All meine Sehnsucht - Melany de Isabeau - E-Book

All meine Sehnsucht E-Book

Melany de Isabeau

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Beschreibung

Diese Buch ist eine Liebesgeschichte. Romantisch - Spannend - und auch ein wenig sentimental....

Das E-Book All meine Sehnsucht wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Schloss, Liebe, Traurig, Sehnsucht, Komtess

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All meine Sehnsucht

Oben am Fenster vom Bergschloss – Klinkengrund stand eine einsame Gestalt und sah mit müden Augen in die Nacht hinaus. Der Schlossherr rührte sich nicht, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Qual.

Jetzt strich er sich über die Augen und seufzte tief. Seine Gedanken weilten in der Vergangenheit. Er hatte sie sehr geliebt, seine schöne Frau, die so plötzlich auftauchte und in sein Leben trat. Sie war zwar arm, aber dennoch von bezaubernder Schönheit gewesen. Graf Wolf von Klinken hatte sich sofort in sie verliebt. Schon kurze Zeit später war er mit ihr verlobt, und er, der so stolz auf seine Abstammung war, war so sehr verliebt, dass er nicht nach ihrem Woher und Wohin fragte. Sie war da, sie liebte ihn und damit war alles andere für ihn gleichgültig geworden. Trotz der warnenden Worte seiner Freunde machte er sie zu seiner Gattin, und es schien, als ob das Glück Dauergast auf Bergschloss Klinkengrund bleiben würde. Das Kind wurde geboren, ein Mädchen, und der Graf war überaus glücklich.

Aber dann wurde plötzlich alles anders. Ein fahrender Sänger stand eines Tages auf dem Schlosshof, und schon beim ersten Klang der Stimme sprang die Frau mit schneeweißem Gesicht von ihrem Stuhl auf, setzte das Kind, welches sie auf ihrem Schoß hatte, zu Boden und ging, wie von einer jedoch, unsichtbaren Macht getrieben hin zum Fenster. Befremdet war nun der Gatte neben sie getreten.

Eigenartig, er singt dasselbe Lied, das auch du fast jeden Tag, immer singst“, hatte er ihr ahnungslos erklärt und wunderte sich nur, über den starren Ausdruck in ihren schönen schwarzen Augen. Und dann sah er sie ein paar Tage später mit dem fremden Sänger zusammen, der mit seinem braunen Gesicht und den flammenden Augen einen bestechenden Eindruck machte. Willenlos lag sie in seinen Armen. Es hatte eine furchtbare Szene gegeben, dann war der Graf wütend davongestürzt. Er hatte seine Frau nie mehr gesehen.

Sie war mit dem anderen fortgegangen und hatte sogar ihr kleines Kind im Stich gelassen. Wolf von Klinken aber vergrub sich in seinem Zimmer und wurde ein Sonderling, der nur noch in seinen Büchern Vergessen fand. Um sein Kind kümmerte er sich kaum noch. Nur selten bekam die kleine Christina den Vater jedoch zu Gesicht, und wenn sie ihm einmal gegenübersaß, dann wich sie scheu seine Fragen aus und war dann froh, wenn sie diesen abwesenden dreinblickenden Augen wieder entfliehen konnte. Wild und unbeaufsichtigt wuchs das Kind heran, war aber schon mit zehn Jahren von bezauberndem Liebreiz. Christina hatte das silberblonde Haar der Klinken, aber die großen schwarzen Augen der Mutter geerbt, die jedoch dunkel und geheimnisvoll wie ein klarer, tiefer, Bergsee schimmerten. Das kleine Gesichtchen hatte eine natürliche Bräune, und wenn sie lachte, dann zeigten sich zwei Grübchen in den runden Wangen. Das ales hatte der Mann mit scherzlicher Bitterkeit festgestellt und ahnte dunkel, dass sie später einmal sehr der Mutter gleichen würde, und es gab ihm einen schmerzhaften Stich. Dumpf schlug eine Uhr im Zimmer. Der grübelnde Mann schrak zusammen und wandte sich vom Fenster ab. Er hatte die schlanke Gestalt unter seinem Fenster nicht wahrgenommen, hatte auch die großen hellem Augen nicht gesehen. Die ihn unverwandt und abwartend anblickten.

Erst als das Licht in seinem Zimmer erlosch, huschte der wohl fünfzehnjährige Junge aus seinem Versteck hervor und glitt lautlos über den Hof. Vor einem der Fenster blieb er stehen, dann hob er Steinchen auf und pfiff eine Melodie, während er die Steine gegen die Scheibe warf.

Wenige Augenblicke später wurde das Fenster geöffnet, ein blonder Mädchenkopf beugte sich je, hinaus.

Bist du es, Hans-Jürgen, was gibt es denn?“, wisperte eine leise Stimme.

Komm runter, Christina, muss dir was zeigen!“, rief er leise hinauf.

Jetzt, mitten in der Nacht?“, kam es zurück. „Ich habe das Versteck entdeckt, Chris, und wenn du es sehen willst, dann musst du dich schon bequemen“, kam es zurück. Von oben kam ein erfreuter Ausruf, dann ein schnelles Wispern: „Warte, ich bin gleich da!“ Der Junge trat einen Schritt zurück und sah sich mit einem vorsichtigen Blick um, aber alles blieb still. Hans-Jürgen, der Sohn eines Dorfschmieds, konnte es nicht begreifen, wie unbeaufsichtigt das Schloss im Grunde war. Die Dienerschaft tat nur ihre nötigste Pflicht, und da der Herr sich selbst um nichts kümmerte, verfiel das einst so prachtvolle Gebäude immer mehr und ging seinem Untergang entgegen. Der fünfzehnjährige ballte die kräftigen Fäuste, dann sagte er halblaut vor sich hin: „Warte nur, wenn ich die Christina in ein paar Jahren heirate, dann wird hier bestimmt alles anders!“ In diesem Augenblick tauchte am Fenster die schlanke Gestalt des Mädchens auf und schwang sich mit katzenartiger Geschmeidigkeit aus dem Fenster.

Wenige Minuten später stand Christina im Schlafanzug, über den sie nur einen langen, leichten, Mantel geworfen hatte, vor ihm. Hans-Jürgen gab der Freundin ein Zeichen, sich ganz still zu verhalten. Dicht aneinandergeschmiegt saßen die beiden nun und sahen unverwandt auf das niedrige Gebüsch. Plötzlich raschelte es, dann huschte ein Igel hervor, sah sich einen Augenblick je prüfend um, lief wieder zurück, um kurz darauf mit ein paar allerliebsten, kleinen Igelkindern hervorzukommen, die sich laut schmatzend über die Schüssel mit gewässerter Milch hermachten, welches Hans-Jürgen dort hingestellt hatte. Christina kniff dem Freund vor Begeisterung in den Arm, und der hatte Mühe, einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. Wütend sah er sie jedoch an und schnitt eine Grimasse, da er nichts machen konnte, weil die Igel sich dann erschrocken wieder zurückgezogen hätten. Sofort ließ das Mädchen ihn los und streichelte seine Hand. Hans-Jürgen war schnell wieder versöhnt.

Endlich hatten die Kleinen die Schüssel leer, und als Christina, die steif von dem langen Sitzen war, eine ungeschickte Bewegung machte, verschwanden sie blitzschnell wieder in dem Gebüsch. „Schade, nun sind sie fort!“, klagte das Mädchen leise und sah den Freund mit ihren großen, dunklen Augen traurig an. Er lachte verhalten und tröstete sie: „Sie kommen wieder, Chris, denn nun haben sie die Milch probiert und werden jede Nacht Ausschau nach neuer halten.“ „Aber ich kann doch nicht jede Nacht aus dem Fenster steigen“, warf die zehnjährige Christina ein und stand auf. „Brr, hier auf dem Boden ist es aber sehr kalt!“ Er stand nun auf und dehnte seine kraftvolle Jungengestalt. Als er so neben ihr stand, wirkte sie wie eine kleine zerbrechliche Elfe in ihrer mächtigen Zartheit. „Nun aber fix ins Bett!“, murrte er und besah sich kritisch den dünnen Schlafanzug, dann wandte er sich ab und ging mit mit großen Schritten vor ihr her. Christina holte ihn jedoch wieder ein und ergriff seine Hand. „Du, Hans-Jürgen, hast du heute Abend dann auch das Lied gehört – du weißt doch, welchs ich meine?“, flüsterte sie und schmiegte sich unwillkürlich noch fester an ihn.

Wie selbstverständlich legte der Junge den Arm um die zitternde Gestalt, dann nickte er langsam. „Ja, ich habe es gehört, und dein Vater hat die ganze Zeit jedoch am Fenster gestanden“, flüsterte er in demselben Ton zurück. Ernst nickte das Mädchen und sagte seufzend: „Ich kann es einfach nicht vergessen, wie aufgeregt Vater war, als der fremde Sänger vor einem Jahr das Lied auf unserem Hof sang. Vater war außer sich und bekam einen schweren Herzanfall.“

Es war eine Weile still zwischen ihnen, dann fragte das Mädchen wie aus einem Traum heraus:„Als ich das Lied heute hörte, kam es mir so bekannt und vertraut vor, als war es, als ob ich eine weiche Frauenstimme hören würde, die es mir immer sang, wenn ich nicht einschlafen wollte.“

Mit einem Seufzer schmiegte sie sich wieder an ihn und flüsterte: „Ich möchte es auch so gern haben, die Melodie, die Melodie kenne ich, aber nicht den Text. Ich glaube es ist ein Liebeslied, nicht wahr?“ Hans-Jürgen sah angestrengt geradeaus und wusste mit seinen fünfzehn Jahren noch nicht, so genau, was sich ihm so drückend und beklemmend auf die Brust legte. Das unbeschreibliche Gefühl, als müsste er die Arme schützend um die zarte Gestalt legen, verwirrte ihn. Schon häufig hatten beide solche nächtlichen Ausflüge gemacht, und sie hatten es in ihrem kindlichen Sinn als je Selbstverständlichkeit empfunden. Aber heute lag eine geheime Spannung zwischen ihnen, und doch keiner hätte zu sagen vermocht, was sie unwillkürlich dichter aneinanderdrängen ließ. „Ich werde dir die Worte zu dem Lied besorgen, Chris“, versprach er, von dem Wunsch getrieben, ihr eine große Freude zu machen. Strahlend sah sie zu ihm auf, dann legte sie die Arme um seinen Hals und gab ihm einen herzhaften Kuss. „Du bist der beste Freund auf der ganzen Welt“, versicherte sie kindlich und strahlte ihn an. Verlegen machte sich der Junge frei. „Rede keinen Quatsch!“, murrte er und versuchte vergebens, seiner Verwirrung jedoch Herr zu werden. „Nun aber ein bisschen dalli, wenn mein Vater merkt, dass ich ausgekniffen bin, dann kann ich mich auf was gefasst machen!“ Sie waren wieder auf dem Schlosshof angekommen und sahen voller Schrecken auf das hell erleuchtete Fenster und auf die reglose Gestalt, die wieder am Fenster stand und in die Nacht hinaussah. „Vater!“, stieß Christina angstvoll hervor. Auch Hans-Jürgen fühlte, dass ein Schauer ihn überlief.

Plötzlich schrie er auf, und auch Christina hatte die blitzende Waffe gesehen, die der Mann ganz langsam hob und an die Schläfe setzte. Nein – nein!“ Der hallende Schuss vermischte sich mit dem entsetzten Aufschrei der kleinen Komtess, die jetzt auf das Portal zulief und mit ihren kleinen Fäusten dagegen hämmerte. „Vater, aufmachen! Aufmachen – Vater – nein – nein!“, wimmerte das Kind. Hans-Jürgen fühlte, dass ihm die salzigen Tränen über die Wangen liefen, während ein furchtbares Entsetzen in seinem Herzen war. Als er die weinende Freundin in den Armen hielt und mit starren Augen auf den Diener sah, der verwundert die Tür öffnete und ihn sprachlos ansah, da war es dem Jungen, als ob eine entscheidende Wendung in sein Leben getreten wäre. „Haben Sie den Schuss nicht gehört? Der Graf... schnell!“, stieß er hervor und schob den fassungslosen Diener zur Seite. Christina richtete sich in diesem Augenblick auf, ein gellender Aufschrei kam über ihre Lippen, dann jagte sie an dem Diener vorbei die Treppe hinauf, und nur ihr verzweifeltes: „Vater – Vater, war noch zu hören. Hans-Jürgen machte dem erstarrten Diener ein Zeichen, ihm zu folgen, und dann jagte er so schnell er jedoch konnte, hinter dem Mädchen her. Als er das Zimmer des Grafen von Klinken betrat, lag Christina schuchzend über der reglosen Gestalt des Vaters, auf dem Boden. Hans-Jürgens frisches Jungengesicht hatte alle Farbe verloren, als er nun wie ein Träumender auf die Freundin zuging. Wortlos hockte er sich neben sie und streichelte immer wieder den gesenkten blonden Lockenkopf. Christina hob die dunklen Augen voller Verzweiflung zu ihm auf. Mit einem fast lautlosen erstickten Schrei lehnte sie sich an ihn. Betroffen blieb der Arzt stehen, als er die Kinder bei seinem Eintritt gewahrte, die wie verloren neben dem Toten saßen und sich bei den Händen hielten. Die Tage, die nun folgten, waren wie ein wüster Traum für die kleine Komtess. Obwohl der Vater sich nie um sie gekümmert hatte, gab ihr die Gewissheit, dass er im Hause weilte, doch ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit. Aber nun stand sie in hilfloser Verzweiflung den fremden Verwandten gegenüber, die nicht mit harten, abfälligen Worten über den Verstorbenen nicht sparten, der in ihren Augen ein Schwächling gewesen war, da er an einer schlechten Frau zugrunde gegangen war. Tief brannten diese Worte sich in dem kleinen, empfindlichen Herz des Kindes fest. In ihrer Not flüchtete Christina zu Hans-Jürgen, und dann saßen die beiden Kinder mit ernsten Gesichtern im Gras, und Hans-Jürgen hatte seine Fäuste voller Zorn geballt. „Ich werde dich heiraten, Chris, und dann jagen wir sie alle zum Teufel!“, stieß er zwischen den Zähnen hervor. Die kleine Komtss lehnte sich voller Vertrauen an ihn, sah ihn flehend an und fragte: „Wirst du es ihnen sagen, Hans-Jürgen, sonst nehmen sie mich mit in die Stadt, und ich fürchte mich doch so.“ Wie unter einem Schlag zuckte der Junge zusammen und sah sie fassungslos an: „Wer sagt es, dass du mitgehen sollst?“ Leise schluchzte sie auf: „Onkel Heinrich ist nun mein Vormund, Vater hat es in seinem Testament so bestimmt. Er will hier alles verpachten, bis ich erwachsen bin, und solange muss ich zu ihm.“

sie klammerte sich voller Verzweiflung an ihn. „Ich fürchte mich, Hans-Jürgen. Tante und auch Onkel sind so kalt und verachten Vater so sehr. Ich kann ihre Nähe nicht ertragen, kann deren Worte über meinen Vater nicht länger anhören, sie sind ja so gemein, so furchtbar gemein!“ Hans-Jürgen war aufgesprungen. Unbeholfen legte er je seine Hand auf ihren Kopf und sagte rau: „Ich werde mit deinem Onkel sprechen, Chris, ich werde ihn bitten, dass er dich hier lässt, weil ich dich heiraten will.“ Getröstet hob das Mädchen den Blick zu ihm auf.

Keinen Augenblick kam ihr in den Sinn, dass sie doch noch viel zu jung zum Heiraten waren. Hans-Jürgen hatte gesagt, sie würde seine Frau, und der Freund hatte bisher noch immer gehalten, was er ihr versprochen hatte. Hand in Hand traten die beiden Kinder vor den barschen finsteren Onkel, der verwundert die buschigen Augenbrauen hob und hochmütig auf den kräftigen Jungen sah, der furchtlos vor ihm stand. Herr Graf, ich bitte Sie, lassen Sie Christina hier, ich will sie zu meinr Frau machen“, sagte Hans-Jürgen tapfer, obwohl der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Fassungslos blickte der Mann ihn an, dann schüttelte er verblüfft den Kopf. „Du, sage das noch einmal, ich glaube, ich habe nicht recht gehört“, sagte er drohend. Hans-Jürgens kräftige Fäuste umklammerten Christinas kleine zitternde Hand, und dann sagte er bebend: „Ich will Christina heiraten!“ „Sage mal mein Junge, wie alt bist du eigentlich?“ „Ich werde in diesem Monat sechszehn“, kam es stolz zurück. „Soso, sechszehn – und du willst die Christina jetzt schon heiraten? Aber weißt du denn nicht, dass es gar nicht geht? Ihr seid doch noch viel zu jung.“ Offen sahen ihn die Jungenaugen an. „Ja, ich weiß, Herr Graf, aber Christina kann solange bei meiner Mutter in der Schmiede bleiben, bis wir so alt sind, dass wir heiraten können“, kam es zurück. „Hauptsache, sie braucht nicht weg.“ Ein dunkler Zorn stieg in das hochmütige Gesicht des Grafen, dem es einen Augenblick den Atem verschlug, als er hörte, dass dieser Junge ein einfacher Schmiedesohn war. Er hatte ihn für den Sohn eines benachbarten Gutsbesitzer gehalten und war deshalb so leutselig auf seinen Antrag eingegangen. „Ein Schmiedesohn? Und du wagst es, von einer Heirat mit einer Komtess von Klinken, darüber zu sprechen?“

Schneidend lachte er auf und lief erregt hin und her. „Zustände sind das hier!“, hörten die Kinder ihn leise murmeln. „Es ist ganz gut, dass ich jetzt endlich einmal mit eisernem Besen hier ausfegen kann!“ Er blieb jäh vor den Kindern stehen, die ihn aus angstvollen Augen ansahen. „Du gehst sofort auf dein Zimmer, Christina, und wirst es bis zu unserer Abreise nicht verlassen!“ Das Mädchen starrte ihn jedoch an, als ob es ihn nicht verstanden hätte, dann stieß es voller Angst aus: „Nein – ich will nicht fort von hier, ich will hierbleiben bei Hans-Jürgen – ich will nicht mit euch gehen!“ Du hast gesagt, ich brauche nicht fort, Hans-Jürgen – du hast es gesagt“, jammerte sie verzweifelt. Hans-Jürgen wollte schützend den Arm um sie legen, da fühlte er sich von einer harten Hand zurückgerissen. Klatschend schlug der Graf zu. Der Junge taumelte unter diesem Schlag zurück und starrte den zornigen Mann aus funkelnden Augen an. Sie..., haben mich geschlagen, Herr Graf!“, sagte er, und seine Augen flammten förmlich vor Zorn. Betroffen sah der Graf in das verzerrte Jungengesicht, aber dann hatte der Mann den Bann schon wieder von sich geschüttelt. „Raus!“, sagte er heiser. „Raus! Und merke dir eines für dein ganzes Leben: Nie wirst du meine Nichte heiraten, du eingebildeter Lausejunge, denn ein Schmiedegesell ist nicht würdig, einer Komtess die Stiefel zu putzen!“

Hans-Jürgen Boche stand dem tobenden Grafen gegenüber, und fast schien es, als ob der stolze Junge unter den verächtlichen Worten des anderen um Jahre gereift wäre. Ein harter Zug lag jetzt um den jungen Mund. Dann wandte der Junge sich jäh herum und eilte mit bleichem Gesicht aus dem Zimmer. Die kleine Komtess stand wie erstarrt, noch hatte sie den Sinn der beleidigenden Worte ihres Onkels nicht voll begriffen, aber das der Onkel dem Freund weh getan hatte, das hatte sie an seinem bleichen Gesicht und an seinen Augen erkannt. Christina jagte dem Freund hinterher und hatte ihn schnell eingeholt. Hans-Jürgen“, bettelte sie und hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. „Hans-Jürgen – bleib doch stehen, ich kriege keine Luft mehr!“ Nun erst verlangsamte der Junge seinen Schritt, warf einen schnellen Blick in das erregte Gesicht des Mädchens und blieb dann stehen. „Komm setz dich!“, sagte er kurz und zeigte auf den Wegrand. Gehorsam setzte Christina sich zu ihm. Nu hockten sie zusammen und hielten sich an den Händen wie zwei verängstigte Kinder, die keinen Ausweg mehr sahen. Aus dem nahen Wald lösten sich ein paar Gestalten und kamen schnell näher. Lachen und Scherzen klang zu den Kindern herüber. Verwundert hoben sie den Kopf und sahen den Ankommenden je entgegen. Dicht vor ihnen löste sich plötzlich eine wundervolle, geschmeidige Gestalt von den anderen und kam auf die Kinder zu. „Du weinst, Kind?“, hörte Christina eine weiche Stimme sagen, die sie eigenartig berührte. Wie unter einem Zwang hob sie den Blick zu der fremden Frau, sah das bunte Gewand, die langen schwarzen Haare und das gebräunte Gesicht mit den machtvollen Augen, das ihr so sonderbar bekannt und vertraut war. Mit einem feinen Lachen wandte die Frau sich nun an den Jungen, und fragte ihn: Hast du dich mit deiner Schwester gestritten?“ Abwehr trat in die hellen Jungenaugen, und Hans-Jürgen wäre am liebsten je aufgesprungen und mit Christina vor dieser Frau geflohen, vor der ihn eine innere Stimme warnte. „Sie ist nicht meine Schwester, sie ist meine Freundin, die Komtess von Klinken“, sagte er abweisend. In den dunklen Augen der Frau zuckte es einen Augenblick auf, das braune Gesicht verzerrte sich für Sekunden, dann aber hatte sie sich schon wieder gefasst. Eine Komtess? Und dann so traurig?“ Ein werbender weicher Klang lag jedoch in der dunklen Stimme. „Kann dein Vater dir den Kummer nicht vertreiben?“ Eine ungeheure Spannung lag in dieser Frage, und wenn die Kinder nicht so mit sich selbst beschäftigt gewesen wären, so wäre der aufgeweckte Hans-Jürgen bestimmt aufmerksam geworden. Das Mädchen hob die Schultern und stieß schluchzend, mit Tränen in den Augen hervor: „Mein Vater ist tot, und nun will mein Onkel, dass ich mit ihm in die Stadt gehe!“ „Tot?“,entfuhr es der Frau betroffen. Einen Augenblick senkte sie