Agiler Coach: Skills und Tools - Claudia Thonet - E-Book

Agiler Coach: Skills und Tools E-Book

Claudia Thonet

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Beschreibung

Der agile Coach ist die optimale Besetzung, um Selbstorganisation, Innovation und ein neues Rollenverständnis zu implementieren. Denn er kann Teams befähigen und vor allem Hindernisse aus dem Weg räumen, damit Teams störungsfrei Ergebnisse erzielen können. Für diese Aufgabe hat er neben dem passenden Mindset erweiterte Coaching-Fähigkeiten und die Wissenskompetenz bezüglich Frameworks, Methoden und Skalierungsmodelle im Gepäck. Dieses Werk ist eine Fundgrube an erprobten Ressourcen für agile Coachs im agilen Wandel hin zu mehr Kundenzentrierung, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft.

Der agile Coach ist der Botschafter agiler Werte und Arbeitsprinzipien. Sein Auftrag ist es, einzelne Mitarbeitende sowie ganze Teams oder Bereiche in der Umsetzung und Verbesserung agiler Denk- und Handlungsweisen zu unterstützen. Er kennt die Phasen und Dynamiken von Teams und kann diese lösungsorientiert steuern. Dabei übernimmt der Coach je nach Bedarf gekonnt die Rolle des Beraters, der agilen Botschafterin oder des Entwicklungscoachs und führt Individuen sowie Teams zu eigenen Lösungen.

Vier typische Einsatzbereiche agiler Coachs:
Agiles Projektmanagement
Agile Transformationsbegleitung
Agile Teamentwicklung
Agile Moderation

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Claudia Thonet

Agiler Coach: Skills und Tools

Kompetenzensammlung für die Team- und Mitarbeiterentwicklung auf dem Weg zur agilen Transformation

© 2024 managerSeminare Verlags GmbH

Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn

Tel.: 0228-977910

[email protected]

www.managerseminare.de/shop

Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Sollten wir jemanden übersehen haben, so bitten wir den Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten.

ISBN: 978-3-98856-378-1

Herausgeber der Edition Training aktuell:

Ralf Muskatewitz, Jürgen Graf, Nicole Bußmann

Lektorat: Jürgen Graf

Cover: Kati Meden

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Ihre Download-RessourcenBegleitend zum Buch stehen Ihnen Arbeitshilfen für die persönliche Verwendung zum Download im Internet zur Verfügung. Sie können die Vorlagen jederzeit in hoher Qualität abrufen und einsetzen.www.managerseminare.de/tmdl/k,86130

Inhalt

Vorwort

1.Der agile Coach als zentrale Rolle im Wandel

Wozu braucht die Arbeitswelt agile Coachs?

Anforderungen an die neue Arbeitswelt

Agiles Grundverständnis und Definitionen

Die Kernelemente der Agilität

Was ist ein agiler Coach?

Der agile Coach und die weiteren agilen Rollen

Wie wird man zum agilen Coach?

2.Wie unterscheiden wir Mindset, Skillset, Toolset?

Mindset, Skillset, Toolset

Das agile Mindset

Mindset

3.Mindset und Prinzipien agiler Coachs

Wie entwickeln wir als Coach ein agiles Mindset?

Zehn Grundannahmen des agilen Coachs

Das agile Manifest

Agile Prinzipien als Coach

Agile Werte

Skillset

4.Skillset zu Veränderungsdynamiken

Vorab

Die Veränderungs-Waage oder: Bewahren versus Verändernaustarieren

Das Veränderungs-Paradoxon

Run frisst Change

Veränderungstypen nach Rogers: Wie gehen Menschen mit Veränderungen um?

Psychodynamik für agile Coachs

5.Skillset Organisationsdynamik

Vorab

Typische Organisationsdynamiken

Gruppendynamische Gesetzmäßigkeiten

Typische Teamdynamiken

6.Skillset Kulturwandel

Vorab

Kultur erkennen mit dem Seerosenmodell

Das Kulturwandelhaus

Kulturebenen einschätzen mit Graves-Modell und 7S-System

Agile Transformationsphasen und ihre Gestaltung

Checkliste zur Klärung bei Transformationsprozessen

Herausforderungen beim Coaching von Transformationsvorhabenbegegnen

Dualität der Agilität oder: Die drei Seiten

7.Skillset zum Coaching Einzelner und Gruppen/Teams

Auftragsklärung

Der Coaching-Prozess als Ausgangspunkt

Eine Arbeitsgrundlage schaffen

Start und Ablauf des Coachings klären

Anliegen verstehen und Ziele klären

Durch wirkungsvolle Fragen Lösungen entwickeln

Feedback geben

Transfer ermöglichen

Spezielle Coaching-Methoden für spezielle Situationen

Coaching von Teams: Grundlagen, hilfreiche Schritte und Methoden

8.Skillset zum Coaching der Führung

Vorab

Die fünf Handlungsfelder agiler Führung

Die fünf Level von agiler Führung

Die acht typischen Führungs-Dilemmata

9.Skillset zum Umgang mit Spannungen und Hindernissen

Vorab

Typische Spannungsfelder agiler Teams – und Lösungsansätze

Typische Hindernisse erkennen und nutzen

Mit den fünf typischen Widerständen umgehen

Mit Spannungen und Konflikten umgehen

10.Skillset agile Methoden

Vorab

Die Stacey-Matrix: einfach, kompliziert oder komplex?

Cynefin-Framework

Zusammenhänge verstehen mit der Baum-Metapher

Der agile Kreislauf

Kanban

Scrum & Scrumban

Design Thinking Framework

Objectives and Key Results: OKRs

Toolset

11.Toolset an Canvas und Boards

Team-Canvas

Rollen-Canvas

Leadership-Canvas

Business-Model-Canvas

Vision-Canvas

Kulturwandel-Canvas

12.Toolset Modelle/Checklisten zur Einschätzung der Agilität

Agilitätsgrad von Teams/Bereichen – Selbsttest

Agile Flughöhe einschätzen

Reflexionsbogen Agiles Mindset

Fragebogen Agiler führen

Prinzipien-Checkliste

13.Toolset Entscheidungen

Delegation Board und Delegation Poker

Entscheidungsmatrix & Co.

14.Toolset zu Hindernissen und Abhängigkeiten

Vorab

Hindernisse beschreiben mit der Impediment Map

Mit Dependency Boards Abhängigkeiten transparent machen

15.Toolset agile Meetings

Grundsätzliches zur Meeting-Moderation

Der agile Meeting-Zyklus

Meeting Board

Dailies/Weeklies moderieren

Plannings moderieren

Reviews moderieren

Retrospektiven

Retro-Tools für die Forming-Phase

Retro-Tools für die Storming-Phase

Retro-Tools für die Norming-Phase

Retro-Tools für die Performing-Phase

Anhang

Literatur/Quellen

Stichwortverzeichnis

Download-Ressourcen

Das nebenstehende Icon weist im Buch auf Arbeitshilfen hin, die als Download-Ressource zur Verfügung stehen. Der Link dazu befindet sich in der hinteren Umschlagklappe des Buchs (Print) bzw. unter den bibliografischen Angaben (E-Book). Hier die Arbeitshilfen im Überblick:

Schnelltest statisches und dynamisches Mindset (S. 41 und S. 291)

Checkliste zum Framing für agile Projekte (S. 153)

Checkliste zur Auftragsklärung (S. 162)

Matrix zur Einschätzung agiler Führung (S. 202)

Aufbau eines Team-Canvas (S. 263)

Aufbau eines Rollen-Canvas (S. 267)

Aufbau eines Leadership-Canvas (S. 270)

Aufbau eines Business-Model-Canvas (S. 274)

Aufbau eines Vision-Canvas (S. 275)

Aufbau eines Kulturwandel-Canvas (S. 279)

Fragebogen zum Agilitätsgrad von Teams & Organisationen (S. 284)

Checkliste zur agilen Flughöhe einer Organisation (S. 288)

Fragebogen zum Agilitätsgrad der Führung (S. 293)

Checkliste agile Prinzipien (S. 297)

Impediment Map (S. 306)

Der Weg zum passenden Meeting-Format (S. 312)

Vorwort

Meiner Meinung nach ist der agile Coach eine der wichtigsten Rollen, die uns neben den Organisationsentwicklern und modernen Führungsrollen auf dem Weg in eine sich ständig verändernde Arbeitswelt begleiten können. Nachdem wir selbst seit über acht Jahren agile Coachs in unseren offenen Kursen und inhouse bei Kunden ausbilden und gleichzeitig in der Rolle als externe agile Coachs in Organisationen unterwegs sind, hatte ich das Bedürfnis, dieses Wissen mit einer größeren Gemeinschaft zu teilen. Außerdem habe ich durch meine vorherigen Bücher gelernt, dass ich mein Wissen durch die intensive Auseinandersetzung mit den Themen während des Schreibens vertiefe und neue Erkenntnisse gewinne, was wiederum den Ausbildungen zugutekommen wird.

Ich bin überzeugt, mit der Rolle des Coachs haben wir einen stetigen Kreislauf aus Lernen und Verlernen, Selbstreflexion und Selbstverwirrung sozusagen für uns gepachtet, der uns immer wieder selbst herausfordert und an eigene Grenzen bringt. Das ist nicht immer angenehm, aber heilsam, um in keine Selbstüberschätzung hineinzugeraten, sondern Demut vor dem Unbekannten und dem Unwissen zu bewahren. In diesem Sinne teile ich nicht nur mein Wissen, sondern automatisch auch mein Unwissen, auch wenn sich das nicht so gut verkaufen lässt.

Ich danke meinem Team aus so tollen Beraterinnen und Coachs für die vielen Erfahrungen und gemeinsamen Reflexionen und ich danke all den Teilnehmenden aus unseren Ausbildungen: Ohne euch wäre das Wissen nie so gediehen und gewachsen.

Claudia Thonet

An dieser Stelle noch ein wichtiger Hinweis: Wir nutzen in diesem Buch „du” und „ihr”, wenn wir uns an die Leserinnen und Leser richten. In Workshops und Trainings ist dies inzwischen üblich, um auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten, und auch in der Arbeitswelt setzt sich das „Du” inzwischen zunehmend durch. Und zum Thema „Gendern”: Wir verzichten weitestgehend auf Sonderzeichen und umständliche Satzkonstruktionen, die den Lesefluss erschweren. Stattdessen sprechen wir wechselweise mal in der weiblichen und mal in der männlichen Form bzw. von Teilnehmenden, womit immer ausnahmslos alle angesprochen sind. Mit Kompromissen, die das mit sich bringt, gehen wir entspannt um.

1. Der agile Coach als zentrale Rolle im Wandel

Wozu braucht die Arbeitswelt agile Coachs?

Ist der agile Coach ein ernst zu nehmendes neues Berufsbild oder nur eine Modeerscheinung?

Erfahrene agile Coachs gehören zu den begehrtesten Berufsbildern am Arbeitsmarkt. Meine Kollegen und ich bekommen fast täglich Angebote als interner oder externer agiler Coach und als Inhouse-Ausbilder für agile Coachs. Das ist nicht verwunderlich, denn Kundenzentrierung, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft sind schon längst keine Modeerscheinung mehr, sondern fester Bestandteil jeder Organisation, die morgen noch erfolgreich sein möchte. Schon im Zuge der Digitalisierung, die den Informationsfluss massiv beschleunigte, waren Organisationen dazu gezwungen, schneller und flexibler zu arbeiten. Das Thema „Agilität“ im Allgemeinen, aber auch speziell im Zusammenhang mit agilem Projektmanagement, verspricht hier Lösungsansätze. Design Thinking, Scrum oder Kanban sind als neue und agile Arbeitsmethoden seitdem mehr und mehr gefragt, doch lange noch nicht überall tatsächlich angekommen.

Selbst in der Politik ist die agile Transformation zur Chefsache erklärt worden und ein fester Bestandteil der Koalitionsvereinbarung. Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ will die Regierung in den Verwaltungen zukünftig auf „interdisziplinäre Problemlösung setzen“ und dafür sorgen, dass „konsequent aus Nutzerperspektive heraus“ gedacht wird. Außerdem hat die Koalition zum Ziel erklärt, das Silodenken zu überwinden und „feste ressort- und behördenübergreifende agile Projektteams und Innovationseinheiten mit konkreten Kompetenzen“ auszustatten. Das klingt verlockend und zaubert jedem Agilisten ein Lächeln ins Gesicht. Doch die Kehrseite ist leider genauso stark vertreten: Unternehmen und Berater erleben haufenweise missglückte Versuche, agile Methoden on top zum üblichen operativen Dauerlauf in Linienorganisationen einzuführen und scheitern dabei reihenweise an den alten Strukturen und der tief verankerten Kultur. Eine Studie von Porsche Consult (M. Zacherl, W. Freibichler, S. Pannes & N. Dersch (2020): Change Management Kompass) stellt bei strategischen Transformationen eine Erfolgsquote von nur 20 Prozent fest, bei denen die gewünschten Ergebnisse erreicht werden. Einer der relevantesten Faktoren für den Erfolg, resümieren die Berater, ist das Vorleben des Top-Managements und ein einheitliches Zielbild. Erst wenn die Voraussetzungen stimmen und der Kulturwandel die notwendige Pflege und Aufmerksamkeit erhält, kann die Arbeit agiler Coachs Früchte tragen.

Anforderungen an die neue Arbeitswelt

Globale Pandemie, Klimakatastrophen, politische Unsicherheiten, Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind nur einige Beispiele von Gegebenheiten, die unseren Alltag prägen. Wir befinden uns im Zeitalter der Komplexität und des Chaos. Vorhersagbarkeit gehört nur noch in die Glaskugeln von Wahrsagern, denn dauerhaft stabile Strukturen zu erkennen, wird mehr und mehr unmöglich. Da kommt ein beschreibender Rahmen gerade richtig. In den 80er-Jahren wurde deswegen das Akronym VUCA in der Militärschule der USA verwendet, um die neuen Herausforderungen zu beschreiben. Die Abkürzung VUCA beschreibt unsere zunehmend volatilere, unsicherere, komplexere und mehrdeutigere Welt.

Volatility: Volatil könnte man auch mit flüchtig übersetzen und es beschreibt die zunehmende Geschwindigkeit sowie unberechenbare Entwicklung, mit der wir täglich konfrontiert sind. Unsere Gegenwart und Zukunft sind unbeständig, unberechenbar und weniger planbar geworden.

Uncertainty: Unsicherheit beschreibt die ungewisse und höchst unsichere Umgebung, in der wir uns bewegen müssen. Unser Leben ist undurchschaubarer, unwägbarer, unvorhersehbar, aber auch abwechslungsreicher geworden.

Complexity: Komplex ist unser Kontext. Alles ist miteinander verwoben und vernetzt. Dadurch sind Auswirkungen unseres Handelns nicht mehr absehbar, weil alles von mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren abhängig ist. Unser Leben ist vielschichtiger, verflochtener, unübersichtlicher, komplexer, aber auch differenzierter und vielfältiger geworden.

Ambiguity: Mehrdeutigkeit beschreibt das Ende der Eindeutigkeit und Polarität des Lebens. Es gibt kein Falsch und Richtig, Gut und Böse, Schwarz und Weiß mehr. So viele Graustufen liegen dazwischen. Unser Leben ist dadurch mehrdeutiger, unklarer, widersprüchlicher, aber auch voller Möglichkeiten geworden.

BANI ist das neue VUCA

2020 prägte der amerikanische Zukunftsforscher und Autor Jamais Cascio einen neuen Begriff für eine Welt, die in den 30 Jahren seit VUCA noch chaotischer geworden ist. Er bietet eine neue Erklärung für unsere aktuelle Welt, in der auch Volatilität oder Komplexität als Begriffe nicht mehr ausreichen, um zu beschreiben, was vor sich geht und wie darauf angemessen zu reagieren ist.

BANI liest sich englisch als brittle, anxious, nonlinear, incomprehensible und steht somit für brüchig, ängstlich, nicht linear und sogar unbegreiflich.

Brittle: Brüchig, spröde oder porös steht für alles, was ehemals stabil war, weil es nicht flexibel oder elastisch sein musste. Stabile Systeme erweisen sich im Inneren aber zunehmend als schwach und morsch. Durch ihre fehlende Flexibilität können sie schlagartig zerbrechen, obwohl sie die ganze Zeit nach außen scheinbar verlässliche Stabilität signalisieren. Diese Brüchigkeit entsteht oft aus dem Bestreben, die Effizienz zu maximieren und einem System wie einem Unternehmen oder einer Gemeinschaft das Optimum an Wert, Geld, Macht, Leistung abzuringen. Ein Beispiel sind landwirtschaftliche Monokulturen, auf denen der Anbau einer einzigen Kulturpflanze auf maximalen Ertrag getrimmt wird, bis der Boden komplett ausgelaugt ist und der Ertrag schlagartig einbricht.

Anxious: Angst bringt ein Gefühl der Hilflosigkeit mit sich, weil nichts mehr entscheidbar scheint. Egal was wir tun, es könnte immer das Falsche sein. In einer ängstlichen Welt scheint jede Entscheidung potenziell gefährlich oder mit katastrophalen Folgen verknüpft zu sein. Angst lähmt und kann Passivität oder Verzweiflung hervorrufen. Unsere sozialen Medien sind ein gutes Beispiel, wie Angst geschürt wird. Nicht nur Kinder entwickeln durch die vielen und oftmals einseitigen oder unwahren Informationen mehr und mehr Zukunftsängste. Die mediale Darstellung von Informationen konzentriert sich auf das Negative und Angstauslösende und berichtet selten über Hoffnungsvolles und Gutes in der Welt. Zusätzlich sind wir durch Social Media umgeben von dem, was man als Fake News bezeichnet: Unwissen, Fehlinformationen, Lügen, Übertreibungen, Pseudowissenschaften, gefälschte Nachrichten und vieles mehr. Und das löst Ängste aus.

Nonlinear: Nicht linear bedeutet, dass Kausalitäten nicht mehr gegeben sind. Aktion und Reaktion stimmen nicht überein oder bedingen sich gar nicht. Kleine Aktionen können massive Reaktionen auslösen – mit positiven wie negativen Ausprägungen, aber immer mit schlecht vorhersehbarem Ausgang. In einer nicht linearen Welt sind Ursache und Wirkung scheinbar unzusammenhängend und nicht verhältnismäßig. Verzögerungen zwischen sichtbarer Ursache und sichtbarer Wirkung machen die Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehbar. COVID ist ein drastisches Beispiel einer Krise der Nichtlinearität. Das Ausmaß und der Umfang dieser Pandemie erschütterten die Welt, viele Experten versuchten sich vergeblich in Vorhersagen und Erklärungen. Der Klimawandel ist ein weiteres nicht lineares Problem. So wie ein Schmetterlingsflügelschlag das Klima beeinflussen kann, so überfordern nicht lineare Themenstellungen unsere Vorstellungskraft. Wir haben Schwierigkeiten, exponentiell zu denken.

Incomprehensible lässt sich mit unfassbar oder unverständlich übersetzen. In einer unbegreiflichen, unfassbaren Welt sind Ereignisse oder Entscheidungen nicht nachvollziehbar. Entweder liegen die Ursachen dafür zu weit zurück oder sie sind zu komplex, um korrekt eingereiht zu werden. Selbst mehr Informationen garantieren kein besseres Verständnis. In der Informationsflut ist das Grundrauschen vom eigentlichen Signal kaum mehr zu unterscheiden.

Festzuhalten ist, dass heutige Probleme weder einfach noch kompliziert oder komplex, sondern chaotisch zu verstehen sind.

Fazit für Coachs

Wie VUCA will auch BANI helfen, die Herausforderungen der Zeit besser zu verstehen. Folgende Chancen liegen im Umgang mit BANI:

Brüchigkeit lässt sich als Aufforderung verstehen, mit höherer Flexibilität und Lockerheit zu agieren.

Angst erfordert Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen sowie einen Glauben an alles, was Hoffnung auslöst.

Nichtlineares verlangt nach iterativem Handeln und agilen Denk- und Handlungsweisen.

Unverständliches kann mit Transparenz nachvollziehbarer werden und die Intuition stärken.

Quelle: https://fh-hwz.ch/news/was-bedeutet-bani

Agiles Grundverständnis und Definitionen

Agilität ist der Gegenpol von Rigidität und Stillstand. Es bedeutet nichts anderes, als dass ein Unternehmen flexibel und schnell auf Anforderungen des Marktes und der Kunden eingehen kann. Agiles Arbeiten im Unternehmen kann in unterschiedlichen Formen daherkommen. Überall wo schnelle Anpassungen und neue Denkweisen gefragt sind, ist die alte Pyramidenstruktur, in der ganz oben entschieden wird und ganz unten die dafür erforderliche Fachkompetenz und Kundenbindung sitzt, einfach zu langsam und eindimensional. Für einfache und stabile Märkte mit Routineaufgaben ist diese Struktur passend, für unbeständige wechselhafte und komplexe Anforderungen hingegen sind crossfunktionale, selbstorganisierte Kreise die richtige Antwort.

Feste Strukturen vermitteln Sicherheit

Die alte Organisationswelt ist oftmals wie ein Tanker, sie ist vertraut und gibt den Mitarbeitern und Kunden Stabilität. Deswegen wird in Krisen oftmals wieder die alte Hierarchiestruktur eingefordert: Sie vermittelt vielen Sicherheit durch die unbeweglichere Form. Schnellboote hingegen sind für die Exploration, die Erkundung neuer Märkte und Ausweitung der Angebote viel effektiver. Viele Organisationen brauchen beides: Tanker mit Schnellbooten, die nach ihren Erkundungsfahrten das Wissen immer wieder an Bord des Tankers bringen und dort implementieren.

Wichtig ist und bleibt, dass die alte Tankermentalität und -kultur nicht die agilen Schnellbootbereiche schluckt.

Laut der Studie von Bearing Point aus 2022 sind bereits bei 28 Prozent der beteiligten Unternehmen agile Praktiken die Regel, bei 44 Prozent überwiegen agile Zustände bereits den Arbeitsalltag und nur noch bei 28 Prozent dominieren klassische Arbeitsweisen. 96 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass die Relevanz agiler Methoden in Zukunft steigen wird.

Die Vorreiter sind dabei Unternehmen aus der IT- und Technikbranche, die Schlusslichter bilden öffentliche Verwaltungen und Versicherungen. Die Unternehmensberatung resümiert folgende Katalysatoren für den Transformationserfolg:

Führungskräfte müssen Treiber der Transformation sein

Führungskräfte: Die wahrgenommene Unterstützung von Führungskräften moderiert den ganzheitlichen Transformationserfolg. Mitarbeitende, die ihre Führungskräfte nicht als Treiber der Transformation wahrnehmen, liegen hinsichtlich der gemessenen agilen Reife klar zurück. Vorstände und Führungskräfte sollten zu Botschaftern für Agilität werden. Dies erfordert einen Mindset-Shift in Bezug auf die Machtverhältnisse und die Verteilung der Verantwortung. In beiderlei Hinsicht muss von oben mehr nach unten abgegeben werden: Die Teams brauchen mehr Verantwortung, um Entscheidungen für ihre Kunden treffen zu können und insofern auch mehr Ermächtigung.

Agile Reife erhöht Zufriedenheit

Mitarbeitende: Die Qualifikation der Mitarbeitenden wird als große Herausforderung agiler Transformationen wahrgenommen. Gleichzeitig steigt mit der agilen Reifestufe die Zufriedenheit des Einzelnen – es lohnt sich folglich, die Herausforderungen des kulturellen Wandels anzunehmen. Vorstände und Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitenden die individuelle und bedarfsgerechte Unterstützung geben, die es ihnen ermöglicht, nachhaltig in ihre agile Rolle hineinzuwachsen.

Für ein gemeinsames agiles Grundverständnis

Agilität: Die Fähigkeit, mit wendiger Beweglichkeit zu agieren und proaktiv mit jetzigen und zukünftigen Anforderungen und unvorhersehbaren Ereignissen umzugehen.

Agiles Team: Ein Team, welches gemeinsame Ziele selbstorganisiert und crossfunktional mit End-to-End-Verantwortung umsetzt.

Agile Führung: Eine Führung, die rollenbezogen den Rahmen so gestaltet, dass Agilität gestärkt, Hindernisse beseitigt und Entwicklung gefördert wird.

Agiles Mindset: Eine Denk- und Handlungslogik, die auf ein dynamisches Mindset ausgerichtet ist und Agilität durch Reflexion und Entwicklung stärkt.

Agiles Coaching: Begleitung, die den Auftrag erfüllt, anschlussfähige Methoden mit dem Ziel zu implementieren, die Zusammenarbeit von Teams effektiver zu machen, das agile Mindset zu stärken und Botschafter und Berater in agilen Transformationen zu sein.

Die Kernelemente der Agilität

Die Henne-Ei-Thematik: Zuerst die Struktur oder die Kultur verändern?

Die unzähligen Definitionen und Interpretationen über den Begriff Agilität haben mit dazu beigetragen, dass der Begriff in vielen Organisationen bereits verbrannt ist. Hinzu kommt, dass Erlebnisse und Ergebnisse aus unterschiedlichen Gründen nicht nur ernüchternd, sondern frustrierend waren. Oftmals wurde Agilität lediglich als Synonym für Veränderungsdruck und das daraus entstandene Chaos benutzt. Fast immer fehlt in diesen Fällen die Basisarbeit an der Kultur und an der Struktur. Die einen arbeiten gerne an den Strukturen und verändern damit den Kontext und ernten als Ergebnis des Prozesses idealerweise eine veränderte Kultur. Andere Coachs vertreten den Standpunkt, erst an der Kultur und dem Mindset als Basis der Veränderung zu arbeiten. Das ist letztlich eine klassische Henne-Ei-Thematik und damit eine philosophische Frage. Im besten Falle arbeiten wir gleichermaßen an der Struktur wie an der Kultur und begünstigen erwünschtes Verhalten – und wirken damit auf das Mindset ein.

Eine agile Arbeitsweise ist in der Regel an fünf Kernelemente geknüpft:

1. Kundenzentrierung

Das Herzstück jeder agilen Arbeitsweise ist der Kunde, der ins Zentrum unserer Überlegungen und Handlungen gestellt wird. Er ist unser heutiger und zukünftiger Arbeitgeber und entscheidet über die Existenz jeder Organisation. Seine jetzigen Bedürfnisse zu verstehen und zu erfüllen und seine zukünftigen Bedürfnisse zu erspüren und zu explorieren, ist der Sinn und Zweck all unserer Handlungen. Konkret bedeutet das zum einen im operativen Geschäft mit Stakeholder Maps, Personas, Empathy Maps und Customer Journeys zu arbeiten, sich kontinuierlich Feedback von Kunden einzufordern und dieses umzusetzen. Zum anderen werden Trends beobachtet und zukünftige Kundenbedürfnisse exploriert.

2. Selbstorganisierte Teams

Um die komplexen Anforderungen des Umfelds zu erfüllen, brauchen Unternehmen crossfunktionale Teams, die die Kompetenzen innehaben, um sich im Sinne der Wertschöpfung für den Kunden selbst zu organisieren und schnelle Entscheidungen zu treffen. Das heißt aber noch lange nicht, dass damit eine totale Autonomie sinnvoll oder gar nützlich wäre. Selbstorganisation bedeutet, dass ein Team sich zu einem gewissen Grad selbst managt und gemeinsame Entscheidungen treffen kann – welche das sind, obliegt dem „Rahmengeber“, der den Begriff sehr weit und sehr breit auslegen kann. Hier lassen sich vier Stufen unterscheiden (siehe Abb. 1): Selbstorganisation bezogen auf fachliche und inhaltliche Aufgaben (Stufe 1), Selbstorganisation, die neben Stufe 1 auch die Zielsetzung beinhaltet (Stufe 2), Selbstorganisation, die neben 1 und 2 auch beinhaltet, dass man über Einstellung und Kündigung von Personal entscheidet (Stufe 3), sowie die höchste Stufe 4, die neben allen vorherigen Punkten das betriebswirtschaftlich autonome Agieren einschließt.

Abb. 1: Stufen der Selbstorganisation

Was Selbstorganisation nicht ist

Es gibt Teams, die nennen sich selbstorganisiert und haben noch nicht einmal die Spielräume der Stufe 1. Sie entscheiden vielleicht über bestimmte Vorgehensweisen oder fachliche Themen, müssen sich aber bereits dabei ständig rechtfertigen und rückversichern. Das ist keine Selbstorganisation.

Erst wenn es keine Einmischung gibt und auch die Schnittstellen die Selbstorganisation befördern, statt sie zu behindern, können wir von Selbstorganisation sprechen. Fortgeschrittene Selbstorganisation beinhaltet die Einstellung von Personal und das Treffen wirtschaftlicher Entscheidungen. Das hängt sehr stark auch an der Crossfunktionalität. Je mehr betriebswirtschaftliche Kompetenzen in einem Team verankert sind, desto weitreichender kann es auch entscheiden – sofern dies in der Organisation abgebildet werden kann. Die Voraussetzung für ein wirkliches Funktionieren dieser vier Stufen ist aber immer der Reifegrad der Beteiligten, denn Selbstorganisation braucht Mitarbeiter, die dazu wirklich fähig sind. Das setzt neben dem Mindset eben auch ein hohes Kompetenzniveau voraus. Frameworks übernehmen Führungsaufgaben zu einem Teil und sind deshalb Selbstorganisationshilfen. Sie ersetzen aber keine Mitarbeiter, die diese mit Leben füllen.

3. Iterative Arbeitsweise

Die Eigendynamik als Ordnungsmuster nutzen

Um uns im komplexen Umfeld zurechtzufinden, brauchen wir andere Herangehensweisen als in einfachen oder komplizierten Umgebungen. Sie sind vergleichbar mit dem Fahren auf Sicht im dichten Nebel: Wir tasten uns Stück für Stück voran, immer bereit, den Kurs zu ändern, sobald wir das nächste Stück des Weges erblicken können. Dazu nutzen wir kurze Sprints, die wir kurzzyklisch anpassen können. Iterationen haben im Sinne der Mathematik eine enorme Bedeutung als zentrales Prinzip der Selbstorganisation: Sie stehen für das Navigieren auf Sicht, das Lernen aus Feedback-Schleifen, die ständige Anpassung und Innovation und damit auch für den Kreislauf der Lebendigkeit.

Iteration im mathematischen Sinne ist das Wiedereinspeisen des Ergebnisses einer Regelanwendung in die Regel und führt zu eigendynamischen Ordnungsbildungen. Der Organisationspsychologe und Trendforscher Peter Kruse (Peter Kruse (2004): Next Practice) leitete daraus zwei Hypothesen ab, die für das Management von komplexen Systemen entscheidend sind:

1. Die Iteration einfacher Regeln führt eigendynamisch zu komplexen Ordnungsmustern; Iteration erzeugt stabile Zustände.

2. Über iterative Schleifen werden in Systemen wirkende Ordnungstendenzen sichtbar. Iteration erzeugt Intelligenz der vielen.

So betrachtet, ist eine iterative Arbeitsweise in vielfacher Hinsicht geeignet, um den komplexen Anforderungen einer Organisationsentwicklung zu begegnen. Denn durch Iteration wird eine neue Ordnung über Regel und Zufall hergestellt, die sich stetig weiterentwickelt und trotzdem stabil ist.

Agile Iterationen durchlaufen in der Regel fünf Phasen. Der erweiterte Demming-Zyklus startet mit dem „Think New” aus Kundensicht:

Think New

Die fünf Phasen des agilen Kreislaufs: Think New – Plan – Do – Check – Act

Der agile Kreislauf beginnt mit der Vision und den zukünftigen Angeboten aus Kundensicht. Folgende Fragestellungen werden in crossfunktionalen Teams durchdacht und „hands-on“ entwickelt:

Welchen Nutzen wollen wir dem Kunden in Zukunft bieten?

Was ist das einmalige Kundenerlebnis der Touchpoints (Kontaktpunkte)?

Welche Schmerzen wird der Kunde zukünftig haben, wie können wir diese lindern und den Nutzen für jeden Kontaktpunkt stärken?

Welche Innovationen werden den Kunden begeistern?

Welche neuen Produkte und Dienstleistungen binden den Bestandskunden und erschließen neue Zielgruppen?

Wie werden wir die Wertschöpfung effektiv umsetzen? Welche Strukturen und Methoden brauchen wir dazu?

Hierzu eignen sich innovative Frameworks wie Design Thinking und Service Design Thinking.

Plan

Um die Ideen umzusetzen, werden Arbeitspakete bzw. User Stories formuliert und mit dem gesamten Team geplant. Umsetzungszeit, Priorisierung und Kapazitäten werden im Planning Meeting mit dem Team gemeinsam geschätzt, entschieden und transparent gemacht.

Do

Iterativ wird die Umsetzung durch Frameworks strukturiert. Der tägliche Austausch über Bearbeitungsstände und der Fokus auf die Aufgaben hilft dem Team, seine Arbeitspakete schnell und effektiv zu erledigen. Ich warne dabei immer vor falschen Erwartungen an agile Methoden: Sie werden nicht unbedingt schneller sein, doch in jedem Fall anpassungsfähiger und somit besser für den Kunden. Durch das frühzeitige Einbinden und Feedback des Kunden wird das angebotene Produkt oder die Dienstleistung in jeder Arbeitsphase besser.

Check

Nach einer möglichst kurzen Umsetzungsphase überprüft das Team mit dem Kunden oder Stakeholder gemeinsam die Ergebnisse und passt diese an die Anforderungen der Nutzer an. Die Review ist das passende Meeting-Format für diese Phase des agilen Kreislaufs. Anschließend werden die Aufgaben dem Feedback entsprechend optimiert und angepasst.

Act

Nicht nur auf der Produktseite, sondern auch auf der Interaktionsseite wird vor der nächsten Umsetzungsphase reflektiert. „Check and Adapt” – Prüfen und Anpassen – ist das Motto. Die Retrospektive ist das ideale Meeting-Format, um mit dem Team die Kooperation untereinander und über das Team hinaus zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

4. Agiles Mindset

Emotionen sind der Treibstoff für die Wissensaneignung

Unter einem agilen Mindset verstehen wir eine flexible und auf Entwicklung und Wachstum ausgerichtete Denk- und Handlungslogik. Diese Geisteshaltung hilft Individuen und Organisationen, wendig und anpassungsfähig auf das Umfeld zu reagieren, und ist auf lebenslanges Lernen und persönliche bzw. organisationale Weiterentwicklung ausgerichtet. Der Neurobiologe Gerald Hüther (Gerald Hüther (2016): Mit Freude lernen ein Leben lang) sieht eine natürliche Begeisterung der Menschen am Entdecken und Gestalten. Dieser kostbare Rohstoff verschwindet allerdings augenblicklich bei Druck, Misstrauen und Entmutigung. Die gute Nachricht ist: Entdeckerlust und Gestaltungsfreude sind nachwachsende Rohstoffe, und das ein Leben lang. Die Hirnforschung hat in den vergangenen Jahren viele neue Erkenntnisse geboten, wie Menschen lernen und sich ein Leben lang entwickeln. Eine der vielen spannenden Erkenntnisse lautet: Ein Mensch erwirbt nur neues Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, wenn er emotional berührt ist. Wenn die emotionalen Zentren in seinem Gehirn aktiviert werden, bilden sich an den weit verzweigten Fortsätzen des Mittelhirns neuroplastische Botenstoffe. Diese wirken wie Dünger und stimulieren das Auswachsen weiterer Fortsätze und Vernetzungen. Wir können also nur Neues als Verschaltungsmuster im Gehirn verankern, wenn wir uns darüber freuen oder begeistern. Das, was es zu lernen gibt, muss wirklich bedeutsam für uns sein. Dazu kann man Mitarbeiter nicht zwingen, man kann sie nur einladen, ermutigen und inspirieren.

Das agile Mindset ist die innere Grundhaltung oder auch die Wurzel, um die agilen Werte und Prinzipien zu verkörpern (siehe auch: Das agile Mindset, S. 36 ff.).

5. Agile Werte und Prinzipien

Schon Abraham Maslow hat 1943 (A Theory of Human Motivation) in seiner Bedürfnispyramide nach den physiologischen Existenzbedürfnissen die Sicherheit als zweitwichtigstes Bedürfnis des Menschen deklariert. Bedürfnisse erschaffen Werte – und Werte sind unsere inneren Motivatoren. Wenn in unserem Umfeld eine Handlung gegen wichtige Werte verstößt, reagieren wir nicht nur rational, sondern auch emotional darauf. Ist zum Beispiel Pünktlichkeit ein hoher Wert im Unternehmen, wird auf Zuspätkommen in Meetings missmutig reagiert. Stehen hingegen flexible Arbeitszeiten und eigenverantwortliches Handeln höher im Kurs, kann mit der entsprechenden Erklärung ein Mitarbeiter auch mal zu spät kommen, wenn etwas Wichtiges dazwischengekommen ist.

Das Gute an Werten: Sie geben uns Sicherheit und dienen der Orientierung. Das Gefährliche an ihnen: Wer Werte ausruft und nicht mit Leben füllt, richtet großen Schaden an. Dadurch wird die Basis für gute Zusammenarbeit, das Vertrauen, zerstört. Vertrauen ist wie das rote Schirmchen von Reiseleitern. Die Reisegruppe läuft dem roten Schirm der Reiseleiterin hinterher, denn er gibt Orientierung. Ohne Vertrauen hast du kein Schirmchen mehr und keiner wird folgen.

Klare Prinzipien ermöglichen Handlungsspielräume

Auch Prinzipien bieten einen – wenn auch deutlich kleineren – Rahmen, der Orientierung gibt. Durch die Definition von Prinzipien kann das Management den Spielraum gestalten, den Mitarbeiter nutzen dürfen. Dies können sowohl Entscheidungs- wie auch Handlungsprinzipien sein, wobei es Überschneidungen zwischen diesen Kategorien geben kann. Nach welchen Kriterien entscheide ich? Wonach handle ich? So steckt in dem Satz „Wir realisieren Ideen, die vom Vertrieb kommen, sofort und ohne diese zu bewerten“ sowohl ein Entscheidungsprinzip als auch ein Handlungsaspekt.

Prinzipien stärken die Selbstverantwortung. Mitarbeitende erhalten dadurch einen Filter, durch den sie all die Tausende kleinen Entscheidungen des Alltags vorsortieren können. Auch die zwölf agilen Prinzipien sind in dieser Hinsicht Entwicklungsinstrumente: Sie schulen Denken – wenn es in organisationales Lernen eingebettet ist.

Prinzipien sind Strukturelemente für den Geist. Eingebettet in Reflexion sind sie deshalb geeignet, Denken in kleinen Schritten zu fördern, die Sicht auf anderes zu lenken und damit auch zu weiten (siehe auch: Agile Prinzipien als Coach, S. 65 ff.).

Was ist ein agiler Coach?

Die vier Hauptaufgaben des agilen Coachs

Trotz der Relevanz ist gerade die Rolle des agilen Coachs häufig sehr unklar und wird oftmals mit anderen Rollen durcheinandergebracht. Die einen sagen, der agile Coach ist der neue Organisationsentwickler, die anderen verstehen darunter einen Sammelbegriff für alle Scrum- oder OKR-Master. Für uns ist der agile Coach ähnlich dem Business-Coach ein Begleiter von Teams und Einzelnen im agilen Kontext. Dabei nimmt er je nach Bedarf die Rolle des Begleiters, des Beraters oder des Moderators ein und hilft in seinem Einsatzbereich, Hindernisse zu erkennen und zu adressieren, um kundenzentrierter und anpassungsfähiger auf dem Markt agieren zu können. Somit lassen sich vier Hauptaufgaben identifizieren, mit denen es der agile Coach zu tun hat.

1. Business-Coach

Bereits zum Business-Coaching gibt es völlig unterschiedliche Definitionen. Unser Verständnis orientiert sich an der Definition des Deutschen Bundesverbands Coaching e.V. (DBVC): „Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organisationen. Zielsetzung von Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bezüglich primär beruflicher Anliegen. Durch die Optimierung der menschlichen Potenziale soll die wertschöpfende und zukunftsgerichtete Entwicklung des Unternehmens/der Organisation gefördert werden.” (Quelle: www.dbvc.de)

Auch der agile Coach ist unserer Erfahrung nach als Berater, Begleiter und Unterstützer von Führungsrollen oder einzelner Teammitglieder gefragt, doch das ist nur ein kleinerer Aspekt seiner typischen Aufgaben.

2. Teamcoach

Agiles Arbeiten basiert auf interdisziplinärer Teamarbeit. Folglich ist der agile Coach viel mehr Team- als Einzelcoach. Doch auch hier gibt es Verwirrungen: Was ist Teamentwicklung, was unterscheidet Teambuilding vom Teamcoaching? Wir betrachten diese Begriffe als Synonyme, wobei Teamcoaching im Vergleich zu Teambuilding eher einen Entwicklungsprozess über einen längeren Zeitraum bedeutet und in der Regel keine einmalige Intervention darstellt. Das Coaching-Magazin definiert Teamcoaching treffend:

„Teamcoaching ist eine teambasierte Lern- und Entwicklungsmaßnahme, bei der das Team als System betrachtet und die gemeinsam auf das gesamte Team angewendet wird. Der Fokus liegt auf der Teamleistung und dem Erreichen eines gemeinsamen Teamziels (oder Teilziels). Das Lernen im Team wird durch spezifische Teamcoaching-Aktivitäten zur Selbst- und Teamreflexion ermöglicht, die vom Teamcoach (oder mehreren) durch die Anwendung von Coaching-Techniken wie effektives, reflexives Fragen erleichtert werden, die das Reflexionsvermögen stärken, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und die Kommunikation verbessern. Ein Teamcoach gibt dem Team keine Ratschläge oder Lösungen. Teamcoaching erfordert vom Coach erweiterte Coaching-Fähigkeiten wie das gleichzeitige Betrachten mehrerer Perspektiven und das Beobachten und Interpretieren dynamischer Interaktionen. Es wird in der Regel über eine Reihe von Sitzungen und nicht als einmalige Intervention angeboten.” (Quelle: www.coaching-magazin.de)

3. Agiler Botschafter/Experte

Doch es gibt noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zum Business- und Teamcoach: Der agile Coach ist nämlich zusätzlich auch sehr stark in der Beratung und Wissensvermittlung gefragt: Insofern könnte man ihn sogar als Trainer bzw. Fachexperten für agile Arbeitsweisen bezeichnen. Zumindest braucht er Wissen zu den diversen Frameworks, nicht unbedingt in der Tiefe wie der Scrum Master oder der OKR Coach. In der Breite jedoch muss er sich auskennen und seine Kunden beraten, wann welches Framework wie wirkt und wo es zielführend eingesetzt werden kann. Das macht die Rolle sehr komplex: Nicht nur Coaching-Kompetenz von Einzelpersonen und Teams ist gefragt, auch Wissenskompetenz bezüglich der Frameworks, Methoden und Skalierungsmodelle braucht der agile Coach im Gepäck.

4. Laterale Führung

Die Herausforderung lateraler Führung: Sie geschieht auf gleicher Augenhöhe

Auch die laterale Führung wird oftmals im Zusammenhang mit der Rolle genannt. Laterale Führung bedeutet eine Führung von der Seite her, sie ist weder disziplinarisch noch hierarchisch, sondern eine Verantwortungsübernahme zum Zweck der Agilitätssteigerung. Immer wieder begegnet uns die irrige Annahme (allerdings nur in Bereichen, die noch wenig Berührungspunkte mit echten agilen Teams hatten), agile Teams seien chaotisch oder gar undiszipliniert. Wenn es besonders „wirr“ zugeht, wird das als „agil“ bezeichnet. Echte agile Teams, die nach Scrum oder Kanban arbeiten, sind genau das Gegenteil: diszipliniert, stringent, stetig im Austausch und klar ausgerichtet auf den Kunden. Im agilen Kontext wird mehr geführt, disziplinierter gehandelt und konsequenter entschieden als in klassischen Teams. Führungskräfte, die vorher klassisch geführt haben und sich jetzt als agiler Coach weiterentwickeln, stöhnen: Sie haben wesentlich mehr Führungsarbeit als vorher – nur in anderer Form. Laterale Führung geschieht auf Augenhöhe innerhalb selbstorganisierter Teams. Raus aus der Komfortzone heißt es so auch für die laterale Führungsrolle: Fehler machen und ständig Neues ausprobieren, das erfordert Mut und eine gehörige Portion Selbstreflexion und Veränderungsfreude. Gleichzeitig ist diese Art von Führung viel befriedigender und effektiver, weil sie Selbstaktualisierung in dem Sinne erfordert, sich ständig selbst zu hinterfragen und die eigenen Hypothesen konsequent wieder neu zu denken. Das ist unbequem und erzeugt Unsicherheiten, hält aber geistig beweglich und gibt letztlich die Sicherheit, sich selbst anpassen zu können. Somit ist diese Form der Führung das perfekte Training, um sich selbst in ein wahrhaft agiles Mindset „hineinzustretchen”.

Case Study: Vom Teamleiter zum agilen Coach

Bei der Transformation eines Vertriebsbereichs haben die acht Teamleiter die Wahl: Entweder sie wechseln den Bereich und bewerben sich dort auf eine Teamleiterfunktion, oder sie lassen sich umschulen zum agilen Coach in ihrem Bereich. Wenn sie beides nicht wollen, können sie mit entsprechender Abfindung das Unternehmen verlassen. Sechs Teamleiter entscheiden sich für die neue Rolle des agilen Coachs; zwei verlassen das Unternehmen. Nach anfänglicher Euphorie für die neue laterale Führungsrolle ohne disziplinarische Funktion kämpfen alle sechs mit den neuen Anforderungen: Statt Ansagen zu machen, müssen sie die Teamdynamiken nicht nur lenken, sondern in Retrospektiven die Teams weiterentwickeln. In Einzelgesprächen sind sie gefordert, Beobachtungen auszusprechen und die Kollegen stärkenorientiert zu entwickeln. Und darüber hinaus müssen sie selbst Kanban als Framework verstehen und die Workshops und Meetings moderieren. Außerdem gilt es, Hindernisse zu erkennen, zu visualisieren und an der passgenauen Stelle in der Organisation zu eskalieren, wenn dies erforderlich erscheint. Nach einem Jahr geben zwei Kollegen auf und entscheiden sich, Teammitglied zu werden, statt die Coach-Rolle weiterzuführen: Der eine ist schlicht und einfach überfordert mit den Moderationen und den vielen Anforderungen an die Rolle und die andere wird vom Team gebeten, ihre Rolle abzulegen. Sie begrenzt das Team zu stark durch ihre dominante Art und lässt dadurch dem Team zu wenig Freiraum für Selbstorganisation: Sie kann die alte Führungsrolle nicht abstreifen.

Eine wichtige Aufgabe der Führung besteht darin, Hürden zu identifizieren und zu überwinden. Im agilen Arbeitsleben werden Hürden und Hindernisse offensichtlicher und verstecken sich nicht länger unter dem Teppich der Gepflogenheiten. Hinzu kommt die Aufgabe, dem Team und Einzelnen zuzuhören, Fragen zu stellen und die Menschen so zu befähigen, wie es ihnen entspricht. Konsequente Reflexion anzuregen sowie prüfendes und vergleichendes Nachdenken kann nicht verordnet werden, aber die Führung kann den Raum schaffen und mit gutem Beispiel voranschreiten. Das gelingt nur auf der Basis von Vertrauen und psychologischer Sicherheit.

Diese Form der Wissensvermittlung gepaart mit Team- und Mitarbeiterentwicklung nimmt auf dem Weg zur agilen Transformation eine zentrale, aber nicht im klassischen Sinne „führende“ Rolle ein.

Fazit: Der agile Coach ist die optimale Besetzung, um Selbstorganisation, Innovation und ein neues Rollenverständnis zu implementieren. Denn er hat neben der Befähigung von Teams und der Einführung agiler Arbeitsweisen vor allem die Aufgabe, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit Teams störungsfrei Ergebnisse erzielen können.

Der agile Coach und die weiteren agilen Rollen

Je nach Selbstverständnis und eigener Schwerpunktsetzung nimmt der agile Coach natürlich auch Einfluss auf die Arbeit des Scrum-Teams. Hier liegt sein Augenmerk vor allem darauf, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Akteure in ihren jeweiligen Rollen effektiv arbeiten können.

Scrum Master

Der Scrum Master: Hüter des Frameworks

Scrum Master und agiler Coach werden oftmals gleichgesetzt. Im Gegensatz zum agilen Coach, der unabhängig von Framework Teams und Organisationen in der Steigerung der Agilität coacht, ist der Scrum Master der Coach des Scrum-Teams und auf dieses Framework spezialisiert. Er ist Hüter des Frameworks und sorgt dafür, dass die Regeln eingehalten werden. Er schützt das Team während des Sprints, sodass sich alle auf die vereinbarten Ergebnisse fokussieren können. Außerdem unterstützt der Scrum Master das Team, sich kontinuierlich zu verbessern, indem er Hindernisse erkennt und beseitigt, zur Selbstreflexion anregt und den Reifegrad des Teams erhöht. Er sorgt für das Ressourcenmanagement und moderiert Events wie die Retrospektiven. Er sorgt für einen effektiven Informationsfluss zwischen Team und Product Owner sowie anderen Stakeholdern.

Der Scrum Master …

hilft allen, die Scrum-Theorie und -praxis zu verstehen (im Team und der Organisation)

ist ergebnisverantwortlich für die Effektivität des Scrum-Teams

hilft dem Team, seine Praktiken innerhalb von Scrum zu verbessern

ist Führungspersönlichkeit, die dem Team und der Organisation „dient“

hilft dem Team des Weiteren durch:

• Coaching in Selbstmanagement und interdisziplinärer Zusammenarbeit

• die Fokussierung beim Erstellen qualitativ hochwertiger Increments (Definition of Done)

• die Beseitigung von Hindernissen („Impediments“), um den Fortschritt sicherzustellen

• Sicherstellen, dass alle Events stattfinden (positiv, proaktiv, timeboxed)

Anregungen zur erfolgreichen Implementierung des Scrum Masters

Achte auf die Einhaltung aller Scrum-Events zu den gleichen Zeitpunkten (timeboxed)

Achte auf die Rahmenbedingungen für die Developer (Räume, Arbeitsmaterialien etc.)

Verhindere externe Eingriffe ins Team

Verhindere, dass der Scrum Master selbst als „Prozess-Prediger“ wahrgenommen wird

Suche nach Verbündeten in der Organisation, um Scrum weiter zu etablieren

Achte darauf, „IT sprechen zu können“ (Begriffe wie „Clean Code“, „Technical Debt“ oder „Versionierung“)

Verfüge über eine Impediment-Liste und mache diese öffentlich sichtbar

Nutze offene Fragen: „Wie können wir noch effektiver zusammenarbeiten?“, „Was müssen wir tun, um das Feature in zwei Wochen fertigstellen zu können?“

Beherzige Servant Leadership, Coaching des Scrum-Teams sowie Konfliktbewältigung

Product Owner

Der Product Owner: Hüter der Wertschöpfung

Der Product Owner vertritt die Interessen der Kunden und Stakeholder und hat stets die Wertschöpfung im Blick. Ehemals war die Rolle auf Scrum begrenzt, doch heutzutage ist die Rolle auch unabhängig von Scrum verbreitet. Zur kundenzentrierten Wertschöpfung sammelt, formuliert und strukturiert der Product Owner alle Anforderungen, die zu erfüllen sind, um das Produkt zu erstellen. Das sogenannte Product Backlog wird von ihm immer so priorisiert, dass maximaler Nutzen und kontinuierlicher Mehrwert erzeugt wird. Er ist verantwortlich für die Plannings (Planungsmeetings, in denen mit dem Team die Aufgaben und Aufwände festgelegt werden) und die Reviews (Meetings mit den Kunden, in denen die Teilergebnisse vorgestellt werden, um Feedback zu erhalten).

Der Product Owner …

ist ergebnisverantwortlich für die Maximierung des Produktwertes

ist ergebnisverantwortlich für das Product Backlog Management; das umfasst:

• Produkt-Ziel entwickeln und kommunizieren

• Product-Backlog-Einträge erstellen und kommunizieren

• Reihenfolge der Product-Backlog-Einträge festlegen

• Sicherstellen, dass Product Backlog transparent, sichtbar und verstanden ist

kann die Umsetzungsverantwortung delegieren, bleibt aber ergebnisverantwortlich

kann Bedürfnisse mehrerer Stakeholder berücksichtigen

ist als Einziger befugt, das Product Backlog zu ändern

Anregungen zur erfolgreichen Implementierung des Product Owners (PO)

Sorge dafür, dass der PO selbstbestimmt und unabhängig entscheiden kann

Fördere und unterstütze ihn vonseiten des Unternehmens

Sorge als PO von Anfang an für die Pflege des Product Backlog (wöchentliche Backlog Refinements)

Orientiere deine Arbeit als PO stets an folgenden Punkten: Fokus, Fähigkeit zu priorisieren, Anforderungen deutlich machen, das große Ganze sehen, Produktentscheidungen verteidigen

Achte auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Scrum Master/agilen Coach

Agiles Team / Developer

Das agile Team: gemeinsame Verantwortung für das Ergebnis

Die Developer sind das agile Team, welches nach Scrum die Software entwickelt. Das agile Team ist von Software und dem Framework unabhängig. Es ist crossfunktional und selbstorganisiert und erstellt Produkte oder Dienstleistungen möglichst mit End-zu-End-Verantwortung (das Team ist fachlich autonom in seinen Entscheidungen und hat die Verantwortung für das Ergebnis). Das Team hat ein gemeinsames Ziel und ist crossfunktional so aufgestellt, dass alle Kompetenzen zur Ergebniserreichung im Team vorhanden sind. Es besteht aus 5 bis 9 Teammitgliedern, die ihre Aufgaben eigenverantwortlich in Abstimmung miteinander erledigen. Das Team plant und steuert seine Aufgaben in einem iterativen Zyklus: Es plant seine Aufgaben im Planning, stimmt sich in Dailies kontinuierlich ab und zeigt in der Review dem Kunden sein Teilergebnis, um sich anschließend in der Retrospektive bezüglich der Zusammenarbeit zu reflektieren und zu verbessern.

Das agile Team …

verfügt über alle spezifischen Fähigkeiten, die für die Aufgabenerfüllung benötigt werden

ist ergebnisverantwortlich für die Planung und die geforderte Qualität (= Einhaltung der Definition of Done), wobei es

• täglich den Plan zur Erreichung der Ergebnisse anpasst, wenn erforderlich, und

• sich gegenseitig als Experten zur Verantwortung zieht

arbeitet selbstbestimmt

hilft sich gegenseitig

Anregungen zur erfolgreichen Implementierung eines agilen Teams

Vermeide Eingriffe in die Selbstorganisation des Teams

Unterstütze das Team, eigene Entscheidungen zu treffen

Achte auf die Crossfunktionalität des Teams – und ziehe bei Bedarf Spezialisten hinzu

Separiere keine Aufgabenbereiche nach Fähigkeiten im Team – jeder innerhalb des Teams ist für die gelieferten Inkremente gleichermaßen verantwortlich

Achte und unterstütze die Teamplayer im Team

Sorge dafür, dass im Team auftretende Probleme klar und lösungsorientiert angesprochen werden, das Team die Anpassung an neue Gegebenheiten akzeptiert und kontinuierlich (dazu-)lernen will

Habe Verständnis, wenn das Tuckman-Teambuilding-Modell mehrfach durchlaufen wird

Lasse das Team nicht zu groß werden (max. 10 Mitglieder)

Achte als Product Owner darauf, dem Team ausreichend für Fragen zur Verfügung zu stehen

Achte als Coach darauf, das Team – abhängig von der Seniorität – ausreichend zu unterstützen

OKR Coach

Der OKR Coach: Fokus auf die gemeinsame Ausrichtung

Ähnlich wie der Scrum Master fungiert auch der OKR Coach als Hüter des strategischen Frameworks „Objektives and Key Results (OKR)”. OKR Coachs sorgen für eine sorgsame Implementierung des Frameworks durch eine wirkungsvolle Vision, attraktive Moals (Mid Term Goals) und effektive Formulierungen der qualitativen (Objectives) sowie der quantitativen Ziele (Key Results). Außerdem koordinieren und orchestrieren OKR Coachs die Ziele der unterschiedlichen Bereiche im Sinne der gemeinsamen Ausrichtung auf die Strategie hin zur Vision. Sie moderieren die Events wie Visions-Workshops, Moals-Workshops, Plannings, Weeklies, Reviews und Retrospektiven. Ein Fokus ist dabei die gemeinsame Ausrichtung aller Teams und das Lernen aus den Zyklen.

Der OKR Coach …

hilft allen, die OKR-Theorie und -praxis zu verstehen (im Management und in den Teams)

moderiert mit der Führung die Visions- und Moals-Workshops

synchronisiert alle OKRs und macht diese durch entsprechende Tools transparent

moderiert die Plannings und hilft, wirksame OKRs zu formulieren

moderiert die Weeklies zur Synchronisation

moderiert die Reviews, um Ergebnisse zu reflektieren und bessere OKRs für den nächsten Zyklus abzuleiten

moderiert die Retrospektiven, um als Team in der Zusammenarbeit zu lernen

hilft der Organisation unter anderem:

• durch Ausrichtung auf wirkungsvolle Visionen, Moals

• bei der Fokussierung auf die Strategie und den Outcome

• bei der Beseitigung von Hindernissen („Impediments“), um den Fortschritt sicherzustellen

• bei der Sicherstellung, dass alle Events stattfinden (positiv, proaktiv und timeboxed)

• bei der Orchestrierung der strategischen Ziele in der gesamten Organisation

Anregungen zur erfolgreichen Implementierung des OKR Coachs

Unterstütze die Ausbildung der OKR Coachs zu Beginn mit externer Begleitung

Achte auf die Rahmenbedingungen für die beteiligten Teams (Schutzräume für strategische Ziele)

Kanban Owner

Kanban Owner: Visualisierer des Workflows

Der Kanban Owner ist der Coach des Teams, welches mit Kanban arbeitet, und auf dieses Framework spezialisiert. Er ist Hüter des Frameworks zum Workflow-Management und sorgt dafür, dass die Prinzipien eingehalten werden. Kanban Owner koordinieren und pflegen das Kanban-Board als zentrales Element und können auch Boards zur Koordination mit anderen Teams erstellen (siehe „Kanban”, S. 241 ff.), sodass die Zusammenarbeit und die gemeinsamen Aufgaben sichtbar gemanagt werden können.

Der Kanban Owner …

hilft allen, die Kanban-Prinzipien zu verstehen (im Team und in der Organisation)

ist ergebnisverantwortlich für die Erstellung der Boards mit der passenden Software

hilft dem Team, seinen Durchfluss zu verbessern

hilft den Teams des Weiteren durch:

• Coaching in Selbstmanagement und interdisziplinärer Zusammenarbeit

• Fokussierung auf Ergebnisse

• Erkennen und Beheben von Bottlenecks (Staus)

• die kontinuierliche Verbesserung bestehender Prozesse

• Fokussierung auf die Wertschöpfung

Anregungen zur erfolgreichen Implementierung des Kanban Owners

Achte auf die freiwillige Übernahme der Rolle

Lege Wert auf die gute Qualifikation des Kanban Owners bei der Erstellung von Kanban Boards und unterschiedlichen Software-Lösungen

Sorge für die enge Zusammenarbeit mit dem Top-Management, um Staus und fehlende Koordination im Sinne der Wertschöpfung zu thematisieren und zu beseitigen

Nutze und stelle offene Fragen: „Wie können wir noch effektiver zusammenarbeiten?“, „Was müssen wir tun, um gemeinsam effektivere Prozesse und Ergebnisse zu erzielen?“

Sorge für Servant Leadership, Coaching des Teams sowie Konfliktbewältigung

Typische Einsatzbereiche agiler Coachs

Agile Coachs haben vielfältige Einsatzbereiche, man gewinnt bisweilen den Eindruck, der agile Coach wird zum Zukunfts-, Team- und Organisationsentwickler in einer Person. Agile Frameworks einzuführen und gleichzeitig das Mindset von Individuen und Organisationen weiterzuentwickeln, ist nicht selten die Erwartungshaltung der Auftraggebenden. Weil das ein komplexes Unterfangen und nicht von einer Person zu leisten ist, plädieren wir neben der Auftragsklärung für eine klarere Ausdifferenzierung der Einsatzbereiche und eine entsprechend spezifische Aus- und Weiterbildung der Rolleninhaber. Ein agiler Moderator braucht andere Stärken, Kompetenzen und Herangehensweisen als ein Scrum Master oder gar ein Transformationsbegleiter. In der Praxis schälen sich vier Einsatzfelder heraus:

Agiles Projektmanagement: Der agile Coach begleitet ein Projekt durch alle Phasen: Vom „Neu-Denken“ mithilfe von Design Thinking oder strategischer Ausrichtung durch OKRs bis zum Umsetzen mit Kanban oder Scrum werden Projekte begleitet und das crossfunktionale Team gecoacht.

Agile Transformationsbegleitung: Der agile Coach berät und begleitet die Organisation bzw. ein Kernteam durch die Phasen der Transformation. Dabei ist er je nach Flughöhe der Transformation als Berater, Coach und Teamentwickler gefragt.

Agile Teamentwicklung: Der agile Coach entwickelt Teams durch die Phasen vom Forming über das Storming hin zum Norming und Performing. Erst in der Performing-Phase kann ein Team wirklich eigenständig und selbstorganisiert arbeiten.

Agile Moderation: Der agile Coach moderiert die Workshops und Meetings, um die Kommunikation und das gemeinsame Lernen im Unternehmen zu gestalten.

Wie wird man zum agilen Coach?

Die Berufsbezeichnung agiler Coach ist nicht geschützt und im Vergleich zu anderen Rollen wie dem Scrum Master oder Product Owner darf sich jeder so bezeichnen, ohne einen Nachweis erbringen zu müssen. Auch Zertifikate stellen allein noch keinen Qualitätsbeweis dar, jedoch ist eine gewisse Qualifikationsbasis für eine so verantwortungsvolle Rolle unseres Erachtens zum Schutz der Kunden und auch zum eigenen Schutz der agilen Coachs empfehlenswert. Eine Zertifizierung befähigt noch lange nicht zum erfahrenen agilen Coach, sondern bestätigt erst einmal den Status eines Auszubildenen. Wie bei jeder Ausbildung wäre danach eine Phase der Praxisbegleitung durch erfahrene agile Coachs sinnvoll und eine Spezialisierung auf eines der verschiedenen Einsatzgebiete.

Aktuell tummeln sich agile Coachs, Scrum-Master, Product Owner und andere Rollenbilder auf dem Arbeitsmarkt. Das hat mit der steigenden Nachfrage zu tun, doch führt es auch dazu, dass sich Menschen nach einer dreitägigen Fortbildung mit komplexen Veränderungsdynamiken konfrontiert sehen, denen sie nicht gewachsen sein können.

Schon ein Begriff wie Master impliziert eine Expertise und Erfahrung, die mit der Realität nichts zu tun hat. Ein Meister aus einem Schüler zu machen, setzt eine lange Lernreise mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen voraus, die von erfahrenen Meistern begleitet und supervidiert gehören.

Halbwissen sorgt dafür, dass agile Arbeitsweisen verbrannt werden

Das wiederum führt unter anderem dazu, dass agile Arbeitsweisen verbrannt werden, weil gefährliches Halbwissen und fehlende Erfahrung in Veränderungspsychologie auf bewahrungskonditionierte Organisationen treffen. Dann erleben die frischgebackenen Rolleninhaber, dass die singulär erworbene Methode wie Scrum oder OKR etc. auf Biegen und Brechen in jeder sich anbietenden Situation eingesetzt werden soll, weil es gerade der „heiße Scheiß“ ist, ohne geklärt zu haben, welches Problem damit gelöst werden soll bzw. wie die Stimmigkeit zum Ziel sichergestellt wird. Das in Verbindung mit viel zu hohen Erwartungen führt zum Verbrennen oder Entstellen der eigentlich so wirkungsvollen Methoden. So wird aus SCRUM sehr schnell MURCS und aus OKRs werden ORKs.

Das manifestiert sich in Aussagen wie: „Nach drei Iterationen hat der Scrum-Prozess immer noch keine Effizienzsteigerung gebracht.“ Nach drei Iterationen (bei einem Sprint von zwei Wochen wären das nur sechs Wochen) bahnbrechende Veränderungen zu erwarten und diese dann auch noch ausgerechnet an Effizienz messen zu wollen, ist an sich schon unsinnig und macht klar, dass hier völlig falsche Erwartungen vorherrschen.

Immer mehr Organisationen wie beispielsweise die Schweizer Post gehen dazu über, die Ausbildungen nach dem Shu-Ha-Ri-Prinzip aus der japanischen Kampfkunst zu konzipieren.

Die Entwicklungsstufen nach dem Shu-Ha-Ri-Prinzip

Die japanische Kampfkunst unterscheidet drei Lernphasen, die ein Schüler von den Anfängen bis zur Meisterschaft durchläuft.

Auch aus agilem Denken muss erst Können werden

„Shu“ ist die erste Phase der Entwicklung. Shu bedeutet übersetzt „gehorchen” oder „einhalten“. In dieser Phase befolgt der Schüler die gelernten Regeln und Schritte ausnahmslos. In der agilen Coach-Ausbildung geht es im Shu darum, die Theorie zu lernen, erste Praxisschritte zu üben und sich mit den anderen Teilnehmenden und der Trainerin intensiv zu allen Lerninhalten auseinanderzusetzen. Wie die Hirnforschung bestätigt, ist Freude und Neugier die wesentliche Basis, damit Menschen bereit sind, zu lernen und sich zu entwickeln. Unter Lernen verstehen wir die Weiterentwicklung bereits vorhandener Denk- und Handlungsmuster. Wenn die Teilnehmerin einer Ausbildung beispielsweise danach in ihrem Team einen Impuls über agile Meetings hält, dann hat sie was gelernt. Wenn ein Teilnehmer anfängt, in seinem Team die Meetings nach den agilen Werten und Prinzipien zu moderieren und sich dabei zu Beginn von einem erfahrenen Coach begleiten und feedbacken lässt, dann hat er sich entwickelt und das kann er noch nicht in der Shu-Entwicklungsstufe. Unter Entwicklung verstehen wir die Verschaltung eines neuen Denk- und Handlungsmusters. Es verändert sich das grundlegende Schema, mit dem wir etwas aufnehmen und daraus Handlung ableiten.

Abb. 2: Entwicklungsstufen nach dem Shu-Ha-Ri-Prinzip

Ausbildungsteilnehmerinnen werden sich nur dann entwickeln, wenn sie die Ausbildung nachhaltig begeistert, wenn sie darin einen wirklichen Nutzen und Sinn erkennen.

Die zweite Stufe: das Gelernte variieren

„Ha“ ist die zweite Phase der Entwicklung und lässt sich übersetzen mit „(auf-)brechen, frei werden, abschweifen“. Wenn ein Schüler die Regeln und Schritte wirklich beherrscht, dann darf er anfangen, sie zu interpretieren und auf den Kontext abgestimmt zu variieren. Er hat in der ersten Phase den Nutzen kennengelernt und die Bedeutung der Regeln verinnerlicht. Im „Ha“ hat er die Kompetenz erworben, sie für sich neu zu deuten. In der nächsten Entwicklungsstufe werden die Themen unter Anleitung und mit Feedback ausprobiert, auf eigene Kontexte übertragen und leicht angepasst. Weitergedacht, wird das Team die neue Meeting-Kultur und -Struktur nicht gleich übernehmen, es wird Rückfälle in alte Muster geben und es werden Widerstände auftauchen, mit denen der Moderator umzugehen lernt. Ein wenig verankert hat sich die neue Moderationsfähigkeit als Erweiterung der vorhandenen Kompetenz nach sechs Wochen, so richtig aber erst nach Monaten des Trainings.

Wie können Agile-Coach-Ausbildungen wirksamer werden?

Ausbildungsinstitute machen ihre Inhalte und ihre Spezialisierungen auf Einsatzgebiete transparent, sodass sich der Interessent gezielt eine Ausbildung aussuchen kann, die seinen Talenten und Interessen entspricht.

Ausbildungsinstitute bieten längerfristig Supervisionen für die Teilnehmenden an und lassen, wenn möglich, auch an ihren aktuellen Fällen hospitieren.

Organisationen bieten Newbies auf dem Gebiet Praktika an und lassen sie bei erfahrenen agilen Experten mitlaufen, die sie persönlich unterstützen.

Organisationen differenzieren die Rolle ihrer agilen Coachs und qualifizieren diese auch dementsprechend: Agile Projektmanager werden in Frameworks spezialisiert, agile Teamcoachs in Gruppendynamiken und Reifegraden qualifiziert und agile Moderatoren in der Kunst der Facilitation fit gemacht.

Die eigentliche Meisterschaft: unabhängig von der Methode agieren

„Ri“ als dritte Phase des Lernens und höchste Stufe der Kunst bedeutet „verlassen, trennen, abschneiden“. Hier ist der Schüler zum Meister geworden. Er kann die Muster und Strukturen verlassen und eigene Dinge entwickeln. Im „Ri“ ist alles so verinnerlicht, dass man unabhängig von der Methode wird. Die Moderatorin ist dann beispielsweise so geübt, dass sie auch in anderen Teams Meeting-Moderationen übernehmen kann und sich auf die unterschiedlichen Anforderungen einstellt.

2. Wie unterscheiden wir Mindset, Skillset, Toolset?

Mindset, Skillset, Toolset

Mindset

Das Mindset beschreibt, wie wir die Welt betrachten und interpretieren. Ganz nach dem Motto: So wie du die Welt betrachtest, so erscheint sie dir!

Gerade in rasanten Veränderungen und wenn wir Herausforderungen begegnen, zeigt sich unsere Grundhaltung: Geben wir auf oder bleiben wir dran und glauben an unsere Selbstwirksamkeit? In der agilen Transformation mit unzähligen Herausforderungen in einem unsicheren Umfeld brauchen Führungskräfte und Teams eine dynamische Denk- und Handlungslogik, die sich selbst hinterfragt und ständig aktualisiert.

Hier fällt mir meine Mutter als Vorbild ein: Sie ist Therapeutin und wollte mit 70 Jahren noch eine Weiterbildung in Körpertherapie machen. Diese gab es nur in Amsterdam und damit auf Holländisch. Dazu muss man wissen, dass meine Mutter aufgrund alter Erfahrungen Angst hat, allein zu reisen. Es kostete sie enorme Überwindung, weil alles in ihr gegen dieses Abenteuer rebellierte. Trotz aller Ängste und Katastrophenfantasien in ihrem Kopf entschied sie sich für die Weiterbildung, was nicht nur bedeutete, zehnmal nach Amsterdam zu reisen, sondern auch Holländisch zu lernen.

Am ersten Termin verstand sie höchstens die Hälfte, weil das sprachliche Niveau bei einer Therapieausbildung sehr hoch ist. Zusätzlich begegnete sie historisch gewachsenen Vorurteilen den „Deutschen“ gegenüber. Meine Mutter blieb trotz ihrer Unsicherheit und dem Unwohlsein in der Gruppe dabei, lernte diszipliniert die Sprache, konfrontierte die Holländer mit ihren Gefühlen und ihrer eigenen Geschichte, konnte nach einem Jahr fließend Holländisch und hatte gute Freunde gefunden, die sie heute noch regelmäßig in Amsterdam besuchen geht. Reisen ist für sie mittlerweile zur Leidenschaft geworden und Bücher liest sie am liebsten von holländischen Autoren, auf Holländisch versteht sich.

Das Mindset beschreibt also die Einstellung des Denkens als Basis für neue Gedanken und neues Handeln. Es entsteht, weil Menschen in ein Umfeld geraten oder sich auch bewusst begeben, dass diese oder jene Einstellung des Denkens fördert. Das Mindset ist also immer auch umfeld- und prägungsabhängig.

Abb. 3: Die Ebenen Mindset, Skillset und Toolset

Skillset

Ein Skillset beschreibt den Umfang an Kenntnissen und Fähigkeiten, die wir erwerben oder uns aneignen. Für jeden Beruf oder jede Rolle bedarf es eines bestimmten Skillsets, also eine Mischung aus Soft und Hard Skills, die unsere persönlichen Kompetenzen bilden. Im agilen Kontext brauchen wir Wissen über Veränderungspsychologie, Organisationsentwicklungstheorien und Gruppendynamiken, um hier als Coach wirksam handeln zu können.

Im beschriebenen Beispiel meiner Mutter hat sie ihr Skillset erweitert, indem sie sich die Sprache angeeignet hat, therapeutische Interventionen gelernt und darüber hinaus Erfahrungen mit dem Reisen gesammelt hat.

Toolset

Die agile Welt bietet ein schier unendliches Repertoire an neuen Tools, Methoden und Werkzeugen. Angefangen mit den Frameworks wie Scrum, Kanban, Design Thinking oder OKRs, weiterführend mit einzelnen Praktiken aus den Frameworks wie einzelne Meeting-Formate bis hin zu Canvas-Formen wie Rollen- oder Team-Canvas.

Auf das Beispiel meiner Mutter bezogen, hat sie folgende digitale Tools zu nutzen gelernt: die Bahn-App für ihre Reiseplanung, Google-Maps zur Orientierung, Booking-Apps für Hotels und Sprach-Apps zum Lernen und zur Übersetzung. Ohne das entsprechende Mind- und Skillset können Tools keinen Mehrwert stiften. Die digitalen Tools hätten meine Mutter nicht weitergebracht, wenn sie nicht ihre Angst überwunden und damit ihre Haltung zum Reisen verändert hätte.

Das agile Mindset

Der englische Begriff Mindset lässt sich am besten mit Haltung oder Denk- und Handlungslogik übersetzen. Das Mindset wirkt in uns wie ein Filter, durch den wir alles interpretieren, was wir in unserem Umfeld wahrnehmen. Es ist das Ergebnis unserer bisherigen Erlebnisse und Erfahrungen und bestimmt unser Fühlen, Denken und Handeln. Der Filter ist unbewusst und hilft uns, die vielen Eindrücke des Lebens zu verarbeiten und in innere Schubladen einzusortieren. Sowohl Organisationen als auch Menschen haben ein Mindset, es gibt also ein individuelles und organisationales Mindset.

Das Mindset von Individuen und Organisationen

Individuell zeigt sich das Mindset in den Fragen: Was nimmst du auf? Was nimmst du nicht auf? Was leitest du aus dem Aufgenommenen ab und übersetzt es wie selbstverständlich in Handlung? Organisational manifestiert sich das Mindset an den – formalen wie informalen – Entscheidungen: Welche Handlung leitet sich aus welchen Gegebenheiten ab? Die Menschen passen sich in der Regel sehr schnell und häufig unbewusst dem organisationalen Mindset an.

Unternehmenskultur: das Mindset der Organisation

In Organisationen ist das Mindset eng mit der Unternehmenskultur verzahnt, die zu diesen oder jenen Handlungen führt. Dabei gibt es reife und weniger reife Unternehmen. Reife Unternehmen sind Organisationen, die viel über sich selbst reflektiert haben und deren Grundannahmen dadurch immer wieder aktualisiert in kollektives Bewusstsein überführt werden. Im Gegensatz zu unreiferen Unternehmen verändern sie ihre Grundannahmen über die Zeit, weil sie ständig hinterfragt und aktualisiert werden.

Auch bei Einzelpersonen ist das Mindset geprägt von der Reife und der damit verbundenen Art und Weise, etwas auf- und wahrzunehmen. Je reifer ein Mensch ist, desto mehr Aspekte erkennt er. Er versteht sich selbst besser, kann Feedback souveräner annehmen und wird irgendwann selbstaktualisierend, kann sich also Updates aufspielen – seine Grundannahmen transformieren –, ohne sich selbst zu verlieren. Dadurch kann er besser mit Widersprüchen umgehen und Unterschiedlichkeit leichter annehmen. Er besitzt ein stabiles Selbst, einen inneren Kern. Der Mensch kann sich abgrenzen und mit dem Außen produktiv umgehen.

Reflexion als Treiber des Mindsets

Je mehr eine Person auf eigene Grundannahmen zugreifen kann, desto bewusster kann sie mit diesen umgehen und sie reflektieren. Reflexion – auch die nonverbale durch Meditation oder körperliche Übungen – ist ein zentraler Schlüssel, um das Mindset zu entwickeln. Reflexivität ist das Ergebnis tiefer Nachdenklichkeit, konstruktivistischer Perspektivität und fluiden Wissens.

Je höher die Reflexivität einer Organisation, desto produktiver kann sie mit Veränderungen umgehen. Oft entdecken wir dabei erhebliche Unterschiede gerade unter den Führungskräften, je nachdem, für welche Branche sie tätig sind. So ist eine hohe Selbstreflexion im psychologischen oder sozialen Bereich häufiger als im Produktionsbetrieb.

Richtungsweisend ist dabei die Art der Reflexion: Geht es um Anpassung an das Unternehmen oder um Öffnung über den engen Organisationskontext hinaus? Wird über Bewertung oder Beobachtung reflektiert? In welche Richtung geht das Nachdenken?

Tiefe Reflexion ist offen und nicht auf Anpassung ausgerichtet. Sie bringt uns zu uns selbst und öffnet uns für die Zukunft.

Das Mindset – dynamisch oder statisch?

Agilität setzt ein Growth Mindset voraus

Unter einem agilen Mindset verstehen wir eine flexible und auf Entwicklung und Wachstum ausgerichtete Denk- und Handlungslogik. Diese Geisteshaltung hilft Individuen und Organisationen, wendig und anpassungsfähig auf das Umfeld zu reagieren, und ist auf lebenslanges Lernen und persönliche bzw. organisationale Weiterentwicklung ausgerichtet. Es ist die innere Grundhaltung oder auch die Wurzel, um die agilen Werte und Prinzipien zu verkörpern. Insofern ist das agile Mindset ein Synonym für eine Haltung, die Carol Dweck als „Growth Mindset” oder „Dynamisches Mindset” beschreibt.

Die amerikanische Psychologin Carol Dweck erforscht die menschliche Motivation verbunden mit der Frage, warum Menschen erfolgreich sind (oder nicht), und was wir tun können, um den Erfolg zu fördern.

In ihren Worten: „In meiner Arbeit verbinde ich Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Persönlichkeitspsychologie und untersuche die Selbstkonzepte (oder Mindsets), die Menschen verwenden, um ihr Selbst zu strukturieren und ihr Verhalten zu steuern. Meine Forschung befasst sich mit den Ursprüngen dieser Denkweisen, ihrer Rolle bei Motivation und Selbstregulierung und ihren Auswirkungen auf Leistung und zwischenmenschliche Prozesse.“

Dabei unterscheidet Dweck zwei Mindset-Stufen: das Growth oder auch dynamische Mindset und das Fixed oder auch statische Mindset.

Wie das Fixed Mindset/statische Mindset entsteht

Wenn wir eine negative Erfahrung machen und beispielsweise bei unserer ersten Präsentation Kritik oder gar Spott ernten, lernt unser Gehirn, dass Präsentationen gefährlich für uns sind und will diese fortan vermeiden. So geprägte Denkmuster helfen uns dabei, schneller Entscheidungen zu fällen und zukünftige Situationen besser einzuschätzen. Sie werden durch die Verknüpfung neuer Informationen zu bereits existierenden Neuronen-Netzwerken gebildet. Je häufiger ein Neuronen-Netzwerk stimuliert wird, desto einfacher kann dieses Netzwerk aktiviert werden. Je häufiger wir den Gedanken denken, desto stabiler wird diese Verbindung. Wer in seiner Vergangenheit häufig gehört hast, dass er dieses oder jenes ist, und wem vermittelt wurde, was er alles nicht erreichen und werden kann, wird schließlich mehr und mehr daran glauben, bis es zu seiner inneren Überzeugung wird. Die Person entwickelt ein sogenanntes Fixed Mindset, also eine starre Haltung zu sich selbst und zu anderen. Dieses wirkt wie ein überdimensionaler und gleichzeitig unsichtbarer Filter, mit dem alle Wahrnehmungen gesiebt werden und der nur das übrig lässt, was den eigenen Glaubenssätzen und inneren Mustern adäquat erscheint. Alle neuen oder anders gearteten Informationen werden aussortiert, bevor sie das Bewusstsein und die Gefühle erreichen. Damit bleibt die innere Logik und das eigene Selbst stabil in der Begrenzung.

Interpretationen der organisationalen Mindset-Stufen

SituationInterpretation Fixed MindsetInterpretation Growth Mindset Projekt gescheitert Unsere Mitarbeiter haben zu schlecht performt. Scheitern schmerzt, aber das ermöglicht uns, zu lernen und zu wachsen. Kompetente Mitarbeiterin kündigt Verrat an der Organisation oder am Team Wir wünschen ihr gute Weiterentwicklung und freuen uns, wenn sie wieder zurückkommt. Team will mehr entscheiden Die wollen ihre eigenen Interessen durchsetzen. Große Chance der Reifung von Führung und Teams Vorstand beschließt tiefgreifende Veränderungen Wir sind nicht mehr gut so, wie wir sind. Wir entwickeln uns weiter und sind lernfreudig. Hindernisse auf dem Weg zu einem Ziel Das funktioniert bei uns nicht. Wichtige Botschaft zum Lernen Meinungsverschiedenheiten Das bedroht unsere Ausrichtung. Jede Perspektive ist richtig und wichtig. Konflikte zwischen zwei Konfliktparteien Das stört die Performance und darf nicht sein. Win-win-Lösungen suchen, da beide recht haben Scheinbar unlösbare Herausforderung Das schaffen wir nicht.