer Betrachtung können wir jedoch feststellen, dass diese Herangehensweise auch unseren Blick verstellt und neue Erfahrungen verhindert, denn unsere Urteile bestimmen schließlich auch unser Handeln.

Wie oft haben Sie schon etwas abgelehnt, weil Sie meinten, es nicht zu mögen? Wie oft haben Sie umgekehrt etwas angenommen, um dann festzustellen, dass es in diesem Moment doch gar nicht passte? Unsere vorgefertigten Meinungen vereinfachen mitunter unser Leben, aber sie sind nur eine bestimmte Sicht der Dinge und so schränken sie unser Leben zugleich auch ein. Zu einem echten Problem wird dies, wenn wir feststellen, dass unsere Verhaltensmuster – dazu gehört unser Denken, unser Fühlen und Handeln – eingefahren sind, unsere Wahrnehmung verzerren und uns so in unserem Alltag behindern. Achtsamkeit ist das Gegenteil.

Bericht einer Teilnehmerin – Sandras Zugang zu Achtsamkeit:

[…] dann hab ich mich gefragt, ob ich vorher noch nie Achtsamkeit erfahren habe und wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann hat es da schon angefangen. Ich glaube, Kinder sind die achtsamsten Menschen der Welt. Kinder fühlen, hören, sehen und riechen sehr bewusst, sie erfahren ihre Umwelt sehr achtsam. Ich erinnere mich daran, dass ich stundenlang in der Natur sein konnte […] Bäume berühren, durch Laub gehen, den Geruch der Blätter, der Natur wahrnehmen, Vögel hören…und das alles ohne irgendwas zu bewerten […] ist alles so wie es ist, der Baum fühlt sich rau an, das Laub raschelt, die Vögel zwitschern […] Ich war ein sehr sensibles Kind und wenn ich so in der Natur sein konnte, dann war da kein Druck, es war einfach nur reines Empfinden und Dasein in dem Augenblick, es hat mich immer wieder glücklich gemacht.

 

1.2       Die annehmende Haltung

Unsere gewöhnlichen Verhaltensmuster beinhalten normalerweise den Versuch, uns Angenehmes festzuhalten und Unangenehmes von uns fern zu halten oder wegzuschieben. In der Achtsamkeitspraxis bemühen wir uns dagegen, für alle Dinge gleichermaßen aufmerksam zu sein. Wir bewerten Dinge nicht als gut oder schlecht, als schön oder hässlich etc. Zwar können wir feststellen, dass uns etwas beispielsweise angenehm oder auch unangenehm ist. Das ist jedoch zu unterscheiden von einer Bewertung der Sache an sich als unangenehm. Wir üben, die Dinge als das zu sehen, was sie sind. Die Wirkung auf uns ist unbedingt als getrenntes Phänomen zu betrachten. Und im Sinne der Achtsamkeit versuchen wir diese Wirkungen wahrzunehmen, zu beobachten und uns somit von ihnen zu distanzieren.

1.3       Inwiefern ist Achtsamkeit hilfreich?

Achtsamkeit befähigt uns, flexibel auf die jeweilige Situation zu reagieren, zu tun, was im Moment möglich und angemessen ist. Achtsamkeit heißt, den Moment genau so anzunehmen, wie er ist, ohne nach dem zu greifen, was wir haben wollen oder uns von dem abzuwenden, was wir nicht mögen. Mit dieser Haltung bekommen wir die Möglichkeit zu sehen, wie flüchtig unsere Erfahrungen sind. Wenn wir unsere Eindrücke nicht innerlich festhalten, lösen sie sich auf und verlieren an Bedeutung. Das heißt nicht, dass wir gleichgültig werden. Das Ziel ist nicht, Gefühle aus unserem Leben zu verbannen – ganz im Gegenteil. Die Praxis von Achtsamkeit verhilft uns jedoch, weniger Anhaftung an Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu haben. Diese Herangehensweise fördert Gelassenheit und Akzeptanz, schafft Distanz zu unseren Gedanken und Gefühlen, ohne sie zu unterdrücken und führt damit zu einer ausgeglicheneren Sichtweise und Geisteshaltung. Im Sinne des Buddhismus verhilft uns Achtsamkeit dazu, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind – nicht, wie wir sie gewohnt sind zu sehen.

Wie zeigt sich bei Sandra der Effekt von Achtsamkeit im Alltag?

Alles in allem hat diese Gruppe mir persönlich sehr viel gebracht und ich konnte für mich einiges mitnehmen, was ich auch heute noch im Alltag versuche umzusetzen […] vielleicht bin ich zu spät aufgestanden und renne in aller Hektik durch die Wohnung, weil ich zur S-Bahn muss. Wenn ich dann mit der Zahnbürste im Mund noch durch die Wohnung laufe, meine Sachen während dem Zähneputzen zusammensuche, den Kaffee schon Mal aufsetze, dann beginnt der Tag für mich extrem stressig. Meistens bin ich dann total unausgeglichen. Wenn ich mir aber versuche zu sagen: »Jetzt kommt Zähneputzen, dann anziehen, dann Kaffee kochen usw. komme ich meistens auch nicht zu spät, bin bei der jeweiligen Sache und gehe dadurch aber entspannter aus dem Haus.

 

1.4       Wie wird Achtsamkeit von wichtigen Vertretern von Meditation und Achtsamkeit beschrieben?

Formale Achtsamkeitspraxis ist die einfachste (buddhistische) Meditationsform. Gendün Rinpoche, ein tibetisch buddhistischer Meister, sagt zu Meditation:

»Meditation bedeutet, den Geist im gegenwärtigen Augenblick ruhen zu lassen – ohne etwas abzulehnen, ohne etwas künstlich zu erzeugen und ohne das Sosein des jeweiligen Moments zu manipulieren« (Gendün Rinpoche 2001, S. 148).

Thich Nhat Hanh, ein buddhistischer Mönch aus Vietnam, dessen Werke die psychotherapeutisch geprägte Achtsamkeit maßgeblich beeinflusst haben, sagt zu Meditation und Achtsamkeit:

»Meditieren heißt, ganz präsent zu sein, unerschütterlich, Körper und Geist vereint. Deshalb definiere ich Achtsamkeit gern als die Energie der vollkommenen Präsenz, […] denn wenn du nicht hundertprozentig bei dir bist, geht das Leben an dir vorbei. […] (Thich Nhat Hanh 1998, S. 20).

Die Vergangenheit ist schon vorüber, und die Zukunft ist noch nicht da. Nur im gegenwärtigen Augenblick können wir das Leben wirklich berühren« (Thich Nhat Hanh 1998, S. 17).

Prof. Jon Kabat-Zinn, der Begründer des Mindfulness-Based Stress Reduction Programms (MBSR), schlägt folgende Definition vor:

»Vereinfacht bedeutet Achtsamkeit oder Aufmerksamkeit, jeden Augenblick bewusst zu erfassen. Es ist ein Bewusstseinszustand, der dadurch entwickelt wird, dass man seine Aufmerksamkeit vorsätzlich, also ganz bewusst, auf all jene Dinge richtet, über die man für gewöhnlich nie nachdenkt« (Kabat-Zinn 1990, S. 16).

Wir fassen die Essenz von Achtsamkeit wie folgt zusammen:

•  Aufmerksamkeit und Bewusstheit für den gegenwärtigen Augenblick

•  Eine offene, annehmende und nicht-bewertende Haltung

 

1.5       Wie übe ich Achtsamkeit?

Für die Übung von Achtsamkeit ist es zuallererst wichtig, so unverkrampft wie möglich – körperlich und geistig – zu bleiben. Achtsamkeit sollte nicht schwer sein. Wenn es Ihnen keine Freude bereitet, Achtsamkeit zu üben, werden Sie keine positiven Effekte verspüren. Das Erste, was Sie also verinnerlichen sollten, wenn Sie selbst anfangen zu üben, ist: Setzen Sie sich nicht unter Druck. Tun Sie, was möglich ist und was Ihnen sinnvoll erscheint.

Achtsamkeitsübungen im Alltag

Es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten, Achtsamkeit zu erhöhen. Eine Möglichkeit ist, Achtsamkeit in alltäglichen Situationen (z. B. beim Essen, Sitzen, Putzen, Bus fahren etc.) zu üben. Wir gewöhnen uns an, im Laufe des Tages immer wieder Kontakt zum jetzigen Moment aufzunehmen. Je häufiger wir dies tun, umso selbstverständlicher nehmen wir die achtsame Haltung im Alltag ein, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. Mögen Sie gleich Ihre erste Erfahrung damit machen? Dann laden wir Sie ein, eine erste Übung zu machen.

Anleitung einer ersten Übung:

Lesen Sie diese Anleitung Satz für Satz durch. Lassen Sie sich durch die Übung führen und seien Sie achtsam für Ihre Wahrnehmungen. Nehmen Sie sich bei jeder Frage die Zeit, die Sie brauchen, um wahrzunehmen. Nehmen Sie wahr, ohne etwas zu verändern. Seien Sie offen und nehmen Sie den Moment an, wie er ist.

 

•  Lenken Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Sitzhaltung. Was nehmen Sie wahr?

•  Wie ist Ihre Sitzposition? Wie ist die Haltung Ihres Oberkörpers? Wie ist die Haltung Ihrer Arme? Wie ist die Haltung Ihrer Beine?

•  Wo spüren Sie Kontakt zu Gegenständen oder zum Untergrund?