Alia (Band 1): Der magische Zirkel - C. M. Spoerri - E-Book + Hörbuch

Alia (Band 1): Der magische Zirkel E-Book und Hörbuch

C.M. Spoerri

4,2

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Beschreibung

Alia beherrscht keines der vier Elemente. Jeder in Altra trägt Wasser, Feuer, Luft oder Erde in sich – sie nicht. Da sie demnach zu keiner angesehenen Arbeit taugt, wird sie an ihrem sechzehnten Geburtstag als Dienerin in den Magierzirkel von Lormir geschickt. Dort soll sie den Rest ihres Lebens verbringen. Einen Tag vor ihrer Abreise erfährt sie allerdings von ihrer Mutter ein Geheimnis, das ihr Leben verändern wird.

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Zeit:14 Std. 28 min

Sprecher:Marlene Rauch

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Ziemlich in der Schwebe, wie es weitergeht. Band 2 wird gehört.
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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Vorwort

Landkarte von Altra

Prolog

Kapitel 1 - Alia

Kapitel 2 - Alia

Kapitel 3 - Miara

Kapitel 4 - Alia

Kapitel 5 - Alia

Kapitel 6 - Alia

Kapitel 7 - Alia

Kapitel 8 - Reyvan

Kapitel 9 - Alia

Kapitel 10 - Alia

Kapitel 11 - Alia

Kapitel 12 - Reyvan

Kapitel 13 - Alia

Kapitel 14 - Alia

Kapitel 15 - Alia

Kapitel 16 - Reyvan

Kapitel 17 - Alia

Kapitel 18 - Reyvan

Kapitel 19 - Alia

Kapitel 20 - Alia

Kapitel 21 - Alia

Kapitel 22 - Alia

Kapitel 23 - Alia

Kapitel 24 - Alia

Kapitel 25 - Mertin

Kapitel 26 - Alia

Kapitel 27 - Alia

Kapitel 28 - Alia

Kapitel 29 - Alia

Kapitel 30 - Alia

Kapitel 31 - Xenos

Kapitel 32 - Alia

Kapitel 33 - Alia

Kapitel 34 - Alia

Kapitel 35 - Reyvan

Kapitel 36 - Alia

Kapitel 37 - Alia

Kapitel 38 - Alia

Kapitel 39 - Alia

Kapitel 40 - Alia

Kapitel 41 - Reyvan

Kapitel 42 - Alia

Kapitel 43 - Alia

Kapitel 44 - Alia

Kapitel 45 - Alia

Kapitel 46 - Alia

Kapitel 47 - Alia

Kapitel 48 - Reyvan

Kapitel 49 - Alia

Kapitel 50 - Alia

Kapitel 51

Glossar

Dank

 

C. M. Spoerri

 

 

Alia

Band 1: Der magische Zirkel

 

 

Fantasy

 

 

 

Alia (Band 1): Der magische Zirkel

Alia beherrscht keines der vier Elemente. Jeder in Altra trägt Wasser, Feuer, Luft oder Erde in sich – sie nicht. Da sie dem-nach zu keiner angesehenen Arbeit taugt, wird sie an ihrem sechzehnten Geburtstag als Dienerin in den Magierzirkel von Lormir geschickt. Dort soll sie den Rest ihres Lebens verbrin-gen. Einen Tag vor ihrer Abreise erfährt sie allerdings von ihrer Mutter ein Geheimnis, das ihr Leben verändern wird.

 

Die Autorin

C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Sie studierte Psychologie und promovierte im Frühling 2013 in Klinischer Psychologie und Psychotherapie. Seit Ende 2014 hat sie sich jedoch voll und ganz dem Schreiben gewidmet. Ihre Fantasy-Jugendromane (›Alia-Saga‹, ›Greifen-Saga‹) wurden bereits tausendfach verkauft, zudem schreibt sie erfolgreich Liebesromane. Im Herbst 2015 gründete sie mit ihrem Mann den Sternensand Verlag.

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, Februar 2020

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2020

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röl-lig

Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-084-3

ISBN (epub): 978-3-03896-095-9

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für meine Großmutter Regina.

Du starbst an dem Tag, an dem Alia das Licht

der Bücherwelt erblickte, und auch wenn du nicht

mehr mitbekommen hast, dass ich Autorin wurde,

weiß ich, dass du stolz auf mich gewesen wärst

und meinen Weg von dort oben mitverfolgst.

Danke für alles, was du für mich getan hast,

du bleibst für immer in meinem Herzen.

Ich liebe dich.

Vorwort

 

Wie, werdet Ihr Euch fragen, wie um alles in der Welt kommt man dazu, eine Fantasy-Geschichte zu erfinden?

Nun … die Antwort lautet ganz einfach: Ich habe sie nicht erfunden.

Es gab eine Zeit voller Magie. Mit Monstern, die von Helden bezwungen, mit Schätzen und geheimnisvollen Ländern, die von Abenteurern entdeckt wurden – und Prophezeiungen, die Leben verändert haben.

Zu dieser Zeit spielt die Geschichte, welche ich euch erzählen möchte. Sie handelt von einem jungen Mädchen, das glaubt, keinen Platz in der Welt zu finden, und erzählt von der Liebe, die manchmal ganz eigene Wege geht. Es ist eine Geschichte, die ein Abenteuer umfasst, das ihr in seiner Gesamtheit wohl erst begreifen könnt, wenn ihr das letzte Wort davon gelesen habt und damit die ganze Wahrheit kennt. Die Wahrheit um die Welt Venera – unsere Welt. Zu einer anderen Zeit.

Die Geschichte spielt im Jahre 11 245 der ersten Epoche, die wir heute als eine Zeit vor dem Verschwinden jeglicher Fabelwesen kennen.

Lasst euch in Alias Abenteuer entführen …

Landkarte von Altra

 

Prolog

 

Drei Jahre zuvor …

 

Nehil, Nehil, keiner will eine Nehil.

Gildenlos, einfallslos,

Keiner will eine Nehil!

Nehil, Nehil, keiner will eine Nehil.

Ohne Gabe, ungeschickt,

Keiner will eine Nehil!

Nehil, Nehil, keiner will eine Nehil.

Schäm dich nur, taugst zu nichts,

Keiner will eine Nehil!

 

Mein Herz rast, meine Lungen bersten beinahe, da ich so schnell gerannt bin, dass nun meine Seite sticht. Ich wollte nur noch weg – weit weg, wo ich den gehässigen Gesang meiner Mitschüler nicht mehr ertragen muss. Sie haben mit faulen Tomaten nach mir geworfen und gescherzt, dass ich dadurch zumindest ein Feuergewand tragen würde. Mein weißer Umhang ist über und über mit Tomatensaft bedeckt und stinkt zum Himmel – aber noch schlimmer sind der Hohn und der Spott, den ich über mich ergehen lassen musste.

Keuchend lehne ich mich gegen eine Hauswand und schließe die Augen, lasse den Tränen freien Lauf, die unter meinen Wimpern hervorquellen und über meine Wangen rinnen. Das gemeine Kinderlied hallt in meinen Ohren und ich presse die Hände dagegen, um es nicht mehr zu hören – was allerdings nicht hilft, denn die Verse haben sich in den vergangenen Wochen tief in meine Seele gebrannt …

Nehil …

So werde ich genannt, seit bei der Aufnahmezeremonie vor ein paar Wochen alle meine Schulkameraden mit dreizehn Jahren Mitglieder der Elementgilden wurden. Nur ich stand in den Zuschauerreihen und sah ihnen voller Wehmut zu, wie sie ihre Gildenringe empfingen und fortan zu den Erwachsenen zählten.

Am liebsten wäre ich gar nicht zur alljährlichen Zeremonie gegangen, aber die anderen trifft ja keine Schuld daran, dass ich noch keine Begabung entwickelt habe. Zudem ist es für alle Bürger von Lormir Pflicht, an den Aufnahmeritualen, die in ganz Altra zur Sommersonnenwende stattfinden, teilzunehmen – vor allem, wenn man so bekannte Eltern wie ich hat.

»Alia?«

Ich zucke zusammen, mein ganzer Körper spannt sich an und macht sich bereit, weitere faule Tomaten abzuwehren. Als ich aber meine Freundin Kala – meine einzige Freundin – erkenne, lasse ich die Arme sinken, die ich mir reflexartig vor das Gesicht gehalten habe, und gleite an der Hauswand entlang nach unten, kaure mich zusammen.

Kala sagt nichts, setzt sich nur neben mich und streicht mir zärtlich über das tomatenverschmierte Haar. Diese Geste ist so viel mehr als Worte … etwas in mir bricht jetzt vollständig, ich beginne hemmungslos zu weinen und mein ganzer Körper erzittert unter den Schluchzern.

»Wir werden den Gildenräten Bescheid geben«, murmelt Kala neben mir. »Sie werden dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.«

Ich schniefe und hebe den Kopf, um sie anzublinzeln. »Sie sind alle so gemein zu mir …«, schluchze ich. »Ich kann doch nichts dafür, dass ich noch keine Kräfte in mir trage.«

»Du entwickelst eben nur ein bisschen später als die anderen deine Elementbegabung«, tröstet mich Kala. »Das kommt bestimmt noch, da bin ich mir sicher.« Ihre Hand hält inne und sie legt stattdessen beide Arme um mich, obwohl ich wie ein zermatschter Gemüsekorb aussehe.

»Nicht, du wirst auch noch schmutzig«, protestiere ich, aber Kala lacht bloß.

»Wir stehen das zusammen durch, du und ich, Alia.« Sie lächelt aufmunternd. »Komm, lass uns nach Hause gehen und dann werden wir Pilze für den Auflauf sammeln, den deine Mutter uns versprochen hat. Ich freue mich schon seit Tagen darauf.«

Ich nicke und lasse mir von ihr auf die Beine helfen. Wenn Kala dabei ist, werde ich auch bestimmt nicht die giftigen Pilze erwischen – denn auch dazu tauge ich nicht. Meine Freundin, die seit drei Wochen der Luftgilde angehört, allerdings schon.

Wie ich sie darum beneide …

Kapitel 1 - Alia

 

Gegenwart

 

»Mama, Mama! Es geht bald los! Es geht bald looos! Komm, Alia, wir müssen uns beeilen!«

Lächelnd beobachte ich meinen dreizehnjährigen Bruder Sen, der aufgeregt im Wohnzimmer zwischen Mutter und mir hin und her hüpft. Seine Wangen leuchten vor Aufregung – oder vielleicht ist es auch die Anstrengung, so genau lässt sich das nicht mehr unterscheiden, da er seit einer halben Stunde durch das ganze Herrenhaus hüpft, das wir hier in der Stadt Lormir bewohnen.

»Der Anzug ist so schön!«, ruft er und streicht über den roten Stoff seines Oberteils. Rot, da er das Feuerelement in sich trägt, seit er zehn Jahre alt wurde.

»Er passt zu deinem Temperament.« Ich grinse und wuschle ihm durch den blonden Schopf. »Wenn dich Kar das nächste Mal in seine Schmiede mitnimmt, solltest du den Anzug aber nicht tragen, sonst wird er noch schmutzig.«

Mein Bruder strahlt mich an. »Ich werde ihn nie mehr ablegen! Nie mehr, niemals wieder. Damit werde ich noch bessere Feuer zustande bringen als ohnehin schon, du wirst sehen. Goldschmied Kar sagte, ich darf das nächste Mal einen Ring anfertigen, und ich werde den schönsten Ring machen, den es in Altra jemals gab, oh ja!« Er plustert sich wie ein Hahn auf und ich muss laut lachen.

Ich freue mich so sehr für ihn und unsere Schwester. So sehr, dass ich beinahe die Sorgen vergesse, die mich täglich quälen. Aber die haben heute nichts in meinem Gemüt zu suchen. Es ist ein großer Tag für meine Geschwister: der Eintritt in die Erwachsenenwelt. Sen darf heute der Feuergilde beitreten, Lia, seine Zwillingsschwester, der Erdgilde.

Gerade kommt sie in ihrem neuen Gildenkleid die Treppe herunter und schaut uns erwartungsvoll an, was Mama in die Hände klatschen lässt.

»Du siehst so schön aus!«, ruft sie und eilt zu ihr, um das Schleifchen, das Lia um die Taille ihres braunen Kleides schlackert, zurechtzurücken. »Meine Güte, du wirkst so erwachsen.«

Ich höre, wie Mamas Stimme vor Rührung zittert, und spüre einen Stich in der Brust, während ich auf ihren leicht gebeugten Rücken starre, über den ihr langer blonder Zopf fällt.

Nein, nicht jetzt. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Eifersucht oder Selbstmitleid …

Ich atme leise durch und beobachte, wie Mama sich nochmals Sen widmet und einen Kamm nimmt, um sein verwuscheltes Haar zu bändigen.

»Na, schon aufgeregt?« Ich trete zu meiner jüngeren Schwester und streiche ihr über den Rücken.

Mit ihren braunen Augen, die sie von Mama geerbt hat, schaut sie mich mit einer Mischung aus Freude und Unsicherheit an. Wir haben uns immer schon sehr gut verstanden, vielleicht auch, weil wir beide schüchtern sind und eher stille Beobachter statt gesellige Alleinunterhalter.

»Ja«, antwortet sie. »Ich bin nervös … was ist, wenn ich etwas falsch mache? Mich verhasple? Stolpere? Oder … wenn die Gilde mich nicht will?«

Nun muss ich tatsächlich schmunzeln und ziehe Lia in eine Umarmung. Ihr braunes Haar drückt sich weich gegen meine Wange. »Es wird alles gut gehen«, murmle ich.

Zumindest bei den Elementgilden gab es in den vergangenen Jahren keine Komplikationen bei der Aufnahme. Bei der Magiergilde verhält es sich anders, aber da keiner in meiner Familie Magie in sich trägt, ist das ohnehin nicht von Belang. Nur die wenigsten Menschen in Altra bekommen von den Göttern zusätzlich zu ihrer natürlichen Elementbegabung, die ihren späteren Beruf bestimmt, auch noch Magie geschenkt.

»Alles wird gut«, flüstere ich nochmals, ehe ich Lia loslasse und ihr aufmunternd zulächle. »Ab heute gehörst du ganz offiziell zu den Erwachsenen, ich bin so stolz auf dich. Und bald beginnst du mit deiner Ausbildung zur Heilerin.«

Die Zuversicht, die ich ausstrahle, reicht jedoch nicht bis in mein Innerstes. Dort drin sieht es ganz anders aus, aber das betrifft nur mich selbst, nicht meine Schwester. Wichtig ist jetzt, dass ich Lia ein Lächeln entlocken kann und ihre Augen strahlen.

»Ja.« Sie nickt eifrig. »Ich kann es kaum erwarten, Mama im Heilerhaus zu helfen.«

Lia ist bereits jetzt eine großartige Heilerin, wie ich von Mama schon öfter gehört habe. Sie kann mit Verbänden und Tinkturen so geschickt umgehen wie nur wenige in ihrem Alter. Ihre liebevolle Art wird von den Patienten, die sie manchmal unter Aufsicht unserer Mutter im Heilerhaus behandeln darf, geschätzt.

Ja, Sen und Lia haben ihren Platz in der Gesellschaft gefunden … im Gegensatz zu mir.

Mein Blick streift den meiner Mutter, die gerade Sen einen Scheitel verpasst hat. Sie ist mein Fels in der Brandung, und ihre dunklen Augen strahlen Güte und Wärme aus. Wie die meisten Menschen hier im kühlen Norden Altras trägt Mama oft einen dicken Pelzmantel über ihrer Arbeitskleidung, der sie gegen die Kälte schützt.

Gäbe es sie nicht, wäre ich vor Verzweiflung wohl bereits wahnsinnig geworden, weil ich kein Element in mir trage und somit in zwei Wochen, wenn mein sechzehnter Geburtstag ist, tatsächlich eine Nehil werde. Seit über zwanzig Jahren gab es keinen Nehil mehr und ich versuche die Erzählungen über den Jungen, der sich aus Verzweiflung in der Scheune seiner Eltern erhängte, nicht zu nahe an mich heranzulassen.

»Alles gut, Alia?«, fragt Mama, die meinen Blick bemerkt hat.

Ich setze ein Lächeln auf und nicke rasch. »Natürlich.«

Doch ich erkenne in ihrem nachdenklichen Gesichtsausdruck, dass sie genau weiß, was gerade in mir vorgeht – so ist es jedes Jahr. Und es wird immer schlimmer … diese Verzweiflung, die an mir nagt und mich von innen heraus zerfrisst, mir jegliche Möglichkeit nimmt, mein Leben zu planen, Träume zu haben …

Nehil, Nehil … keiner will eine Nehil, hallt es in meinem Geist nach und ich fröstle. Auch wenn es meinen Klassenkameraden irgendwann zu langweilig wurde, mich ständig zu triezen, so hat sich der Reim tief in meine Seele gebrannt und mich zu dem gemacht, was ich heute bin: eine unsichere Fünfzehnjährige, die so gut wie keine Freunde hat.

Andere in meinem Alter gehen bereits festen Berufen nach und heiraten, gründen Familien, während ich weder das eine noch das andere darf, da ich aufgrund meiner fehlenden Begabung keiner Elementgilde angehöre.

»Nicht den Mut verlieren«, murmelt Mama und streicht mir mit dem Handrücken über die Wange.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie zu mir getreten war.

Mein Lächeln gefriert und ich senke den Blick, damit sie den Schmerz in meinen Augen nicht sieht.

Ja, es gibt Jugendliche, die erst sehr spät ihre Elementbegabung entwickeln. Aber mir läuft die Zeit davon … wenn ich bis zu meinem sechzehnten Geburtstag kein Element beherrsche, sind meine Eltern dazu verpflichtet, mich als Dienerin in den Magierzirkel von Lormir zu schicken – dies geschieht nun mal mit Nehilen, die ansonsten in der Gesellschaft gerade noch fürs Betteln taugen.

Als Diener im Zirkel ist es gar nicht so übel und meist entscheiden sich Kinder aus ärmeren Familien, die sich die Hochschule nicht leisten können, sogar freiwillig dazu, nach der Gildenzeremonie den Magiern zu dienen. Der Vorteil ist, dass sie dort ihrer Begabung entsprechende Arbeit, gutes Essen und Kleidung bekommen.

Allerdings … und das ist der Punkt, der mir Angst bereitet … darf man nie wieder in die Welt außerhalb des Magierzirkels zurückkehren, denn den Dienern ist es streng verboten, mit Nicht-Magiern zu kommunizieren, um die Geheimnisse des Zirkels zu bewahren.

Meine Familie nie wiedersehen? Nein. Daran kann ich gar nicht denken. Ich liebe meine Familie mehr als alles andere auf der Welt, sie ist alles, was ich habe – sie haben immer hinter mir gestanden, trotz der Tatsache, dass ich unbegabt bin. Und der Gedanke, dass …

»Kommst du, Mertin?«, ruft Mutter die Treppe hinauf und unterbricht damit meine aufkommende Panik. »Wir müssen wirklich los, sonst sind wir womöglich zu spät!«

»Schon gut, ich bin ja da, Miara.«

Mein Vater schreitet gemächlich die Treppe herunter. Er trägt die grüne Jagdkleidung, die sich wie eine zweite Haut um seinen drahtigen Körper schmiegt. Sein Gang ist wie immer federnd und lautlos – jahrelang auf der Jagd im Wald geschult. Das nussbraune Haar, welches an den Schläfen einige graue Strähnen aufweist, hat er unter dem Jägerhut versteckt. Das Gesicht mit den grünen Augen, in denen immer der Schalk sitzt, ist frisch rasiert.

So wie er würde ich auch gerne sein: selbstbewusst und mit der Eleganz einer Raubkatze. Mein Herz wird schwer, als ich mir wieder einmal vor Augen führe, dass ich vielleicht nie mit ihm auf die Jagd gehen kann. Wir lernen zwar in der Schule die Grundkenntnisse des Jagens – so versuchen die Lehrer, unsere Luftbegabungen zu entdecken –, aber es ist streng verboten, vor Eintritt in die Luftgilde Wild zu erlegen. Das dürfen nur die richtigen Jäger, da es für alle anderen als zu gefährlich gilt. Im Wald lauern Bären, Echsen, Trolle, Gorkas oder noch schlimmer: Warfts. Bestien, die aussehen wie große Wölfe und sich auf zwei Beinen wie Menschen fortbewegen.

Das Schießen mit Pfeil und Bogen hat mir immer Spaß bereitet, jedoch entwickelte ich auch in diesem Element keine herausragenden Fähigkeiten. Ganz im Gegensatz zu meiner Freundin Kala, die bei den Bogenschießübungen immer ins Schwarze traf und daher seit zwei Jahren einer erfolgreichen Jagdtruppe angehört.

Vater scheint meine Gedanken erraten zu haben – eine weitere Gabe, die den Mitgliedern der Luftgilde eigen ist –, denn er legt den Arm um meine Schultern und stupst mich mit der freien Hand in die Seite. »Komm, Alia, lassen wir die drei nicht warten«, meint er mit seiner angenehm tiefen Stimme. »Es gilt schließlich, deine Geschwister vor Miaras Fürsorge zu erretten.«

Tatsächlich übertreibt Mama es mit ihren Mutterpflichten schon wieder. Lia sieht unglücklich dabei zu, wie ihr noch kurzerhand eine Feder in das blonde Haar geflochten wird.

Ich lächle tapfer und glätte mit den Händen mein weißes Festtagskleid, das ich als Nichtgildenmitglied tragen muss. Dann prüfe ich nochmals die kunstvolle Hochsteckfrisur, die Mutter aus meinem langen, dunkelbraunen Haar gezaubert hat, im Spiegel, der neben der Haustür hängt.

Ich finde mich nicht übermäßig schön und gebe normalerweise nicht viel auf mein Aussehen. Trotzdem empfinde ich einen Anflug von Stolz, da das weiße Kleid wenigstens meinem Hautton schmeichelt. Ich bin durchschnittlich groß und besitze einen eher schlaksigen Körper, der seit einiger Zeit glücklicherweise weiblichere Formen bekommt.

Meine Mutter sagt immer, ich sähe hübsch aus, aber ich hege den Verdacht, dass Mütter allgemein in dieser Hinsicht eine verzerrte Wahrnehmung aufweisen.

 

Schließlich begeben wir uns zu fünft zum großen Gildenplatz, der zu dieser Jahreszeit ausnahmsweise schneefrei ist. Die vier Gildenhäuser mit den angebauten Tempeln, die den Göttern für Feuer, Wasser, Erde und Luft gewidmet sind, bilden die Begrenzung des Platzes, der in einem Fünfeck angelegt ist. Die fünfte Seite wird von dem Gildenhaus für Magie eingenommen, das nur die Magier betreten dürfen.

Die Luft riecht nach Sommer, dennoch ist es kühl und ein scharfer Wind bläst um unsere Köpfe, spielt mit meinen Haaren und löst einige Strähnen aus meiner Frisur. Die wärmere Jahreszeit wird erst in etwa einem Monat Lormir erreichen und dann auch ganz rasch wieder vorbei sein – wie es hier im Norden immer der Fall ist. Aber wir haben uns an diese Temperaturen gewöhnt, kennen es nicht anders.

Vater erzählte mir einmal von Regionen im Süden von Altra, wo die Sonne die ganze Zeit über scheinen soll. Irgendwie kann ich mir das nicht so recht vorstellen … dennoch spüre ich diesen Drang in mir, irgendwann mehr zu sehen als nur meine Heimatstadt. Aber dazu fehlt mir leider der Mut – und auch das Geld, denn ohne einen Beruf kann ich keines verdienen.

Nein, aufhören. Dumme Gedanken … ich werde meine Begabung entdecken und in eine Elementgilde aufgenommen!

Ich beiße mir auf die Unterlippe, ziehe den weißen Umhang, den ich übergeworfen habe, etwas enger um meine Schultern und bahne mir mit meinen Eltern und Geschwistern einen Weg durch die Menschenmenge, die sich auf dem Platz bereits angesammelt hat.

Ich staune jedes Mal, wie viele Bewohner die Region Lormir mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt besitzt. Alle haben sich herausgeputzt und in der Farbe ihrer Gilde eingekleidet. Viele von ihnen – vor allem die Fischer und Bauern, die zum ärmeren Teil der lormischen Bevölkerung zählen – sind von weit her angereist.

Die Kinder, die heute eine Aufnahme in die Elementgilden erwartet, stehen jeweils ganz vorne bei der Tribüne. Dorthin begeben sich nun auch Sen und Lia, während meine Eltern und ich unsere Plätze in den vorderen Reihen der Zuschauer einnehmen.

Vorne stehen die wohlhabenderen Familien, hinten die ärmeren und ganz hinten diejenigen, die sich kaum ein Dach über dem Kopf leisten können.

Mein Blick schweift zu den Hochseefischern in ihrer blauen Kleidung, die sie als Angehörige der Wassergilde kennzeichnen, und bleibt für eine Weile an ihnen hängen. Wie es sich wohl anfühlt, wenn man auf dem weiten Meer ist und nichts als den Horizont erblicken kann?

Meine Augen wandern weiter zu meiner Freundin Kala, die im grünen Jägerkostüm der Luftgilde, das ihre blonden Haare betont, hinreißend aussieht. Sie ist die Einzige, die immer noch zu mir hält. Alle anderen in meinem Alter haben sich von mir abgewandt – ich kann es niemandem verübeln. Wer will schon mit einer angehenden Nehil gesehen werden?

Nehil, Nehil … keiner will eine Nehil …

Als Kala meinen Blick bemerkt, zwinkert sie mir zu und winkt über den Platz. Ich erwidere ihr Winken mit einem tapferen Lächeln, das sie als Luftbegabte jedoch leider nur zu gut durchschaut, denn ihr Gesichtsausdruck wird mitfühlend. Sie weiß, dass ich dieses Jahr wieder nicht unter den Kandidaten bin.

Sie legt den Zeigefinger unter ihr Kinn und schenkt mir ein Lächeln. Kopf hoch. Ich nicke und wende die Augen ab, da ich ihr Mitleid nicht aushalten kann.

Mein Blick gleitet weiter zu den Anwärtern der Magiergilde, die in ihren schwarzen Umhängen auf der rechten Seite des Platzes stehen. Die Energie für Zauber schöpfen die Magier aus der eigenen Körperwärme. Wie dies genau geschieht, ist eines der Geheimnisse ihres Zirkels. Es ist jedoch bekannt, dass der Magierkodex es allen Mitgliedern verbietet, sich der Wärme eines anderen Lebewesens zu bedienen – also sogenannte ›schwarze Magie‹ zu wirken.

Wie gerne wäre ich anstelle dieser Kinder gewesen. Würde darauf warten, dass mein Name aufgerufen und meine Elementbegabung verkündet wird, um dann voller Stolz auf die Tribüne hochzugehen, wo mir der Gildenring verliehen wird. Der Ring, der auch an den Fingern meiner Eltern blitzt – der dafür steht, dass man zu einer Gilde gehört. Und den man von da an nicht mehr ablegen kann, da sich die Rune darauf mit der Elementkraft in einem verbindet.

Ich betrachte meine Hände, die jetzt leicht zittern, da ich mit aller Kraft die mir nur allzu vertraute aufkeimende Verzweiflung niederringe. Aber ich muss jetzt stark sein. Für meine Geschwister, die als kleine Nervenbündel vor uns stehen und immer wieder unsicher zu mir und meinen Eltern blicken. Ich lächle ihnen aufmunternd zu.

Es besteht eigentlich kein Grund zur Sorge, denn es ist schon lange nicht mehr vorgekommen, dass ein Kandidat von einer Gilde abgewiesen worden ist. Vor fünf Jahren wurde das letzte Mal einem Mädchen der Gildeneintritt verwehrt, weil die Eltern den Kodex verletzt hatten. Die Gildenräte schickten das Mädchen als Dienerin in die Magiergilde und keiner hier hat mehr etwas von ihm gehört. Ich fand das damals äußerst ungerecht, da es ja nichts für die Fehltritte seiner Eltern konnte. Aber so wird das hier in Altra nun mal gehandhabt … das nennen die Magier, die über das Land herrschen, ›Gerechtigkeit‹.

Der Fanfarenstoß reißt mich aus meinen Gedanken und ich recke mich, um über die Köpfe der Menschen, die zwischen der Tribüne und mir sind, besser sehen zu können, was geschieht. Die hohen Räte der vier Element- sowie der Magiergilde betreten gerade unter tosendem Applaus die Tribüne.

Jedes Element wird durch ein Gildenmitglied vertreten und alle wirken prachtvoll in ihren Ratsgewändern. Ich bewundere auch dieses Jahr wieder, wie der Umhang des Rates der Feuergilde zu brennen scheint, obwohl der Stoff heil bleibt. Wie ein Wasserfall umfließt hingegen der blaue Stoff den Rat der Wassergilde, und das Gewand der Abgeordneten der Erdgilde erstrahlt von einem inneren Licht. Die Luftgildenrätin trägt grüne Kleidung mit einem Jägerumhang und wird von kleinen Vögeln umschwirrt. Kolibris, hat mein Vater mir mal erklärt.

Es ist ein imposantes und wunderschönes Bild.

Die Räte der Magiergilde allerdings überbieten alles. Genau wie in den Elementgilden wird der Rat der Magiergilde ebenfalls aus vier Ratsmitgliedern zusammengestellt. Für jedes Element wird ein Magier abgeordnet. Sie alle sind in schwarze Umhänge gehüllt, die mich an einen Nachthimmel mit tausend Sternen erinnern. Ihre jeweiligen Elemente tragen sie in Form eines Stabes bei sich, dessen Spitze eine Lichtkugel bildet, die entweder in Rot, Blau, Braun oder Grün erstrahlt. Ihr oberster Vertreter und Leiter des Magierzirkels ist Xenos, der gleichzeitig das Element Feuer repräsentiert.

Xenos sieht aus wie knapp dreißig, ist hochgewachsen und breitschultrig. Jeder weiß jedoch, dass er in Wirklichkeit bereits mehrere hundert Jahre alt sein muss. Zum Zeichen seines Ranges als Leiter des lormischen Zirkels trägt er immer ein auffälliges schwarzes Amulett um den Hals. Sein Gesicht wirkt zwar jugendlich, doch seine intelligenten eisblauen Augen strahlen eine uralte Weisheit aus. Sie bilden einen auffallenden Kontrast zu seinem dunkelbraunen schulterlangen Haar, das im Nacken mit einem Lederband straff zusammengehalten wird.

Nur die mächtigsten Magier sind in der Lage, ihre Jugend zu erneuern und damit den Lasten des Alters zu trotzen. Weniger mächtige sterben oft an Altersschwäche oder eines natürlichen Todes – zum Beispiel, wenn wieder ein Experiment schiefgegangen ist.

Xenos nimmt mit den anderen Magierräten zusammen seinen Platz rechts auf der Tribüne ein. In seinen Zügen liegt Kälte, gepaart mit Arroganz, die mich jedes Mal, wenn ich ihn sehe, frösteln lässt – was glücklicherweise nur einmal im Jahr bei der Aufnahmezeremonie geschieht.

Dieser Mann geht über Leichen.

Die Leiter der fünf Magierzirkel in Altra nehmen eine spezielle Stellung ein. Sie sind die rechte Hand vom tyrannischen Herrscher Lesath, der irgendwo im Süden in Merita regiert, führen dessen Gesetze mit akribischer Genauigkeit aus und halten Gericht. Zudem überwachen die Zirkelleiter die Elementgilden und haben auch sonst überall ihre Finger im Spiel. Immer wieder hört man Geschichten darüber, wie auf Xenos’ Befehl ein aufständisches Dorf in der Region von Lormir dem Erdboden gleichgemacht wird. Auch bei den anderen Zirkeln in Altra wird mit ähnlicher Härte durchgegriffen, daher bedeutet es meist Unheil, wenn ein Zirkelleiter in einem Dorf oder einer Stadt gesehen wird.

Heute jedoch sind die Magier glücklicherweise in friedlicher Absicht hier.

Nach ein paar Sekunden legt sich der Applaus und die Aufnahmezeremonie beginnt.

Zuerst sind die Elementgilden an der Reihe.

Für die Feuergilde gibt es zwei Dutzend Anwärter, darunter auch Sen. Alle werden gebeten, nach vorne zu treten, dann bringt ein kleines Mädchen auf einem Samtkissen die goldenen Ringe, die mit rot glühenden Feuerrunen verziert sind. Woher diese Ringe genau stammen, ist eines der Geheimnisse der Gilden. Man munkelt jedoch, dass sich die Magier der Zwergenmagie bedient haben sollen.

Die Nervosität der Kinder ist nun beinahe greifbar.

Heros, das oberste Ratsmitglied der Feuergilde, sagt den Eid des Feuers vor. Er ist ein untersetzter Mann Anfang vierzig, dessen Überheblichkeit sein Gesicht zu einer Fratze verzerrt. »Ich gelobe hiermit feierlich, bis ans Ende meiner Tage die Geheimnisse der Feuergilde zu bewahren und den Kodex von Ignas, dem Feuergott, nach meinem besten Wissen und Gewissen zu befolgen. Das Feuer ist rot, im Herzen brenne ich.«

Die Kinder sprechen den Eid mit zitternden, leisen Stimmen nach.

Tränen treten mir in die Augen, während ich Sen dabei beobachte, wie er den Gildenring an seinen rechten Ringfinger steckt. Kurz zuckt er zusammen, als sich die Macht des Feuers mit seinem Innersten vereint. Es sind Tränen des Stolzes, aber auch ein bisschen des Selbstmitleids. Wir hatten uns schon ausgemalt, dass wir dieses Jahr vielleicht sogar gemeinsam das Aufnahmeritual antreten.

Mein jüngerer Bruder strahlt mit den anderen neuen Gildenmitgliedern um die Wette und geht stolz zu seinem Platz neben dem Ratsmitglied der Feuergilde, während meine Mutter und mein Vater jubeln. Auch ich tue es ihnen gleich, denn die Freude überwiegt den Schmerz, dass ich nicht an seiner Seite sein kann.

Als Nächstes tritt Bermes, oberstes Mitglied der Wassergilde, vor. Zu seinen Kandidaten zählt unter anderem auch Cana, die Tochter des Goldschmieds. Sie ist die Einzige, die dieses Jahr mit zwei Begabungen antritt und sich für eine der beiden entscheiden musste, da sie sowohl Wasser als auch Luft in sich trägt.

Auch sie spricht tapfer mit den anderen Kindern den Schwur nach, der mit den Worten endet: »Das Wasser ist tief, tief wie meine Seele.«

Jetzt kommt der Moment, da alle Bewohner Lormirs den Atem anhalten, denn Canas Begabung für das Element Luft wird mit dem Eintritt in die Wassergilde zerstört.

Mit sichtlichem Zögern tritt das Mädchen vor und steckt sich den goldenen Ring mit der blau leuchtenden Wasserrune an den Finger. Kaum berührt er ihre Haut, zuckt sie mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht zusammen und stürzt wimmernd zu Boden.

Ihr schmaler Körper wird von Krämpfen gepeinigt, um ihren Mund sammelt sich Schaum. Aber es eilt ihr niemand zu Hilfe, denn jeder weiß, dass sie diese schwierige Prüfung selbst bestehen muss, um als vollwertiges Mitglied der Wassergilde gelten zu können.

Ich beiße mir auf die Zunge, kann die Augen jedoch nicht abwenden. Nach drei endlosen Minuten hören die Zuckungen endlich auf, Canas Miene wird wieder gefasster und sie versucht, ihre verkrampften Beine zu bewegen.

Bermes stützt sie und hilft ihr, aufzustehen. Das Mädchen wirkt zwar etwas wackelig, jedoch lässt sie sich mit sichtlicher Erleichterung von ihrem neuen Gildenältesten umarmen, der sie daraufhin unter dem Applaus der Zuschauer zu seiner Gilde führt.

Ich erhasche einen kurzen Blick auf ihr stolzes Lächeln, ehe sie von den Mitgliedern der Wassergilde zum Beitritt beglückwünscht wird.

Meine Aufmerksamkeit wird jedoch gleich wieder abgelenkt, denn nun ist meine kleine Schwester Lia an der Reihe. Sie und ein Dutzend weitere Kandidaten treten vor, während Ranzad, die oberste Heilerin, eine grauhaarige Frau mit rundem Gesicht, den Eid vorsagt, dessen Ende sich ebenfalls von den anderen Gilden unterscheidet: »Ich bin die Mutter, die Erde und das Leben.«

Nach Canas Zusammenbruch greifen die Kandidaten nur zögerlich nach den Ringen mit den braunen Runen. Als aber nichts passiert außer dem kurzen Schmerz, wenn die Kraft der Erde in die jungen Körper dringt, zeigt sich Erleichterung auf ihren Gesichtern, die dem Stolz, nun endlich Mitglied der Erdgilde zu sein, weicht.

Lia winkt kurz in unsere Richtung, ehe sie sich mit einem breiten Lächeln zu den anderen Gildenmitgliedern begibt. Mutter strahlt über das ganze Gesicht und ich entdecke den Stolz in ihren Augen. Wie gerne würde ich sie auch so stolz machen. Vater schenkt mir ein mitfühlendes Lächeln, er hat schon wieder meine Gedanken erraten. Ich grinse gequält zurück und wende meine Aufmerksamkeit wieder der Zeremonie zu, wo nun auch noch die Kandidaten des Luft-Elementes in ihre Gilden aufgenommen werden. »Die Luft ist klar, der Pfeil schnell, das Leben kurz«, sprechen die Kinder der Lufträtin nach.

Zum Schluss sind die Magier an der Reihe und wie immer wird es totenstill, als Xenos nach vorne tritt. Es gilt als Ehre, den Magierzirkeln anzugehören, aber selbst wenn man Ansätze von Magiebegabung zeigt, ist dies kein Garant für die Aufnahme. Die Größe der Begabung wird erst von Xenos geprüft.

Die Kandidaten, die für den Magierzirkel antreten, gleichen nun einer Schafherde, die sich einem zähnefletschenden Wolf gegenübersieht.

Aber es nützt nichts. Falls sie Xenos’ Prüfung standhalten, dürfen die Kinder dem Magierzirkel beitreten und bekommen je nach ihrer Elementbegabung die schwarzen Magierringe mit den zugehörigen Elementrunen, die sie einem der vier Magierzirkel zuordnen. Falls sie die Prüfung jedoch nicht bestehen, wird ihre Magiebegabung von Xenos vernichtet, was anscheinend ähnlich schmerzhaft ist, wie wenn ein Element gelöscht wird. Zurück bleiben nur noch die Begabung in einem der vier Elemente sowie die Demütigung, doch nur einer Elementgilde und nicht dem Magierzirkel beitreten zu können.

Die Nervosität, die sich auf den Gesichtern der Anwärter abzeichnet, ist also mehr als verständlich.

Xenos schreitet die Reihe der Kandidaten langsam ab. Seine hohe Gestalt überragt sie alle und lässt die Jungen und Mädchen klein und verletzlich wirken. Er legt jedem kurz die Hand auf den Kopf und murmelt einige Worte. In der Menge könnte man nun eine Fliege husten hören, so still ist es geworden. Ich wage kaum, zu atmen, und verfolge gebannt jede von Xenos’ Bewegungen. Als er beim letzten Kandidaten ankommt, ertönt ein animalischer Schrei.

Ich zucke unwillkürlich zusammen und recke wie alle anderen den Kopf, um zu sehen, was passiert ist.

Der Junge, bei dem Xenos als Letztes angehalten hat, ist zusammengebrochen. Er hat seine magische Prüfung nicht bestanden und liegt nun wimmernd und sich windend am Boden.

Xenos wendet sich mit ausdrucksloser Miene dem Publikum zu und ich erkenne, dass sein Amulett, das er um den Hals trägt, nun dunkel leuchtet. Seine sonore Stimme reicht mühelos bis in den hintersten Winkel des Platzes. »Diesem Jungen wird der Eintritt in die Magiergilde verwehrt. Er soll sich für die Aufnahme in die Feuergilde, dessen Element ihm innewohnt, bewerben.«

Das war’s. So rasch kann der Traum von einer Zukunft im Magierzirkel platzen …

Ich empfinde Mitleid mit diesem Jungen, den ich vor wenigen Minuten noch beneidet habe. Mit hängenden Schultern begibt er sich zu Heros, um dort seinen Feuerring entgegenzunehmen. Immerhin scheint die Aufnahme in die Feuergilde auf Anhieb zu gelingen und er wird zu den anderen Gildenmitgliedern geführt.

Die neuen Angehörigen des Magierzirkels hingegen legen den Eid ab, ehe sie die schwarzen Ringe des Zirkels mit den Runen ihres jeweiligen Elementes tragen dürfen: »Ich gelobe hiermit feierlich, bis ans Ende meiner Tage die Geheimnisse der Magiergilde zu bewahren und den Kodex des Zirkels zu befolgen. Wärme und Magie, sie sind eins mit mir.«

Damit ist die Aufnahmezeremonie vorbei. Die neuen Mitglieder werden nun in die Gildenhäuser geführt, wo ihnen zu Ehren den ganzen Abend ein Fest stattfindet. Dort werden sie in die Geheimnisse der einzelnen Gilden eingeweiht und dürfen ihre Götter feiern. Die Magier brechen jedoch sofort zum Zirkel auf, der außerhalb der Stadt Lormir liegt. Für die nächsten drei Jahre werden nun die frischen Magierlehrlinge ihre Eltern nicht wiedersehen.

Mutter und Vater verabschieden sich von mir und gehen in ihre jeweiligen Gilden, um ebenfalls die neuen Mitglieder zu feiern. Da ich keinem Element angehöre, darf ich wie immer nicht dabei sein.

Mit einem leisen Seufzer mache ich mich auf den Heimweg.

Kapitel 2 - Alia

 

Als ich aufwache, ist mein Bettzeug nass geschwitzt und zerwühlt, da ich mich die halbe Nacht herumgewälzt habe. Irgendwann fielen mir die Augen zu und ich versank in Albträumen, die sich mit dem Öffnen meiner Lider heute Morgen als bittere Wahrheit herausstellen.

Heute ist es so weit. Ab heute bin ich sechzehn Jahre alt.

Ab heute bin ich eine …

»Nehil.« Ich probiere das Wort auf der Zunge aus und schaudere bei dem Gedanken.

Verzweiflung überkommt mich wie ein kalter Regenguss, nachdem ich noch einmal in mich hineingehorcht und festgestellt habe, dass da wirklich nicht der Hauch einer Elementbegabung ist. Fröstelnd schlinge ich die Arme um den Körper und bemühe mich, nicht in Panik zu verfallen.

Die letzten zwei Wochen habe ich jeden Tag in den vier Tempeln die Götter angefleht, sie mögen mir ihre Gabe schenken. Außerdem habe ich wie eine Verrückte auf dem Praxisgelände der Schule geübt, obwohl ich über drei Jahre älter bin als alle anderen Schüler. Ich habe Fischerruten gebastelt, Pflanzen gedüngt, die Tiere der Schule gefüttert, Feuersteine gegeneinandergeschlagen, Bogenschießen und Messerwerfen trainiert, versucht, die Gedanken meiner Freundin Kala zu erraten.

Aber nichts, rein gar nichts, ist mir leichtgefallen. Im Gegenteil. Vom vielen Üben mit allen möglichen Waffen habe ich jetzt Blasen an den Händen, meine Muskeln schmerzen, die Fingernägel sind längst alle abgebrochen vom Wühlen in der Erde und ich habe von all den Gedankenübungen hämmernde Kopfschmerzen.

Wenn ich irgendeine Elementbegabung oder gar Magie in mir tragen würde, fiele mir das alles nicht so schwer. Dann wäre es der reinste Spaziergang auf dem Hindernisparcours der Jäger. Oder ich würde nicht von den Pferden getreten und von den Hunden angebellt werden, sondern könnte mit derselben Selbstverständlichkeit wie Mutter und Lia mit den Tieren umgehen.

Traurig wandert mein Blick durch mein Zimmer. Dies war also die zweitletzte Nacht in meinem Zuhause.

Ich bin ab heute offiziell eine Nehil.

Morgen früh werde ich den Dienst im Magierzirkel antreten, wo ich für den Rest meines Lebens bleiben muss. Ich habe keine andere Wahl, sonst würde meine Familie von den Magiern hart bestraft. Jeder weiß, dass sie eine Tochter haben, die keine Begabung besitzt – an Flucht ist also nicht zu denken.

Bei der Vorstellung, weder meine Familie noch Kala jemals wiederzusehen, schnürt sich mir der Hals zu und ich unterdrücke einen weiteren Heulkrampf.

Nein, ich werde versuchen, meinen letzten Tag mit meiner Familie auszukosten, und ihre Liebe wie ein Schwamm in mich aufsaugen. Mich in Selbstmitleid suhlen kann ich immer noch, wenn ich einsam und als Dienerin hinter den Zirkelmauern leben muss.

 

Nachdem ich meinen verschwitzten Körper rasch mit Wasser gewaschen habe, ziehe ich schwarze Hosen und das hellbraune Hemd an. Eine Kleidung, die sich meiner Mutter zufolge zwar für eine Dame aus den oberen Kreisen nicht ziemt, aber das ist mir heute gleichgültig. Ab morgen bekomme ich sowieso meine Dienstkleider vom Zirkel gestellt, da kann ich zum letzten Mal einen Tag in bequemer Kleidung verbringen.

Als ich das Esszimmer betrete, steht ein reichhaltiges Frühstück auf dem Tisch. Ich entdecke meine Lieblingsbrötchen, Butter und diverse Konfitüren, kleine Kuchen, einen großen Früchteteller, Spiegeleier, Rühreier, Pfannkuchen, Lachshäppchen sowie Fleisch in allen Varianten, von Speck über Wurst bis hin zum teuren und seltenen Rinderfilet. Ronda, unsere Haushälterin, muss die halbe Nacht auf gewesen sein, um dies alles vorzubereiten.

Ich finde die etwas dickliche Frau am Herd in der Küche vor, wo sie dem Apfelmus den letzten Schliff verleiht. Leise räuspere ich mich und sie wirbelt für ihre Körperfülle erstaunlich schnell herum. Als sie mich sieht, lässt sie den Kochlöffel achtlos auf den Tisch fallen und eilt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.

»Hach, Alia«, schluchzt sie, während sie mich an ihre Brust drückt. »Es tut mir ja so leid für Euch. Ihr habt das nicht verdient. Ich werde Euch so sehr vermissen …«

Sie wischt sich eine Träne von der Wange und drückt mich nochmals so fest an sich, als wollte sie meinen Körper als Abdruck auf ihrer Schürze verewigen. Sie riecht nach Zimt und Äpfeln.

Ich spüre wieder einen Kloß im Hals. Jetzt nicht weinen …

Rasch winde ich mich aus ihrer Umarmung. »Ich danke dir für alles, Ronda.« Mehr bringe ich nicht heraus.

Sie nickt, schluchzt herzzerreißend und wendet sich eilig ab, um ihre Tränen zu verbergen. Ronda ist wirklich eine gute Seele. Ich werde sie ebenfalls unendlich vermissen.

Beim Essen bekomme ich kaum einen Bissen herunter. Nach dem Geburtstagsständchen, das meine Familie für mich vorträgt, sind Mutter und Vater bemüht, gute Laune zu verbreiten. Aber so recht will es ihnen nicht gelingen, denn über aller aufgesetzten Fröhlichkeit hängt die Gewissheit schwer in der Luft, dass dies mein letzter Geburtstag zu Hause sein wird.

Sen und Lia haben heute frei, um sich in Ruhe von mir zu verabschieden. Seit meine Geschwister auf der Hochschule der Gilden sind, bekomme ich sie nur noch selten zu Gesicht. Besser so, dann fällt mir der Abschied ein bisschen leichter.

Trotzdem muss ich immer wieder gegen meine Tränen ankämpfen. Ich habe meine Familie so lieb und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, sie ab morgen nie mehr zu sehen.

Nach dem Essen schenkt mir Lia zum Geburtstag ein braunes Lederarmband, das sie extra für mich angefertigt hat. Auch wenn sie nichts dazu sagt, so reicht ein Blick in ihre Augen, um zu erkennen, dass es gleichzeitig ihr Abschiedsgeschenk ist. Sie hat es in stundenlanger Arbeit kunstvoll geknüpft und es ist wunderschön. Ich umarme sie zum Dank, so fest ich kann, und versuche die Trauer zu unterdrücken, die meinen Hals zuschnürt.

Sen hat in seinem Unterricht einen feinen Ring aus Gold für mich angefertigt.

»Da du ja nun keinen bekommen hast …«, flüstert er voller Mitgefühl. »Es ist der Schönste in ganz Altra, wie ich es versprochen habe.«

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter.

Mit so einem wertvollen Geschenk habe ich nicht gerechnet. Mir fehlen die Worte, als ich den Ring bewundernd zwischen den Fingern drehe. Die filigranen Verzierungen zeugen von Sens Geschicklichkeit beim Schmieden. Dabei ist er doch erst am Anfang seiner Ausbildung.

»Steck ihn an«, drängt mich Sen.

Das Schmuckstück passt wie angegossen.

Ich schließe die beiden abermals in die Arme und halte sie länger fest als üblich.

Was wird wohl aus ihnen werden? So gerne wäre ich dabei, wenn sie ihre Begabungen weiter ausbauen, und sähe zu, wie sie größer werden. Aber diese Geschenke, das Armband und der Ring, werden alles sein, was mir von meinen Geschwistern bleibt …

 

Nach dem Frühstück nimmt mich meine Mutter beiseite. Sie verhält sich dabei äußerst geheimnisvoll und ich folge ihr gespannt die Treppe hinauf ins Elternschlafzimmer. Dort schließt sie die Tür ab und bedeutet mir, mich auf das Bett zu setzen. Ich beobachte, wie sie zu einer kleinen Kommode in der Zimmerecke geht, die sie mit einem Schlüssel öffnet, den sie um den Hals trägt.

Neugierig recke ich den Kopf, um besser erkennen zu können, was sie daraus hervorholt.

Mutter wickelt etwas Rechteckiges aus einem weißen Seidenstoff und beim näheren Betrachten erkenne ich ein kleines silbernes Kästchen, etwa eine Handbreit und mit einem Blumenmuster verziert.

Sie hält es wie ein kostbares Kleinod mit beiden Händen, als sie es zu mir bringt und sich neben mich auf die Bettkante setzt. Es scheint ihr schwerzufallen, die richtigen Worte zu finden. »Alia, es gibt etwas, das Mertin und ich dir immer schon sagen wollten, aber wofür wir einfach nicht den passenden Zeitpunkt fanden.«

Oje, was kommt jetzt?

Meine Mutter kann mir nicht richtig in die Augen sehen, das bin ich nicht von ihr gewohnt. Normalerweise ist sie der offenste und ehrlichste Mensch, den ich kenne … es muss etwas sein, das sie sehr belastet, so wie sie auf ihrer Unterlippe kaut und den Blick durchs Zimmer wandern lässt.

Ich wappne mich innerlich, bin aber keineswegs auf das vorbereitet, was sie mir zu erzählen hat.

»Alia, mein Schatz. Ich möchte, dass du weißt, wir lieben dich. Über alles in der Welt. Und das, was ich dir sagen werde, bedeutet nicht, dass sich diese Gefühle ändern. Aber …« Sie holt leise Luft. »Mertin und ich, wir sind nicht … deine leiblichen Eltern.«

Das trifft mich wie ein Schlag in den Magen – mir bleibt regelrecht die Luft weg. Ich versuche, den Inhalt ihrer Worte zu begreifen, meine Gedanken zu ordnen. Um mich dreht sich alles, obwohl ich das Gefühl habe, als bliebe die Zeit stehen.

Was soll das heißen? Dass meine leiblichen Eltern irgendwo in Altra leben und mich nicht wollten? Oder sind sie tot? Bin ich eine Ausgestoßene? Sind Sen und Lia nicht meine richtigen Geschwister?

In meinem Kopf jagt ein Gedanke den nächsten. Mein Hals verengt sich, als winde sich eine unsichtbare Schlinge darum und ziehe sich langsam zu. Ich bekomme kaum Luft.

In die Verzweiflung mischt sich nach und nach eine Wut, die sich im Bauch brodelnd einen Weg nach oben kämpft und in meiner Brust zu explodieren droht.

Warum gerade heute? Hätte sie das nicht für sich behalten, mit ins Grab nehmen können? Und mich in dem Glauben lassen, ich wäre in meiner eigenen Familie aufgewachsen? Ich bin ohnehin dazu verdammt, meine Eltern und Geschwister nie wiederzusehen – warum zerstört sie mit diesen Worten nun alles, was ich geglaubt habe zu lieben? Warum nimmt sie mir das letzte Schöne, das ich in meinem Herzen beschützen wollte, während ich den Rest meines Lebens hinter Zirkelmauern darben muss?

Mutter scheint zu merken, dass sie mich mit ihrer Offenbarung vollkommen aus der Bahn geworfen hat. Sie legt entschuldigend eine Hand auf mein Knie und ich lasse es zu. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, meine Fassung wiederzuerlangen.

Nach einiger Zeit, die mir wie eine Unendlichkeit vorkommt, weichen die wirbelnden Gedanken einer schwarzen, inneren Leere und Taubheit.

Es ist jetzt sowieso alles gleichgültig. Ich bin morgen weg. Weg von den Lügen, die sie mir gerade gestanden hat. Ab morgen beginnt ein neues Leben für mich. Ohne meine … Familie. Ohne das, was ich bisher als Familie bezeichnet habe – was mein Herz mich zu lieben gelehrt hat … Aber womöglich ist es nicht das Schlechteste, dass ich es auf diese Weise erfahre. Vielleicht hilft es mir sogar, über den Schmerz hinwegzukommen. Vielleicht …

Ich muss versuchen, stark zu sein. Es ist alles, was mir noch bleibt. Den Rest verliere ich ohnehin in ein paar Stunden.

Als Mutter erkennt, dass ich mich wieder etwas gefangen habe, spricht sie weiter: »Wie gesagt, das ändert nichts daran, was wir für dich empfinden, Alia. Wir lieben dich wie unsere leibliche Tochter. Du bist Teil unserer Familie und wirst immer zu uns gehören.«

Leere Worte. Wie soll ich zu ihrer Familie gehören? Vielleicht erklärt das ja, warum ich eine Nehil bin. Wahrscheinlich haben meine leiblichen Eltern das bereits bei meiner Geburt gemerkt und mich deshalb ausgesetzt.

Mein Magen rebelliert, mir wird schlecht.

»Wann?«, presse ich mühsam hervor.

Mutter versteht. »Als du kaum älter als ein paar Monate warst.«

Sie legt den Arm um mich, zieht mich zu sich und ich wehre mich wieder nicht dagegen, da ich mich so benommen fühle.

So leer. So hilflos.

Sie wiegt mich wie ein Kleinkind.

»Weißt du«, fährt sie fort, »ich konnte damals keine Kinder bekommen. Mertin und ich hatten unsere Hoffnung bereits aufgegeben, als das Schicksal dich zu uns brachte.«

Als ich keine Fragen stelle – wozu auch? –, spricht sie weiter.

»Damals wurde ein Schwarzmagier hier in Lormir gefasst.«

Ich verstehe nicht, wieso das alles für mich von Belang sein sollte. Wieso erzählt sie mir das?

Mutter sieht meine Skepsis und fährt eilig fort. »Dieser Magier hatte dich bei sich, Alia.«

Noch ein Schlag – direkt in mein Herz.

Ich schnappe nach Luft, da mein Hals sich schon wieder zuschnürt. »Was?«, krächze ich ungläubig. »Was soll ich mit einem Schwarzmagier zu tun gehabt haben? Ist er etwa mein Vater?«

»Nein, nein«, wiegelt Mutter vehement ab. »Er ist keinesfalls dein leiblicher Vater, das hat er auch heftig bestritten und dies wurde vom Magierzirkel beglaubigt.« Sie deutet auf die Schatulle, die sie immer noch in den Händen hält. »Er gab mir dieses Kästchen für dich. Ich sollte es wie meinen Augapfel hüten und dir an deinem achtzehnten Geburtstag geben.« Sie sucht meinen Blick und schaut mich traurig an. Ihre Augen spiegeln all die schmerzhaften Gefühle wider, die ich selbst zu unterdrücken versuche. »Den achtzehnten Geburtstag werden wir ja leider nicht mehr zusammen feiern können, da du dann im Zirkel dienen wirst. Daher übergebe ich dir das Kästchen jetzt.« Damit legt sie es behutsam in meinen Schoß und ich umschließe es mit beiden Händen.

Ich nicke kurz, ehe ich aufstehe und das Zimmer wortlos verlasse. Es gibt so viele Fragen, die ich ihr stellen möchte. So viel, was ich darüber wissen will, was es mit dem Magier auf sich hat. Aber ich weiß nicht, ob ich bereit für die Antworten wäre … und wenn nicht, würde mich die ganze Wahrheit womöglich noch stärker aus dem Gleichgewicht bringen als ohnehin schon. Daher schweige ich und gehe wie in Trance die Treppe hinunter.

Ich muss jetzt allein sein.

Das war wirklich zu viel für mich, zu viele Informationen auf einmal, die es zu verdauen gilt.

 

Kurz kommt mir der Gedanke, zu Kala zu gehen und ihr alles zu erzählen. Sie ist zwar meine einzige Freundin und sie hätte bestimmt tröstende Worte für mich, aber es geht mir gegen den Strich, sie mit Dingen zu belasten, die ich selbst noch nicht ganz begriffen habe. Zumal ich ab morgen fort bin und sie dann allein lassen würde mit Problemen, die nicht die ihren sein sollten. Sie steht meinem Vater nahe, da sie ab und an in seinem Jagdtrupp mit dabei sein darf. Es würde vielleicht einen unnötigen Keil zwischen sie treiben, wenn ich ihr von dem erzähle, was ich von meiner Mutter erfahren habe.

Daher wandere ich ziellos in Lormir umher, am Gildenplatz und den Tavernen vorbei, immer weiter. Ich achte nicht darauf, wohin ich gehe. Hauptsache weg von hier. Weit weg, um meine Empfindungen ordnen zu können.

Ich muss lange so gelaufen sein. Plötzlich finde ich mich auf einer Kuhweide, eine gute Wegstunde südlich der Stadt, wieder. Zu dieser Jahreszeit wachsen hier ein paar struppige, aber nahrhafte Grasbüschel, die von den Kühen gierig verschlungen werden.

Meine Wut über die Lügen meiner Eltern weicht einer immer größer werdenden Verwirrung.

Ich schaue den Tieren eine Weile zu und spiele gedankenverloren mit dem silbernen Kästchen, das ich immer noch in den Händen halte. Beim Versuch, es zu öffnen, scheitere ich kläglich. Womöglich ist es mit irgendeinem Zauber belegt, der es mir erst mit achtzehn Jahren ermöglicht, es zu öffnen. Das wäre einem Schwarzmagier zuzutrauen.

Aber will ich das Geschenk eines so abscheulichen Menschen … Monsters … überhaupt behalten? Es könnte sonst was darin sein. Wer weiß das bei Schwarzmagiern denn schon? Sie brauchen schließlich die Wärme anderer Menschen für ihre Zauber. Nicht ohne Grund ist das Wirken schwarzer Magie in ganz Altra verboten.

Nun ja, immerhin hat es meine Mutter jahrelang aufbewahrt. Das hätte sie bestimmt nicht gemacht, wenn sie es für gefährlich gehalten hätte – oder?

Halt, wieso nenne ich sie überhaupt noch meine Mutter? Das ist sie ja gar nicht. Sie ist einfach irgendeine Frau, die mich aus Mitleid, wegen ihrer Kinderlosigkeit oder warum auch immer bei sich aufgenommen hat. Wie es scheint, war sie dann doch imstande, Kinder zu bekommen. Ich kann mich sogar noch vage daran erinnern, wie sie mit Sen und Lia schwanger war. Damals war ich fast drei Jahre alt.

Aber es fällt mir trotzdem schwer, so herzlos über meine Eltern – ja, das sind sie nun mal – zu denken. Sie haben sich immer bemüht, mir eine schöne Kindheit zu bescheren, waren immer auf meiner Seite. Und sie haben mir nie das Gefühl gegeben, dass ich nicht ihre leibliche Tochter wäre – so viel muss ich ihnen zugestehen.

Es ist alles im Moment zu viel für mich. Morgen werde ich meine Familie – ja, ich beschließe, sie vorläufig weiterhin als meine Familie zu bezeichnen – verlassen und nie mehr zu ihnen zurückkehren. Und dann bin ich allein mit meinen Gedanken, wer meine leiblichen Eltern wohl waren oder sind.

Was hat es mit diesem Schwarzmagier auf sich? Warum war ich bei ihm? Hat er mich geraubt? Meine Eltern getötet? Wollte er auch mich töten, mir die Wärme entziehen? Oder war er mein Beschützer? Warum hat er sich die Mühe gemacht, Mutter das Kästchen zu übergeben? Ist das irgendein gemeiner Plan eines durchtriebenen Schwarzmagiers?

Womöglich hätte ich die Fragen meiner Mutter und meinem Vater stellen sollen, aber … ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Es geht alles zu schnell und ich fürchte mich davor, dass mir keine Kraft bleibt, die ganze Wahrheit zu verarbeiten. Womöglich ist es besser, wenn ich die Beweggründe nicht genauer hinterfrage … ich habe auch so schon genügend Probleme, ich kann und möchte mich jetzt nicht auch noch damit auseinandersetzen, wer dieser Schwarzmagier war. Feige vielleicht, ja. Aber womöglich auch eine Art Selbstschutz.

Magier kennen keine Gnade und regieren die Welt mit harter Hand. Ich kenne bisher lediglich die Magier des Zirkels von Lormir und dort gibt es, wie man hört, genügend Intrigen. Ich muss nur an Xenos denken und wie rücksichtslos er die Bewohner von Lormir wegen kleiner Vergehen bestraft. Wie muss erst ein schwarzer Magier gestrickt sein, der nicht davor zurückschreckt, andere Lebewesen zu töten, um seine eigene Magie zu nähren? Mich schaudert bei dem Gedanken, dass ich ihm schutzlos ausgeliefert war. Und plötzlich bin ich unendlich dankbar, dass Miara und Mertin mich aufgenommen, mich vor seinen schwarzen Kräften gerettet haben. Nein. Ich kann nicht weiter nachbohren. Will nicht wissen, in welcher Gefahr ich womöglich geschwebt habe. Das spielt jetzt keine Rolle mehr.

Miara und Mertin sind meine Eltern und es bringt keinem etwas, wenn ich sie am letzten Abend, den ich mit ihnen verbringen kann, ignoriere und wie ein bockiges Kind davonlaufe. So war ich nie und ich werde heute bestimmt nicht damit anfangen.

Ich beschließe, zurückzugehen und das Kästchen zu behalten. Auch wenn da die Angst vor der Wahrheit in mir ist, so spüre ich auch eine gewisse Neugierde, was es damit auf sich hat.

 

Zum Abendessen bin ich wieder in meinem Zuhause, bei meiner Familie. Zum letzten Mal helfe ich Ronda beim Decken des Tisches und ausnahmsweise lässt sie meine Hilfe kommentarlos geschehen.

Meine Eltern werfen mir immer wieder prüfende Blicke über den Tisch zu, während wir essen. Aber ich tue so, als wäre alles wie immer. Ich möchte sie nicht mit einer unbedachten Gefühlsregung noch mehr verletzen. Mein wortloser Abgang nach Mutters Beichte hat sie schon genug getroffen, auch wenn ich mich bei ihr dafür entschuldigt habe, weil mir sehr wohl bewusst war, dass ich vielleicht anders hätte reagieren können … anders hätte reagieren sollen. Aber in dem Moment … es war einfach alles zu viel. Ich meine, ich habe keine Ahnung, wer meine richtigen Eltern sind. Aber ich liebe die Menschen, die mich großgezogen haben, trotzdem. Sie waren die Eltern, die ich nicht hatte, und dass wir nicht blutsverwandt sind, ändert nichts an meinen Gefühlen für sie. Ich sollte ihnen dankbar sein für das, was sie mir ermöglicht haben. Nicht mich beschweren oder sie mit Schweigen strafen. Ich liebe sie. Ebenso wie sie mich.

Nach dem Essen winkt mein Vater mich zu sich in sein Arbeitszimmer. Er schaut mich lange an, die Hände auf meinen Schultern. Dann nimmt er mich wortlos in seine Arme und ich vermeine, ein leises Schluchzen tief in seiner Brust zu spüren, als ich den Kopf gegen ihn sinken lasse. Ich nehme den Geruch seiner Lederkleidung wahr, der mir so vertraut ist, spüre die Stärke seiner Arme, die mir immer Geborgenheit gegeben haben. All die Jahre … ich werde ihn so unendlich vermissen.

Lange hält er mich fest und ich versinke in dem Gefühl der Zuneigung, tanke regelrecht Kraft daraus.

Als er sich von mir löst, sehen seine Gesichtszüge aus wie immer und mir wird warm ums Herz. Nein, er würde niemals eine Schwäche vor mir zugeben, wäre sie auch noch so nachvollziehbar. Das ist mein Vater, Mertin, der starke, stolze Jäger.

Mit Tränen in den Augen wende ich mich ab und gehe in mein Zimmer, um meine letzte Nacht in Freiheit zu verbringen.

Ich mache jedoch kaum ein Auge zu.

Kapitel 3 - Miara

 

16 Jahre zuvor

 

»Bist du dir auch ganz sicher?« Die Stimme ihres Gemahls riss Miara aus ihrer Erstarrung.

Sie nickte, ohne dass sie sich dessen bewusst war. »Ja, Mertin. Es ist das Richtige«, erwiderte sie leise und verfolgte mit bangen Blicken den Mann, der soeben aus dem Gerichtssaal geführt wurde.

Die wochenlange Haft im lormischen Gefängnis hatten ihre Spuren auf dem Gesicht des Magiers hinterlassen, das von Erschöpfung und Hunger gezeichnet war. Seine dreckige schwarze Kleidung ließ erahnen, wie sehr seine Wachen, die ihn flankierten, sich zusammenreißen mussten, um den Gestank zu ertragen.

Die Verhandlung war kurz gewesen – viel kürzer als alle Verhandlungen zuvor. Xenos hatte nach ein paar Fragen an den Angeklagten befohlen, den Schwarzmagier in die Verbannung zu schicken, wo er keiner Menschenseele mehr was zuleide tun konnte. Ein rätselhaft mildes Urteil, wenn man bedachte, dass der Zirkelleiter normalerweise Menschen schon wegen geringer Vergehen zum Tode verurteilte.

Miara war immer noch erstaunt darüber, dass sie es gewagt hatte, die Hand zu heben, als Xenos auf das kleine Geschöpf deutete, das vor dem Schwarzmagier in dickes Wolltuch gewickelt auf dem Boden lag.

Aber in dem Moment hatte sie gewusst, dass sie sich um das Kind kümmern, es bei sich wie ihr eigenes aufnehmen wollte. Keine Sekunde lang hatte sie gezögert, als Xenos fragte, wer das Kind haben wolle.

Sie war die Einzige gewesen, die sich meldete, und der Zirkelleiter hatte es ihr übergeben.

Jetzt schlummerte das kleine Mädchen friedlich auf Mertins Armen und nur das Gesichtchen war zwischen dem Stoff zu erkennen. Es zerriss Miara schier das Herz, als sie das unterernährte Kind betrachtete.

Was hatte es bloß durchmachen müssen? Hilflos ausgeliefert den verdorbenen Mächten dieses Schwarzmagiers, der es durch halb Altra geschleppt hatte und wer weiß was mit ihm angestellt hätte, wäre er nicht gefasst worden.

Warum er es nicht getötet hatte, hatte der verdreckte Mann nicht gesagt. Er hatte sowieso kaum den Mund aufgemacht, sondern die gesamte Verhandlung stumm und ohne jegliche Gefühlsregung über sich ergehen lassen. Womöglich war ihm bewusst gewesen, dass er mit dem sicheren Tode rechnen musste.

Doch Xenos hatte ihn lediglich verbannt. Warum? War ihm der Schwarzmagier womöglich bekannt? Oder hegte er gewisse Sympathien für ihn? Bei diesem Gedanken musste Miara fast auflachen. Xenos und Sympathien für jemanden … Wohl kaum.

Viel wahrscheinlicher war, dass es lediglich an einer Laune des kaltherzigen Zirkelleiters lag. Sie konnte Xenos nicht ausstehen und war froh, als er vor einigen Minuten den Gerichtssaal verlassen hatte.

»Du bist dir bewusst, welche Verantwortung das mit sich bringt?«, flüsterte Mertin ihr ins Ohr und holte sie aus ihren Überlegungen zurück in die Gegenwart.

Miara zuckte mit den Schultern. »Das Mädchen hat ein schönes Leben verdient. Ein Leben, das wir beide ihm bieten können. Wir werden es lieben, als wäre es unser eigen Fleisch und Blut.«

Sie erhob sich, um mit den anderen Zuschauern zusammen den Saal zu verlassen.

Viele Menschen hatten an der Verhandlung teilgenommen, vor allem auch ein paar der älteren Magierschüler, die sich offenbar die Gelegenheit, einen Schwarzmagier zu sehen, nicht entgehen lassen wollten.

All diese Menschen drängten nun zum Ausgang.

Miaras Blick fiel auf einen jungen blonden Elfen, der sich, umgeben von einer Horde Soldaten, gerade einen Weg zur breiten Flügeltür bahnte. Er war der einzige Elf, dem sie je begegnet war. Warum er an der Verhandlung teilgenommen hatte, wusste Miara nicht und es war ihr auch gleichgültig. Die Elfen galten als reserviertes Volk, das sich selten mit Menschen abgab. Ihr Mann Mertin war da ganz anders – er hatte sogar schon die Städte der Elfen besucht. Aber Miara hatte sich noch nie für deren Kultur oder Geschichte interessiert.

Schon hatten die meisten Menschen den Saal verlassen, da entstand ein plötzlicher Tumult in der Nähe des Ausgangs.

Miara stellte sich auf die Zehenspitzen, um über den Köpfen der anderen Zuschauer, die ihr die Sicht zum Ausgang versperrten, etwas sehen zu können.

Flüche wurden laut sowie Rufe. Sie hörte, wie eine der Wachen ihr Schwert aus der Scheide zog, und dann stand er plötzlich wieder in der breiten Flügeltür zum Saal. Der Schwarzmagier.

Seine verfilzten schwarzen Haare hingen ihm verdreckt über das Gesicht und sein dunkler Blick war dem Wahnsinn nahe. Trotzdem richtete er ihn nun mit einer Zielsicherheit auf Miara, die sie frösteln ließ. Die Wachen hatten seine Ketten wohl losgelassen, daher kam er nun einige Schritte auf sie zu und sie wich unwillkürlich zurück. Die Menschen, die sich noch im Saal befanden, verließen diesen so rasch wie möglich und machten dem Schwarzmagier Platz, ließen ihn zu ihr durch. Die Soldaten schienen zu ängstlich zu sein, ihn aufzuhalten.

Miara fühlte, wie sich Mertin neben ihr anspannte, und sah aus dem Augenwinkel, wie er das Mädchen sorgsam hinter sich auf den Boden legte und seinen Dolch zog.

Im Falle eines Kampfes hätte er jedoch keine Chance gegen diesen Magier, der jedem Wesen seine Körperwärme entzog, sobald er seine schwarze Magie wirkte. Er könnte binnen weniger Augenblicke alle verbliebenen Menschen hier im Saal töten. Es gab ein Pulver, das die magischen Kräfte zu bannen vermochte, aber das schien bei einem Schwarzmagier nicht zu wirken. Auch die Ketten konnten ihn nicht aufhalten, da die Soldaten ihn aus Angst losgelassen hatten.

Wie er jemals in die Verbannung geführt werden sollte, würde er nicht freiwillig mitgehen, war Miara ein Rätsel. Aber das war im Moment nebensächlich, denn jetzt stand er vor ihr, überragte sie um fast zwei Köpfe. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien, als er sich zu ihr herunterbeugte und gleichzeitig mit der rechten Hand in seinen Umhang griff.

Die eisernen Ketten an seinem Handgelenk klirrten bei dieser Bewegung und ein übler Geruch nach Fäkalien und abgestandenem Dreck drang in ihre Nase, sodass Miara automatisch die Luft anhielt.

Der Blick des Fremden glitt prüfend über ihr Gesicht, ehe er ein silbernes Kästchen aus seinem Umhang zog und es ihr reichte.

»Hier«, sagte er und Miara erschauderte unter seiner tiefen Stimme. »Das ist für das Mädchen. Gib es ihr, sobald sie achtzehn Jahre alt ist.«