Akzeptanz- & Commitment-Therapie - Kelly G. Wilson - E-Book

Akzeptanz- & Commitment-Therapie E-Book

Kelly G. Wilson

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Beschreibung

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Akzeptanz und Commitment Therapie (ACT) nicht nur als effektive psychotherapeutische Behandlungsmethode etabliert, sie wurde auch weiterentwickelt und verfeinert. Das Ergebnis ist ein beträchtlicher Fortschritt in Konzeption, Technik und Erfahrungswerten. Die Autoren dieses Buches haben sechs Schlüsselprozesse der ACT festgelegt, die sich alle um ein zentrales Anliegen gruppieren: psychische Flexibilität. Dieses Modell der psychischen Flexibilität bedeutet einen weiteren Innovationsschritt der ACT, weil es auf eine ganze Bandbreite psychischer Störungen angewendet werden kann. Anschaulich und anhand von Fallbeispielen erläutern Hayes, Strosahl und Wilson Grundlagen, Vorgehen und wichtige Aspekte der Umsetzung. Die überarbeitete Neuauflage dieses ersten Grundlagenwerks zur ACT wird hier in komplett neuer Übersetzung vorgelegt.

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Seitenzahl: 839

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Steven C. Hayes, Kirk D. Strosahl, Kelly G. WilsonAkzeptanz- & Commitment-TherapieAchtsamkeitsbasierte Veränderungen in Theorie und Praxis

Über dieses Buch

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) nicht nur als effektive psychotherapeutische Behandlungs­methode etabliert, sie wurde auch weiterentwickelt und verfeinert. Das Ergebnis ist ein beträchtlicher Fortschritt in Konzeption, Technik und Erfahrungswerten. Die Autoren dieses Buches haben sechs Kernprozesse der ACT festgelegt, die sich alle um ein zentrales Anliegen gruppieren: psychische Flexibilität. Dieses Modell der psychischen Flexibilität bedeutet einen weiteren Innovationsschritt der ACT, weil es auf eine ganze Bandbreite psychischer Störungen angewendet werden kann. Anschaulich und anhand von Fallbeispielen erläutern Hayes, Strosahl und Wilson Grundlagen, Vorgehen und wichtige Aspekte der Umsetzung. 

Die überarbeitete Neuauflage dieses ersten Grundlagenwerks zur ACT wird hier in komplett neuer Übersetzung vorgelegt.

Stephen C. Hayes, Ph. D., Professor für Psychologie an der University of Nevada.

Kirk D. Strosahl, Ph. D., praktischer Psychologe der Central Washington Family Medicine in Yakima, Washington.

Kelly G. Wilson, Ph. D., Assistenzprofessor für Psychologie an der University of Mississippi.

Copyright © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2014

Copyright © der Originalausgabe: Guilford Press, 2012

Die Originalausgabe ist 2012 unter dem Titel „Acceptance and Commitment Therapy. The Process and Practice of Mindful Change“ bei Guilford Press erschienen.

Übersetzung: Dagmar Mallett

Fachlektorat: Michael Waadt

Coverfoto: © Dan Dumitru Comaniciu

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2014

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-87387-891-4 ISBN der Buch-plus-E-Book-Ausgabe: 978-3-87387-980-5 ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-963-8

Für Barry und Trudy. Sie haben ACBS durch eine schwierige Zeit geholfen und die Arbeit vorangebracht. Eure Vision war ansteckend, und dafür werde ich stets dankbar sein.

– S. C. H.

Meiner Ehefrau und lebenslangen Seelengefährtin Patti.

Dein scharfer Verstand, deine ständige Ermutigung und Unterstützung und die Tatsache, dass du mich völlig so akzeptierst, wie ich bin – mit gelegentlichen Änderungswünschen natürlich –, haben mich zu einem besseren Menschen gemacht.

Meinem Bruder Mark, der vor noch kaum einem Jahr von uns gegangen ist – du wirst immer in meinem Herzen bleiben.

Meiner Mutter Joyce, die mit 93 Jahren noch Romane liest, Viola spielt und all das tut, was das Leben ausmacht – du bist ein großartiges Vorbild.

– K. D. S.

Meinen Töchtern Sarah, Emma und Chelsea ...

Ich liebe euch bis zum Mond und zurück.

– K. G. W.

Vorwort

Neu in dieser Auflage

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) wurde in Buchform erstmals in der ersten Auflage (1999) des vorliegenden Werks vorgestellt. Das zugrunde gelegte Modell war damals noch nicht ausgereift, und wir hatten unsere Strategie der Wissensentwicklung noch nicht formuliert. Das war uns zwar bewusst, aber nach fast 20 Jahren war es wirklich überfällig, unser „Baby“ der Öffentlichkeit vorzustellen. Das erste Buch zur Bezugsrahmentheorie (relational frame theory, RFT) erschien zwei Jahre später.

Dann geschah etwas ziemlich Bemerkenswertes. Forscher und Therapeuten mit hohen Ansprüchen wurden auf die Methode aufmerksam und wandten sie in zunehmendem Maße selbst an. Die Therapeuten waren begeistert. Die RFT-Forschung nahm Fahrt auf. Ein weltweiter Dialog im Internet setzte ein, eine Vereinigung bildete sich, weitere Bücher erschienen. Regelmäßige nationale, internationale und regionale Konferenzen wurden abgehalten, und bereits existierende Fachverbände verhalfen der Methode zu immer größerer Publizität. Innovationen in der Ausbildung wurden eingeführt. Forschungsdaten wurden zahlreicher. Auf internationaler Ebene traten nicht englischsprachige Experten hervor. Die Entwicklung beschleunigte sich, und empirische Daten sowohl aus der Grundlagen- als auch aus der angewandten Forschung wurden immer stärker zur Basis der Weiterentwicklungen. Konstruktive Kritik trug zur weiteren Ausarbeitung der Methode bei.

Das Ergebnis dieser letzten Jahre ist ein beträchtlicher Fortschritt in Konzeption, Technik und Erfahrungswerten. Es ist uns gelungen, ACT auf sechs Schlüsselprozesse und deren Wechselwirkungen miteinander festzulegen, die sich wiederum um ein zentrales Anliegen, die psychische Flexibilität, drehen. Die Daten zeigten in zunehmendem Maße, dass die Wirksamkeit von ACT hauptsächlich auf folgenden Prozessen der psychischen Flexibilität beruht: kognitive Defusion, Akzeptanz, flexible Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick, das Selbst-als-Kontext, Werte und engagiertes Handeln (committed action).

Wir sahen, dass sich, wie wir es erhofft hatten, die ACT-Methoden mit anderen empirisch gestützten Ansätzen zu einem Ganzen zusammenführen lassen und dass psychische Flexibilität zu weiteren wichtigen Verhaltensprozessen führte. Die Bandbreite der psychischen Probleme, auf die die ACT-Methoden erfolgreich angewandt werden konnten, war beeindruckend und die Reichweite des Modells der psychischen Flexibilität ebenso: Mit ACT ließen sich nicht nur Depressionen und Heroinsucht behandeln; sie ließ sich auch gegen Diabetes und das Rauchen einsetzen. Die angewandten Protokolle unterschieden sich natürlich stark voneinander, und die verhaltenstechnischen Methoden waren oft spezifisch für die jeweilige Anwendung. Infolgedessen gibt es heute so viele ACT-Methoden, dass man sie nicht mehr in einem einzelnen Handbuch zusammenfassen kann – auch nicht in zwei oder zehn –, aber das Modell und seine verhaltensändernden Prozesse sind doch in einem breiten Spektrum von Anwendungen ähnlich.

Aus all diesen Gründen unterscheidet sich das vorliegende Werk deutlich von der ersten Auflage vor über zehn Jahren. Es konzentriert sich jetzt auf das Modell der psychischen Flexibilität als einheitliches Modell des menschlichen Handelns. Im Rahmen des vorliegenden Bandes erschien die Bezeichnung dieses Modells als „ACT-Modell“ (wie wir es gewohnt waren) als etwas zu einengend, weil das Modell über jeden Interventionsansatz hinausgeht. Die neue Auflage ist weniger eine therapeutische Schritt-für-Schritt-Anleitung, sondern eher eine Einführung in die natürliche Anwendung der ACT. Sie ist sowohl für Anfänger gedacht, die sich gerade erst mit dem Modell vertraut machen, als auch für erfahrene Anwender. Therapeuten müssen lernen, Prozesse der psychischen Flexibilität unmittelbar zu erkennen, wenn sie auftreten, und darauf modellgemäß reagieren, und genau dabei soll ihnen das vorliegende Werk helfen. Praktiker sind mit einigen Aspekten des ACT-Ansatzes bereits vertraut – sie müssen nur darauf achten, ihre Methoden so anzuwenden, dass sie mit dem Modell der psychischen Flexibilität funktionell konsistent bleiben. Ist diese Verknüpfung erst einmal richtig erfasst, kann mit der Anwendung sofort begonnen werden. Jawohl, weitere Ausbildung und Anleitung sind nötig, aber beginnen kann man sofort.

Im vorliegenden Band haben wir darüber hinaus versucht, die unmittelbaren Fundamente der ACT – den funktionellen Kontextualismus und RFT – leichter verständlich darzustellen. Anstatt den Lesern vorzuschlagen, die Kapitel über Theorie und Modell (2 und 3) einfach zu überspringen, wenn sie ihnen zu schwierig sind, haben wir große Mühe darauf verwandt, den Zugang zu ihnen einfacher zu gestalten. Vielleicht ist manches jetzt auch zu simpel geraten (natürlich haben wir einiges weggelassen), aber wir möchten gerne jedem, der sich mit der Methode befasst, die Möglichkeit geben, sich eine grundlegende Theoriekenntnis anzueignen, auf der er dann seine weitere Lektüre aufbauen kann. Es gibt Hunderte Fachartikel zur ACT, dem ihr zugrunde liegenden Modell und den theoretischen Grundlagen – das Ihnen hier vorliegende Buch ist nur eine Einführung. Des Weiteren stellen wir unsere Entwicklungsstrategie, die wir als kontextuelle Verhaltenswissenschaft (contextual behavioral science, CBS) bezeichnen, stärker in den Vordergrund, insbesondere im Schlusskapitel. Das erscheint in einem therapeutischen Handbuch vielleicht ungewöhnlich, aber wir wollen ACT keineswegs als allein selig machende Therapie propagieren und haben kein Interesse daran, eine Marke zu etablieren oder persönlich berühmt zu werden. Uns geht es vielmehr um den Fortschritt. Diesen versuchen wir zu fördern, indem wir unser Modell der Wissensentwicklung weiter verfeinern, und da man den Fortschritt am besten beschleunigt, holt man sozusagen alle Mann an Deck – ob nun Therapeuten, Grundlagenforscher, Anwendungsforscher, Philosophen oder Studenten. Eine offene, wertebasierte Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel kann sehr viel produktiver sein als Dutzende Professoren in einem Elfenbeinturm. Wenn das Entwicklungsmodell durch und durch verstanden ist, wird klar werden, warum wir nicht nach dem üblichen Spiel der empirisch gestützten Therapie verfahren (obwohl wir zugegebenerweise Teil dieser Tradition sind). Ja, randomisierte Versuchsreihen sind uns wichtig – aber viele andere Aspekte auch. Wir möchten empirisch gestützte Prozesse fest mit effektiven Verfahren verbinden (Rosen & Davidson, 2003). Wir haben eine Strategie, langfristig Fortschritte zu erzielen, und sind entschlossen, ihr zu folgen. Vielleicht funktioniert sie, vielleicht auch nicht, aber wir laden die Leser auf jeden Fall ein, uns auf dieser Reise zu begleiten.

Dass wir diese Sichtweise einnehmen, heißt nicht, dass ein Therapeut im praktischen Einsatz unbedingt ein RFT-Nerd sein oder seine Praxis schließen und Grundlagenforscher werden sollte. Therapeuten und andere Praktiker sind für die Entwicklung dieses Ansatzes wichtig, und sie erwarten zu Recht viel von der Verhaltenswissenschaft. Wir möchten zeigen, wie genau Fortschritt in der Grundlagenforschung wie auch in der philosophischen Hintergrunddiskussion auch jenen helfen kann, die ganz praktische Fragen haben.

Inzwischen kennen wir mehr als 60 Bücher, die weltweit zu ACT erschienen sind. Die Publikationsrate empirischer Quellen zu diesem Thema steigt rasch. Dieses Forschungs- und Entwicklungsprogramm ist in mehreren Überblicksartikeln ausführlich dargestellt worden (z. B. Hayes, Bissett et al., 2004; Hayes, Luoma, Bond, Masuda & Lillis, 2006; Öst, 2008), und selbst skeptische Rezensenten bescheinigen uns, dass wir Fortschritte gemacht haben (z. B. Powers, Vörding & Emmelkamp, 2009). Solche substanziellen Fortschritte haben es uns erlaubt, die Verweise auf Fachartikel in den meisten Abschnitten des vorliegenden Werks einzuschränken. Die erste Auflage enthielt noch einige sehr konzentrierte Passagen zu Empirik und Konzept – hauptsächlich um die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf unser Modell zu lenken –, aber diese inhaltliche Dichte machte den Text auch schwerer verständlich. Wenn wir voraussetzen, dass sich interessierte Leser weitere Literatur über den vorliegenden Band hinaus selbst beschaffen, müssen wir nicht mehr für jeden einzelnen Punkt empirische Belege anführen. Wir haben genügend allgemeine Erklärungen eingefügt, um verständlich zu machen, wie wir die Daten konzeptionell bewerten, sowie ausreichend weiterführende Hinweise, die mit geringem zusätzlichen Aufwand die fachlichen Grundlagen zugänglich machen.

Einige der Ausgangsvorstellungen für ACT werden jetzt schnell von etablierten Ansätzen rezipiert. Kritiker behaupten oft, genau das hätten sie schon immer gesagt. Diese revisionistische Attitüde ärgert vielleicht ACT-Autoren mit einem guten Gedächtnis, aber neu hinzugekommene Leser brauchen sich daran nicht zu stören, denn Fortschritt spielt sich immer so ab. Andererseits wird man dem ACT-Modell natürlich nicht gerecht und nutzt seine Möglichkeiten auch nicht wirklich aus, wenn man hier und da etwas „Akzeptanz“ oder „Kognitive Defusion“ als Garnitur aufklebt. Wir möchten das Modell und seine Wissensentwicklungsstrategie in seiner Vollständigkeit darstellen, weil eine solche vollständige Vertrautheit auf lange Sicht vermutlich größere Fortschritte zeitigen wird als die alleinige Übernahme bestimmter Methoden oder Konzepte als Modeströmung, als ob es im Bemühen um bessere Therapien Moden geben könnte.

Das ACT-Modell ist inzwischen bekannt genug, um regelmäßig Kritik zu ernten. Skeptiker laden wir regelmäßig zu unseren Konferenzen ein; wir versuchen auf jede umfangreiche Kritik im Geist der Offenheit und Vernunft mit zusätzlichen Daten und zusätzlichen Bemühungen zur Weiterentwicklung des Modells einzugehen; wir möchten, dass sich die an Forschung und Praxis Beteiligten zu einer offenen, kooperativen Gemeinde Gleichberechtigter zusammenschließen, sodass jeder Interessierte daran teilhaben, die Ergebnisse nutzen und selbst Erkenntnisse beitragen kann. Es ist weder der Sinn der ACT, die Traditionen, denen sie entstammt, zu untergraben noch soll sie ein Allheilmittel sein. Unser Ziel in der ACT ist es, Leiden zu lindern, so gut wir können, und tagtäglich an der Weiterentwicklung der psychologischen Praxis mitzuarbeiten, um sie den Problemen des menschlichen Daseins besser anzupassen.

Ist das schließlich nicht das Ziel jedes Forschers und Praktikers in unserem Fachgebiet? Nicht lange, und unsere Namen werden vergessen sein, auch von unseren eigenen Nachkommen. Dann wird es nicht mehr darauf ankommen, wer wann was gesagt hat, sondern nur darauf, ob es Ansätze gibt, die den Menschen Nutzen bringen, denen unser Fachgebiet dient. Wir müssen uns darauf konzentrieren, was am besten hilft, und neue Wege finden, um zu helfen. Zu diesem Zweck aber müssen wir zusammenarbeiten und immer neue Verbindungen zwischen therapeutischer Kreativität und wissenschaftlicher Entwicklung einerseits schaffen und andererseits diese Entwicklung in der Praxis umsetzen. Der Inhalt des vorliegenden Buches soll dazu beitragen, und wir hoffen und vertrauen darauf, dass uns das auch gelungen ist.

Steven C. Hayes

Kirk D. Strosahl

Kelly G. Wilson

Danksagung

Wir möchten uns gerne bei allen bedanken, die mit ihrer engagierten Mitarbeit die vorliegende Neuauflage ermöglicht haben. Barbara Watkins vom Verlag The Guilford Press war als Redakteurin stets mit hilfreichen Rückmeldungen und Ratschlägen zur Stelle. Michel Depuy half uns bei den Literaturhinweisen und der Recherche. Hilfreicher redaktioneller Rat kam von Claudia Drossel, Douglas Long, Robert „Tuna“ Townsend, Roger Vilardaga, Matthieu Villatte und Tom Waltz. Unsere Ehefrauen – Jacque Pistorello, Patti Robinson und Dianna Wilson – haben die drei Jahre des Schreibens und Umschreibens mit bemerkenswerter geistiger Gelassenheit ertragen. Dank gilt auch allen Therapeuten und Forschern in den Bereichen ACT, Bezugsrahmentheorie (relational frame theory, RFT) und Kontextuelle Verhaltenswissenschaften (contextual behavioral science, CBS), die zur intellektuellen und praktischen Entwicklung unserer Methode beigetragen haben und deren Ideen sich im vorliegenden Band wiederfinden.

TEIL I: DAS MODELL UND SEINE GRUNDLAGEN

1. Das Dilemma mit demmenschlichen Leiden

Nichts, was von außen kommt, sichert uns Freiheit vom Leiden. Selbst wenn wir Menschen alles besitzen, was wir von außen gesehen als Erfolg werten – gutes Aussehen, liebevolle Eltern, tolle Kinder, finanzielle Sicherheit, einen geliebten Lebenspartner –, genügt uns das nicht. Ein Mensch kann es warm und trocken haben, satt und gesund sein – und sich dabei trotzdem elend fühlen. Er kann Erlebnisse und Formen der Unterhaltung genießen, die in der nicht menschlichen Welt völlig unbekannt und auch nicht allen Menschen in der Bevölkerung zugänglich sind – HDTV-Fernsehen, Sportwagen, Urlaubsreisen in die Karibik –, und trotzdem psychisch schwer krank sein. Jeden Morgen kommt ein erfolgreicher Manager in sein Büro, schließt die Tür hinter sich und greift verstohlen in die unterste Schreibtischschublade nach der Schnapsflasche. Jeden Tag lädt ein Mensch, der alle materiellen Vorteile genießt, eine Pistole, schiebt sich den Lauf in den Mund und drückt ab.

Psychotherapeuten und Kliniker sind mit den düsteren Statistiken, die diese Fakten dokumentieren, nur zu gut vertraut. In den USA zeigen diese Daten zum Beispiel, dass fast 50Prozent der Menschen im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Störung erkranken, während die Anzahl der Menschen, die aufgrund der Probleme am Arbeitsplatz, in der Beziehung, mit den Kindern und mit den Herausforderungen des Lebens unter emotionalen Belastungen leiden, sogar noch höher liegt (Kessler et al., 2005). In den USA gibt es fast 20Millionen Alkoholiker (Grant et al., 2004); mehrere Zehntausend Menschen begehen jährlich Selbstmord, zahllose weitere scheitern beim Versuch, sich umzubringen (Centers for Disease Control and Prevention, 2007).[1] Solche Statistiken betreffen nicht nur Ältere, denen das Leben seit Jahrzehnten zusetzt, sondern schon Jugendliche und Heranwachsende. Fast die Hälfte der Bevölkerung im College-Alter erfüllte in den letzten Jahren die Kriterien für mindestens eine Diagnose nach DSM (Blanco et al., 2008).

Wollten wir die Allgegenwärtigkeit des menschlichen Elends in den Industriestaaten mit Zahlen dokumentieren, könnten wir damit fast endlos fortfahren. Häufig führen Therapeuten und Forscher aus einem Problembereich eine Statistik nach der anderen an, wenn sie mehr Therapeutenplätze, bessere Finanzierung für psychiatrische Gesundheitsprogramme oder verstärkte Forschungsförderung in der Psychologie fordern. Gleichzeitig scheint sowohl an der Fachwelt wie an der Öffentlichkeit die bedeutsamere Botschaft dieser Statistiken als Ganzes vorbeizugehen. Nehmen wir all diese ehemals oder akut depressiven, süchtigen, angstgestörten, wütenden, selbstschädigenden, entfremdeten, besorgten, an Zwangsstörungen leidenden, zu Workaholics gewordenen, unsicheren, zwanghaft schüchternen, geschiedenen, intimitätsscheuen und gestressten Menschen zusammen, kommen wir unweigerlich zu einer erstaunlichen Schlussfolgerung: Psychische Leiden liegen im Wesen des menschlichen Lebens.

Darüber hinaus fügen die Menschen einander fortwährend Leid zu. Denken Sie daran, wie einfach es ist, andere Menschen zu entwürdigen und zu entmenschlichen. Die Weltgemeinschaft schwankt geradezu unter dem Gewicht der Entwürdigung mit allen daraus entstehenden menschlichen und wirtschaftlichen Kosten. An diese traurige Tatsache wird man jedes Mal erinnert, wenn man einen Teil seiner Kleidung ausziehen muss, um an Bord eines Flugzeugs zu gelangen, oder seinen Tascheninhalt auf ein Förderband legen muss, um in ein Amtsgebäude gelassen zu werden. Frauen bekommen für die gleiche Tätigkeit ein Viertel weniger Lohn als Männer, für Angehörige von Minderheiten ist es in Großstädten oft schwierig, ein Taxi zu bekommen, und Wolkenkratzer werden von Terroristen in Flugzeugen als Symbol dessen angegriffen, was ihnen verhasst ist; als Antwort darauf werden Bomben abgeworfen, weil man in dem Gebiet diejenigen zu treffen wünscht, die man für böse hält. Menschen leiden nicht nur, sondern lösen durch Vorurteile und Stigmatisierungen dieses Leiden aus, als sei dies so natürlich wie das Atmen.

Unsere populärsten Grundvorstellungen davon, was geistig gesund und was krank ist, haben mit dem menschlichen Leiden und der Tatsache, dass Menschen sich gegenseitig Leid zufügen, als allgemein menschliches Problem kaum etwas zu tun. Die westliche Verhaltensforschung und Medizin scheinen stark kurzsichtig gegenüber Wahrheiten zu sein, die nicht in ihre allgemein anerkannten Muster passen. Trotz überwältigender Belege für das Gegenteil heften wir menschlichem Leiden nur zu bereitwillig diagnostische Etiketten an, als ob es das Ergebnis einer Abweichung von der biomedizinischen Norm sei. Entwürdigung und Entmenschlichung sehen wir rein ethisch oder politisch – gerade so, als ob Vorurteile und Stigmata nur für die Unwissenden oder Unmoralischen gälten, aber nicht für die Leser von Büchern wie zum Beispiel dem vorliegenden. Es gibt einen „Elefanten im Zimmer“, den niemand bemerken zu wollen scheint. Es ist schwer, mit sich selbst und anderen Mitgefühl zu haben. Es ist schwer, ein Mensch zu sein.

1.1 Gesunde Normalität: die zugrunde liegende Annahmedes psychologischen Mainstreams

Die Medizin ist Zeuge der „Biomedikalisierung“ des menschlichen Lebens geworden und war auch selbst daran beteiligt. Die westliche Zivilisation hat quasi das Freisein von körperlichem oder geistigem Leiden zu einem Götzen erhoben. Die Wunder der modernen Medizin „haben die Menschen überzeugt, dass Heilung die Ursache von Gesundheit ist“ (Farley & Cohen, 2005, S. 33) – nicht nur physischer, sondern jeder Art von Gesundheit. Belastende Gedanken, Gefühle, Erinnerungen oder Erlebnisse wurden vor allem als „Symptome“ verstanden. Hat jemand eine bestimmte Art und Anzahl von diesen „Symptomen“, wird ihm eine bestimmte Abweichung oder sogar eine Erkrankung zugeschrieben. Etiketten verdecken oft die bedeutsame Rolle des Verhaltens und der sozialen Umgebung bei der Bestimmung des physischen und geistigen Gesundheitszustands. Wer früher Probleme hatte, die durch schweres, fettiges Essen ausgelöst wurden, hat heute eine Störung, gegen die man eine lila Pille verschrieben bekommt. Der Schlafmangel, der aus den ungesunden Lebensgewohnheiten in einer Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft resultiert, gilt jetzt als Störung, die zeitweilig entweder durch teures CPAP-Gerät, das für konstanten Sauerstoff-Überdruck sorgt, behoben werden kann oder durch eines der neuen Schlafmittel, die in ihrer Gesamtheit einen Milliardenumsatz bringen. Die Tendenz, psychische Probleme generell nicht anders als körperliche medizinisch zu behandeln, hat sogar Auswirkungen auf die Wasserversorgung der westlichen Länder – in unseren Flüssen und sogar in den Speisefischen finden sich inzwischen nachweisbare Mengen an Antidepressiva (Schultze et al., 2010)! Selbst wenn sie vorschriftsgemäß verschrieben werden, wirken solche Mittel nur in den extremen Fällen besser als ein Placebo (Fournier et al., 2010; Kirsch et al., 2008); solche Fälle aber sind viel zu selten, als dass, verschriebe man die Medikamente nur diesen Patienten, die Qualität der Wasserversorgung beeinflusst werden könnte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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