Agaschta - Anton Beck - E-Book

Agaschta E-Book

Anton Beck

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Beschreibung

«Agaschta – A Liachtastaner Novella» ist eine poetisch-mystische Novelle mit liechtensteinischen Mundartpassagen. Ein Buch für alle, die sich für Liechtenstein und dessen Sprache und Geschichten begeistern.  Die Liechtensteiner Schülerin Nurit reist zu ihren Bekannten Lorena und Samuel in die Uckermark. Samuel, der sich in einer existenziellen Krise und Neuorientierung befindet, ist Beobachter und Erzähler dieser Reise. Während des Aufenthalts auf dem Land leidet Nurit immer wieder an epileptischen Anfällen. Sie selbst behauptet, von einer Art Dämon namens Agaschta heimgesucht zu werden. Allerdings glaubt kaum jemand Nurits Schilderungen. Nur Lorena kommt das alles bekannt vor. «Agaschta» erscheint in der Edition Gaggalaariplatz.  Mit dieser Reihe regt der Arisverlag gezielt Autorinnen und Autoren an, ihre Muttersprache auch in der Literatur zu pflegen.

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Seitenzahl: 110

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Liechtensteiner Schülerin Nurit reist zu ihren Bekannten Lorena und Samuel in die Uckermark. Samuel, der sich in einer existenziellen Krise und Neuorientierung befindet, ist Beobachter und Erzähler dieser Reise. Während des Aufenthalts auf dem Land leidet Nurit immer wieder an epileptischen Anfällen. Sie selbst behauptet, von einer Art Dämon namens Agaschta heimgesucht zu werden. Allerdings glaubt kaum jemand Nurits Schilderungen. Nur Lorena kommt das alles sehr bekannt vor.

«Agaschta – A Liachtastaner Novella» ist eine poetisch-mystische Novelle auf Hochdeutsch mit liechtensteinischen Mundartpassagen.

AntonBeck

AGASCHTA

ALiachtastanerNovella

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Herausgeber der «Edition Gaggalaariplatz» ist der Historische Verein Embrachertal.

»Agaschta« wurde gefördert durch:

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage

© 2025, Arisverlag

Schützenhausstrasse 80 | 8424 Embrach | Schweiz

[email protected] | www.arisverlag.ch

Umschlaggestaltung und Satz: Lynn Grevenitz | kulturkonsulat.com

Foto: © Krzysztof Bubel – stock.adobe.com

Lektorat und Korrektorat: Paula Fricke | Elisabeth Blüml

Druck: CPI books GmbH, www.cpi-print.de

ISBN Print: 978-3-907238-50-9

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book: 978-3-907238-59-2

In Anlehnung an die Tage in der Uckermark bei S.

Durch diese schöne Anstrengung mit sich selbst bekannt gemacht, hob sie sich plötzlich, wie an ihrer eigenen Hand, aus der ganzen Tiefe, in welche das Schicksal sie herabgestürzt hatte, empor.

Heinrich von Kleist, Die Marquise von O…

VORWORT ZUR MUNDART

«Agaschta» erscheint in der Edition Gaggalaariplatz. Mit dieser Reihe regt der Arisverlag gezielt Autorinnen und Autoren an, ihre Muttersprache auch in der Literatur zu pflegen. Anton Beck webt in dieser hochdeutsch geschriebenen Geschichte geschickt Dialoge in Liechtensteiner Mundart ein. Genaueres zur Schreibweise findet sich im Nachwort zur Mundart.

Erster Teil

TAG 1

Deine Ankunft war das erste Omen. Dabei hattest du nicht vor, Lorena und mich in der Uckermark zu besuchen, du wolltest in Liechtenstein bleiben.

Ich erinnere mich daran, wie wir vor einigen Tagen telefonierten, du hattest die Kamera deines Smartphones an, wir sahen dich im Garten deiner Eltern sitzen, hinter dir sank die Sonne, du sagtest, die Einladung, eine Woche bei uns in der Uckermark zu verbringen, würde dich sehr freuen, aber du wollest Liechtenstein nicht verlassen.

Du bist dann doch gekommen, deine Eltern haben dich überredet, du bist über München angereist, von dort hast du den ICE nach Berlin genommen. Und dann die Regionalbahn aufs Land.

Am späten Nachmittag kamst du in Warnitz an, Frühsommerwärme lag auf unserem Wiedersehen, Insekten und Frösche machten sich mit allerhand Geräuschen bemerkbar, der Himmel war weit und offen, das Bahngleis schnitt eine Linie durch die Felder. Du umarmtest Lorena, als du sie sahst.

Du bisch jò mega gwagsa! Alls guat ganga metem Zuug?

Es war schön, Lorena im Dialekt sprechen zu hören, das tat sie mit mir anfangs fast nie, nur, wenn ihr etwas ernst war oder wir miteinander schliefen.

Alls guat ganga, sagtest du zu ihr.

Lorena hatte so viel von dir erzählt, du sahst in echt allerdings zarter aus als noch auf dem Smartphone, die leichten Sommersprossen im Gesicht und an den Armen fielen mir auf, du trugst eine beige Jacke und ein orange-weiß gestreiftes Shirt, das einen dunklen Kaffeefleck nahe dem Kragen hatte, deine Fingernägel waren gelb lackiert, dein Haar zusammengebunden, an den Spitzen erahnte ich, dass du es vor noch nicht allzu langer Zeit blondiert hattest, doch der Ansatz hatte wieder sein natürliches helles Braun.

Freut mich sehr, dich endlich mal kennenzulernen, Nurit, sagte ich zu dir, und du sagtest, es ginge dir gleich.

Du ludst den Koffer in den Subaru, ein altes Model aus den 70er-Jahren, du saßt auf der Rückbank, Lorena auf dem Beifahrersitz, das Auto soff ab, als wir losfahren wollten, beim zweiten Versuch klappte es.

Du schautest aus dem Fenster, auf die Felder, das hochgewachsene Gras und das Rot der Mohnblumen, ich auf die Holperstraße, hin und wieder blickte ich zu Lorena, sie war ganz in sich gekehrt.

Wir kamen an, du nahmst deinen Koffer aus dem Auto, wir liefen durch sandigen Boden hin zum Haus, das vor der Scheune lag, ich schloss die Tür auf, wir traten ein, wir zogen die Schuhe im Eingangsbereich aus.

Wettsch eppis trinka?, fragte Lorena dich.

Gèrn, jòò.

Sie ging zum Wasserhahn und reichte dir kurz darauf eines der bläulichen Gläser, die wir vor Kurzem gekauft hatten. Du schautest dich um, du sahst die Verschmelzung von Eingangsbereich, Küche und Wohnzimmer, die hellen Bodenplatten, das karge Interieur, die Wendeltreppe rechts, die zu den Schlafzimmern führte, alles nahmst du auf.

Starkes Licht fiel durch die großen Fenster.

Du schautest Lorena einige Augenblicke an, du starrtest auf ihre zarten Lippen, die flache Brust unter dem Trägertop, die Tätowierung am linken Oberarm, eine Sternenkonstellation, die hellen Oberschenkel, die aus den Shorts hervorkamen, ich verstand, warum du sie so anschautest, viele Menschen hatten sie schon so angeschaut. Lorena ist ein sehr hübscher Mensch.

Hetti fasch vergèssa, alls Guate nò nòòchtrèglich, sagte Lorena.

Ich fragte nach, ob du Geburtstag gehabt hättest, du sagtest, vor einer Woche seist du siebzehn geworden. Genau zehn Jahre jünger als Lorena, dachte ich, und vierzehn jünger als ich. Seltsam, als du geboren wurdest, war ich bereits das erste Mal verliebt gewesen.

Ees fiiramer uf all Fèll nò nòòch, sagte sie.

Isch schò okay, muamer ned.

Dòch, dòch, i ha fix vòòrka üüs dia Tèèg öber nò eppis z baha.

Ich fragte dich, wie viele Schuljahre du noch vor dir hättest, du sagtest, noch eines, du wollest danach wahrscheinlich erst mal ein Zwischenjahr einlegen, etwas Geld verdienen, in Kopenhagen jobben, Dänemark fasziniere dich. Du wollest dann erst mit dem Studium beginnen, vielleicht Kunstgeschichte an der Uni, oder aber die Kunstschule besuchen, eher ins Praktische gehen, du seiest noch nicht ganz sicher, deinen Eltern wäre was Handfestes lieber, du könntest dir vieles vorstellen.

Hèsch o nò Zit, i ha damòòls o a betz bbruucht, bis i ungefèèr gwösst ha, was mi interessiart. Find, ma sött döt nüüt öberstörza, sagte Lorena.

Sie zeigte dir kurz darauf das Zimmer, in dem du schlafen würdest. Ich trug deinen Koffer ins obere Stockwerk, sie lief voraus, du folgtest ihr, ich folgte ihr.

Isch alls nò ned wörklich iigrichtet, miar sin eersch vòòr Korzem hèrazòga, sagte sie.

I find mi schò z rècht, alls okay.

Söllemer dii mòòl an Momènt sii loo, denn kasch a betz aako, diini Saha uuspacka und i zaagder nòher dr Rèscht vòm Hòòf.

Wir gingen, wir ließen die Tür offen, ich sah noch, wie du dich umschautest. Wir traten ins Freie, das Licht war schwächer geworden, wir liefen einige Schritte hinters Haus, vorbei an der Scheune, hin zum Garten, der vereinzelt noch von Unkraut bewachsen war und in dem Schutt lag.

Lorena sagte, sie wolle morgen die Steine aus dem Garten geräumt haben, wolle mit dem Jäten fertig sein und dann die Muttererde verteilen, sie sprach Hochdeutsch mit mir, ihr Akzent war kaum hörbar, sie fragte, ob wir noch genug Erde hätten, ich sagte, ich hätte keine gekauft, sie seufzte, das Gartenzentrum sei morgen wegen des Feiertags geschlossen, sie hole noch welche, ich sagte, es sei mein Versäumnis, ich würde gehen, sie ließ mich gehen, gab mir einen Kuss zum Abschied, ich stieg in den Subaru, ich war eine gute Stunde unterwegs, als ich zurückkam, saßt ihr zwei auf der Steintreppe vor der Scheune, du und Lorena waren barfuß und tranken je ein Bier aus einer Flasche. So vertraut, als wärt ihr Geschwister. Du rauchtest eine Zigarette.

Samuel, setz dich zu uns, sagte sie zu mir. Das tat ich und fragte, worüber ihr sprechen würdet.

Über früher, sagte Lorena, als sie noch deine Nachbarin in Liechtenstein gewesen sei und ab und an auf dich aufgepasst habe. Lorena war damals ein Teenager gewesen, ich kannte sie noch nicht, ich hätte sie gerne damals schon gekannt.

Lorena sagte, das sei eine so unschuldige Zeit gewesen, damals, bevor sie nach Berlin gezogen sei. Du unterbrachst dann meine Gedanken.

Kamma dòò aigendlich o schwimma? Du hèsch dòch am Telefoon so an See erwèènt, sagtest du.

Yes, dr Oberuckersee isch gad ir Nhi.

Ich sagte euch, dass ich dort vor einigen Wochen eine Natter gesehen hätte, Lorena sagte, diese Geschichte würde ich täglich erwähnen, ich sei ein Angsthase, sie küsste mich, sie ginge trotzdem schwimmen.

Kurz darauf lief ich in die Küche und begann zu kochen, ich ließ euch zwei weiterreden.

Wir aßen Orecchiette aglio e olio, wir tranken Burgunder, zum Dessert brachen wir dunkle Tafelschokolade, du erzähltest viel, du erzähltest vom Lernen auf die Abi-Prüfung, du erzähltest, du hättest einen Freund, frisch verliebt, ich erkannte mich selbst wieder, so hatte auch ich über Lorena gesprochen, damals, als wir uns in Schöneberg kennengelernt hatten, wie du und sie damals in Liechtenstein, hatten sie und ich damals in Berlin in derselben Straße gewohnt. Sie war neu in der Stadt, ich auch, ich war soeben aus Frankfurt zugezogen.

Luag mòòl, s Liacht, sagte Lorena am Ende des Essens, wia an Füürball, mega schöö.

Das Licht sah wirklich schön aus, es war ein schöner Abend gewesen, dachte ich zumindest, ich dachte, du wärst glücklich, dabei hast du in jener Nacht geweint. Das wusste ich damals nicht. Ich selbst schlief tief und fest. Es tut mir leid, dass ich nicht erkannte, was wirklich los war.

TAG 2

Du hattest schon wieder geträumt, nicht wahr, Nurit? Von dem, was du seit Wochen gesehen, von dem, was du tief in dir versteckt hattest, was du glaubtest, begraben zu können, aber doch hervortrat, wenn sich deine Gedanken nicht kontrollieren ließen. Du sehntest dich nach Sicherheit, nach jemandem, der dich hielt, nach Licht in den dunklen Verästelungen der Wälder und nicht nach dem, was die weite offene Welt dir zu bieten hatte, ich verstehe es mittlerweile, jetzt, da ich dein Geheimnis kenne.

Ich hatte in jener Nacht nichts geträumt, ein leerer Schlaf, der damit endete, dass ich erwachte, als Lorena aufstand, um auf die Toilette zu gehen. Sie legte sich nochmals zu mir, wandte sich allerdings von mir ab, sie schlief wieder ein, ich betrachtete ihren nackten Rücken, die Leberflecken, die unter den braunen dünnen Haaren zu sehen waren, mir flogen einige Gedanken zu, die Orientierungslosigkeit im Berufsleben, das Gefühl, damit einverstanden zu sein, das Gespräch, das ich kürzlich mit Lorena übers Kinderkriegen hatte.

Lorena und ich frühstückten gemeinsam, wir schwiegen die meiste Zeit, wir begannen bald schon mit der Gartenarbeit.

Der Tag hatte etwas Wärme aufgesogen, als du zu uns kamst, du trugst ein weites Shirt und Hosen aus leichtem Stoff, du fragtest mich, was es zu tun gäbe, ich zeigte auf den Schutt, ich sagte, du könntest uns helfen, die großen Steine zur Seite zu rollen.

Du liefst einige Schritte in Richtung Lorena, sie sagte zu mir, ich solle doch nicht am Morgen schon so direkt sein, sie umarmte dich.

Hèsch guat gschlòòfa?, fragte sie.

Mhm. Und du?

Jòò, o.

Sie lächelte dich an und fuhr dir durchs Haar.

Siasch jò nò ganz zerstrubelt uus. Kumm, i machder zeersch mòòl an Kafe. Met Melch òder oone?

Hender Soojamelch?, fragtest du.

Ehm … nai, laider ned. Aber i koofder i da ngschta Tèèg welchi, okay?

Alls guat, gòòt o nòrmaali.

Lorena zog ihre Handschuhe aus und legte sie auf die Erde, sie fragte mich, ob sie mir eine Tasse Kaffee mitbringen solle, ich sagte, nein danke, ich blieb im Garten stehen, ich sah euch zu, etwas ging in mir vor, ich konnte es damals aber nicht genau benennen.

Ich arbeitete noch einige Zeit im Garten, ehe ich auf mein Smartphone schaute, ich steckte es in die Hosentasche, als ich meinen Vater auf mich zukommen sah, in der Hand seinen Spazierstock, den Strohhut auf dem Kopf, das Hemd weit offen, er nahm sich Zeit, als er mir entgegenkam.

Wie er mir zurief, mir einen guten Morgen wünschte, traten auch Lorena und du aus dem Haus. Hallo Harald, sagte Lorena und berührte ihn an der Schulter.

In deiner linken Hand eine Tasse Kaffee, die rechte reichtest du meinem Vater, du sagtest, du würdest ihn kennen, seine Romane und Essays, es würde dich sehr ehren, ihn kennenzulernen, aber das höre er bestimmt öfters.

Die Zeiten wandeln sich, was früher bedeutend war, bedeutet heute nichts mehr, sagte er.

Du hättest eines seiner Bücher, eine Novelle, in der Schule lesen müssen, es handle sich ja um eine Pflichtlektüre über die DDR-Zeit. Das rang ihm ein Lächeln ab.

Möchtest du etwas trinken, Harald?, fragte Lorena und mein Vater sagte, nein, nein, das sei nicht nötig, er spaziere gleich weiter. Er fragte, wer du seist. Lorena stellte dich als ihre ehemalige Nachbarin vor, fügte an, sie habe früher auf dich aufgepasst, sei so was wie deine Nanny gewesen. Das nahm er zur Kenntnis, ohne weiter nachzufragen.

Wie läuft es mit deiner Bank?, fragte er mich und ich erwähnte, wie schon so häufig, dass es keine Bank sei, die ich gründete, sondern ein Fintech. Er sagte, er verstünde das immer noch nicht, es sei ein Unternehmen, das sich mit Zahlungen beschäftige, das sei für ihn eine Bank.

Du schautest ihn die ganze Zeit mit großen Augen an, ich hingegen wandte mich ab, drehte mich allerdings wieder ihm zu, als er die Elster erwähnte. Der Vogel habe ihn attackiert.