Adventslektüre - Sonja Oetting - E-Book

Adventslektüre E-Book

Sonja Oetting

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Beschreibung

24 Adventsgeschichten über den typischen Vorweihnachtsstress und die kleinen und großen Problemchen, die mit der lieben Verwandtschaft verbunden sind, werden Ihnen sicher das Warten auf Weihnachten versüßen.

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Adventslektüre

Sonja Oetting

Kurzgeschichten

Alle Rechte, insbesondere aufdigitale Vervielfältigung, vorbehalten.Keine Übernahme des Buchblocks in digitaleVerzeichnisse, keine analoge Kopieohne Zustimmung des Verlages.Das Buchcover darf zur Darstellung des Buchesunter Hinweis auf den Verlag jederzeit freiverwendet werden.Eine anderweitige Vervielfältigung desCoverbildes ist nur mit Zustimmungder Coverillustrators möglich.

Die Illustrationen im Buchblock sindurheberrechtlich geschützt und dürfen nurmit Zustimmungdes Künstlers verwendet werden.

www.net-verlag.de

Erste Auflage 2020© Text: Sonja Oetting© net-Verlag, 09125 Chemnitz© Coverbild & Illustrationen: diekomplizen, BremenCovergestaltung, Lektoratund Layout: net-VerlagISBN 978-3-95720-293-2eISBN 978-3-97520-294-9

Für Maja und Lisa

Inhaltsverzeichnis

1.Der Adventskalender – genug ist genug

2.Papa, der Grinch

3.Der Nachbar und das Rentier

4.Weihnachten im Schuhkarton

5.Das Lebkuchenhaus

6.Nikolauslaufen, das ist doch was für Babys

7.Omas Weihnachtsdeko

8.Die Geschichte vom Weihnachtsdorf

9.Zwei Maschen rechts, zwei Maschen links

10.Ab in den Süden

11.Der Weihnachtsmarkt, der schönste Arbeitsplatz der Welt

12.Schnee

13.Weihnachtsmann zur Miete

14.Weihnachten mit der ganzen Familie

15.Schrottwichteln

16.Michaels Weihnachtsfeier

17.Die gute alte Weihnachtspost

18.Gibt es den Weihnachtsmann?

19.Die Idee des Schenkens

20.Der Tannenbaum – lasst die Spiele beginnen

21.Liefergarantie zum Fest

22.Das Krippenspiel – die große Generalprobe

23.Was gibt’s zu essen?

24.Endlich Weihnachten

1.

Der Adventskalender – genug ist genug

»So ein Mist!« Kerstin versuchte, klebrige Pappstücke von ihren Fingern zu lösen. Sie schüttelte die rechte Hand, doch nichts geschah. Dann zupfte sie mit den Fingern der anderen Hand daran herum. Wunderbar, nun klebte eines der Pappfetzen am Zeigefinger der linken Hand. »Ich dreh durch! Das wird doch hier niemals was!« Kerstin schnaufte, schüttelte den Pappfetzen mit einer energischen Bewegung ab und knüllte danach die restlichen, vor ihr liegenden Papp- und Papierstücke zusammen.

Michael saß auf dem Sofa und las Zeitung. Zumindest hatte er das bis vor Kurzem getan. Jetzt beobachtete er das Schauspiel heimlich aus vermeintlich sicherer Entfernung. Die Zeitung verdeckte sein Schmunzeln. Am Tonfall seiner Frau erkannter er, dass es im Moment besser für ihn wäre, sich nicht bemerkbar zu machen. Also verhielt er sich still. Jegliche Einmischung konnte nur zur Eskalation der Situation führen.

»Kannst du noch mal schnell zum Bastelladen fahren?«, fragte sie Michael, ohne aufzusehen. »Ich brauche neue Pappe für diese bescheuerten Schachteln. Und einen anderen Kleber. Dieses Zeug hier funktioniert nicht. Es ist zu alt.«

Als Michael nicht sofort reagierte, blickte Kerstin von ihrem Papierhaufen auf. Sie starrte in Richtung Michael, als ob sie mit ihrem Blick ein Loch in die Zeitung brennen wollte. Gleichzeitig schüttelte sie die Flasche mit dem Kleber so wild, dass es wahrscheinlich ein Unglück gegeben hätte, wäre dieser nicht so eingetrocknet gewesen. Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht, und auf ihrem Hals waren deutliche Stressflecken zu sehen. Wäre die Situation nicht so brisant gewesen, hätte Michael lauthals losgelacht. Kerstins Anblick war wirklich zu komisch.

»Eigentlich wollte ich gleich zum Sport«, antwortete Michael gespielt beiläufig und wusste, dass er so leicht nicht aus dieser Nummer rauskommen würde. Aber allzu einfach wollte er es ihr auch nicht machen.

»Echt jetzt?« Kerstin stellte den Kleber ab. »Das kannst du doch später machen. Ich muss auch noch die ganzen Geschenke für die Adventskalender kaufen. Ich weiß nicht, wie ich das alles noch rechtzeitig schaffen soll! Morgen ist der Erste …«

Ärger stieg in Michael auf. Wieder gab es das gleiche Theater wie im letzten Jahr. Und im vorletzten. »Du hast mich doch gefragt. Und wer eine Frage stellt, muss mit der Antwort leben. Entschuldige, aber jedes Jahr gerätst du in Stress wegen der ollen Adventskalender.«

»Ja, weil du mir ja auch nicht hilfst. Weißt du eigentlich, wie viel Arbeit da drinsteckt? Vierundzwanzig kleine Geschenke pro Kind. Ich fahre dafür mindestens in drei verschiedene Läden. Es soll ja wohl auch nicht nur Süßigkeiten geben.«

»Keiner zwingt dich dazu. Lass es doch einfach sein! Ben und Emma werden kein Trauma erleiden, wenn sie keinen Adventskalender bekommen.«

Kerstin starrte Michael mit weit geöffneten Augen an. »Das ist doch jetzt nicht dein Ernst!? Die Kinder müssen auf ihren Adventskalender verzichten, weil du lieber zum Sport willst?«

»Es liegt wohl eher daran, dass du zu spät damit angefangen hast.« Michael duckte sich sicherheitshalber weg, falls Kerstin auf die Idee kommen sollte, etwas nach ihm zu werfen. »Ich denke, dass diese ganze Adventskalendersache mittlerweile überhandnimmt. Darüber sollten wir mal nachdenken.«

»Wenn du meinst«, antwortete Kerstin, stand von ihrem Stuhl auf und verschränkte die Arme.

Michael hatte das Geschäft um die Adventskalender schon seit langem satt. In den Supermärkten standen seit Wochen die Adventskalender diverser Hersteller in den Regalen. Von billiger Schokolade bis zu Marken-Plastikspielzeug war alles dabei. Jeder Kalender musste größer, bunter und toller sein. Er vermied schon, seine Kinder überhaupt mit in den Supermarkt zu nehmen, um Diskussionen vorzubeugen. Was am Ende von den Kalendern übrigblieb, war Krimskrams, der nach kurzer Zeit unterm Bett oder bestenfalls im Mülleimer endete. Wann hatten Eltern aufgehört, ihren Kindern sinnvolle Geschenke zu machen?

»Ich bin mit einem simplen Schokoladenkalender aufgewachsen«, sagte Michael. »Es war das Größte für mich, morgens noch vor dem Frühstück das Türchen zu öffnen und dieses besondere Stückchen Schokolade zu essen.«

»Das war bei mir doch genauso«, antwortete Kerstin. Ihre Stressflecken verblassten langsam. »Die Zeiten haben sich aber geändert. Früher gab es diese Auswahl nicht.«

»Aber nur, weil es diese Vielfalt jetzt gibt, müssen wir da doch nicht mitmachen.« Michael schüttelte seinen Kopf.

Kerstin erklärte Michael, dass sie sich aus diesem Grund dazu entschlossen hatte, die Adventskalender selber zu basteln. »Nur deshalb habe ich doch diese ganze Arbeit damit. Spaß macht mir der Bastelkram bestimmt nicht, das weißt du. Ich finde es aber wichtig, dass die Kinder merken, dass die Vorweihnachtszeit etwas Besonderes ist. Und ein Adventskalender gehört für mich dazu.«

»Dann lass uns doch eine andere Lösung finden«, sagte Michael.

Während sie nach einer Alternative suchten, kochte Michael erst mal einen Kaffee. Die beiden hatten schon viele Probleme mit Kaffee gelöst. Während des weiteren Gesprächs stellten sie fest, dass ihre Meinungen gar nicht so weit auseinander lagen. Die selbstgebastelten Kalender waren schon eine gute Lösung. Allerdings waren sie am Ende auch viel teurer als Fertigprodukte.

»Wir überschütten unsere Kinder mit Geschenken. Hier eine Kleinigkeit, dort eine Kleinigkeit. Und am Ende wundern wir uns, dass sie nicht damit zurechtkommen, wenn wir ihnen mal einen Wunsch abschlagen«, stellte Michael fest.

Kerstin konnte ihm da nur zustimmen. Der Prozess ließ sich nur schwer aufhalten, war er erst einmal in Gang gesetzt.

Plötzlich hatte Michael eine Idee. Es sollte ab sofort einen Familien-Adventskalender geben. Die Rechnung war simpel: vier Personen und vierundzwanzig Tage. Das bedeutete sechs Geschenke pro Person.

»Spürst du das auch?«, fragte Kerstin. »Ich glaube, der Geist der Weihnacht hat uns gerade bei der Lösung unseres Problems geholfen.«

»Oder der Kaffee«, antwortete Michael und zwinkerte Kerstin zu. »Aber du hast recht. Wir müssen uns viel häufiger darauf besinnen, was wichtig ist.«

Nachdem alle Geschenke gekauft und in kleinen Baumwollsäckchen verpackt waren, riefen Michael und Kerstin die Kinder ins Wohnzimmer, um den neuen Familien-Adventskalender zu präsentieren.

Ben und Emma freuten sich über den Anblick des Kalenders. Aber wahrscheinlich hatten sie mit ihren acht und vier Jahren noch nicht sofort verstanden, dass es in diesem Jahr weniger Geschenke gab. Die nächsten Tage würden es zeigen.

Gemeinsam suchten sie einen Platz im Wohnzimmer, um den Kalender aufzuhängen.

Plötzlich blickte die kleine Emma erschrocken auf. »Lucy, wir haben Lucy vergessen!«

Wie aufs Stichwort schlenderte Katze Lucy ins Wohnzimmer. Als sie die Säckchen an der Wand entdeckte, lief sie freudig darauf zu. Veränderungen machten sie immer sehr neugierig. Prompt fing sie auch an, mit dem Schleifenband, das um eines der Säckchen gebunden war, zu spielen.

Kerstin krauelte Lucy am Köpfchen und sagte: »Wir haben sie nicht vergessen. Lucy hat jetzt einen Monat lang ein fantastisches Spielzeug.«

Zur Bestätigung setzte ein wohliges Schnurren ein.

Die familiäre Stimmung wurde von der Türklingel unterbrochen. Als Michael öffnete, konnten die anderen bereits die unverwechselbare Stimme von Oma Annemarie hören. Zielstrebig kam sie ins Wohnzimmer. »Schaut mal Kinder, was ich euch mitgebracht habe!« Voller Stolz streckte sie ihnen zwei riesige Adventskalender entgegen.

Ben und Emma grinsten über beide Ohren und liefen ihr entgegen.

Kerstin und Michael blickten sich wortlos an – so viel dazu.

2.

Papa, der Grinch

Michael und Kerstin saßen gemeinsam mit ihren Kindern Ben und Emma in der Küche beim Abendbrot. Es war zwar erst 17 Uhr, aber bereits stockdunkel. Während der Wind durch die Luft pfiff, tanzte das letzte herabgefallene Laub freudig herum und fegte über den Boden hinweg. Je ungemütlicher es draußen war, desto gemütlicher wurde es im Haus.

Kerstin lief ein wohliger Schauer den Rücken hinunter. Sie griff nach ihrem Teebecher und wärmte ihre Hände daran. Sie liebte diese Abende, an denen die Familie gemeinsam den Tag ausklingen ließ.

Während sie den Moment gerade in vollen Zügen genoss, wurde ihr bewusst, dass dieser Frieden nicht mehr lange halten konnte. Sie ärgerte sich über sich selbst, denn dieser Gedanke entwickelte sich unweigerlich zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Als sie argwöhnisch auf Emmas nächsten Wutanfall oder zumindest einen Streit zwischen den Kindern wartete, unterbrach Michael ihre Beobachtung: »Wo wir hier gerade so gemütlich zusammensitzen …«

»Oh nein, nicht schon wieder!« Kerstin verdrehte die Augen.

»Was soll das denn jetzt heißen? Lass mich doch bitte mal aussprechen!«, brachte Michael die Worte mit betonter Freundlichkeit heraus. »Bald ist Weihnachten, und darauf freue ich mich sehr.« Er machte eine Pause und blickte in die Gesichter seiner Familie. »Allerdings würde ich mir wünschen, dass … «

»Dass es nicht so stressig wird wie im letzten Jahr«, beendete Kerstin seinen Satz.

Es war passiert. Der Frieden beim Abendessen wurde zerstört, und diesmal war Michael schuld.

Jedes Jahr gab es die gleiche Diskussion im Hause Krüger. Michael mochte den Trubel um Weihnachten nicht. Genaugenommen mochte er gar keinen Trubel um irgendwas. Für ihn waren die Weihnachtsvorbereitungen, wie Geschenke zu kaufen, Spaziergänge über den überfüllten Weihnachtsmarkt zu machen oder die Besuche der Familienangehörigen unnötiger Stress. Er tat sich schwer damit zu akzeptieren, dass einige Dinge einfach dazugehörten. Das war zumindest Kerstins Eindruck. Augen zu und durch, das war ihre Devise – und am Ende war es doch eigentlich immer ganz schön … so unterm Strich. Warum konnte er das nicht einfach so hinnehmen? Außerdem konnten sie sich glücklich schätzen, dass sie überhaupt so eine große Familie hatten.

Kerstin war klar, dass sie nicht wieder die Moralkeule, wie Michael es nannte, schwingen durfte. Darauf reagierte er mittlerweile mehr als allergisch. Sie musste diesmal eine andere Strategie versuchen. Deshalb entschied sie sich dafür, mit einem scherzhaften Ansatz zu versuchen das Thema zu beenden.

»Das ist ja mal ganz was Neues von dir«, sagte Kerstin und zwinkerte ihren Kindern zu. »Du kleiner Grinch, jetzt spring mal über deinen Schatten. Am Ende werden wir ja doch das volle Programm durchziehen. So wie in jedem Jahr. Es wird allerdings viel weniger schlimm, wenn du dich von Anfang an darauf einlässt.«

Noch bevor Michael antworten konnte, fing Emma an zu lachen. »Grinch, was ist ein Grinch, Mama? Grinch, Grinch, Grinch!«

Ben stimmte in das Gelächter ein.

»Das ist ein unfreundliches und furchtbar gemeines grünes Wesen, das Weihnachten nicht mag«, antwortete Kerstin. »Und weil er Weihnachten nicht mag, sollen auch alle anderen keine Freude daran empfinden. Er spielt den Menschen unfaire Streiche, um ihnen das Weihnachtsfest zu vermiesen. Aber egal, wie doll er sich auch anstrengt, er schafft es nicht. Und am Ende hat er dann doch sogar selber Spaß an Weihnachten. Also ganz der Papa!«

»Papa, der Grinch, Papa, der Grinch!«, sangen Ben und Emma im Chor.

»Seht ihr, Papa wird schon ganz grün«, setzte Kerstin hinzu, woraufhin alle drei lachten.

»Ich glaube eher, dass Papa rot wird«, sagte Ben und zeigte auf seinen Vater.

»Jetzt ist aber mal gut!« Michael bemühte sich, ernst zu bleiben. »Wieso verbündet ihr Gauner euch immer gegen mich? Und warum tust du eigentlich so, Kerstin, als ob dir dieser Weihnachtszirkus Spaß macht? Du bist ja auch nicht gerade der traditionelle Weihnachtstyp.« Michael freute sich über die Retourkutsche. »Es geht mir ja nicht nur um die Aktivitäten, sondern auch um den Stress, den du dabei verbreitest.«

»Was soll das denn jetzt heißen? Ich bin eben berufstätig und habe nicht so viel Zeit.« Das war Kerstins Standardantwort, wenn ihr bewusst wurde, dass sie keine Vorzeigehausfrau und Bilderbuchmutti war.

»Genau, und wenn du die Zeit hättest, würdest du zum Weihnachtsengel mutieren, oder was? Einigen wir uns einfach darauf, dass es in diesem Jahr mal nach meinen Vorstellungen läuft. Was meint ihr dazu? Dann ist der Grinch zufrieden«, schlug Michael vor.

»Oh, nach deinen Vorstellungen … und welche wären das, außer so zu tun, als wäre nicht Weihnachten?«, fragte Kerstin und wusste ganz genau, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte.

Michael atmete tief aus. »Ich möchte, dass wir nur die Dinge tun, zu denen wir auch wirklich Lust haben, und uns dabei keinen Stress machen. Keine Verpflichtungen, um es anderen recht zu machen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt!«

»Müssen denn wir alle vier Lust dazu haben, oder reicht eine Mehrheitsentscheidung?«, fragte Kerstin und blickte Ben und Emma mit einem verschmitzten Lachen an.

Michael schien den Köder zu riechen und versuchte es mit einem Frontalangriff: »Ben und Emma, möchtet ihr Weihnachten Oma Trudi, Opa Horst, Großtante Ursula und die anderen Verwandten besuchen? Lange Autofahrten und stundenlang beim Essen sitzen? Erst vom Tisch aufstehen und spielen dürfen, wenn alle fertig sind?« Michael zeigte sich bereits absolut siegessicher.

Die Kinder zögerten.

»Und natürlich ganz viele tolle Weihnachtsgeschenke bekommen«, legte Kerstin nach.

»Oh ja, oh ja!« Ben und Emma waren sich einig.

»Du spielst mit unfairen Mitteln«, sagte Michael. »Ich sehe schon, das wird hier doch wieder nix. Aber wir werden ja sehen, wie begeistert du die Vorweihnachtszeit verbringen wirst, meine liebste Gattin.«

Ben und Emma kugelten sich vor Lachen. »Der Grinch ist beleidigt, weil er wieder mal verloren hat«, stichelte Ben, und diesmal lachten alle gemeinsam.

»Schön, dann hätten wir das ja geklärt.« Kerstin ging auf Michael zu, umarmte ihn und gab ihm einen riesigen Schmatzer auf die Wange. »Und wer hat jetzt Lust, den Film vom Grinch zu schauen?«

»Oh ja!« Die Kinder jubelten. Emma kannte den Film zwar nicht, jubelte aber trotzdem. So wie eigentlich immer, wenn es um einen Film ging.

So wurde der Abend doch wieder zu einem gemütlichen Familienabend, und das war doch genau das, was Michael wollte.

3.

Der Nachbar und das Rentier

»Hast du das schon gesehen?«, fragte Michael und betrat das Haus mit großen, stampfenden Schritten.

»Nein, was denn?«, fragte Kerstin.

»Na da drüben, die Weihnachtsbeleuchtung bei den Meyers.« Michael zeigte auf das gegenüberliegende Haus. »Das wird auch jedes Jahr mehr bei denen. Das macht Harald nur, um mich zu provozieren.«

»Ist mir noch gar nicht aufgefallen. Wo denn?«

»Na gleich da drüben!« Michael zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die offenstehende Haustür.

»Ach, Schatz. Lass dich davon doch nicht so stressen! Wie war das noch gleich? Ruhe und Besinnlichkeit? Atme einfach tief durch.« Kerstin stellte sich vor Michael und strich ihm über die Schultern. »Oder musst du jetzt auch gleich wieder was Neues kaufen?«

»Was soll das denn heißen?«

»Na ja, im letzten Jahr war es ja auch so. Irgendwie kannst du es nicht auf dir sitzen lassen, wenn Harald Meyer mehr zu bieten hat als du. Also in Sachen Weihnachtsbeleuchtung.«

Ihr Zwinkern konnte Michael nicht aufheitern.

Sie wollte ihn mit dem Spruch eigentlich nur ein wenig triezen, hatte aber voll ins Schwarze getroffen.

»Schön, dass du das lustig findest«, antwortete er.

»Ach, jetzt spiel hier nicht die beleidigte Leberwurst! Vor ein paar Jahren habe ich nur dir zuliebe zugestimmt, dass du diesen komisch leuchtenden Hirsch mit Schlitten im Vorgarten aufstellen darfst. Ich mag dieses kitschige Zeug nun mal nicht. Und was ist seitdem daraus geworden? Mittlerweile haben wir einen Weihnachtsmann, einen Weihnachtsbaum, drei Elfen und diese irre blinkenden Sterne, die eher einen epileptischen Anfall verursachen, als Weihnachtsstimmung zu erzeugen. Jetzt reicht es langsam!«

»Ein Rentier«, antwortete Michael.

»Bitte?«, fragte Kerstin verwirrt.