Agile Transformation - Christoph Schmiedinger - E-Book

Agile Transformation E-Book

Christoph Schmiedinger

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Beschreibung

- Worauf Sie achten sollten, bevor Ihr Unternehmen in eine Agile Transformation startet
- Rettungsmaßnahmen, die einen feststeckenden Transformationsprozess wieder in Schwung bringen
- Werkzeuge und Vorgehensweisen, mit denen Ihr Unternehmen von Anfang an einen erfolgreichen Weg zu mehr Business-Agilität einschlagen kann
- Ihr exklusiver Vorteil: E-Book inside beim Kauf des gedruckten Buches

Neu in der 2. Auflage:
- Tipps zur Erfolgsmessung und zur Transformation im Remote-Zeitalter
- Skalierung agiler Rollen
- Wie Sie ein individuelles Skalierungsframework entwickeln

Kundenorientierte, wendige und resiliente Unternehmen sind das Ziel agiler Transformationen, die wir in Deutschland und Österreich in allen Größenordnungen und Branchen erleben. Der Weg zu diesem Ziel ist nicht leicht – doch manchmal ist er steiniger, als er sein müsste.

Eines ist klar: Die einzig richtige Vorgehensweise – den »Happy Path« – gibt es für keine Agile Transformation, denn die individuellen Voraussetzungen unzähliger Organisationen lassen sich nicht in ein Veränderungsschema für alle pressen. Aber es gibt Werkzeuge, die den Weg einfacher und den nachhaltigen Erfolg wahrscheinlicher machen. Selbst für Transformationen in der Krise gibt es also Grund zum Optimismus.

Die Autoren und Autorinnen stehen selbst mitten im Geschehen. Sie entwerfen Strategien für agile Transformationen, bringen entgleiste Transformationen wieder auf Schiene und begleiten dabei die Menschen in Organisationen so lange, bis sie die nächsten Etappen des Wandels selbst gestalten können. Alle vorgestellten Vorgehensweisen stammen aus der Praxis und haben ihre Feuertaufe bestanden.

AUS DEM INHALT
- Die Agile Transformation –was sie ist und welche Wege zu ihr führen
- Abzweigung 1: Wie verirrte Transformationen auf den richtigen Weg zurückfinden
- Abzweigung 2: Das Transformation Team als Guide durch die Veränderung
- In der Steilwand: Das Transformation Team in der Krise
- Am Gipfel: Reife und Übergang in den nächsten Change?

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Christoph SchmiedingerCarsten RascheEllen ThonfeldKathrin Tuchen

Agile Transformation

Der Praxisguide zum Change abseits des Happy Path

2., überarbeitete Auflage

Alle in diesem Werk enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Werk enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autor:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.Ebenso wenig übernehmen Autor:innen und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt also auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 URG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2023 Carl Hanser Verlag, https://www.hanser-fachbuch.deLektorat: Brigitte Bauer-SchiewekCopy editing: Dolores Omann, TernitzKorrektorat: Petra Kienle, FürstenfeldbruckLayout: Manuela Treindl, FürthUmschlagdesign: Marc Müller-Bremer, München, https://www.rebranding.deUmschlagrealisation: Max KostopoulosTitelmotiv: © Max Kostopoulos

Print-ISBN:         978-3-446-47778-0E-Book-ISBN:    978-3-446-47823-7E-Pub-ISBN:       978-3-446-47947-0

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Boris Gloger

Die Autoren und Autorinnen

Bevor Sie losgehen

1 Die agile Transformation – was sie ist und welche Wege zu ihr führen

1.1 Die Entscheidung für die agile Transformation treffen

1.1.1 Das Ziel für die agile Transformation setzen

1.1.2 Den Erfolg der Transformation messen

1.1.3 An den Inhalten arbeiten – das Transformation Team

1.1.4 Bewusstsein für die Auswirkungen des Wandels erzeugen

1.2 Szenarien für die agile Transformation

1.2.1 Die passende Geschwindigkeit für die Transformation wählen

1.2.2 Agile Aufbauorganisationen

1.2.3 Skalierungsframeworks

1.2.4 Die sechs Bausteine der agilen Organisation

1.2.5 Alles Scrum in der agilen Organisation?

1.3 Interne und externe Unterstützung der agilen Transformation

1.4 Kommunikation und Zeitplanung

2 Abzweigung 1: Wie verirrte Transformationen auf den richtigen Weg zurückfinden

2.1 Organisation und Struktur

2.1.1 Den Skalierungsansatz anpassen

2.1.2 Abhängigkeiten managen

2.1.3 Agile Assessment der Organisation

2.1.4 Umgang mit Querschnittsfunktionen

2.2 Rollen und Führung

2.2.1 Ein besseres Rollenverständnis schaffen

2.2.1.1 Onsite-Workshop: Klären der Rollen und Verantwortungen im Team und im Projekt

2.2.1.2 Remote-Workshop: Tipps für Konzeption und Durchführung

2.2.2 Die Verantwortlichkeiten eines agilen Teams

2.2.3 Integration von Expert:innen in agile Teams

2.2.4 Das Führungsverständnis der Product Owner

2.2.5 Scrum Master und das Lösen von Impediments

2.2.6 Die drei zentralen Facetten der Führung in agilen Organisationen

2.2.7 Agile Rollen skalieren

2.3 Die agile Transformation weiterführen

2.3.1 Chapter und Gilden

2.3.2 Verantwortung auf mehrere Personen verteilen

2.3.3 Organische agile Transformation mit Pilotteams

2.4 Integration der Erkenntnisse in ein Organisationsmodell für den Start in anderen Bereichen

3 Abzweigung 2: Das Transformation Team als Guide durch die Veränderung

3.1 Der Transformation-Team-Ansatz

3.1.1 Agile Implementation Teams

3.1.2 Die agile Transformation im Remote-Zeitalter

3.2 Das Transformation Team zusammenstellen

3.2.1 Die Unterstützung des Topmanagements bekommen

3.2.2 Teammitglieder identifizieren mit dem Transformation Team Canvas

3.2.3 Kickoff-Workshop für das Transformation Team

3.2.4 Die Vision für die agile Transformation entwickeln

3.2.5 Aufteilen der Transformationsaufgaben in passende Streams

3.3 Die Zusammenarbeit des Transformation Teams

3.3.1 Wie das Transformation Team agil arbeitet

3.3.2 Das Review des Transformation Teams

3.3.3 Artefakte des Transformation Teams

3.4 Passfähige Organisationsstrukturen und Prozesse entwickeln

3.4.1 Veränderungen in der Organisation anstoßen

3.4.2 Die erste Version eines neuen Organisations- und Skalierungsframeworks entwickeln

3.4.2.1 Schritt 0: Welche Fähigkeiten soll die neue Organisation haben?

3.4.2.2 Schritt 1: Identifikation einer neuen Organisationsstruktur mithilfe der Wertstromanalyse

3.4.2.3 Schritt 2: Aufbau des Portfoliomanagements und der Governance

3.4.3 Agile Pilotteams identifizieren

3.5 Die Arbeit des Transformation Teams in der Praxis

3.5.1 Aufbau von Wissen

3.5.2 Impediment Management

3.5.3 Fokusgruppen initiieren und begleiten

4 In der Steilwand: Das Transformation Team in der Krise

4.1 Probleme im Transformation Team

4.1.1 Motivationsprobleme adressieren

4.1.2 Mit Erwartungen umgehen

4.1.3 Durchschlagskraft durch laterale Führung herstellen

4.1.4 Rollenträger:innen erfüllen die Erwartungen nicht

4.1.5 Selbstbeschäftigung im Elfenbeinturm

4.1.6 Inkrementelle Lieferungen als Erfolgsschlüssel für Veränderungen

4.2 Widerstände aus der Organisation

4.2.1 Unüberwindbare Hindernisse

4.2.2 Impediments schaffen es nicht nach oben

4.2.3 Die Unterstützung durch das Topmanagement fehlt

4.2.4 Konkurrierende Transformation Teams

4.2.5 Herausforderungen mit externen Dienstleistern

4.2.6 Die Organisation verändert sich zu langsam

4.3 Implementierung auf Abwegen

4.3.1 Haben wir noch das richtige Zielbild?

4.3.2 Was ist eigentlich Agilität?

4.3.3 Agilität wird in der Organisation unterschiedlich gelebt

4.3.4 Schwierigkeiten bei der Realisierung von Verbesserungen

4.3.5 Das Transformation Team ist nicht authentisch

5 Am Gipfel: Reife und Übergang in den nächsten Change?

5.1 Das Erreichte bewahren

5.1.1 Den Status quo der Transformation erheben

5.1.1.1 Schritt 1: Das Transformation Team überprüft die Vision

5.1.1.2 Schritt 2: Zielerreichung anhand der sechs Bausteine der agilen Organisation überprüfen

5.1.1.3 Schritt 3: Den Zielerreichungsgrad auf Teamebene validieren

5.1.1.4 Schritt 4: Erreichte Ziele mit dem Culture Canvas und dem Culture Tree sichtbar machen

5.1.1.5 Schritt 5: Erhebung des Zielerreichungsgrades auf Unternehmensebene durch ein externes Institut

5.1.2 Intervenieren oder pausieren?

5.1.3 Transformation gelungen – Transformation vorbei?

5.2 Transformation und Kulturwandel unternehmensweit denken

5.2.1 Reflexive Prozesse installieren

5.2.2 Führung konsequent weiterentwickeln

5.2.3 Gehalts- und Performancemanagement

5.2.4 Auswirkungen der Transformation auf unternehmensnahe Stakeholder

5.3 Neue Arbeitsmodelle für das Transformation Team

Für Ihren weiteren Weg

Danke!

Literatur

Vorwort von Boris Gloger

Unsere Gesellschaft steht vor der größten wirtschaftlichen Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg. Die USA nehmen Europa nicht mehr als Partner, sondern als Konkurrent wahr und was die digitale Wirtschaft betrifft, rangieren wir weit hinter China. Der oft gerühmte deutsche und österreichische Mittelstand hat die Digitalisierung verschlafen. Unser Schulsystem kommt mit dem Auftrag, die Innovatorinnen und Entrepreneure von morgen auszubilden, nicht klar, weil die zuständigen Ministerien nicht in der Lage sind, die Infrastruktur für digitales Lernen effizient und unbürokratisch bereitzustellen.

Einfache Rezepte funktionieren in dieser neuen Zeit nicht. Die COVID-19-Pandemie war ein Brandbeschleuniger, der uns über Nacht aufgezeigt hat, woran es krankt: fehlende digitale Infrastruktur, zu wenig Bandbreite, die unüberlegte Auslagerung von Know-how auf andere Kontinente und dadurch entstandene globale Wertschöpfungsketten, die dermaßen ineinander verzahnt sind, dass nicht mal so simple Dinge wie Schutzmasken oder Gummihandschuhe lieferbar waren. Gleichzeitig katapultierte uns die Pandemie ins „New Normal“, auf das weite Teile der Bevölkerung oder der Unternehmen nicht vorbereitet waren. In nur wenigen Wochen veränderten sich ganze Branchen und es entstanden neue Geschäftsmodelle. Früher konnten mehrere Generationen von der Idee des Gründers leben, heute müssen Gründer sich innerhalb kürzester Zeit neu erfinden.

Doch bei alledem ist momentan eines klar: Europa und Deutschland im Speziellen spielen bei diesen Veränderungen nur eine marginale Rolle. Es gibt keine führende europäische Videostreaming-Plattform oder Suchmaschine. Wir feiern es schon, wenn es mal einen funktionierenden heimischen Online-Versand gibt, aber global sind sie unbedeutend. Oft sieht es so aus, als hofften unsere Entscheider, dass der digitale Sturm an uns vorbeischrammt und wir mit ein paar zerbrochenen Ziegeln davonkommen.

Gary Hamel hat einmal gesagt, dass das Management die wichtigste Erfindung der Menschheit sei. Diese Erfindung habe dafür gesorgt, dass Menschen in nie geahnten Dimensionen zusammenarbeiten können. Gerald Hüther ergänzt, dass diese Erfindung so erfolgreich gewesen sei, dass die dadurch entstandene Komplexität nicht mehr mit den Mitteln des Managements beherrscht werden kann.

Wir stehen also vor einem Scheideweg im Managen von Organisationen und Institutionen. Die Menschheit hat sich von der Agrargesellschaft über die Industrie- und Finanzgesellschaft zur digitalen Gesellschaft vorgearbeitet. Softwarekonzerne sind wertvoller, als es Unternehmen in jeder anderen Ära jemals waren. Wie haben sie das erreicht? Aus meiner Sicht durch zwei Faktoren:

       Einmal durch ein neues Management-Paradigma, also andere Formen, Menschen miteinander arbeiten zu lassen – genau wie es Gary Hamel sagt. Hier gilt es zu verstehen, dass wir es mit einer Sozio-Technologie zu tun haben: dem agilen Management. Produktivitätssteigerungen werden durch ein anderes Miteinander möglich, denn die neue Technologie alleine kann es nicht sein – die gab es auch schon vorher.

       Der zweite, aus meiner Sicht extrem unterschätzte Faktor in den gegenwärtigen Debatten ist das Denken in Netzen oder Systemen. Ein Softwarekonzern wie Tesla baut nicht nur ein Auto mit alternativem Antrieb, sondern denkt gleich die Ladestationen mit Solarpanels mit. Das ist etwas anderes als ein deutscher Automobilhersteller, der noch immer Premiumautomobile zu seinem Kerngeschäft macht. Dass diese Automobile gezwungenermaßen auch Software benötigen, wird dabei als Add-on, nicht aber als dominierender Wertschöpfungsfaktor gesehen.

Wir erleben also gerade die Transformation unserer Gesellschaft. Organisationen werden zu Lernräumen, in denen jede Einzelne und jeder Einzelne von uns bemerkt, dass wir uns an die neuen Gegebenheiten anpassen und diese neuen Formen des Arbeitens erlernen müssen. Organisationen und Institutionen als Lernräume zu begreifen, bedeutet aber auch zu akzeptieren, dass sich diese fundamental und unwiderruflich verändern werden.

Zu Beginn des Jahres 2020 war es noch undenkbar, dass Unternehmen den Großteil ihrer Belegschaft von zuhause aus arbeiten lassen. Heute ist das Homeoffice normaler denn je. Genau das führt – ohne dass es die Führungskräfte aktiv betreiben oder wollen – zu neuen Arbeitsformen und das wiederum führt bei den Mitarbeitern zu einem neuen Erleben ihrer selbst.

Wir Manager können entweder zuschauen, wie dieser Tsunami die Transformation unserer Unternehmen erzwingen wird, oder wir können uns mit wachem Auge auf den Weg machen. Wir können agile Managementmethoden und systemische Denkweisen bewusst einsetzen oder uns der Veränderung ausliefern. Wir können gestalten und das ist die Botschaft dieses Buchs.

Meine Kolleginnen und Kollegen zeigen dabei, worauf es ankommt und wie diese Transformation gelingen kann. Sie werden Ihnen nicht von der schönen neuen Welt erzählen, sondern geben Ihnen das Wissen weiter, das sie in vielen hundert Tagen bei unseren Kunden gesammelt haben. Das Autorenteam rund um Christoph Schmiedinger und Carsten Rasche redet nicht nur von der teambasierten, netzwerkartigen und kundenzentrierten Organisation, sondern weiß, wie man eine klassische Organisation in diese neue Struktur führt und sie dabei resilient und wandlungsfähig zugleich macht. Das alles ohne Patentrezepte oder vorgefertigte Frameworks, sondern ganz im Gegenteil: immer von der Organisation her denkend, die eine Transformation hin zu einem neuen Level anstrebt – um auch morgen noch erfolgreich sein zu können.

Ich wünsche Ihnen viele Erkenntnisse beim Lesen!

Boris Gloger

Die Autoren und Autorinnen

Christoph Schmiedinger ist Executive Consultant bei borisgloger consulting, Führungskräfte-Trainer und Management Coach. Im Finanz-, Telekommunikations- und Automotivebereich begleitet er Unternehmen bei Agilen und Business Transformationen sowie in der Organisationsentwicklung. Vor seiner Zeit als Unternehmensberater hat Christoph Schmiedinger als Product Owner die Produktentwicklung bei einem führenden Hersteller sicherheitskritischer Telekommunikationssysteme verantwortet. Er hält einen Master in Technical Management und einen MBA der ESADE Business School Barcelona.

Carsten Rasche ist Senior Management Consultant bei borisgloger consulting und Experte für skaliertes agiles Arbeiten, vor allem im Finanz- und Versicherungsbereich. Als Organisationspsychologe, Management Coach und Professional Facilitator hat er mehrere Business-Transformationen durch beteiligungsorientierte Verfahren erfolgreich gestaltet. Seine Sensibilität für Dynamiken in Organisationen hat er vor seiner Zeit bei borisgloger consulting als Projektmanager in der Jugendhilfe und beim agilen Arbeiten im Silicon Valley trainiert.

Ellen Thonfeld ist Senior Management Consultant bei borisgloger consulting, ausgebildete und erfahrene Bankkauffrau, Professional Facilitator, Trainerin und Management Coach. Mit ihrer Expertise im Agile Audit eröffnet sie Banken und Versicherungen die Möglichkeit, die Vorteile des agilen Arbeitens auch abseits von IT und Softwareentwicklung zu nutzen. Erfahrung mit Agilität in der Produktion hat sie vor ihrem Wechsel zu borisgloger consulting als Organisationsentwicklerin bei einem führenden Traktorenhersteller gesammelt.

Kathrin Tuchen ist Senior Management Consultant, Professional Facilitator und Management Coach bei borisgloger consulting. Im Rahmen der agilen Organisationsentwicklung bringt sie ihr Wissen zur Customer Experience ein, das sie in einem internationalen Tourismuskonzern aufgebaut hat. Sie bildet als Senior Trainerin und Management Coach agile Führungskräfte unterschiedlichster Branchen aus und unterstützt sie dabei, ihre persönlichen Potenziale und jene der Organisation im Rahmen von Veränderungsprozessen auszuschöpfen.

Bevor Sie losgehen

In Büchern über die agile Transformation sehen wir oft die Skizze eines idealtypischen Verlaufs. Sie müssen einfach dies und das in jener Reihenfolge tun – schon haben Sie ein agiles Unternehmen. Diese Schritte sind richtig, wichtig und nachvollziehbar, doch die Transformationen, die wir Tag für Tag erleben, verlaufen nicht nach einem vorgezeichneten Schema. Meistens kommen wir als Berater:innen und vor allem Begleiter:innen ins Spiel, wenn die Transformation ins Stocken geraten ist.

Die gute Nachricht ist: Verfahrene Transformationen kommen öfter vor, als Sie vielleicht denken. In einer Organisation, die nicht weniger will als ihre umfassende Veränderung, lässt sich nicht jeder Schritt des Wegs kleinteilig vorausskizzieren. Wie sich die Menschen in der Organisation in diesem Übergang verhalten werden, lässt sich erst recht nicht erahnen und schon gar nicht mit Sicherheit voraussagen. Es gehört aus unserer Sicht zum Prozess, im Gehen ein wenig vom Weg abzukommen, denn in einer agilen Transformation liegt vieles im Nebel. Die kleinen und größeren Verirrungen gehören dazu und sind gerade jene wichtigen Lernerfahrungen, die eine Organisation wieder weiterbringen.

Wir haben für unseren Guide durch die agile Transformation daher den Weg zum Gipfel als Metapher gewählt. Uns ist bewusst, dass es nicht so ganz passt: Der Gipfel ist das Ziel einer Wanderung – wenn man ihn erreicht hat, dreht man wieder um und hakt den Berg als bezwungen ab. In unserem Kontext sehen wir den Gipfel aber nicht als Abschluss, sondern als eine erste Expedition. Es ist der Punkt, an dem Ihre Organisation die ersten schweren Passagen auf dem Weg zur agilen Organisation gemeistert hat. Von dort oben ist die Aussicht gut und es besteht berechtigte Zuversicht, dass Ihre Organisation noch weitere Gipfel erreichen wird: Denn sie hat sich auf den Weg gemacht und ist dadurch reifer und stärker geworden.

Was sehen Sie auf dem folgenden Bild? In der Regel gibt es in einem Unternehmen bereits einige agile Initiativen, die aus Neugier und Interesse, manchmal aus einer Notlage gestartet wurden, weil ein Projekt in Schieflage geraten ist. Erste Erfahrungen wurden bereits gesammelt. Agile Transformationen, die einen großen Teil der Organisation oder gar das ganze Unternehmen erfassen sollen, starten also selten bei null. Doch an irgendeinem Punkt beschließen die Verantwortlichen, diese agilen Experimente auszudehnen und die Organisation auf den Weg zum agilen Unternehmen zu schicken. Dieser Punkt ist die erste Etappe (Kapitel 1), die noch grüne Wiese, auf der die ersten wichtigen Entscheidungen getroffen werden: Welchen Weg schlagen wir ein?

Zwischen grüner Wiese und Gipfel sind üblicherweise einige steilere Passagen zu überwinden. Meistens hat man aber die Wahl zwischen einem schwierigen und einem etwas leichteren Aufstieg. Der Unterschied besteht darin, ob die Seilschaft einfach losgeht und auf ihre abgenutzte Ausrüstung aus anderen, weniger schweren Besteigungen zurückgreift oder ob sie sich Unterstützung von erfahrenen Bergführer:innen sucht, die sich mit dem neuen Gelände beschäftigen und es zu lesen lernen. Am Start einer Transformation beobachten wir in Unternehmen verschiedenste Strategien, die wir der Einfachheit halber in zwei grundlegende Herangehensweisen einteilen:

1.      Variante 1: Es wird versucht, die ersten agilen Erfahrungen mit klassischen Change-Instrumenten in der Organisation zu verbreiten und so eine Veränderung zu bewirken (mehr dazu in Kapitel 2).

2.      Variante 2: Noch bevor die agile Transformation ausgerufen wird, wird ein Transformation Team gegründet, das immer ein aufmerksames Auge auf das Befinden der Seilschaft hat und in jeden Schritt vorwärts die bereits gemachten Erfahrungen aus kleineren Erkundungen einfließen lässt (mehr dazu in Kapitel 3).

Beide Varianten können zum Gipfel führen: Aber die Gefahren sind bei Variante 1 oft größer als notwendig. Früher oder später reift auch bei dieser Transformationsvariante die Erkenntnis, dass eine agile Organisation auf dem iterativ-inkrementellen Weg und mit einem kundigen Team von Bergführer:innen – dem Transformation Team – leichter zu erreichen ist.

Wir haben das Buch daher in zwei mögliche Wege unterteilt, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten:

       Für Leser:innen, die mit ihrem Unternehmen erst am Beginn der Transformation stehen, lohnen sich besonders die Kapitel 1, 3 und 5. Sie lernen den „Happy Path“ der Transformation kennen, auf dem von Anfang an ein Transformation Team eingesetzt wird. Zudem erfahren Sie in Kapitel 2, wie Sie Fallstricke frühzeitig vermeiden können. Denken Sie jedoch daran, dass früher oder später jede Transformation die Orientierung verlieren kann. Werfen Sie daher auch einen Blick in Kapitel 4, das sich mit der Transformation in der Krise beschäftigt.

       Auf der ersten Etappe des Aufstiegs, in Kapitel 1, verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über die Situation und schaffen damit die Grundlage für eine gelingende Transformation. Welche Ausrüstung passt zu dieser Expedition? Wie setzen wir die richtigen Ziele und vor allem: Wie informieren wir den Rest der Organisation über die bevorstehende Reise?

       Die dritte Etappe, Kapitel 3, gibt Aufschluss darüber, weshalb und wie eine Transformation mit einem Transformation Team leichter zu bewältigen ist und welche Schritte nötig sind, um Rollen, Meetings und Artefakte zielführend einzusetzen.

       Die letzte Etappe, Kapitel 5, geht davon aus, dass Sie – egal, auf welchem Weg – zum Gipfel gelangt sind: Jetzt müssen Sie diesen Erfolg sichern. Die Lage muss sich stabilisieren, die Organisation muss auf dem neuen Terrain trittsicher werden und die gewonnene Reife für die nächsten Ziele nutzen. Welche Instrumente Sie dafür einsetzen können, zeigen wir Ihnen in diesem Kapitel.

       Jenen Leser:innen, die bereits mitten in der Transformation stecken und sich vielen Herausforderungen stellen müssen, sind besonders die Kapitel 2 und 4 gewidmet. Hier beschreiben wir im Detail, wie Sie von den Irrwegen wieder zurück auf den Weg zum Gipfel gelangen.

       Kapitel 2 geht im Speziellen auf jene Transformationen ein, die sich kurz nach dem Start bereits auf dem Irrweg befinden und mit vielen Abhängigkeiten, unklaren Rollen und dem Bedürfnis nach einer zielgerichteteren Ausrichtung zu kämpfen haben. Es bringt Sie zurück auf den richtigen Weg und bereitet Sie auf die nächste Etappe vor.

       Kapitel 4 thematisiert eine fortgeschrittene Transformation in der Krise, denn selbst die besten Bergführer:innen sind in den steilsten Passagen des Aufstiegs nicht vor Abstürzen gefeit. Gefährlich wird es, wenn das Transformation Team an sich zu zweifeln beginnt, wenn es die Transformation per se oder deren Geschwindigkeit hinterfragt, wenn es auf zu viele Widerstände stößt und die Motivation in den Keller sinkt. Befinden Sie sich gerade in dieser Situation? Dann finden Sie in Kapitel 4 nützliche Hinweise.

Selbstverständlich können Sie das Buch auch von vorne bis hinten lesen. Dann kennen Sie sowohl den „Happy Path“ als auch die Fallstricke entlang des Aufstiegs zum Gipfel. Unabhängig von Ihrem Weg durch das Buch haben alle Kapitel die folgende Struktur:

       Zunächst wird kurz die Ausgangssituation beleuchtet.

       Danach beantworten wir Fragen, die uns in diesen Situationen immer wieder gestellt werden.

       Am Ende des Kapitels weisen wir Sie auf spezielle Gefahren in dieser Situation hin.

       Abschließend geben wir Ihnen einige Literaturhinweise, die Ihnen zusätzlich helfen können.

Sehen Sie dieses Buch also nicht als eine durchgehende Geschichte. Die Inhalte dieses Buchs sind anhand der vielen Fragen zusammengestellt, die von Transformationsverantwortlichen in unterschiedlichen Stadien ihres Vorhabens so oder ähnlich immer wieder an uns herangetragen werden.

Unser Anspruch ist es, Ihnen mit diesem Buch einen Guide durch das unwegsame Gelände der Transformation an die Hand zu geben. Er soll Ihnen dort weiterhelfen, wo Sie gerade stehen. Sie können ihn also von vorne bis hinten lesen, Passagen auslassen oder vor- und zurückspringen. Ganz gleich, an welcher Stelle Sie sich bei Ihrem Aufstieg aktuell befinden: Das Buch steht Ihnen mit einem Rat zur Seite, wie Sie den Gipfel von Ihrem Standpunkt aus erreichen können.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Organisation viel Erfolg und wertvolle Erfahrungen auf diesem Weg.

Christoph Schmiedinger

Carsten-Hendrik Rasche

Ellen Thonfeld

Kathrin Tuchen

1Die agile Transformation – was sie ist und welche Wege zu ihr führen

Unternehmen stehen unter einem immensen Druck. Sie müssen sich gegen junge, wendige Konkurrenz behaupten und überlegen, wie sich neue Technologien auf ihre Wertschöpfungsketten auswirken. Seit Jahren wird daher mit agilen Methoden experimentiert, meistens in den IT-Abteilungen. Oft gingen und gehen die Initiativen dazu von einzelnen Personen aus: von den Abteilungs-, Team- oder Projektleitern, die erkannt haben, welche Vorteile das agile Arbeiten bringen kann. Diese Einzelinitiativen sind in vielen Fällen sehr erfolgreich: Projekte werden wesentlich schneller abgeschlossen und in der Zusammenarbeit mit den Kund:innen zeigt sich durch die regelmäßige Abstimmung eine neue Qualität. Durch die Arbeit dieser einzelnen agilen Teams wird auch so manches Problem in der Organisation offensichtlich.

Doch mitunter bleibt es bei diesen Einzelaktionen. Die wirklich großen Themen, denen eine Organisation angesichts der massiven Veränderungen in ihrer Umwelt mit dem flexiblen Denken in Iterationen und der damit entstehenden Nähe zu den Nutzer:innen begegnen könnte, werden nicht behandelt. Agil arbeitende Teams sind dadurch verständlicherweise frustriert. Sie sehen, was möglich wäre, doch sie verlieren ihre Motivation. Der anfängliche Schwung aus den agilen Experimenten kann nicht verstärkt und ausgeweitet werden.

Wenn es über die Einzelinitiativen hinaus keine Unterstützung für Agilität im Unternehmen gibt, passiert oft Folgendes: Jedes Team versteht das agile Arbeiten anders. Die einen machen Scrum nach allen Regeln der Kunst, die anderen nutzen nur einzelne unzusammenhängende Meetings oder Artefakte. Wieder andere Teams arbeiten zwar mit einer agilen Methode, aber haben das Denken in Spezialdisziplinen nie überwunden. Alle arbeiten nur an ihren Ausschnitten und daher werden viele Arbeiten doppelt gemacht. Noch eine Variante: Es kommen keine Stakeholder, Kund:innen oder Anwender:innen zu den Sprint Reviews – manchmal werden sie erst gar nicht eingeladen.

In den Führungsetagen dieser Unternehmen wächst durchaus das Bewusstsein, dass es so nicht funktionieren kann. Torschlusspanik macht sich breit, denn das Management schielt auf die Konkurrenz, die schon längst umfangreiche Veränderungen eingeleitet hat. Die Geschäftsführung sieht sich auf Lernreisen diese Unternehmen an, es entstehen erste Diskussionen über diverse Modelle und wie sie zur eigenen Organisation passen könnten. Plötzlich will die Geschäftsführung den Wandel: jetzt und kompromisslos. Das Unternehmen soll zu einer agilen Organisation werden!

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird im Unternehmen von der „agilen Transformation“ gesprochen. Doch wie definiert sich so eine agile Transformation überhaupt? Wann sprechen wir von einer tatsächlichen Transformation und wann lediglich von der Einführung agiler Methoden? Und ist das Ziel jeder agilen Transformation ein agiles Unternehmen?

Aus unserer Sicht zeichnet sich eine agile Transformation dadurch aus, dass

a)      nicht einfach eine neue Methode eingeführt wird. Über die Grenzen eines oder mehrerer Teams hinaus wird versucht, an den organisatorischen Rahmenbedingungen eines Unternehmens Änderungen herbeizuführen. Dabei geht es zum Beispiel um Abstimmungs-, Portfolio- oder Budgetprozesse, eine umfassende Weiterentwicklung der IT-Architektur und -Infrastruktur, einen kulturellen Wandel und eine neue Art der Führung.

b)      ein relevanter Teil des Unternehmens von dieser Änderung betroffen ist. Es ist natürlich keine Regel, aber wenn mindestens 25 Prozent der Belegschaft in die Veränderungen involviert sind, sprechen zumindest wir von einer agilen Transformation.

c)      sie nicht als Projekt betrachtet wird, das irgendwann abgeschlossen ist. Agilität bedeutet, sich der ständigen Veränderung, die vom Umfeld eines Unternehmens erzwungen wird, zu stellen – insofern kann eine Organisation gar nie damit aufhören, sich zu transformieren.

Gemäß dieses Definitionsversuchs einer agilen Transformation muss am Ende des Veränderungsprozesses kein in allen Teilen agil arbeitendes Unternehmen entstanden sein. Der wichtigste Punkt ist, dass signifikante positive Veränderungen in der Organisation erkennbar sind und die Bereitschaft zum konstanten Wandel vorhanden ist. Auf dieser Reise ist das eigentliche Ziel also nicht der erfolgreiche Abschluss der Transformation, sondern die verbesserte Anpassungsfähigkeit der Organisation, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Gut, nun stehen Sie also vor dieser agilen Transformation und fragen sich vielleicht: Wie packen wir es am besten an?

In diesem Kapitel erfahren Sie,

       welche Überlegungen vor dem Start einer agilen Transformation angestellt werden sollten,

       wie Sie die Ziele für die agile Transformation setzen,

       wie Sie Bewusstsein für die Auswirkungen des Wandels erzeugen und

       welche grundlegenden Vorgehensweisen und Szenarien es für die Transformation gibt.

1.1Die Entscheidung für die agile Transformation treffen

Wer entscheidet, ob eine agile Transformation gestartet wird? Und wann ist dafür überhaupt der richtige Zeitpunkt?

Je nach Sichtweise gibt es den richtigen Zeitpunkt für Veränderungen nie oder es gibt ihn immer. Angesichts der dynamischen Marktsituation gibt es für Unternehmen im Wesentlichen zwei Situationen, die zu einer Entscheidung für die agile Transformation führen:

1.      Veränderungsdruck in der Branche. Viele Unternehmen haben gar nicht mehr die Zeit, agile Arbeitsweisen zuerst in kleinen Teams zu erproben. Derzeit ist der Druck in jenen Unternehmen am höchsten, die von der Digitalisierung und/oder einer Disruption ihres Geschäftsmodells voll getroffen werden. Etwa bis zum Jahr 2010 fokussierte sich die Einführung agiler Methoden hauptsächlich auf Teams und Unternehmen im E-Commerce – das waren die agilen Pionierunternehmen. Schon früh entdeckte auch die Telekommunikationsbranche die Vorzüge des agilen Arbeitens und seitdem setzt sich diese Welle durch sämtliche Branchen fort: angefangen von der Finanzwelt über die Energieversorgung bis hin zu Automotive und die Medizintechnik. Durch den immer höheren Anteil von Software an der Wertschöpfung sind und waren agile Transformationen hier eine logische Konsequenz, sie verlaufen daher kongruent mit dem Digitalisierungsdruck in diesen Branchen (vgl. Bradley et al. 2015). Ganz gleich, ob es sich dabei um usernahe Oberflächen wie Websites und Apps oder die Mechatronik im Hintergrund handelt. Inzwischen haben aber auch weniger softwaregetriebene Unternehmen das Arbeiten nach agilen Grundsätzen für sich entdeckt und Agilität hat sich als modernes Leadership-Paradigma etabliert.

2.      Veränderungsdruck durch agile Pilotprojekte. In vielen Unternehmen gibt es erste Erfahrungen mit agilen Methoden. Dabei reift oft die Erkenntnis, dass dieser begrenzte Einsatz das Unternehmen nicht wesentlich vorwärtsbringen wird. Schon die ersten Schritte mit agilen Methoden machen transparent, was die Organisation tatsächlich am Erfolg hindert oder es schwieriger macht, in Zukunft erfolgreich zu sein. So stellt sich dann die Frage, ob die Veränderung nicht umfassender gedacht und auf sämtliche Ebenen einer Organisation ausgeweitet werden muss. Die Empfehlung, aus den Erfahrungen einzelner Teams ein weitreichendes Veränderungsprogramm zu machen, kann von mehreren Seiten kommen: entweder direkt von der Unternehmensführung, aus der Strategieabteilung oder aus den Bereichen selbst, die diese Erfahrungen gesammelt haben.

Die Entscheidung für oder gegen eine agile Transformation ist am Ende eine Frage der Bedeutung, die diesen beiden Formen des Veränderungsdrucks beigemessen wird. Fällt die Entscheidung für die Transformation, ist eines aber unerlässlich: Die Unternehmensleitung muss in jeden Schritt eingebunden werden. Eine agile Transformation wird nur erfolgreich sein, wenn sie von ganz oben unterstützt wird und – noch besser – wenn Topmanager:innen selbst so arbeiten und führen, wie sie es von anderen sehen wollen.

Daher ist es wichtig, von Beginn an klarzumachen, dass die Mitarbeit der Führungsebenen über Erfolg oder Misserfolg der Transformation entscheiden wird. Sollte es dem Topmanagement schwerfallen, die Bedeutung des eigenen Involvements zu erkennen, hat sich eines bewährt: „Geh hin und schau.“ Das Management wird mit bereits agil arbeitenden Teams vernetzt und kann sich vor Ort ein Bild davon machen, vor welchen strukturellen Herausforderungen diese Teams bei der täglichen Arbeit stehen. Meistens hakt es an den unternehmensweiten Prozessen und an der Aufbauorganisation. Das sind Probleme, die von einzelnen Bereichen nicht gelöst werden können und schon gar nicht von vereinzelten Teams. Sie lassen sich aber lösen, wenn das Topmanagement die Rahmenbedingungen schafft, damit sich die gesamte Organisation – oder zumindest ein großer Teil – entsprechend neu ausrichten kann.

Die Entscheider:innen ins Boot holen

Bei einem mittelgroßen Finanzdienstleister hatten einige Projektverantwortliche agile Methoden eingeführt, vorrangig für Projekte, in denen auch Software entwickelt wurde. Die motivierten Scrum Master identifizierten in den ersten Sprints viele Impediments und konnten einige davon durch ihre Hartnäckigkeit lösen. Die ersten Erfolge waren erkennbar: Schon nach wenigen Iterationen konnten Teile der Software geliefert und produktiv eingesetzt werden.

Viele der Impediments waren jedoch größerer, organisatorischer Natur. Zu Beginn versuchten die Scrum Master noch, sich mit den Verantwortlichen zu treffen und Lösungen bilateral zu schmieden. Meist führte jedoch ein Problem zum nächsten, sodass nur selten nachhaltige Lösungen entstanden. Einmal fehlte zum Beispiel die entsprechende Entwicklungsumgebung: Zunächst sollte diese mithilfe der IT-Abteilung entstehen, doch die hatte dafür weder das Budget noch die Experten. Also mussten das verantwortliche Mitglied der Geschäftsführung, der Einkauf und HR involviert werden. Irgendwo versandete die Anfrage schlussendlich.

Verständlicherweise machte sich unter den Scrum Mastern allmählich Frust über die vielen Stolpersteine breit. Daher versuchten sie einen Befreiungsschlag: Sie sammelten die größten Hindernisse, brachten sie in eine anschauliche Darstellung und präsentierten sie der Unternehmensleitung. Die Botschaft lautete: „Wir brauchen eure Hilfe! Wenn es mehr und noch produktivere Teams geben soll, geht das nur mit einem umfassenden, strukturierten Prozess!“ Geschickt nutzten die Scrum Master dabei ihre bisherigen Erfolge, um die Aussicht auf mehr Produktivität zu untermauern.

Dieser erste Workshop mit der Unternehmensleitung war der Auslöser für eine umfassende Transformation, die sich über knapp eineinhalb Jahre erstreckte und in eine teilweise Neustrukturierung der Aufbauorganisation mündete, viele Prozesse wurden entschlackt.

Die Inhalte eines Workshops mit dem Topmanagement sollten also folgende Punkte umfassen:

       Was bisher in puncto Agilität geschehen ist und welche Erfolge dabei erzielt wurden

       Bereichsübergreifende Herausforderungen und welchen Nutzen deren Lösung für die agil arbeitenden Teams stiften würde

       Gemeinsame Priorisierung der aktuellen Herausforderungen mit Hilfe einer Nutzen-Aufwand- oder Nutzen-Verzögerungskosten-Matrix (vgl. Willuda 2016)

       Festlegen der nächsten konkreten Schritte wie beispielsweise die Gründung von Arbeitsgruppen für die Lösung spezifischer Themen

       Optional: ein erster Fahrplan sowie Messkriterien, um überprüfen zu können, inwieweit die Ziele erreicht wurden

Der wohl wichtigste Punkt ist, in diesem Workshop immer wieder darauf hinzuweisen, dass bereichsübergreifende Maßnahmen notwendig sind. Es geht nicht um punktuelle, sondern um nachhaltige Lösungen. Dafür wird das Engagement des Topmanagements gebraucht und idealerweise ein crossfunktionales Transformation-Team (siehe Abschnitt 1.1.3 und Kapitel 3), das die Veränderungen vorantreibt und verantwortlich begleitet.

Eine weitere Überlegung sollte in diesem Workshop angestellt werden: Steht das Unternehmen wirtschaftlich so gut da, dass es sich diesen Wandel leisten kann? Eine agile Transformation funktioniert selten ohne beachtliche Investitionen, zum Beispiel in moderne IT-Infrastruktur, neue Arbeitsumgebungen wie Innovation Labs oder teamtaugliche, kooperationsfreundliche Büros und die Unterstützung durch externe Expert:innen. Gleichzeitig wird die Produktivität kurzfristig sinken (siehe Bild 1.1). Das ist keine Besonderheit agiler Transformationen, sondern ein Phänomen, das immer auftritt, wenn sich Menschen reorganisieren und in einem neuen System formieren. Hat das Unternehmen die finanziellen Mittel, um diesen Produktivitätseinbruch zu überstehen?

Bild 1.1J-Kurve – der typische Produktivitätsknick in Veränderungsprozessen

Die Voraussetzungen untersuchen – Agile Assessment

Wie geeignet der Zeitpunkt für eine agile Transformation ist, lässt sich bis zu einem bestimmten Grad anhand eines Assessments herausfinden. Bei dieser Bestandsaufnahme werden die aktuellen Prozesse und Arbeitsweisen, die Kultur, aber auch harte Fakten wie die IT-Infrastruktur auf den Prüfstand gestellt. Bevor ein fundamentaler Wandel angestoßen wird, können auf diese Weise bereits erste Hindernisse aus dem Weg geräumt werden und es kristallisiert sich heraus, wo sich in der Organisation der beste Ansatzpunkt für erste Veränderungsmaßnahmen befindet. Wie sieht so etwas in der Praxis aus?

Für ein mittelgroßes Unternehmen mit ca. 250 Mitarbeiter:innen führten wir im Zuge der Vorbereitung einer Transformation ein dreitägiges Assessment durch. Gemeinsam mit dem Management wählten wir einen möglichst repräsentativen Querschnitt von sechs – teilweise agilen – Teams aus, mit denen wir Retrospektiven über die letzten sechs bis zwölf Monate veranstalteten.

Die Fragen, die wir den Teams stellten, orientierten sich an den klassischen Retrospektive-Fragen:

       Welche Geschichte hat das Team und in welchen Kontext ist es eingebettet?

       Was lief in den letzten sechs bis zwölf Monaten gut?

       Was muss in Zukunft noch verbessert werden?

       Was wünschen wir uns für die Zukunft?

Parallel zur Arbeit mit den Teams führten wir Einzel- und Gruppeninterviews mit Stakeholdern, die für die agile Produktentwicklung wichtig waren. In diesem Fall waren das die folgenden Personen:

       Verantwortliche für die IT-Architektur (Enterprise Architect)

       Vertreter:innen aus dem Betrieb

       Chief Operating Officer

       Verantwortliche für die Portfolio-Roadmap und deren Budgetierung

       Das Scrum-Master-Urgestein – der erste Scrum Master im Unternehmen, der noch dazu schon viele Jahre im Unternehmen war

Die wichtigsten Aussagen aus den Workshops und Interviews dokumentierten wir sofort auf Flipcharts, um zu überprüfen, ob die Aussage dem Verständnis aller Beteiligten entsprach. Aus den unzähligen Fotoprotokollen (in Summe über 80 Flipcharts) trugen wir die signifikantesten positiven und verbesserungswürdigen Aspekte zusammen und gruppierten sie entlang der folgenden Bausteine bzw. Erfolgsfaktoren für die agile Skalierung (mehr dazu in Abschnitt 1.2.4):

       Organisationsstruktur und Produktarchitektur

       Infrastruktur

       Skills & Professionalität

       Produktentwicklung

       Management-Frameworks

       Führung & Werte

Abschließend identifizierten wir noch die wichtigsten Meta-Themen für die Organisation. Dazu gehörte die geringe Wertschätzung von Erfolgen sowohl auf Team- als auch Unternehmensebene und dass kein geschlossener Feedback-Regelkreis von der Team- zur Managementebene vorhanden war. Daher gelangte das Wissen über Probleme und Hindernisse, die die operative Arbeit der Teams verlangsamten, nur selten an die relevanten Stellen im Management und sie wurden nicht nachhaltig gelöst.

Mit Hilfe eines Assessments gelingt es somit, einen ersten guten Überblick über den Status quo des Systems zu erhalten und sich ein Bild davon zu machen, welchen agilen Reifegrad das Unternehmen aufweist (siehe Abschnitt 1.4). Dieses Wissen hilft wiederum einzuschätzen, welche Art und Radikalität von agiler Transformation das Unternehmen braucht, um sich weiterzuentwickeln. Wir empfehlen, diese Überlegungen unbedingt anzustellen, bevor eine agile Transformation angestoßen wird.

1.1.1Das Ziel für die agile Transformation setzen

Ist es notwendig, ein großes Ziel für den Wandel zu setzen, das kommuniziert wird? Schließlich soll dieses Veränderungsprojekt nicht eines von vielen werden, das nur durchgezogen wird, weil „Agile“ gerade in ist.

Wie jedes andere Vorhaben sollte auch eine agile Transformation nicht gestartet werden, ohne sich darüber im Klaren zu sein, warum man es tut. Gebraucht wird dafür eine Business-Vision, aus der sich Aufgabe und Zielsetzung der Transformation ableiten. Die folgenden Fragen – die meistens im Rahmen eines Workshops gestellt werden – helfen dabei, die Motivation für die Transformation zu durchleuchten:

       Warum wollen wir diesen Wandel überhaupt?

       Wohin soll sich das Unternehmen entwickeln und wie hilft eine agile Transformation dabei?

       Was soll durch die Veränderung anders bzw. besser werden?

       Woran erkennen wir, dass die Transformation wirksam ist?

       Was ist dezidiert nicht das Ziel der agilen Transformation?

Vor einem Workshop zum Warum und der entsprechenden Zielsetzung sollte daher abgewogen werden, wie breit die unterstützende Basis für den Wandel ist. Ein Zielsetzungsworkshop kann kleine Gruppen wie Leadership-Teams umfassen, genauso können aber auch Großgruppenveranstaltungen mit Repräsentant:innen aus sämtlichen Bereichen des Unternehmens stattfinden.

Grundsätzlich gilt: Wenn nur wenige Personen in der Belegschaft sehen, dass der Wandel notwendig ist, sollte der Prozess der Zielsetzung möglichst auf eine breite Basis gestellt werden – es sollten also viele Mitarbeiter:innen integriert werden. Es gibt genügend Großgruppenformate, mit denen viele Personen eingebunden werden können. Ein Beispiel dafür ist die Zukunftskonferenz (vgl. Weisbord, Janoff 2010): Dabei handelt es sich um einen mehrtägigen Workshop, bei dem bis zu 100 Personen – ein Querschnitt der Organisation – gemeinsam an dem Warum der Transformation und dem Zielbild für die Organisation arbeiten und dieses entwerfen können. Sobald es in die Einzelheiten der Gestaltung geht, bietet sich ein Open Space an – ein Format, das auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und des Marktplatzes aufbaut (vgl. Owen 2011).

Vision oder Zielbild oder beides?

Wir erheben in diesem Buch nicht den Anspruch einer akademischen Abgrenzung von Vision und Zielbild, sondern wollen Ihnen zum besseren Verständnis kurz unsere Sicht auf diese Säulen einer Organisationsentwicklung geben.

Die Vision ist für uns die emotionale, herausfordernde und begeisternde Formulierung des Ziels, auf das sich eine Organisation zubewegen will. Das Zielbild bezieht sich hingegen auf die konkrete Gestaltung der Organisation in der – meist näheren – Zukunft. Es umfasst mindestens eine, meistens aber mehrere Dimensionen: etwa die Aufbauorganisation, die internen Prozesse oder den Vertrieb. Solche Zielbilder definieren das Ergebnis des Veränderungsprozesses etwas näher, sie sind aber nicht in Stein gemeißelt, sondern bleiben flexibel.

Es bietet sich also an, von der ausgearbeiteten Vision eine Ebene tiefer in das Zielbild für die Organisation einzutauchen und Schritt für Schritt die ersten Merkmale einzelner Dimensionen zu entwerfen.

Gesunder Realismus ist die wichtigste Zutat in einem Zielsetzungs-Workshop. Daher wird mit einem Zielbild für die Organisation gestartet, das mittelfristig – also in der Regel innerhalb von zwei Jahren – erreichbar ist. Die Wahl der Instrumente hängt davon ab, welche Ziele im Vordergrund stehen:

       Sollen neue Geschäftsmodelle entwickelt werden, bieten sich Business-Modelling-Tools an. Eine umfangreiche Zusammenstellung über die verschiedensten Methoden wie das Business Model oder Value Proposition Canvas bieten Alexander Osterwalder und David J. Bland in ihrem Buch „Testing Business Ideas“ (vgl. Osterwalder, Bland 2019). Ergänzend raten wir zu Kreativmethoden wie LEGO® Serious Play® oder Video-Prototyping (ein Beispiel finden Sie hier: https://youtu.be/9yCVIrZJLn0), um leuchtende und inspirierende Visionen und Zukunftsbilder zu erstellen. Während LEGO® erlaubt, die Vision plastisch und sogar rollenspielartig zu vermitteln, wird beim Video-Prototyping die Vision anhand der Geschichte eines Protagonisten lebendig erzählt.

       Liegt der Fokus des Wandels stärker auf der Unternehmenskultur und neuen Formen der Zusammenarbeit, sind ebenfalls kreative und kommunikative Methoden wie das Video-Prototyping angebracht, bei der das Management selbst eine Geschichte erzählt. Das ist wesentlich authentischer als ein zwar professioneller, aber polierter Image-Film. Für das Management haben sich auch Lernreisen als guter Gedankenanstoß erwiesen. Meistens wird bei diesen Besuchen in anderen Unternehmen deutlich, welche Dimension eine Transformation wirklich hat und was die Vorreiter zu Vorreitern macht. Auch hier gilt es wieder, die Ergebnisse und die damit verbundenen Auswirkungen auf die eigene Organisation festzuhalten und zu teilen, idealerweise als interaktives Video-Format. Unabhängig von der Methodik kommt es gerade dann besonders auf das Verhalten der Führungskräfte an, wenn sich die Kultur verändern soll. Sie müssen glaubwürdig die Kultur vorleben, die sie in der Organisation sehen wollen, und sich dementsprechend nahbar geben.

Ob Geschäftsmodell oder Unternehmenskultur: In beiden Fällen ist die Sicht nach außen, auf die Kund:innen und Nutzer:innen der Unternehmensleistungen, zentral. Um diese Perspektive einzubeziehen, bieten sich Werkzeuge wie Personas und Empathy Maps an (eine gute Sammlung findet sich im „Design Thinking Toolbook“ von Lewrick et al. 2019). Bei beiden Methoden werden Anwender:innen und/oder Kund:innen in den Mittelpunkt gestellt: Die Workshop-Teilnehmer:innen fragen sich, was diese bewegt, was sie fühlen, welche Probleme sie haben und wie das Unternehmen ihnen dabei helfen könnte.

Nach der Skizzierung des Zielbilds stellt sich die Frage: Welche unterstützenden Strukturen und Methoden werden gebraucht, um das Ziel zu erreichen? Das Stichwort lautet hier: Structure follows strategy. In diesem Teil des Workshops wird also ergründet, ob agile Methoden überhaupt das richtige Mittel sind. Eines ist klar: „Die anderen machen es auch“ sollte keine Begründung für eine agile Transformation sein. Ein klares, gemeinsames grundlegendes Verständnis davon, in welchen Fällen agile Arbeitsweisen ein Erfolgsfaktor sind und wann nicht, ist eine wichtige Voraussetzung, bevor eine agile Transformation gestartet wird (siehe Abschnitt 1.2.5).

Es kann passieren, dass der Workshop bei der Frage nach dem „Warum“ und „Wie“ der agilen Transformation in eine Sackgasse gerät. In solchen Fällen können paradoxe Interventionen helfen, die zunächst Irritation erzeugen. Bei der Nightmare-Competitor-Methode (vgl. Tagwerker-Sturm 2018) wird zum Beispiel die Frage gestellt, was die schlimmstmögliche Albtraum-Konkurrenz ausmacht und wie diese das eigene Unternehmen gefährden könnte. Oft hilft schon die einfache Frage: „Was passiert, wenn nichts passiert?“

Ganz egal, wie der Workshop gestaltet wird: Wichtig ist, dass die Mitarbeiter:innen spüren, dass diese Auseinandersetzung mit der Zukunft etwas bewirkt hat. Am Ende des Workshops sollte daher eine klare Vereinbarung zwischen den Teilnehmer:innen stehen: Welche wirksame Maßnahme wird in den kommenden Wochen gesetzt, die in der gesamten Organisation wahrgenommen wird? Die wohl wichtigste Maßnahme gleich nach dem Workshop ist das Teilen der Ergebnisse, zum Beispiel in Form eines Videos. Weitere Maßnahmen könnten etwa regelmäßige Besuche der Workshop-Teilnehmer:innen bei agil arbeitenden Projektteams sein. Wichtig ist, dass diese Aktionen gut orchestriert von allen Teilnehmenden umgesetzt werden, um eine tatsächliche Veränderung im Verhalten sichtbar zu machen.

Falls in Ihrem Unternehmen bereits einige mehr oder weniger erfolgreiche Veränderungsprojekte laufen, die sich mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen, dann schließen Sie diese doch am besten mit einer Retrospektive ab und versuchen Sie, die Erkenntnisse dieser Initiativen in die geplante agile Transformation zu integrieren. Erstens erlaubt dies den Teilnehmer:innen, mit dem Alten gut abzuschließen und zweitens können so wichtige Lernerfahrungen direkt in den neuen Wandel mitgenommen werden.

1.1.2Den Erfolg der Transformation messen

Wir haben nun die Vision und das Zielbild für die Transformation. Das Topmanagement wünscht sich jedoch auch den Beweis, dass Agilität das Unternehmen wirklich nachhaltig besser macht. Sollen wir nun den Taschenrechner auspacken?

Die Frage nach der Messung des Transformationserfolgs begegnet uns ständig. Dahinter steht oft das Bedürfnis, zuerst einen Business Case zu bauen, um danach mit einer höheren Sicherheit ein Budget und damit auch eine Initiative wie die Transformation genehmigen zu können.

Wir sind nicht gegen Messungen und das Setzen von Zielwerten in den Metriken. Dennoch wollen wir darauf hinweisen, dass es in einem vernünftigen Detailgrad und mit einem verhältnismäßigen Aufwand geschehen sollte. Business Cases werden gerne bis in jedes kleinste Detail ausgearbeitet und dann noch so oft „getunt“, bis sie irgendwie zur Erwartung der Stakeholder passen. Dieses Businesstheater hinterlässt nur Verlierer:innen.

Transformationen haben mit dem Glauben an das Richtige zu tun. Eine Organisation ist ein hoch komplexes Gebilde. Im Nachhinein ist kaum festzustellen, ob der gestiegene Gewinn der agilen Arbeitsweise, dem erfolgreichen Recruiting neuer Mitarbeiter:innen oder dem guten Gespür für neue Produkte zu verdanken ist. In der Regel ist der positive Ausschlag eines Indikators eine Kombination aus mehreren oder sogar vielen guten Entscheidungen. Die Frage ist, inwieweit ein Aufdröseln machbar und sinnvoll ist.

Doch gehen wir der Reihe nach vor und betrachten wir die Themen Business Case und Zielsetzungen in bestimmten Dimensionen bzw. KPIs getrennt voneinander.

Business Case

Wenn wir nach einem Business Case gefragt werden, bitten wir üblicherweise um ein Gespräch mit Kolleg:innen, die sich gut mit dem Kontext auskennen, in dem Agilität eingesetzt werden soll, und die gleichzeitig ein gutes Gespür für die finanziellen Aspekte haben. Mit diesen Expert:innen gehen wir eine Reihe von Fragen durch, die sowohl auf die Effizienz als auch die Effektivität abzielen. Diese Fragen sind bewusst einfach gehalten: Das Ziel ist nicht, centgenaue Beträge zu berechnen, sondern ein Gespür für mögliche finanzielle Auswirkungen zu entwickeln. Der Wert liegt für uns in den Gesprächen mit den Expert:innen, erste Indikationen für einen Business Case sind das Nebenprodukt.

Die folgenden Fragen haben die Effizienz und damit die Kosten im Blick:

       Welche Effekte können wir erzielen, wenn sich die Kolleg:innen aus dem Bereich fokussieren und in einem Team an einer Sache arbeiten können?

       Welche Mehrkosten lassen sich vermeiden, wenn fehlgeleitete Entwicklungen früher wieder in die Spur gebracht werden (unter anderem durch den regelmäßigen Kontakt mit Kund:innen und Anwender:innen)?

       Wie viel weniger Aufwand braucht die Erledigung von Aufgaben, wenn für einen schnellen und reibungslosen Austausch die Crossfunktionalität im Team erhöht wird?

       Welche Beschleunigung wäre möglich, wenn die aktuellen Hindernisse systematisch aus dem Weg geräumt und damit abgebaut werden?

       Wie viel Zeit kann im Management gespart werden, wenn weniger stille Post gespielt und die Reportingaufwände drastisch reduziert bzw. abgeschafft werden?

       Wie viel Zeit kann das Team sparen, wenn es Entscheidungen selbst trifft?

Die folgenden Fragen untersuchen hingegen die Effektivität und damit das Umsatzpotenzial:

       Wie viel mehr Umsatz könnte das Unternehmen generieren, wenn es seine Produkte und Dienstleistungen früher am Markt platzieren kann?

       Wie stark kann die Kundenzufriedenheit steigen, wenn Produkte und Dienstleistungen eher den Erwartungen und Bedürfnissen der Kund:innen und Anwender:innen entsprechen?

Natürlich gibt es noch eine Reihe weiterer Fragen, die man stellen könnte. Wir sehen es als Einladung zum Gespräch und arbeiten am liebsten mit einfachen Überschlagsrechnungen. Zum Beispiel: Im Gespräch mit den Expert:innen einigen wir uns darauf, dass durch die drastische Reduzierung des Reportingaufwands das Entwicklungsteam gut drei Prozent der Zeit einsparen könnte. Perfekt – im Business Case schreiben wir drei Prozent der Personalkosten in der Entwicklung gut. Aus den Gesprächen mit der Vertriebsmannschaft hören wir, dass durch eine Reduzierung der Time-to-Market um ein Quartal – je nach Produkt – ein Mehrumsatz von zwei bis fünf Prozent erzielt werden könnte. Großartig, das nehmen wir mit auf.

Fairerweise muss an dieser Stelle gesagt werden, dass diesem Business Case auch Mehrkosten gegenübergestellt werden müssen. Dabei handelt es sich um laufende Kosten, etwa für zusätzliche Kolleg:innen (Scrum Master und Agile Coaches). Bei diesem Punkt stellen wir allerdings immer wieder fest, dass die Kosten für neue Rollen durch den Wegfall nicht mehr benötigter Rollen (zum Beispiel Projektleitung sowie Koordinations- und Integrationsrollen) wieder aufgewogen werden. In der Entwicklung physischer Produkte können durch häufiges Prototyping zusätzliche Kosten entstehen. Andererseits gibt es Anlaufkosten, wie beispielsweise Trainings zu agilen Arbeitsweisen oder zusätzliche Agile Coachings.

Zielsetzung für Dimensionen & KPIs

Es werden nicht nur Business Cases gefordert, sondern auch Zielwerte in bestimmten Dimensionen, die durch KPIs gemessen werden können. Ein gängiger Wunsch ist es, mit Hilfe agiler Arbeitsweisen am Markt schneller zu werden. Als KPI ausgedrückt wäre das die durchschnittliche Time-to-Market von der Idee bis zur Markteinführung. Zweiter, häufig geäußerter Wunsch: Die Qualität der Auslieferungen soll steigen. Soll die Qualität der Auslieferungen erhöht werden, könnten Reklamationen und gemeldete Fehler durch Kund:innen ein KPI dafür sein. KPIs können auch aus dem Business Case entstehen: Wenn der Umsatz durch die Verkürzung der Time-to-Market um drei Monate steigen könnte, sollte geprüft werden, ob diese Annahme auch Realität geworden ist.

Um die Zielsetzung für die Transformation zu definieren, bietet sich auch hier ein Workshop mit Expert:innen an. Unsere Empfehlung: Fokussieren Sie sich auf maximal vier Dimensionen mit jeweils höchstens zwei KPIs. Wir stellen immer wieder eine ungemeine Messfreudigkeit in den Organisationen fest, die aber mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Sinnvoller ist es, sich zu fokussieren und die gewählten Indikatoren wirklich regelmäßig zu erheben.

Das bringt uns zur Frage der Erhebung. Ideal ist es natürlich, wenn einzelne KPIs einfach berechnet bzw. automatisch oder ohne viel Zutun ausgewertet werden können. Wenn das nicht möglich ist, greifen wir in der Regel auf Umfragen zurück. Zum Beispiel können die betroffenen Kolleg:innen gefragt werden, wie viel Aufwand das Reporting inklusive Vor- und Nachbereitung gerade in Anspruch nimmt. Das hat den Vorteil, dass wir vor der Transformation eine „Baseline“ ziehen können, die immense Bedeutung hat – ansonsten lässt sich kein Vergleich zu der Zeit danach anstellen. Angenommen, aus den Antworten ergibt sich vor Einführung der agilen Arbeitsweise ein Durchschnitt von vier Stunden pro Woche. Während der Pilotierungsphase liegt das Team bei ca. drei Stunden pro Woche und schließlich kommt es bei zwei Stunden pro Woche zu stehen. Großartig! Das Team konnte im Schnitt zwei Stunden pro Woche sparen. Das sind bei einer 40-Stunden-Woche übrigens fünf Prozent der Entwicklungszeit und damit mehr als im Beispiel-Business-Case angenommen.

Die Schwierigkeit beim Messen ist: Bereits zu Beginn der Transformation muss ein gutes Gespür für wenige, aber dafür „richtige“ KPIs entwickelt werden. Selbstverständlich können später noch Anpassungen vorgenommen werden, jedoch geht dadurch die Historie verloren – vor allem die so wichtige Baseline, die der Startpunkt vor der Transformation war.

Nichtsdestotrotz ist unser Tipp: Lassen Sie sich nicht wahnsinnig machen. Ja, natürlich soll gemessen werden, ob die Transformation in die richtige Richtung geht. Aber tun Sie das mit Maß und Ziel, nicht mit überbordendem Aufwand.

Messinstrumente im Verlauf der Transformation

Es gibt natürlich noch einige weitere Messinstrumente, die in bestimmten Stadien einer Transformation hilfreich sind. Einige davon stellen wir hier kurz vor und verweisen dabei auf die Abschnitte in diesem Buch, die sich mit dem jeweiligen Transformationsstadium beschäftigen. Vorab möchten wir aber festhalten: Es geht nicht darum, alle Messinstrumente um des Messens willen einzuführen. Das Ziel ist ein transparenter Überblick über den Fortschritt des Transformationsprozesses, damit auf Basis der ausgewerteten Daten Veränderungen abgeleitet werden können. Deren Wirksamkeit wird wiederum im nächsten Turnus gemessen.

Nachdem zu Beginn der Transformation in mehreren Workshops Vision und Ziel der Initiative definiert wurden (Abschnitt 1.1.1), sollte in einem der ersten Schritte eine Retrospektive aufbauend auf den „6 Bausteinen der agilen Organisation“ stattfinden. Mit Hilfe dieser Retrospektive erarbeiten Sie die Stärken Ihrer Organisation, aber auch die Verbesserungspotenziale. Um herauszufinden, ob die Verbesserungen wirken, empfehlen wir regelmäßige Umfragen unter den Teams, die an der Transformation beteiligt sind (ein Beispiel finden Sie in Abschnitt 5.1.1.3). Diese kleinen Umfragen können auch eine transparente Auskunft über den Status quo der Transformation in den Teams selbst und über die teamübergreifende Zusammenarbeit geben.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Eine Erkenntnis in der Retrospektive zu Beginn der Transformation könnte sein, dass Entscheidungen zu langsam getroffen werden. In den Umfragen unter den Teams wird also überprüft, ob sich die Geschwindigkeit der Entscheidungen für die Beteiligten durch die neuen Prozesse spürbar verändert hat. Um Synergieeffekte zu heben, sollten auch jene KPIs, die aktuell nicht berechnet werden können, abgefragt werden. So bietet die Umfrage einen Überblick über die Wirkung der Verbesserungsmaßnahmen und trägt gleichzeitig zur Vollständigkeit des KPI-Sets bei. Der zeitliche Abstand zwischen den Umfragen sollte den Teams die Möglichkeit geben, die erarbeiteten Maßnahmen einzuführen und/oder auszuprobieren. Aus unserer Sicht ist ein Check-up der Transformation alle drei bis sechs Monate sinnvoll.

Gemeinsam mit Kolleg:innen aus dem HR-Bereich können Sie auch evaluieren, inwiefern Sie von formalen Umfragen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen profitieren können. In der Regel werden diese bereits regelmäßig durchgeführt und sind somit ein weiterer Datenpunkt für die Transformationsinitiative. Zum Beispiel könnte die Gruppe der agil arbeitenden Teams mit dem Gesamtset verglichen werden. In den einzelnen Teams können zusätzlich Messungen eingesetzt werden (siehe Abschnitt 2.3.3), die darauf ausgelegt sind, die agile Reife eines Teams transparent zu machen. Überprüft werden dabei die Basiselemente des agilen Prozesses, die Ausprägung der Rollen und die Lieferfähigkeit.

In fortgeschrittenen Transformationen bieten sich umfangreichere externe Assessments wie die „Business Agility Survey“ an (siehe Abschnitt 5.1.1.5). Diese prüfen sämtliche Fähigkeiten einer agilen Organisation und gehen damit weit über das agile Arbeiten in den Teams hinaus. Ein solches Assessment ist nur dann sinnvoll, wenn bereits größere Veränderungen in der Organisation stattgefunden haben, etwa moderne Budgetierungs- und Portfolioprozesse, und wenn die Selbstorganisation einen guten Grad erreicht hat. In diesen Fällen ist ein Assessment sehr sinnvoll, weil es Auskunft darüber gibt, wo die Ansatzpunkte für die weitere Entwicklung der Organisation liegen.

Die Summe der Datenpunkte aus

       den erhobenen KPIs,

       den regelmäßig durchgeführten Umfragen und

       den Reifegradmessungen auf der Teamebene

zeichnet ein transparentes und datengestütztes Bild der Transformation. Das Transformation Team muss sich nicht allein auf das Bauchgefühl verlassen, sondern kann durch Daten gestärkt agieren.

1.1.3An den Inhalten arbeiten – das Transformation Team

Wenn wir nun das Ziel kennen, ist das ja noch nicht alles. An einer Transformation muss doch inhaltlich gearbeitet werden, um zu definieren, in welche Richtung es gehen soll und um den Wandel in Gang zu setzen.

Sobald die grundsätzliche Entscheidung für eine agile Transformation gefallen und das Ziel festgelegt ist, findet idealerweise freiwillig ein Kernteam aus Menschen zusammen, die sowohl die Inhalte der Transformation als auch den Prozess planen und vorantreiben. Das passiert nicht bei jeder agilen Transformation und daher landen manche auch in einer Sackgasse, wie wir in Kapitel 2 sehen werden. Wir bezeichnen dieses Team als „Transformation Team“. Wie es gebildet wird und wie es arbeitet, beschreiben wir in Kapitel 3 genau. Welche Personen sollten im Transformation Team vertreten sein?

       Es sollte mindestens ein:e Sponsor:in aus der Unternehmensleitung dabei sein, in größeren Unternehmen am besten mehrere.

       Ein Teammitglied sollte für den Prozess der Transformation verantwortlich sein, zum Beispiel als Product Owner des Transformation Teams.

       Wer die übrigen Teammitglieder sind, hängt vom Schwerpunkt der Transformation ab. Es können zum Beispiel Vertreter:innen aus der IT, aus dem Produktmanagement und Human Resources im Transformation Team zusammenfinden – je nachdem, welche Bündelung von Kräften das Vorhaben voranbringen kann.

Dieses Team arbeitet in weiteren Workshops an den Details der Transformation und dafür sollte es sich genügend Zeit nehmen. Es hat sich oft als Fehler erwiesen, der Veränderungsstrategie nur halbtägige und damit halbherzige Workshops zu widmen, denn dabei wird zwar vieles angerissen, aber nur wenig entschieden und umgesetzt. Ein geeignetes Format sind sogenannte „Bootcamps“: Dabei handelt es sich um ganztägige Workshops, in denen abseits des Tagesgeschäfts fokussiert an den Inhalten der Transformation gearbeitet wird.

Die Zusammensetzung des Teams ist der eine Erfolgsfaktor – der andere ist, wie diese Workshops durchgeführt werden. Ein Transformation Team muss zunächst selbst erleben, was agiles Arbeiten bedeutet. Es gibt für die Workshops also ein Backlog, es wird iterativ gearbeitet, zu den Arbeitsergebnissen und zur Zusammenarbeit wird regelmäßig Feedback eingeholt. Was das Transformation Team tut und wie es das tut, wird Strahlkraft in die gesamte Organisation haben. So wird klar: Die Initiator:innen der Transformation tun selbst, wozu sie andere bewegen wollen.

Wandel aus dem Rheintal

Für ein Kundenunternehmen organisierten wir die Strategie-Workshops des Transformation Teams immer weit abseits des Tagesgeschäfts – und das im geografischen Sinne, nämlich im hintersten Rheintal. Für diese hoch fokussierten Workshops blockierten wir jeweils ganze Freitage. Natürlich war das nicht der beliebteste Zeitpunkt in der Woche, denn die Workshops dauerten manchmal bis in den späten Abend. Doch das Team wusste, wie wichtig diese intensive Auseinandersetzung mit den strategischen Fragen der Transformation war.

Wir bedienten uns aus dem Repertoire der agilen Tools und Hilfsmittel: Über allem stand die leuchtende Vision der Transformation und wir hatten ein prall gefülltes Backlog – Pilotteams identifizieren, Schulungen organisieren, die Aufbauorganisation überdenken etc.

Im ersten Workshop versuchten wir, den Umfang des Vorhabens zumindest oberflächlich zu durchdringen, um einen ersten „Releaseplan“ aufzustellen. Der Plan war, an jedem Freitag ein bestimmtes Schwerpunktthema zu behandeln. Die Freitage unterteilten wir in 60-minütige Iterationen, um überprüfen zu können, ob wir dem jeweiligen Tagesziel näherkamen. Insgesamt schafften wir oft weniger, als wir uns vorgenommen hatten. Das war aber auch nicht das Wichtigste. Wichtig war, dass wir die Eckpfeiler der Transformation definieren konnten, um uns anschließend in kleineren Gruppen um die konkrete Ausgestaltung zu kümmern.

Ein Beispiel: Für jede in Zukunft notwendige Rolle skizzierten wir, ob die Mitarbeiter:innen dafür eine Schulung brauchten, und wenn ja, welche das sein sollte. Wir kamen zu dem Schluss: Teams in der Produktentwicklung sollten in den einzelnen agilen Methoden geschult werden, für die gesamte Belegschaft sollte es Info-Sessions geben und für die Führungsmannschaft erschienen uns modulare Workshops sinnvoll.

1.1.4Bewusstsein für die Auswirkungen des Wandels erzeugen

Wir haben einen Plan und wissen, was wir in Angriff nehmen müssen. Doch da ist dieses Gefühl, dass die Unternehmensleitung ein paar Dinge anders sieht und versteht. Ist den Menschen an der Spitze bewusst, welche Auswirkungen der Wandel haben wird? Manche scheinen zu denken, dass es genügt, einfach ein agiles Team neben das andere zu stellen und vereinzelt Prozesse zu adaptieren, um das Leben der Teams leichter zu machen.

Den Führungsmannschaften in vielen Organisationen ist nicht bewusst, dass es sich bei der Transformation zu einem agil arbeitenden Unternehmen um eine riesige Veränderung handelt. Je nach Größe der Organisation sprechen wir nicht von Wochen oder Monaten, sondern von Jahren. Die Methoden selbst erzeugen in diesem Zusammenhang keinen Wert, wenn nicht auch das in einer Organisation vorherrschende Menschenbild und die Kultur der Zusammenarbeit neu gedacht und gelebt wird. Auch die ISO 9001 funktioniert nur mit einer entsprechenden Haltung zum Thema Qualität – genauso wird „Agile“ erst dann erfolgreich sein, wenn sich das Denken mitverändert. Wenn eine Organisation ihr Heil nur in einer Methode sucht, werden die Methoden vielleicht perfekt umgesetzt, aber ohne nachhaltige Wirkung.

Der notwendige Wandel ist so tiefgreifend, dass neben neuen Methoden, einem neuen Menschenbild und Führungsstil auch die Produktarchitektur, die Infrastruktur, Governance-Prozesse und vieles mehr betrachtet, überdacht und modernisiert werden müssen. Das bedeutet eine mehr oder weniger komplette Reorganisation des Unternehmens, die nicht zu einem bestimmten Stichtag passieren kann und auch nicht soll. Sie zieht sich über einen längeren Zeitraum, wenn ein nachhaltig agiles Unternehmen das Ziel ist.

Wichtig ist zudem, dass sich auch Mitarbeiter:innen, die nicht in agilen Teams arbeiten, die Zeit nehmen, agile Methoden durch und durch zu verstehen. Das bedeutet, dass man sich mit den Inhalten intensiv auseinandersetzt, einerseits in der Theorie, zum Beispiel durch ein Training, und andererseits, indem man agile Teams begleitet und sich ansieht, wie diese Arbeitsweise genau funktioniert und worin deren Erfolgsfaktoren liegen.

Jede Veränderung ist eine hochemotionale Angelegenheit. Auf die meisten Menschen wirkt Veränderung bedrohlich, selbst wenn sie darauf abzielt, die eigene Zukunft zu sichern. Am hilfreichsten sind in solchen Situationen die Geschichten von Menschen, die ähnliche Veränderungen bereits erlebt und erfolgreich gemeistert haben. Sofern es bereits agile Initiativen und Bewegungen im Unternehmen gibt, sollten diese vorgestellt werden. Damit wird der Wandel nicht nur von oben unterstützt, sondern auch von Menschen auf der operativen Ebene als sinnvoll bestätigt. Wir organisieren in diesem Zusammenhang meistens „Agile Days“ (eine Art Mini-Konferenz) oder „Fuckup-Nights“, in deren Rahmen agile Teams nicht nur von ihren Erfolgen, sondern vor allem von ihrem Scheitern und Überwinden von Problemen und Hindernissen erzählen können.

Wenn es in der eigenen Organisation noch keine agilen Erfahrungen gibt, sind Besuche bei anderen Unternehmen – auch „Learning Journeys“ genannt – eine sinnvolle Option. Empfehlenswert sind Unternehmen, die bereits einen umfangreichen Wandel hinter sich haben oder solche, die durch agiles Arbeiten groß geworden sind. Dazu gehören Startups oder etablierte Technologiefirmen wie zum Beispiel sipgate in Düsseldorf oder ganze Startup-Ökosysteme wie im Silicon Valley, in Boston, Tel Aviv oder Berlin. Learning Journeys sind aber keine Ausflüge: Vor solchen Reisen sollte ein klares Ziel definiert werden, nach der Reise sollten sofort die Erkenntnisse reflektiert werden, um den Schwung mitzunehmen. Was bedeutet das Erlebte für den eigenen Kontext, ohne einfach die anderen Unternehmen zu kopieren?

Das Verständnis für ein neues Führungsparadigma schaffen

Bei einem Automobil-Zulieferer veranstalteten wir für die Führungsriege eine eigene Workshop-Reihe, um sie erleben zu lassen, was Agilität bedeutet. Dazu gestalteten wir eine Landkarte des agilen Wissens als großes Puzzle und erarbeiteten ein Puzzlestück nach dem anderen. Zu Beginn jedes der zweistündigen Workshops stand ein Impulsvortrag, danach wurde in Kleingruppen diskutiert, welche Auswirkungen das Gehörte auf den eigenen Arbeitsbereich im Speziellen und auf das Unternehmen als Ganzes haben könnte. Abschließend sahen wir uns die Landkarte noch einmal an, um die bestehenden Themen neu zu priorisieren und gegebenenfalls neu erkannte Themen aufzunehmen.