ADS ist heilbar - Ralph Meyers - E-Book

ADS ist heilbar E-Book

Ralph Meyers

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Beschreibung

Dieses Buch räumt mit drei Irrtümern, die die Aufmerksamkeitsdefizitstörung betreffen, auf. Erstens zeigt es: ADS ist keine Modediagnose, sondern eine Erkrankung, an der viele Menschen leiden. Sie ist zweitens objektiv diagnostizierbar. Und drittens schließlich: ADS ist heilbar!

Aber ADS verschwindet nicht von allein. Das Gehirn hat nur unzureichende Lernfortschritte machen können und dies bedingt das Störungsbild. Dieses Buch stellt ein neues Konzept in der Diagnostik und Therapiebegleitung vor. Es erklärt, wie es gelingt, eine Weiterentwicklung des Gehirns zu fördern und Betroffenen ein gesundes Leben zu ermöglichen.

  • Endlich Klarheit für verzweifelte Eltern und Betroffene
  • Die Selbstheilungskräfte des Gehirns erkennen und fördern
  • Die Ergebnisse aus jahrzehntelanger therapeutischer Praxis

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Seitenzahl: 168

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Endlich Klarheit für verzweifelte Eltern und Betroffene

Dieses Buch räumt mit drei Irrtümern auf, die die Aufmerksamkeitsdefizitstörung betreffen.

Erstens zeigt es: ADS ist keine Modediagnose, sondern eine Erkrankung, an der viele Menschen leiden.

Sie ist zweitens objektiv diagnostizierbar.

Und drittens schließlich: ADS ist heilbar!

Aber ADS verschwindet nicht von allein. Das Gehirn hat nur unzureichende Lernfortschritte machen können und dies bedingt das Störungsbild. Dieses Buch stellt ein neues Konzept in der Diagnostik und Therapiebegleitung vor. Es erklärt, wie es gelingt, eine Weiterentwicklung des Gehirns zu fördern und Betroffenen ein gesundes Leben zu ermöglichen.

Die Selbstheilungskräfte des Gehirns erkennen und fördern

Die Ergebnisse aus jahrzehntelanger therapeutischer Praxis

Ralph Meyers, Dr. med., geboren 1957, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie; Ärztlicher Psychotherapeut; Leitender Prüfarzt; Mitglied der Ethikkommission der ÄKWL und Wilhelms-Universität Münster; Beratender Arzt der KVWL (PharmPro); Mitglied im Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e.V., Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie Psychosomatik und Psychotherapie e.V., ADHS-Netz Deutschland.

Ralph Meyers

ADS ist heilbar

Präzise Diagnose – erfolgreiche Therapie

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht gelungen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber.

2., aktualisierte Auflage, 2022

Copyright © 2019 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Konzept- und Textberatung sowie Grafiken (Abbildung 1, 2 und 27):

Dr. Bettina Burchardt, www.bettina-burchardt.de

ISBN 978-3-641-24587-0V003

www.gtvh.de

Ich danke meiner Frau María Angélica, die mir den entscheidenden »Schubs« gegeben hat, das Buch, das vier Jahre in der Schublage lag, zu Ende zu schreiben, und mich in allen Lebenslagen unterstützt mit ihrer Kraft, Liebe und Spiritualität.

So lesen Sie »ADS ist heilbar«

1. Sie haben überhaupt keine Zeit:

Empfehlen Sie das Buch Ihren Studenten oder Patienten und lassen Sie sich berichten.

2. Sie sind Profi und möchte eine kurze Orientierung (1 Min.):

Sie möchten z.B. überprüfen, welche Medikamente für einen Subtyp von ADS/ADHS am besten geeignet sind oder welche Kombination von Medikamenten das Therapieergebnis verbessern kann. Dann schauen Sie sich die Grafik 27 an.

3. Sie haben ADS/ADHS und möchten verstehen, worum es geht (30 Min.):

Sie lesen nur das fett Gedruckte und erhalten so einen komprimierten Überblick über den Inhalt des Buches. Wenn Sie über einen speziellen Sachverhalt mehr wissen wollen, lesen sie das Kapitel vollständig. Dafür brauchen sie 10 zusätzliche Minuten.

4. Sie machen sich Sorgen um Ihr Kind und möchte alles lesen (3 Std.):

Nachdem Sie das Buch überflogen haben, vertiefen Sie sich in die einzelnen Kapiteln, sodass Sie das Buch am Ende von vorne bis hinten gelesen haben werden.

5. Sie sind Medizinstudent und möchten alles verstehen (6 Std.):

Lesen Sie das ganze Buch sorgfältig, lesen Sie es noch einmal und wenn Sie es dann auswendig lernen, bestehen Sie auch eine knifflige Prüfung, selbst, wenn Ihr Professor ein strenger Typ ist.

Für alle, die das Gelesene gerne mit Gehörtem ergänzen wollen, gibt es eine Podcast-Serie:

1. Eltern-Gedöns | Leben mit Kindern: Interviews & Tipps zu achtsamer Erziehung

https://youtu.be/PseWRuB1hjg

2. Was ist ADS/ADHS?

https://youtu.be/aG4DVGWBCdg

3. Welche Auswirkungen hat ADS für Betroffene?

https://youtu.be/isZiJa_ZqVw

4. Die richtige Diagnose von ADS/ADHS

https://youtu.be/rsm_o8pb0F4

5. Persistierende Reflexe und ADS

https://youtu.be/sr7c-OlpDek

6. Welche Behandlungen und Methoden gibt es?

https://youtu.be/LtTKQwsoEwM

Den Youtube-Kanal des Autors finden sie hier:

https://www.youtube.com/channel/UC0MpJzmKmc1fg0XlEVXPfkA/videos

Inhalt

Vorwort

KAPITEL 1

Fakten gegen das Hörensagen – Der ADS-Check

Eine Frage der Perspektive – Die Symptome von ADS

Viele Gründe für dieselbe Störung – Die Ursachen von ADS

Neurotransmitter im Ungleichgewicht – Was bei ADS im Gehirn passiert

Lebenslauf mit Hindernissen – Die Folgen von ADS

KAPITEL 2

Von der Untersuchung zur Diagnose

Die Eingangsuntersuchung

Eigene Standards in der anschließenden testpsychologischen Diagnostik

Das Messverfahren OPATUS CPTa

Die Verlaufsuntersuchung

Die häufigsten Fehler in der Therapie von ADS

KAPITEL 3

Alternative und ergänzende Diagnosen zur ADS-Diagnose

Neurologische Erkrankungen

Tic-Störungen und Tourette-Syndrom

Entwicklungsstörungen des Sprechens und Hörens

Epilepsie

Psychische Erkrankungen

Mangelerkrankungen

Vitamin-D-Mangel

Eisenmangel

Vitamin-B12-Mangel

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Erworbene Schädigungen vor, während und nach der Geburt

Fetale Alkoholspektrumsstörung (FAS)

Persistierende frühkindliche Reflexe

KISS- und KIDD-Syndrom

Erworbene Schädigungen durch Drogen

Erworbene Störung durch Mediensucht

KAPITEL 4

Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten von ADS

Medikamente aus der Schulmedizin

Methylphenidat MPH (Ritalin®, Medikinet®, Equasym®, Concerta® und andere)

Imipraminhydrochlorid (Imipramin®)

Amphetaminpräparate

Atomoxetin ATMX (Strattera®)

Guanfacin XR (Intuniv®)

Unterstützung des Arztes bei der Auswahl von geeigneten Medikamenten

Die Gefahr einer Über- oder Unterdosierung

KAPITEL 5

Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten von ADS

Pädagogische Interventionen

Psychotherapeutische Interventionen

Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP)

Marburger Konzentrationstraining (MKT)

Tiefenpsychologische Psychotherapie

Systemische Therapie

EEG-gestütztes Neurofeedback

Entspannungstechniken

Autogenes Training

Progressive Muskelentspannung

Lachyoga

Risotherapie

KAPITEL 6

Prognose und Heilung von ADS

Informationen zum Autor

Weitere Veröffentlichungen des Autors

Vorwort

Manche Menschen können ihre Aufmerksamkeit nicht mit der gewünschten Präzision und Ausdauer auf die ihnen gestellten Aufgaben fokussieren. Weil sie schnell abgelenkt sind, fällt es ihnen schwer, Angefangenes zu Ende zu bringen. In Schule, Beruf und Privatleben führt das für die Betroffenen oft zu großen Einschränkungen. Meist wird das Symptom der mangelnden Konzentrationsfähigkeit mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, also ADS erklärt. Doch viele Fehlinformationen und Missverständnisse sorgen dafür, dass die Betroffenen nicht immer eine zutreffende Diagnose und auch keine optimale Therapie erhalten. Hier einige von ihnen:

»Wer sich nicht konzentrieren kann, hat ADS.« – Falsch. Viele andere Krankheiten haben dieselben Symptome wie ADS, müssen aber ganz anders behandelt werden. Eine exakte Diagnose ist also unbedingt notwendig, nur so passt die Therapie zum Patienten.»ADS wächst sich ganz von alleine aus.«– Falsch. Ohne Therapie kann das Gehirn sein Defizit nicht aufholen.»ADS ist nicht heilbar.« – Falsch. Unter bestimmten therapeutischen Voraussetzungen kann das Gehirn sich weiterentwickeln und fehlende Fähigkeiten lernen. Eine lebenslange Behandlung ist dann nicht notwendig. ADS ist also heilbar.»Es gibt keine objektive Diagnosestellung für ADS.« – Falsch. Es gibt längst objektive Tests zur Feststellung von Konzentrationsmangel, Flüchtigkeit, Unruhe und Impulsivität. Doch leider stützen sich auch heute noch viele ADS-Diagnosen auf die rein persönliche Einschätzung des Diagnostikers (»Blickdiagnose«). Noch fataler für die Betroffenen ist es, wenn sich Psychologen oder Ärzte zu sehr auf die Wahrnehmung von Eltern, Lehrern, Erziehern und Pflegepersonal stützen – also auf die Meinung von Laien!

Die Unsicherheit im Umgang mit ADS erstreckt sich auch auf die Verordnung von Medikamenten und anderen Therapien. Wenn die Diagnose nicht stimmt, wird die auf ihr aufbauende Behandlung kaum einen Nutzen bringen. Die mangelhafte Abgrenzung zu ähnlichen Symptomatiken kann dazu führen, dass ein unwirksames Medikament in der Dosierung noch erhöht wird; im schlimmsten Fall erweisen sich Therapie und Medikation sogar als schädlich. Noch dazu liegen die Therapieentscheidungen oft in der Hand von Menschen, die fachlich nicht ausreichend dazu ausgebildet sind. Bis vor wenigen Jahren wurden beispielsweise 90 Prozent aller Ritalin®-Verordnungen von Nicht-Fachärzten ausgestellt.

Inzwischen hat die Politik reagiert: Bestimmte Medikamente für die Behandlung von ADS dürfen nur noch von Kinder- und Jugendpsychiatern, Kinderärzten mit Zusatzqualifikation sowie Erwachsenenpsychiatern verordnet werden. Doch damit ist das Problem der subjektiven und entsprechend unzuverlässigen Diagnosen und Therapien noch nicht gelöst. Dabei gibt es längst objektive Verfahren, die die Konzentrationsfähigkeit mit hoher Messgenauigkeit und Aussagekraft erfassen; sie werden jedoch in Deutschland bisher nur selten angewandt. Das liegt zum einen daran, dass sie auch unter Fachleuten nur wenig bekannt sind, zum anderen daran, dass die meisten von ihnen bis heute nicht von den Krankenkassen erstattet werden. Andere europäische und außereuropäische Länder sind da schon einen Schritt weiter.

Dieses Buch hinterfragt kritisch die geltenden Standards und stellt mit dem OPATUS-CPTa-Testverfahren ein bewährtes Werkzeug für die objektive ADS-Diagnose vor, das zudem von den Krankenkassen erstattet wird. Es wendet sich nicht nur an Kollegen, die in ihren Praxen mit dem Thema ADS immer häufiger in Berührung kommen und sich mit ihm näher beschäftigen möchten. Es will auch Menschen mit ADS und deren Familien informieren. Denn Diagnosen und Therapien lassen sie oft ratlos zurück; ihr Verlangen nach Sicherheit ist groß. Viele Betroffene und deren Angehörige fragen sich: »Ist die Diagnose, mit der ich seit vielen Jahren lebe, wirklich korrekt?« Und auch: »Wie kommt es, dass seit einigen Jahren fast jedes Kind mit gewissen Verhaltensauffälligkeiten an ADS leiden soll?« Meiner Erfahrung nach haben sie sich meist schon so umfassend mit dem Thema ADS beschäftigt, dass wissenschaftliche Begriffe und komplexe Zusammenhänge sie nicht schrecken können.

Das vorliegende Buch soll Klarheit schaffen und seine Leser darin unterstützen, die Qualität von Diagnose und Therapie besser einzuschätzen. Falls nötig ermächtigt es sie, eine fundierte Diagnostik, multimodale Therapie und Therapiekontrolle aktiv einzufordern. Es lohnt sich. Denn nach dreißig Jahren psychiatrischer Tätigkeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen weiß ich: Wenn es sich wirklich um ein ADS handelt und höchste Diagnose- und Therapiestandards angewendet werden, ist diese Krankheit heilbar. Eine lebenslange medikamentöse oder therapeutische Behandlung ist dann nicht mehr nötig.

KAPITEL 1

Fakten gegen das Hörensagen – Der ADS-Check

Das Wichtigste in Kürze:

Konzentration ist die Fähigkeit, unnötige, momentan unwichtige Reize auszufiltern, um sich umso intensiver und aufmerksamer den für die jeweilige Situation wichtigen Informationen zuwenden zu können.

Menschen mit ADS leiden an einer verminderten Konzentrationsfähigkeit. Durch eine Lernverzögerung sind sie nicht in der Lage, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden.Die drei Subtypen des ADS sind durch folgende Symptome besonders gekennzeichnet: Unaufmerksamkeit (ADS), Hyperaktivität (ADHS) und eine Kombination aus beidem (Mischtyp).Es gibt ein objektives Maß für ADS.Es macht nur Sinn, die Symptomatik zu behandeln, wenn der Betroffene tatsächlich in seiner Lebensqualität beeinträchtigt ist.

Viele Ungenauigkeiten und auch Fehlinformationen über ADS geistern durch die Medien – leider sind sie auch in Forschung und Wissenschaft immer noch weit verbreitet. Die große Unsicherheit darüber, was ADS überhaupt ist, führt unter anderem dazu, dass manche Kinder sofort in eine Schublade gesteckt werden, sobald sie unaufmerksam und unkonzentriert sind bzw. ein etwas lebhafteres Verhalten zeigen. Andererseits sind da die Erwachsenen, die gar nicht wissen, dass sie ADS haben, und sich nicht erklären können, warum vieles in ihrem Leben ihnen so große Mühe macht. Wer über ADS reden will, muss also erst einmal für Klarheit sorgen.

ADS ist die Kurzform für den Begriff Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Bei ADS im engeren Sinne fällt es den Betroffenen schwer, sich zu konzentrieren und aufmerksam zu bleiben. Von ihrer Umgebung werden sie oft als verträumt wahrgenommen.

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) ist ein Sonderfall von ADS. Auffallend ist die mit einer hohen Impulsivität einhergehende Hyperaktivität. Die mangelnde Impulskontrolle der Betroffenen bedeutet nicht nur, dass sie kaum ruhig auf einem Stuhl sitzenbleiben können. Es fällt ihnen auch schwer, sich an ihre soziale Umgebung anzupassen.

Nicht immer sind ADS und ADHS klar voneinander getrennt. Mehr als die Hälfte der Betroffenen vereinen beide Symptomatiken auf sich (siehe Abbildung 1). Sie gehören der sogenannten Mischform an. Je nach Situation können sie etwas gar nicht mitbekommen, in anderen impulsiv reagieren.

Insgesamt ergibt sich also eine Dreiteilung der ADS-Symptomatik:

Unaufmerksamer Typ (ADS im engeren Sinne)Hyperaktiver/impulsiver Typ (ADHS)Mischtyp (ADS/ADHS)

Die genaue Differenzierung dieser ADS-Typen hat großen Einfluss auf die Auswahl der geeigneten Therapieform.

Abbildung 1: Die drei Untergruppen der ADS-Symptomatik.

ADS: Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom; ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Etwa 50 Prozent der von einer Aufmerksamkeitsstörung Betroffenen gehören zum Mischtyp.

Nicht immer sind die ADS-Symptome in ihrer Ausprägung so tiefgreifend, dass sie einen Betroffenen in seiner Lebensführung spürbar beeinträchtigen. Die Störung kann aber auch so massiv sein, dass ein Mensch stark unter ihr leidet:

Auf direkte Art und Weise. Über unser Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Fühlen wird unser Gehirn im Wachzustand ständig mit einer Unmenge an Informationen konfrontiert. Doch nur ein winziger Teil dieser Informationen ist wichtig für die Situation, in der wir uns befinden. Damit der relevante Teil der Sinneseindrücke sinngebend verarbeitet werden kann – wir uns also konzentrieren können – muss unser Gehirn ca. 99 Prozent der einlaufenden Informationen ausfiltern und ausblenden. Genau diese Funktion ist bei ADS-Betroffenen beeinträchtigt. Ohne Behandlung müssen sie mit einem ständigen Übermaß an Reizen fertig werden, das dann zum Beispiel zu Rastlosigkeit und Ungeduld, ständiger Müdigkeit, Unzufriedenheit oder Depressivität führt.Aufgrund der psychosozialen Langzeitfolgen. Weil Betroffene sich oft wegen der Reizüberflutung aus einer Situation ausklinken oder durch Verhaltensauffälligkeit ihre Umgebung nerven und überfordern, tun sie sich schwer damit, sich in Gruppen einzufügen. In Familie und Freundeskreis sowie in Schule, Ausbildung und Beruf eckt ihr soziales Verhalten an. Die Folge ist eine mehr oder weniger starke Ausgrenzung, die ihr gesamtes Leben bestimmen kann. Sogar ihre Gesundheit ist durch verschiedene Ausprägungen des ADS in Gefahr. Der Teil »Lebenslauf mit Hindernissen – Die Folgen von ADS« geht ab hier genauer auf die Zusammenhänge ein.

Ein immer noch weit verbreitetes Missverständnis lautet, dass nur Kinder unter ADS leiden. Man war lange Zeit der Meinung, dass sich die Störung im Jugendalter »auswächst«. Tatsächlich wandeln sich bestimmte Formen der motorischen Hyperaktivität, die kein ADS sind, im Verlauf der Pubertät in eine vorübergehende innere Unruhe um, bevor sie ganz verschwinden. Doch bei einem echten ADS ist das nicht der Fall. Heute weiß man, dass auch viele Erwachsene unter ADS leiden. Sie hatten die Störung zweifellos schon als Kind, doch bei vielen von ihnen wurde sie nicht diagnostiziert.

Fallbeispiel: Frau Müller ist Mitte fünfzig, ausgebildete Steuerberaterin und Mutter zweier Teenager mit ADS, die bei mir in Behandlung sind. Als die Therapie ihrer Töchter erfolgreich abgeschlossen ist, ist für Frau Müller der Weg frei, wie schon lange geplant wieder in ihren Beruf einzusteigen. Doch in der Zwischenzeit hat sich viel geändert; unzählige fachliche und auch organisatorische Neuerungen muss Frau Müller lernen. Anfangs ist sie sich sicher, dass sie es schaffen wird, im Selbststudium den Stoff aus fast zwei Jahrzehnten nachzuholen. Doch sie muss erkennen, dass sie sich nicht genügend konzentrieren kann. »Das liegt doch nicht nur am Alter?«, fragt sie mich. Tatsächlich hat Frau Müller ein bislang unentdecktes ADS. Während ihrer Ausbildung hat sie die Symptome durch viel Einsatz ausgleichen können, doch heute sind ihre Möglichkeiten begrenzter. Eine entsprechende Behandlung steigert ihre Konzentrationsfähigkeit wieder so weit, dass sie nach einer sehr lernintensiven Zeit wieder als Steuerberaterin arbeiten kann.

Aus der Praxis kenne ich viele Beispiele von Erwachsenen mit nicht diagnostiziertem ADS, die jahrelang ohne ärztliche Begleitung mit den Symptomen fertig werden mussten. Zu den von ihnen angewandten Strategien, mit der Reizüberflutung fertigzuwerden, gehört zum Beispiel der Gebrauch von Tranquilizern oder auch einfach nur das Feierabendbier, mit deren Hilfe sie herunterdrehen und funktionieren können und – unbewusst – die ADS-Symptomatik sozial verbergen.

Erst seit etwa zwanzig Jahren wird zu ADS im Erwachsenenalter geforscht; trotz einiger Erfolge steckt dieses Fachgebiet immer noch in den Kinderschuhen. Dabei ist der Handlungsbedarf groß. Weltweit sollen 2,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an ADS leiden. Für Deutschland würde diese Zahl bedeuten, dass von seinen knapp 70 Millionen Einwohnern über 18 Jahren 1,9 Millionen ADS haben. Meiner Einschätzung nach ist diese Zahl nicht zu hoch gegriffen.

Eine Frage der Perspektive – Die Symptome von ADS

Über die Symptome von ADS gibt das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) Auskunft. In dieser Liste sind alle bekannten psychischen Störungen und ihre Symptome zusammengefasst – darunter auch ADS. Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass Leitlinien wie diese immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner großer Gruppen und vieler Meinungen widerspiegeln. In der täglichen Praxis gibt der DSM-Katalog brauchbare Informationen nicht zuletzt in Abrechnungsfragen. Doch sollten sich Mediziner nicht dazu verleiten lassen, sich bei ihrer Diagnose und der zu wählenden Therapieform ausschließlich auf dieses Standardwerk zu verlassen.

Die folgende Übersicht listet die DSM-IV-Kriterien für das Vorliegen einer Aufmerksamkeitsstörung auf. Sind bei einem Menschen in den vergangenen sechs Monaten mindestens sechs der jeweils neun Merkmale aufgetreten, liegt definitionsgemäß eine Unaufmerksamkeit bzw. Hyperaktivität/Impulsivität vor.

Unaufmerksamkeit (ADS)

1. macht viele Flüchtigkeitsfehler

2. ist nicht ausdauernd

3. scheint nicht zuzuhören

4. erledigt Aufgaben nur unvollständig

5. organisiert schlecht

6. vermeidet lange geistige Tätigkeiten

7. verliert viele Dinge

8. ist leicht ablenkbar

9. ist vergesslich

Hyperaktivität/Impulsivität (ADHS)

1. zappelt, rutscht herum

2. steht häufig auf

3. läuft herum (Unruhe)

4. kann kaum ruhig spielen

5. verhält sich häufig wie »getrieben«

6. redet häufig übermäßig viel

7. platzt vorzeitig heraus

8. kann nur schwer warten

9. unterbricht/stört häufig

Diese Tabelle hat es in sich. Denn hinter dieser scheinbar so eindeutigen Auflistung stehen viele Fragezeichen. Was sind denn »viele Flüchtigkeitsfehler«? Fünf Rechtschreibfehler im Diktat? Oder zwanzig? Und wie ungeduldig muss jemand sein, dass man von ihm behaupten kann, er könne »nur schwer warten«?

Schon die Begriffe »Aufmerksamkeit« und »Konzentration«, die ja für das Thema ADS von zentraler Bedeutung sind, sind dehnbar. Denn ob jemand bezüglich seiner Konzentrationsfähigkeit auffällig ist, hängt stark von den verschiedensten Faktoren ab:

von seinem kulturellen Umfeld – in Amerika zum Beispiel legt man ganz andere Maßstäbe an als in Asien,von seiner Gruppenzugehörigkeit – die Aufmerksamkeitsleistung eines Menschen kann je nach Umfeld völlig unterschiedlich eingeschätzt werden; die Konzentrationsleistung eines Kindes kann zum Beispiel im Sportverein als völlig normal wahrgenommen werden, in seiner Schulklasse aber als signifikant abweichend,von seinem Alter – von einem Grundschüler wird weniger Konzentrationsfähigkeit erwartet als von einem Erwachsenen,von der Zeit, in der er lebt – die Ansprüche an die Konzentrationsfähigkeit eines Menschen sind heute andere als noch vor einigen Jahrzehnten.

In diesen Feststellungen liegt ein Höchstmaß an Sprengkraft. Jemand wird als unkonzentriert, also aufmerksamkeits-defizitär bezeichnet, wenn er eine Norm, die für eine Durchschnittsbevölkerung gilt, nicht erfüllt. Diese Norm ist willkürlich gesetzt, noch dazu auf nicht nachvollziehbare, geschweige denn nachprüfbare Weise. Es kann also sinnvoll sein, keine Therapie durchzuführen – selbst dann, wenn ein ADS zweifelsfrei festgestellt wurde.

Fallbeispiel Achim: Achim, 44 Jahre alt, hat zwei Kinder, die wegen ADS bei mir in Behandlung sind. Wir kommen ins Gespräch und stellen fest, dass auch er an einer leichten Form des ADS leidet: Knapp zwanzig Minuten kann er konzentriert sein, dann baut er stark ab.

Als Chemieingenieur ist Achim verantwortlich für die Überwachung einer Produktionsanlage. Diese Aufgabe ist mit einer besonderen Konzentrationsanforderung und Verantwortung verbunden. Sein Glück im Unglück ist, dass zufälligerweise die Produktionsabläufe der Anlage jeweils zwanzig Minuten dauern, anschließend wird die Anlage fünf Minuten lang wieder befüllt. Erst dann startet der nächste Durchgang. Diese fünf Minuten genügen ihm für die Erholung, sodass er sich anschließend wieder für zwanzig Minuten konzentrieren kann. Wir entschließen uns, keine Behandlung zu beginnen.

Es ist eine reine Frage der subjektiven Einschätzung, ob jemand ADS hat oder nicht. Im Extremfall könnte jemand die Meinung vertreten, dass wir alle aufmerksamkeits-defizitär sind bzw. dass es ein ADS-Problem gar nicht gibt. Um überhaupt irgendwelche Aussagen machen zu können, haben Wissenschaftler, Mediziner und andere ausgewiesene Fachleute, Interessenvertreter, Betroffene und Nichtbetroffene an runden Tischen die Leitlinien entwickelt, zu denen die oben genannten Merkmale gehören. Sie sollen dem Arzt einen Entscheidungskorridor für Diagnose und Therapie bieten. Anzunehmen, dass diese Leitlinien zu in Stein gemeißelten Verfahren führen, wäre aber ein Missverständnis.

Viele Gründe für dieselbe Störung – Die Ursachen von ADS

Die Ursachen von ADS sind heute weitgehend geklärt. Der Symptomatik liegen immer Lerndefizite zugrunde. Was bedeutet das? Wenn ein Kind zur Welt kommt, hat es einen langen Weg vor sich. Das betrifft nicht nur das körperliche Wachstum der kommenden Jahre, es muss auch sehr vieles lernen – zum Beispiel motorische Fähigkeiten wie das Laufen und Treppensteigen, aber auch soziales Verhalten, Einfühlungsvermögen in andere, das Erkennen von Zusammenhängen, die Fähigkeit, aus der Unmenge an einströmenden Informationen die wesentlichen herauszufiltern, zu speichern und später wieder abzurufen … Die Liste ist fast endlos lang. Für alle diese Fortschritte müssen sich im Gehirn neue Verknüpfungen bilden. Nicht nur der Körper des Kindes, auch sein Gehirn »wächst« – es lernt, sich in der Welt zurechtzufinden. Gibt es Lerndefizite, sind auch die psychosozialen, emotionalen und motorischen Fähigkeiten unterentwickelt; das Kind bzw. der Jugendliche kann nicht, wie es seinem Alter entsprechend zu erwarten wäre, am sozialen Leben teilnehmen.