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Beschreibung

Verdi ließ sich lange bitten, bevor er eine Oper "für ein sehr fernes Land" zu schreiben bereit war: Der Gedanke an "Aida" erwuchs im Zusammenhang mit dem Bau des Suez-Kanals, zu dessen Eröffnungsfeierlichkeiten das Italienische Theater in Kairo eine Festoper wünschte. Mit einem geradezu unglaublichen Erfolg fand am 24. Dezember 1871 die wegen des deutsch-französischen Krieges verspätete Uraufführung statt, und auf allen Bühnen der Welt folgten weitere Aufführungen in rascher Folge. Kurt Pahlen stellt dem italienischen Text die an deutschen Bühnen vielfach verwendete Übertragung des Librettos gegenüber und begleitet das musikalische und das äußere wie innere dramatische Geschehen der Oper mit Hinweisen zu kompositorischer Struktur und Sinnzusammenhang. Eine kurze Inhaltsangabe und ein Abriss der Entstehungsgeschichte stellen das Werk in einen Zusammenhang mit dem Gesamtschaffen des Komponisten und seiner Biographie und bieten eine umfassende, reich illustrierte Einführung.

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Giuseppe Verdi
Aida
Verdi ließ sich lange bitten, bevor er eine Oper »für ein sehr fernes Land« zu schreiben bereit war: Der Gedanke an Aida erwuchs im Zusammenhang mit dem Bau des Suez-Kanals, zu dessen Eröffnungsfeierlichkeiten das Italienische Theater in Kairo eine Festoper wünschte. Mit einem geradezu unglaublichen Erfolg fand am 24. Dezember 1871 die wegen des deutsch-französischen Krieges verspätete Uraufführung statt, und auf allen Bühnen der Welt folgten weitere Aufführungen in rascher Folge.
Giuseppe Verdi
Aida
Textbuch (Italienisch – Deutsch)Einführung und Kommentarvon Kurt Pahlenunter Mitarbeit von Rosmarie König
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bestellnummer SDP 46ISBN 978-3-7957-9192-6Originalausgabe Juli 1979© 2014 Schott Music GmbH & Co. KG, MainzAlle Rechte vorbehaltenwww.schott-music.comwww.schott-buch.de
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.
Inhalt
    7    Zur Aufführung
    9    Textbuch (Italienisch – Deutsch)           mit Erläuterungen zu Musik           und Handlung
126    Geschichte der Oper »Aida«
186    Inhaltsangabe nach Szenen
195    Die Opern Verdis
197    »Aida« in Schlagworten
202    Kurze Biographie Verdis
Giuseppe Verdi (1813–1901).
Zur Aufführung
TITEL
»Aida«
BEZEICHNUNG
Oper in vier Akten. Text: Antonio Ghislanzoni, nach Vorarbeiten von Auguste Edouard Mariette-Bey und Camille du Locle. Musik: Giuseppe Verdi. Uraufführung: am 24. Dezember 1871 in Kairo (Ägypten).
PERSONENVERZEICHNIS
Der König (Pharao) von Ägypten
…………………………………..
Baß
Amneris, seine Tochter
…………………………………………………
Mezzosopran
Radames, Hauptmann, dann Feldherr
Ägyptens
………………………………………………………………..
Tenor
Ramphis, Oberpriester
…………………………………………………
Baß
Aida, äthiopische Sklavin am
Pharaonenhof
………………………………………………………….
Sopran
Amonasro, ihr Vater, König der
Äthiopier
……………………………………………………………….
Bariton
Ein Bote, eine Priesterin, Minister, Soldaten, Priester, Gefangene usw.
SCHAUPLATZ UND ZEIT
Die Handlung spielt in Memphis und Theben, ägyptischen Städten, zur Zeit der Pharaonen.
ORCHESTERBESETZUNG
3 große Flöten, deren dritte auch Piccolo spielt
2 Oboen, 1 Englischhorn, 2 Klarinetten, 1 Baßklarinette, 2 Fagotte.
7
ZUR AUFFÜHRUNG
4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, 1 Baßtuba.1 Paar Pauken, Große Trommel, Becken, Triangel, Tamtam.1 Harfe.Streicher (1. und 2. Violinen, Bratschen, Violoncelli, Kontrabässe).Bühnenmusik: 1 Harfe, 6 »ägyptische« oder »Aida«-Trompeten, Blasorchester aus Trompeten, Posaunen und Trommeln. Chöre: Großer Männerchor, großer Frauenchor, Gesamtchor.
8
Textbuch (Italienisch – Deutsch)mit Erläuterungenzu Musik und Handlung
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Mit einem unendlich zarten Motiv beginnt die Oper. Da es sich inderen Verlauf noch oft wiederholen wird, hat man es ein »Leitmotiv« genannt: Es symbolisiert die Liebe, die reine, die zu jeder Opfertat, auch zumTod bereite Liebe Aidas:
Motiv Nr. 1
Die Geigen im Pianissimo, und noch dazu mit Dämpfer, singen es süß und zart. Es besteht aus 4 Takten und beginnt mit einem chromatisch aufsteigenden Gang (a, ais, h), der dann um eine Stufe absinkt (cis–h), wie ein leiser Seufzer. Es wird sofort, ein wenig niedriger, wiederholt (fis, g, gis). Erst dann tritt, in den zweiten Geigen, eine Gegenstimme dazu. Bei aller weltweiten Verschiedenheit könnte man bei diesem Beginn an den von Wagners »Tristan und Isolde« denken, der ähnlich strukturiert ist. Mit dem Auftreten eines zweiten Motivs, das in der Operden ägyptischen Priestern zugeordnet wird:
Motiv Nr. 2
steigert die Musik sich unter Einschluß aller Instrumente zum ersten Höhepunkt, auf dem beide Motive miteinander kontrapunktiert werden, gleichzeitig erklingen. Dann ebbt die Erregung ab,
10
VORSPIEL
VORSPIEL
PRELUDIO
11
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
das Liebesmotiv singt noch einmal in den Geigen, über einemzarten Streicherfundament. Noch einmal eine blechunterstützte Steigerung, und dann geht dieses kurze, aber sehr ausdrucksstarke Vorspiel zur Ruhe: Die Geigen steigen langsam in höchste Höhen aufwärts, _ in den Himmel gleichsam, in den sie zuletzt, am Ende der Oper, zwei liebende Seelen geleiten werden …
Diese Szene ist in ausdrucksvollem Rezitativ gehalten. Sie dient vor allem der Exposition der dramatischen Handlung. Geteilte Violoncelli unterstreichen den Ernst von Stimmung und Situation, geben einen dunklen, die Oper weitgehend beherrschenden Grundton.
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1. AKT / 1. BILD
ERSTER AKT
INTRODUKTION UND SZENE
Erstes Bild
Saal im Königspalast zu Memphis. Rechts und links Säulengänge mit Statuen und blühenden Sträuchern. Im Hintergrund ein großes Tor, durch das man die Tempel und Paläste von Memphis und diePyramiden sieht.
Radames und Ramphis im Ge-sprächRamphis: Ja, das Gerücht geht, der Äthiopier wage, uns noch zu trotzen und das fruchtbare Niltal, und Theben zu bedroh’n. Ich harr’ des Boten, der es mir bestätigt.Radames: Hast du befragt schon die heilige Isis?Ramphis: Die Göttin nannte schon den Namen des Feldherrn für Ägyptens Krieger.Radames: O, wäre ich es!Ramphis (Radames bedeutungs-voll anschauend): Jung ist er und ist auch tapfer. Ägyptens König künd’ ich der Göttin Spruch.(ab)
ATTO PRIMO
INTRODUZIONE – SCENA
Seena I
Sala nel palazzo del Re a Menfi. A destra e a sinistra, una colonnata con statue e arbusti in fiore. Grande porta nel fondo, da cui si scorgono i tempii, i palazzi diMenfi e le Piramidi.
Radamès e Ramfis in scena, con-versando fra loro.Ramfis: Sì, corre voce che l’Etiope ardisca sfidarci ancora, e del Nilo la valle e Tebe minacciar. Fra breve un messo recherà il ver.Radamès: La sacra Iside consultasti?Ramfis: Ella ha nomato delle Egizie falangi il condottier supremo.Radamès: Oh, lui felice!Ramfis (con intenzione, fissandoRadamès): Giovane e prode è desso. Ora del Nume reco i decreti al Re.(esce.)
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Radames setzt mit seinen ersten Sätzen noch den rezitativen Stil fort. Aber seine kühn fliegenden Gedanken werden nun von schmetternden Trompeten- und Posaunenfanfaren untermalt, sie steigern auch seine Stimme zu immer melodiöserem Singen. Dann löst Streicherklang – mit vereinzelten Solobläsern (Flöte, Fagott, später Oboe) – dasmartialische Blech ab.
Radames beginnt seine große (und gefürchtete) Arie, die beträchtliche stimmliche Anforderungen an den Tenor stellt. Das Hauptmotiv ist sehrprägnant und melodisch:
Motiv Nr. 3
Das Stück steigert sich durch Hinzutreten neuer Instrumente und wachsende Dynamik, parallel zur Singstimme, die auf dem hohen B ihren Höhepunkt erreicht (Trono bzw. Thron), bevor sie in die ruhige Anfangsmelodie zurückkehrt. Der Schluß sollte ins Pianissimo verhauchen, – aber das überfordert die Mehrzahl der Sänger und …ihren Applaushunger …
14
1. AKT / 1. BILD
RomanzeRadames (allein): O wäre ich erkoren! Wenn mein Traum sich so er- füllte! Eine Heerschar tapf’rer Män- ner, von mir befehligt … Wir wer- den siegen … und jubelnd empfängt uns Memphis! Dann komm’ ich zu Aida, die Stirn bekränzt mit Lor- beer …, sage: »Für dich mein Kämp- fen, für dich mein Siegen! Holde Aida, Göttin vom Himmel, von gold’nen Strahlen zaub’- risch verklärt; du bist die Königin meiner Gedanken, du machst allein mir das Dasein wert. Möcht in die Heimat wieder dich bringen, wo ohne Wolken der Himmel strahlt, möcht eine Krone ins Haar dir schlingen und einen Thron an der Sonne dir baun!«(bei den letzten Takten trittAmneris auf.)
RomanzaRadamès (solo): Se quel guerrier io fossi! Se il mio sogno si avverasse! … Un esercito di prodi da me guidato … e la vittoria e il plauso di Menfi tutta! E a te, mia dolce Aida, tornar di lauri cinto … dirti: per te ho pugnato, per te ho vinto! Celeste Aida, forma divina, mistico serto di luce e fior, del mio pensiero tu sei regina, tu di mia vita sei lo splendor. Il tuo bei cielo vorrei ridarti, le dolci brezze del patrio suol, un regal serto sul crin posarti, ergerti un trono vicino al sol.(sulle ultime battute entra inscena Amneris.)
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Auf einem neuen Motiv:
Motiv Nr. 4
ist das Duett zwischen Amneris und Radames aufgebaut. Es drückt das zärtliche Gefühl der Pharaonentochter zum jungen Offizier aus. Darum geht es auch zu Ende, als Radames das Wort ergreift.
Wieder tritt, mit Amneris’ Worten, die Zärtlichkeit in den Vordergrund:
Motiv Nr. 5
In Radames erwacht die Sorge, Amneris könne etwas von seiner Liebe zu Aida ahnen: Die Musik wird plötzlich erregt; in gewissem Sinne könnte das Allegro agitato e presto, das seine Gedanken unterstreicht, als Variation von Amneris’ vorhergehender ruhiger Phrase angesehen werden. Die Erregung teilt sich Amneris’ Gesangsphrasen mit und drückt ihre Angst, hinter der Unruhe des Offiziers ein Liebesgeheimniszu entdecken, überzeugend aus:
(Notenbeispiel S. 18)
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1. AKT / 1. BILD
Duetto
Amneris e Radamès
Terzetto
Aida, Amneris e Radamès
Duett
Amneris und Radames
Terzett
Aida, Amneris und Radames
Amneris: In unendlicher Freude strahlt dein Auge! Von edlem Stolze erfüllt erscheint dein ganzes Wesen! Und wahrhaft zu beneiden wird immer die Frau sein, die schon durch ihren Anblick solche Flammen der Freude in dir entzündet!Radames: Ein wunderbarer Traum erfüllt das Herz mir mit Hoffnung. Heut wird nach Isis’ Gebot der Feldherr auser- wählt, der im Kampfe Ägyptens Heere führt zum Sieg. Ach, wär ich doch zu diesem Rang erkoren! …Amneris: Ein andrer Traum hat niemals, schöner noch, dir die Seele mit Hoffnungsglanz erfüllt? Hast du in Memphis nichts zu wünschen … zu hoffen? …Radames: Ich? (für sich) Welche Frage! Sollte Amneris wissen, was mir ihm Herzen glühet?
Amneris: Quale insolita gioia* nel tuo sguardo! Di quale nobil fierezza ti balena il volto! Degnad’ invidia, oh! quanto saria la donna il cui bramato aspetto tanta luce di gaudio in te destasse!Radamès: D’un sogno avven- turoso si beava il mio cuore. Oggi la Diva profferse il nome del guerrier che al campo le schiere egizie condurrà… Ah, s’io fossi a tal onor prescelto …Amneris: Nè un altro sogno mai più gentil … più soave … al core ti parlò! … Non hai tu in Menfi desideri … speranze? …Radamès: Io! (da sè) … Quale inchiesta! Forse … l’arcano amore scoprì che m’arde in core …
* In anderer Version steht für »gioia« auch   »fiamma«.
17
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Motiv Nr. 6
Mit »ihrem« Motiv, das von der Klarinette in seiner ganzen Süße geblasen wird, tritt Aida hinzu Amneris ahnt die Wahrheit, und das Orchester bringt nochmals ihre mühsam unterdrückte Bewegung zum Ausdruck.
Sie beherrscht sich, zwingt sich zu einer einfachen, ruhigen, fast zärtlichen Melodie:
Motiv Nr. 7
mit der sie das Geheimnis von Aidas mühsam versteckter innerer Bewegung zu enthüllen hofft.Aida weicht aus, schiebt ihre Unruhe auf die neuerlichen Kriegsgerüchte, die sie Schlimmes für ihr äthiopisches Heimatland befürchten lassen.
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1. AKT / 1. BILD
Amneris (für sich): O wehe! Wenn einer andern in Liebe er verbunden!Radames: Wenn sie Aidas Na- men im Auge mir gelesen!Amneris: Wehe, wenn mein Blick entdecken müß- te ein Geheimnis hier!(Aida tritt auf)Radames: Aida!Amneris (für sich, Radames be-obachtend): Er beherrscht sich … doch seine Blicke verraten ihn! Aida! … Wohl als Rivalin stände sie hier vor mir?(sich an Aida wendend) Komm, liebes Mädchen, nahe dich, fühle dich nicht als Sklavin, du, die in trautem Zwie- gespräch ich oftmals Schwester nannte … Weinst du? Enthülle mir doch den Grund deiner Tränen, was insgeheim dich quält.Aida: Weh’ mir, ein wildes Kriegsgeschrei vernehme ich voll Schauder … Ich fürchte für mein Heimat- land, für mich, für euch nur Trauer.
Amneris (da sè): Oh! guai se un altro amore ardesse a lui nel core! …Radamès: Della sua schiava il nome mi lesse nel pensier!Amneris: Guai se il mio sguardo penetra questo fatal mister!(Entra in scena Aida)Radamès: Dessa!Amneris (da sè, osservandoRadamès): Ei si turba … e quale sguardo rivolse a lei! Aida! … a me rivale … forse saria costei?(volgendosi ad Aida) Vieni, o diletta, appressati … schiava non sei nè ancella qui dove in dolce fascino io ti chiamai sorella … piangi? delle tue lacrime svela il segreto a me.Aida: Ohimè di guerra fremere l’atroce grido sento … per l’infelice patria, per me … per voi pavento.
19
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Amneris, noch beherrscht, forscht nach dem wahren Grund. Dann kehrt das erregte Thema wieder und bildet die Grundlage für das musikalisch wie psychologisch glänzend gestaltete Terzett, in dem jede der Personen den eigenen Gefühlen Ausdruck verleiht, jede also »für sich« singt und doch eine volle Einheit entsteht.
Trompeten erklingen, unterbrechen das dramatische Selbstgespräch der drei Hauptpersonen. Hörner und Posaunen treten hinzu, schaffen die feierliche Stimmung, in die Verdi die Ansprache des Königs bettet. Um sie textlich gut verständlich zu halten, begleitet er sie nur mit dem dumpfen Pizzicato von Celli und Bässen. Unter allgemeiner Spannung der Versammelten wird der Bote hereingeführt und beginnt seine anschauliche Erzählung der kriegerischen Vorfälle. Mit deren wachsender Erregung steigert sich auch die des Orchesters.
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1. AKT / 1. BILD
Amneris: Ist das auch wahr? Kein andrer Grund, der dich so tief berührt?(Aida schlägt die Augen niederund sucht ihre innere Unruhe zuverbergen.)(für sich, Aida anblickend) Bebe, o Sklavin, bebe!Radames (für sich, Amneris an-blickend): Ich las in ihrem Auge nur Argwohn und Empö- rung …Amneris: Daß die Wahrheit ich erfahre!Radames: Wehe, wenn ihre Blicke die Seelen uns durchforsch- ten!Amneris: Bebe, daß mir die Wahrheit wird dennoch offenbar! Aida (fürsich): Ach nein, nicht um die Heimat, nicht um mein Land vergieß’ ich Tränen: mein Leid, das mich so macht weinen, ist Qual der Liebe ohne Glück.Szene und Ensemble
Der König erscheint unter Vorantritt seiner Leibwache, hinter ihm Ramphis, Minister, Priester, Hauptleute. Ein Palastoffizier,später ein Bote.
Der König: Ernst ist der Grund, der heute
Amneris: Favelli il ver? nè s’agita più grave cura in te?(Aida abbassa gli occhi e cercadissimulare il proprioturbamento.)(Fra sè guardando Aida) Trema! O rea schiava!Radamès (fra sè, guardandoAmneris): Nel volto a lei balena lo sdegno ed il sospetto …Amneris: Ch’io nel tuo cor discenda! …Radamès: Guai se l’arcano affet- to a noi leggesse in core!Amneris: Trema che il ver M’ap- prenda quel pianto e quel rossor!Aida (da sè): Ah! no, sulla mia patria* non gerne il cor soltanto; quello ch’io verso e pianto di sventurato amor.Scena e pezzo d’assieme
Il Re, preceduto dalle sue guardie e seguito da Ramfis, dai Ministri, Sacerdoti, Capitani, ecc., ecc. Un Uffiziale di Palazzo, indi unMessaggero.
Il Re: Alta cagion v’aduna,o fidi Egizii, al vostro Re
*  In anderer Version steht für »sulla mia patria«    auch »sull’afflitta patria«.
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Das leise begonnene Tremolo der Streicher nimmt an Intensität zu, schrille Einwürfe der Holzbläser malen – immer noch mit meisterlich sparsamen Mitteln – die Schrecken der feindlichen Invasion und entfachen die kriegerische Stimmung. Immer entschlossener werden die dramatischen Einwürfe des Chores, die zu unerbittlichem Krieg aufrufen.
Unter erregter Spannung – die Streicher im Tremolo, die Stimme rezitativisch ausdrucksvoll – verkündet der König, daß die Göttin den Feldherrn erwählt habe, der Ägyptens Truppen in den Kampf führen soll: Radames.
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1. AKT / 1. BILD
euch versammelt um Ägyptens König. Von Äthiopiens Grenzen wird ein Krieger vor uns erscheinen. Er bringt uns ernste Kunde. Ihr sollt sie hören! (zu einem Offizier) Nun laßt den Boten kommen!Bote: Es ist bedroht Ägyptens hei’ger Boden vom Volk der Äthiopier … all unsere Felder wurden verwüstet, öd’ liegt die Ernte. Die Feinde jubeln ob ihrer Siege und ziehen plündernd und mordend her gegen Theben.Alle: O welche Kühnheit!Bote: Und bis heute ist unbesiegt der Feldherr, der sie anführt: Amonasro!Alle: Ihr Herr!Aida (für sich): Mein Vater!Bote: Es wehrt sich Theben, aus seinen hundert Toren* stürzt es auf die Barbaren sich kühn hervor, bringt ihnen Tod und Rache!Der König: Ja, Tod und Rache sei der Schlachtruf aller!Alle: Rache! Rache! Ja, furchtbar, ohne Erbarmen!Der König (auf Radames zuge-hend): Schon hat die heil’ge Isis erkoren einen Feldherrn, der unsre Scharen führen soll
d’intorno. Dai confin d’Etiopia un Messaggero dianzi giungea; gravi novelle ei reca … vi piaccia udirlo …(ad un Uffiziale) Il Messagger s’avanzi!Messaggero: Il sacro suolo dell’Egitto è invaso dai barbari Etiopi … i nostri campi für devastati … arse le messi … e baldi della facil vittoria i predatori già marciano su Tebe …Tutti: Ed osan tanto!Messaggero: Un guerriero indo- mabile, feroce, li conduce, Amonasro.Tutti: Il Re!Aida (a parte): Mio padre!Messaggero: Già Tebe è in armi e dalle cento porte* sul barbaro invasore proromperà, guerra recando e morte.Il Re: Sì: guerra e morte il nostro grido sia!Tutti: Guerra! Guerra! Tremenda, inesorata!Il Re (accostandosi a Radamès): Iside venerata di nostre schiere invitte già designava il condottier
*  Das ägyptische Theben wird »hunderttorig« genannt im Gegensatz zum »siebentorigen« Theben in    Griechenland.
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Der Chor ruft jubelnd diesen Namen und wird noch, bei vollem Orchesterausbruch, von der Stimme Radames’ übertönt: Sein Traum ist in Erfüllung gegangen.
Aus der allgemeinen, langsam abebbenden Erregung löst sich die Stimme des Königs, der Radames auffordert, ihm in den Tempel zu folgen, wo er ihm das heilige Schwert überreichen werde. Ein großartiges Ensemble beginnt. Der König führt die Stimmen an, der Oberpriester Ramphis setzt seine melodische Phrase fort, der Männerchor übernimmt – mit den Kontrapunkten der Solisten – den eindrucksvollen Marsch:
Motiv Nr. 8
Bei einem schmerzlichen Einwurf Aidas wird das hier schon voll eingesetzte Orchester gedämpft, wächst aber bei Amneris’ sieges-
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1. AKT / 1. BILD
zum Siege: Radames.Alle: Radames!Radames: Dank euch, o ihr Götter, mein Traum hat sich erfüllt!Amneris: Er Feldherr!Aida: Ich zitt’re!Der König: Nun zu des Gottes Tempel lenke den Schritt, nimm das heilige Schwert und stürm’ dahin zum Siege! Zu des Niles heil’gem Ufer eilt dahin, Ägyptens Helden, jedes Herz erbeb’ vom Rufe: Tod und Verderben und Rache dem fremden Heer!Ramphis: Dankt der Gottheit, die weise führet, die das Weltgeschick regieret, denn der Gottheit mächtig Walten bringt den Waffen Glück und Ehr! Gedenket ihrer! In der Gottheit Händen ruht der Waffen Glück und Ehr!Minister und Hauptleute: Ja, des Niles heil’ges Ufer schützen wir mit unser’m Blute; alles jauchzt in einem Rufe: Tod und Verderben und Rache dem fremden Heer!Aida: Für wen wein’ ich, für wen bet’ ich,
supremo: Radamès.Tutti: Radamès!Radamès: Ah! sien grazie ai Numi! son paghi i voti miei!Amneris: Ei duce!Aida: Io tremo!Il Re: Or, di Vulcano al tempio muovi, o guerrier. Le sacre armi ti cingi e alla vittoria vola. Su! del Nilo al sacro lido accorrete, Egizii eroi, da ogni cor prorompa il grido: Guerra e morte allo stranier!Ramfis: Gloria ai Numi! ognun rammenti ch’essi reggono gli eventi, che in poter de’Numi solo stan le sorti del guerrier.Ministrie Capitani: Su! del Nilo al sacro lido sien barriera i nostri petti; non echeggi che un sol grido: Guerra e morte allo stranier!Aida: Per chi piango? per chi prego? …
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
bewußten Worten wieder zu ganzer Wucht. In fortwährender, zuletzt nicht nur dynamischer, sondern auch tempomäßiger Steigerung türmt Verdi Höhepunkt auf Höhepunkt. Das jubelnd gesungene »Ritorna vincitor!« (Als Sieger kehre heim!) ist bereits eine Ahnung des ungeheuren Triumphgesanges, der das Finale des nächsten Aktes bilden wird.
Mit allen, von Begeisterung Entflammten, ist Aida in den Ruf ausgebrochen, der für sie ein unlösbares Dilemma ankündigt. Nun, allein geblieben, wird ihr die unausweichliche Tragik ihres Schicksals bewußt. Die Arie – die erste der beiden großen, die Verdi seiner Aida in ihr Bühnenleben mitgab – ist eine aus vielen Teilen zusammengesetzte musikalische Charakterstudie.
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1. AKT / 1. BILD
welche Macht zieht mich zu ihm? Muß ihn lieben, ach, und er ist ein Fremdling, ist ein Feind!Radames: Heilger Ruhmes- drang durchzittert bebend meine ganze Seele. Auf! Laßt eilen uns zum Siege: Tod und Verderben und Rache dem fremden Heer!Amneris: (Radames ein Feld-zeichen überreichend): Nimm aus meiner Hand dies Zeichen, nimm es hin als Pfand des Sieges, als dein Leitstern soll es leuchten, der den Pfad des Ruhms dich führt.Alle (außer Aida): Rache! Rache! Auf zum Kampfe, ja, auf zum Sieg! Allen Feinden den Untergang!Amneris (zu Radames): Als Sieger kehre heim!Alle (außer Radames): Als Sieger kehre heim!(alle ab, bis auf Aida)SzeneAida: Als Sieger kehre heim! Ja, selbst mein eigner Mund sprach diese Worte! Ja, besiege meinen Vater, der nur für mich die Waffen ergriff,
qual poter m’avvince a lui! Deggio amarlo … ed è costui un nemico, uno stranier!Radamès: Sacro fremito di gloria tutta l’anima m’investe. Su! corriamo alla vittoria! Guerra e morte allo stranier!Amneris (consegnando unabandiera a Radamès): Di mia man ricevi, o duce, il vessillo glorioso; ti sia guida, ti sia luce della gloria sul sentier.Tutti (eccetto Aida): Guerra! Guerra! sterminio all’invasorAmneris (a Radamès): Ritorna vincitor!Tutti (eccetto Radamès): Ritorna vincitor!(escono tutti, meno Aida)ScenaAida: Ritorna vincitor! … E dal mio labbro uscì Pempia parola! Vincitor del padre mio … di lui che impugna l’armi per me … per ridonarmi
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MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Aus den Angstvorstellungen vom Untergang ihres Vaterlandes und ihrer Familie, über Siegeshoffnungen für ihr Volk, über das Entsetzen eines solchen Wunsches, dessen Erfüllung Untergang und Tod für den geliebten Radames bedeuten müßte, über die Verzweiflung führt sie hin bis zur letzten Hoffnung auf die Götter:
Motiv Nr. 9
Sie geht nicht effektvoll zu Ende, sondern unendlich innig und still, mit einem kurzen, ergreifenden Orchesternachspiel, einem wehmütigen Abgesang des Fagotts, danach des ersterbenden und doch hoffnungsvoll aufwärts weisenden Cellos.
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1. AKT / 1. BILD
neu mir zu geben die Heimat, Macht und Stel- lung und jene Ehre, die hier mir nie zuteil wird. Und besiege meine Brüder, daß ich dich sehe von ihrem Blut gerötet, im Triumph gefeiert von dem Volk der Ägypter! Bei den Gefang’nen ist er … mein Vater … und er naht in Ketten! Verzeihet, o Götter, die törichten Worte und führt mich zurück in die Arme des Vaters! Vernichtet die Scharen, die unser Volk bedrohn! Ich Unsel’ge, was sagt’ ich? Und meine Liebe? Ach, nie kann ich vergessen dieser Liebe Erglühen, das die Gefangne, die Sklavin wie ein Strahl der Sonne wärmte! Ich muß erfleh’n den Tod für Radames, so heiß ich ihn auch liebe! Ach! Niemals litt auf Erden je ein Weib so namenlose Qualen! Des Vaters Namen, den dei- nen, Geliebter, hier darf ich keinen nennen, ja denken nicht … Um ihn, um beide muß angst- voll ich beben, mein liebend heißer Schmerz wird zum Gebet. Doch mein Gebet wird als
una patria, una reggia! e il nome illustre che qui celar m’è forza. Vincitor de’miei fratelli … ond’io lo vegga tinto del sangue amato, trionfar nel plauso dell’Egizie coorti! … Edietro il carro, un Re … mio padre … di catene avvinto! L’insana parola O Numi, sperdete! Al seno d’un padre la figlia rendete; Struggete le squadre dei nostri oppressor! Sventurata! che dissi? … e l’amor mio? … Dunque scordar poss’io questo fervido amore che oppressa e schiava come raggio di sol qui mi beava? Imprecherò la morte a Radamès … a lui ch’amo pur tanto! Ah! non fu in terra mai da più crudeli angosce un core affranto! I sacri nomi di padre … d’amante nè proferir poss’io, nè ricordar … Per l’un … per l’altro … confusa … tremante … io piangere vorrei, vorrei pregar. Ma la mia prece in bestemmia si muta … delitto è il pianto a me …
29
MUSIKALISCHE ERLÄUTERUNGEN
Zu Harfenklang (hinter der Szene) singt die Stimme einer unsichtbaren Priesterin eine eigenartige, mystische, orientalisierende Melodie:
Motiv Nr. 10
zu deren Wirkung wohl vor allem der E-Dur-Akkord auf dem 4. Viertel des 1. Taktes beiträgt, der inmitten der Es-Dur-Grundstimmung starke polytonale Wirkung hat, also zu Verdis Zeit
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Fluch sich erfüllen, mein namenloses Leid, es wird zur Schuld … In düst’re Nacht ist die Klage verloren, und Erlösung bringt mir allein der Tod. Götter, erbarmt huldvoll euch mein! Sendet mir Trost in meiner Not! Ist all die Qual Schicksals- gebot: Laßt euch erflehn, gebt mir den Tod.(ab)
TEMPELSZENE UND
ERSTES FINALE
Zweites Bild
Inneres des Phtha-Tempels zu Memphis. Geheimnisvolles Licht von oben. Eine lange Säulenreihe verliert sich im Dunkel. Statuen verschiedener Gottheiten. In der Mitte erhebt sich auf einer mit Teppichen bedeckten Erhöhung der Altar, der mit den heiligen Emblemen verziert ist. Aus goldenen Dreifüßen dampftRäucherwerk.
Ramphis am Fuße des Altars.
Die erste Priesterin (hinter der
Szene: Allmächtiger Phtha, du Atem der lebendigen Welt, ah! Hör’ unser Flehen!
colpa il sospir … In notte cupa la mente è perduta … e nell’ansia crudel vorrei morir. Numi, pietà del mio soffrir! Speme non v’ha pel mio dolor … amor fatal, tremendo amor, spezzami il cor, fammi morir!(esce)
GRAN SCENA DELLA CONSA-
CRAZIONE E FINALE I
Scena II
Interno del Tempio di Vulcano a Menfi. Una luce misteriosa scende dall’alto. – Una lunga filla di colonne, l’una all’altra addossate, si perde fra le tenebre. Statue di varie Divinità. Nel mezzo della scena, sovra un palco coperto da tappeti, sorge l’altare sormontato da emblemi sacri. Dai tripodi d’oro si innalza il fumo degliincensi.
Ramfis ai piedi dell’altare.
Gran Sacerdotessa (nell’interno):
Possente Fthà, del mondo spirito animator, ah! noi t’invochiamo!
1. AKT / 2. BILD
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