All the Pieces of My Heart - Amy Harmon - E-Book + Hörbuch

All the Pieces of My Heart Hörbuch

Amy Harmon

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Beschreibung

Die Liebe war schon immer da ...

Seit ihrer Kindheit waren Mercedes und Noah unzertrennlich. Auch als Cora dazukam, die wunderschön und zerbrechlich war und in jedem den Wunsch weckte, sie zu beschützen. Und weil Cora Noah liebte, verleugnete Mercedes ihre Gefühle für ihn. Seitdem war sie beste Freundin, Brautjungfer, Patentante, der Fels in der Brandung für die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben - bis zu dem Augenblick, als das spröde Fundament ihrer Welt in sich zusammenbricht ... Auch jetzt ist Mercedes für Noah da, doch ihre wahren Gefühle zu offenbaren erscheint nun noch viel unmöglicher als zuvor ...

"Atemberaubend! Es fällt schwer, in Worte zu fassen, wie intensiv und mitreißend diese Geschichte ist. Wenn man am Ende angekommen ist, hat es einen komplett umgehauen!" ANGIE'S AND JESSICA'S DREAMY READS

Der Abschlussband der LAWS-OF-LOVE-Trilogie

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Zeit:13 Std. 3 min

Sprecher:Victoria Schätzle

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Motto

Prolog

1

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3

4

5

6

7

8

9

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Amy Harmon bei LYX

Impressum

AMY HARMON

All the Pieces of My Heart

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver

ZU DIESEM BUCH

»Bist du in Noah verliebt?«

»Ha! Nein. Nicht auf diese Weise. Niemals auf diese Weise. Noah ist wie mein Bruder. Nein.«

Mercedes und Noah waren beste Freunde seit ihrer frühen Kindheit. Unzertrennlich. Auch als Cora dazukam. Cora, die wunderschön und zerbrechlich war, die in jedem den Wunsch weckte, sie zu beschützen. Und weil Cora Noah auch liebte, log Mercedes ihre Freundin an – obwohl sie wusste, dass sie Noah damit verlieren würde. Ab da war sie Freundin, Brautjungfer, Patentante. Sie war stets der Fels in der Brandung für ihre beiden besten Freunde. Bis Cora eines Tages aus ihrem Leben gerissen wird. Mercedes tut, was sie immer getan hat – sie ist für Noah und seine kleine Tochter da –, aber sie merkt schon bald, dass die Fassade, die sie so viele Jahre aufrechterhalten hat, immer brüchiger wird. Ihre Liebe zu Noah war immer lebendig in ihrem Herzen, aber jetzt, da sie sich in ihrer Trauer näherkommen als je zuvor, droht sie Mercedes innerlich zu zerreißen. Denn nun erscheint es ihr noch unmöglicher, Noah ihre wahren Gefühle zu offenbaren.

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Am Ende sind nur drei Dinge wichtig:

Wie sehr man liebte,

Wie sanft man lebte

Und wie würdevoll man die Dinge losließ,

die nicht für einen bestimmt waren.

Unbekannt

PROLOG

Es war eine große Lüge. Die größte Lüge, die sie je erzählt hatte. Sie hallte in ihrem Kopf nach, während sie sie aussprach, und klingelte auf unheimliche Weise. Und das Mädchen hinter ihren Augen – das Mädchen, das die Wahrheit kannte – schrie, und sein Schrei schallte begleitend zum Klang der Lüge.

»Bist du in Noah verliebt, Mercedes?«, fragte Cora. »Ich meine … Ich weiß, dass du ihn liebst. Ihr seid schon seit Ewigkeiten befreundet. Das sind wir alle. Aber bist du in ihn verliebt?«

Seitdem hatte sich Mercedes gefragt, ob ihre Antwort anders ausgefallen wäre, wenn sie Cora in diesem Moment von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hätte. Wenn sie in ihre großen blauen Augen geschaut hätte, während sie die Frage beantwortete. Sie war sich nicht sicher, ob sie in der Lage gewesen wäre, die Wahrheit vor ihr zu verbergen. Cora kannte sie zu gut. Aber Mercedes hatte sich auch selbst sehr lange belogen und war gut darin. Sie war das mächtige Pokerface, das toughe Mädel, die freche Latina, und Cora liebte Noah ebenfalls. Sie war in Noah verliebt.

Also log Mercedes.

»Ha! Nein. Nicht auf diese Weise. Niemals auf diese Weise. Noah ist wie mein Bruder. Nein.« Mercedes hörte die Lüge in der Art, wie sich ihr Akzent plötzlich bemerkbar machte, als sie »niemals« sagte. Er schlich sich ebenso in dieses Wort wie in das Wort »Bruder« und betonte die Falschheit. Zu Hause sprach Mercedes kein Englisch, aber sie beherrschte es fließend, und ihr Akzent meldete sich nur dann zu Wort, wenn sie es wollte. Oder wenn sie Schwachsinn redete. Mercedes war nicht selbstlos. Noah hatte sie geküsst, und sie hatte den Kuss erwidert. Sie dachte ständig an ihn. Morgens, mittags und abends. Wenn es irgendjemand anders gewesen wäre – irgendjemand –, hätte sie die Brust vorgereckt, ihre dünnen Ärmchen davor verschränkt und ihre Gefühle verkündet. Sie hätte ihn für sich beansprucht. Ja, das hätte sie getan.

Aber es war Cora. Die tapfere, schöne, gebrochene Cora.

Wenn Mercedes Noah und Cora zusammen beobachtete, wirkten sie richtig. Sie passten zusammen. Cora war schon immer größer als alle Jungs gewesen, aber sie war nicht größer als Noah. Noah wuchs in seinem zweiten Jahr auf der Highschool fünfzehn Zentimeter, sodass er mit knapp eins neunzig über allen anderen aufragte. Und er und Cora waren wie schlanke Bäume, die auf einen Wald aus Sprösslingen hinunterschauten. Auch auf Mercedes sahen sie mit ihrer lieblichen Güte herab. Mercedes wuchs im zweiten Schuljahr ebenfalls ein paar Zentimeter und erreichte eine Größe von knapp eins sechzig. Sie war dankbar, dass sie wenigstens das geschafft hatte, denn ihre Mutter Alma maß gerade mal einen Meter fünfzig, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Und Oscar, ihr Papi, hatte in seinen Träumen nicht ganz die eins siebzig erreicht.

Coras schlanker Körper und wonniges Gemüt ergänzten Noahs drahtige Größe und beschauliche Natur. Noahs Augen waren die traurigsten, klügsten Augen, die Mercedes je gesehen hatte. Seine Augen waren schon immer so gewesen. Die gewellten braunen Locken, die ihm in die Stirn fielen und sich in seinem Nacken kräuselten, ließen sein kantiges, scharf umrissenes Gesicht weicher wirken. Einmal, im Sommer vor dem Wechsel in die achte Klasse, hatte er sich die Haare raspelkurz geschnitten. Er hatte so nackt und seltsam ausgesehen, dass Mercedes ihm das Versprechen abverlangt hatte, es nie wieder zu tun. Ihn so zu sehen, hatte ihr Angst eingejagt. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass in ihm nichts Kindliches mehr verblieben war, so als hätte es diese Seite von ihm nie gegeben. Doch wenn Cora in der Nähe war, wirkten Noahs Augen nicht mal ansatzweise so traurig und klug. Aber die Liebe macht eben aus allen Narren.

Mercedes kannte Noah zuerst. Das hätte sie sagen können. Sie hätte behaupten können, dass er ihr zustand, weil sie ihn bereits vor Cora gekannt hatte. Sie begegneten sich, als sie acht Jahre alt waren, zwei Jahre bevor Cora in die Drei-Amigos-Wohnanlage gezogen war. Er hatte an der Tür seiner Wohneinheit gelehnt und mit einem Jo-Jo gespielt. Seine Knie waren knubbelig gewesen, und seine Shorts hatten zu kurz gewirkt, so als wäre er nie in die Breite, sondern immer nur in die Länge gewachsen und hätte sie seit seinem vierten Lebensjahr getragen.

»Hi«, hatte Mercedes ihn gegrüßt. Ihre Augen waren auf die umherspringende Schnur und auf sein Handgelenk gerichtet gewesen, das er so geschickt bewegt hatte. Selbst damals hatte er über eine solche Geduld, über eine solch ruhige Beherrschung verfügt …

Er hob den Blick. In seinen Augenwinkeln blitzte ein Lächeln auf, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf das glänzende rote Jo-Jo mit der schmutzigen Schnur richtete.

»Hallo«, erwiderte er leise.

»Ich bin Mercedes. Du kannst mich Sadie nennen. Ich wohne dort drüben.« Sie deutete auf die Tür auf der anderen Seite des Flurs.

»Mercedes? Wie das Auto?«

»Ist es ein cooles Auto?«, fragte sie.

»Ein teures.«

»Tja dann, ja. Genau wie das Auto.« Mercedes nickte ernst. Teuer war gut.

»Ich bin Noah.«

»Wie der Typ mit der Arche?«, fragte sie.

Er ließ das Jo-Jo in seine Hand schnellen, ließ es aber nicht wieder los. Er runzelte die Stirn, während er sie betrachtete.

»Welchen Typen meinst du?«

»Du weißt schon. Er hatte eine große Arche und brachte die Tiere darauf, weil die Welt überflutet werden würde. Der Typ, der für Regenbögen verantwortlich ist.«

»Von dem habe ich noch nie gehört.« Er hatte die Augen weit aufgerissen. »Wie viele Tiere rettete er?«

Mercedes lachte verwirrt. Alle kannten doch die Geschichte der Arche Noah, oder? Sie war mit der Arche Noah und Daniel in der Löwengrube und Moses, der das Rote Meer teilte, aufgewachsen. Sie kannte alle Bibelgeschichten. Die Bibel war das einzige Buch, das ihre Großmutter – ihre Abuela – ihr je vorlas. Sie hatten sogar ein Bild vom Papst an der Wohnzimmerwand. Und über der Toilette hing die Jungfrau Maria, unter der auf dem Spülkasten kleine Kerzen standen. Abuela bestand darauf, weil das der einzige Ort in der Wohnung war, an dem sie genug Privatsphäre fürs Beten fand.

»Er rettete alle Arten. Zwei von jeder. Ein Mädchen und einen Jungen.«

»Und der Regenbogen?«

»Gott versicherte Noah, dass er die Erde nie wieder überfluten würde, und gab ihm einen Regenbogen als Versprechen.«

»Hm. Cool. Wie lange ist das her?«

»Ganz, ganz lange. Etwa dreihundert Jahre oder so.« Mercedes grübelte vor sich hin. Ihr gefiel, wie es sich anfühlte, die Antworten auf seine Fragen zu kennen. Da sie die Jüngste in ihrer Familie war – einer Familie, die aus ihr und ihren Eltern, ihrer Großmutter mütterlicherseits, einer Tante und zwei älteren Cousins bestand, die sich alle eine kleine Wohnung mit drei Schlafzimmern teilten –, hörte ihr nie jemand zu. Das Zusammenleben war beengt, und Mercedes war ein geliebter, aber auch etwas lästiger Störfaktor.

»Hm.« Noah wirkte plötzlich skeptisch. »Was, wenn eins der Tiere gestorben wäre?«

Mercedes verstand nicht so recht, warum er diese Frage stellte, also zuckte sie mit den Schultern.

»Was, wenn das Tigerweibchen gestorben wäre? Oder das Löwenmännchen?«, beharrte er.

Oh. Nun begriff Mercedes, worauf er hinauswollte. Man musste ein Männchen und ein Weibchen haben, damit es ein Baby geben konnte. So viel hatte ihr Abuela erklärt.

»Ich schätze, dass sie nicht gestorben sind, denn heute gibt es ja immer noch Löwen und Tiger, nicht wahr?«

»Hmm. Vielleicht sind deswegen die Dinosaurier ausgestorben«, überlegte er und rieb sich das Kinn.

»Die hätten sowieso nicht auf die Arche gepasst, zumindest nicht der Brontosaurus«, fügte Mercedes weise hinzu.

»Also nur zwei von jeder Art?«, hakte er nach.

»Ja. Nur zwei.«

Nur zwei.

Und Cora und Noah waren ein Paar. Ein schönes Paar.

Also log Mercedes.

Und mit dieser Lüge ließ sie ihn gehen.

1

1985

»Was macht sie da?«, flüsterte Mercedes. Ihre Stimme war von Staunen erfüllt, aber nicht kritisch. Noah neigte betroffen den Kopf. Er war sich nicht sicher, dass er es wusste.

»Sie redet mit jemandem«, erwiderte er ebenfalls im Flüsterton.

»Aber da ist doch niemand«, beharrte Mercedes.

Sie beobachteten das Mädchen, ein zartes Geschöpf aus blassen Gliedmaßen und feuerrotem Haar, während es herumwirbelte und auf theatralische Weise mit jemandem redete, den sie nicht sehen konnten.

»Sie ist so hübsch«, flüsterte Mercedes. »Sie sieht wie eine Fee aus, die ihre Flügel verloren hat.«

»OderihreMurmeln«,brummteNoah.ErarbeitetesichdurcheinenStapelausBibliotheksbüchernundhattesichauseinerLauneherausPeter PanvonJ.M.Barrieausgeliehen.Eswarbesser,alsererwartethatte.DasrothaarigeMädchenerinnerteihnirgendwieanTinkerbell,wennersodarübernachdachte.AnTinkerbelloderanTootles,denverlorenenJungen,demseineMurmelnabhandengekommensind.Wiesichherausstellte,warendieMurmelnTootlesglücklicheGedanken.VielleichtversuchtedasMädchen,seineglücklichenGedankenzufinden.NoahschautezuMercedeshinunter,dieganzfasziniertnebenihmstand.SiewirktevondemrothaarigenMädchenvollkommenbezaubert.

»Ihr Name ist Cora«, sagte Noah und hoffte, dass Mercedes ihn nicht zurücklassen würde. Wenn sie nun ein gleichaltriges Mädchen zum Spielen hatte, würde Mer ihn nicht mehr brauchen. »Sie wohnt in 5B.«

»Ist sie älter als wir? Sie sieht älter aus«, meinte Mercedes und rümpfte die Nase.

»Nein. Sie ist auch zehn.«

»Hast du mit ihr geredet?«

»Nein. Als ich sie gestern sah, weinte sie.« Ihre Tränen hatten dafür gesorgt, dass Noah kehrtmachen und davongehen wollte. Seitdem fühlte er sich deswegen schlecht. Er hatte ihr ein wenig Privatsphäre geben wollen. Doch er hätte sie fragen sollen, ob alles in Ordnung war.

»War sie verletzt oder traurig?«

»Traurig, glaube ich. Mit ihrem Dad stimmt etwas nicht«, sagte Noah.

»Woher weißt du das alles, wenn du nicht mir ihr geredet hast?«, fragte Mercedes misstrauisch.

»Meine Mom hat mit ihrer Mom geredet.«

»Deine Mom … hat geredet?« Mercedes starrte ihn mit offenem Mund an. Noahs Mom – Shelly – verließ das Haus nur selten bei Tag. Sie arbeitete nachts im Archiv des Krankenhauses, wo sie mit reihenweise Akten und einem großen Schlüsselbund ganz allein war. Noah fand, dass das Krankenhaus nachts friedlich war. Mercedes hingegen war der Meinung, dass das gruselig klinge. Seine Mutter schlief tagsüber und hatte immer dunkle Ringe unter den Augen. Mercedes hatte sie noch nie ein Wort sagen hören. Noah sprach für sie, wenn Mer bei ihnen war.

»Vermutlich hat meine Mom einfach nur zugehört«, berichtigte Noah, doch Mercedes achtete gar nicht mehr auf ihn. Sie beobachtete das Mädchen, Cora, mit einem entzückten Lächeln.

»Sie spielt ein Spiel, bei dem sie so tut als ob«, krähte Mercedes, als hätte sie das Rätsel gelöst. »Vielleicht lässt sie uns mitspielen.«

IndiesemAugenblickdrehtesichdasMädchenumundsah,dasssieesbeobachteten.Eslächelte,undNoahstocktederAtem.CorasLächelnwarwieSonnenschein,warmundstrahlendundeinladend.Siewinkteihneneifrigzu,soalswärensiesichbereitsbegegnetundsiehättedaraufgewartet,dasssiesichihranschlossen.

»Komm schon, Noah«, sagte Mercedes. Sie packte seine Hand und zerrte ihn mit sich. »Sie wird unsere Freundin sein.«

2004

Cora stand derangiert und planlos auf Mercedes’ Türschwelle und stützte ihre einjährige Tochter Gia auf ihre Hüfte. Ihr Haar hing ihr in leicht zerzausten karmesinroten Strähnen bis zur Taille. Ihre Strandfrisur. Sie war nicht geschminkt, unter ihren blauen Augen prangten dunkle Ringe, und die Sommersprossen traten auf ihren blassen Wangen stark hervor. Doch sie war immer noch schön – schlank und groß, mit schmalen Hüften und kleinen Brüsten. Sie hatte darüber nachgedacht, Model zu werden, bis ihr klar geworden war, dass eine Modelkarriere bedeuten würde, Noah und Mercedes verlassen zu müssen. Einst waren sie alle drei unzertrennlich gewesen. Sie hatten ihre Ängste und Unsicherheiten miteinander geteilt. Sie hatten ihre Kindheit miteinander geteilt. Was auch immer es war, es hatte sie fest zusammengeschweißt.

Cora setzte Gia ab und beobachtete, wie sie mit wackeligen Schritten quer durch Mercedes’ Wohnzimmer tapste und auf die Couch zuhielt. Dort klammerte sie sich fest und warf einen triumphierenden Blick über ihre Schulter, als wollte sie sagen: »Habt ihr das gesehen?«

Mercedes klatschte und hob sie hoch.

»Du läufst! Sie läuft, Cora!« Mercedes tanzte mit Gia umher, die kicherte, ein Bäuerchen machte und dann wieder kicherte.

»Sie hat gerade gegessen, Sadie. Wirbele sie nicht so wild herum, sonst landet der Inhalt ihres Fläschchens auf deinem Oberteil«, warnte Cora. Mercedes setzte Gia ab, gab ihr Halt und wich dann zurück. »Komm zu mir, Gia. Komm zu mir!« Gia wankte wie ein Zombie mit ausgestreckten Armen und steifen Beinen auf ihre Patentante zu.

»Wann ist das passiert?«, kreischte Mercedes und hob sie wieder hoch. »An ihrem Geburtstag krabbelte sie noch, und jetzt das!« Mercedes war am Boden zerstört, dass sie den Übergang verpasst hatte. Gia war vor zwei Wochen ein Jahr alt geworden. Mercedes hatte mit einigen ihrer Freude eine Party veranstaltet und so viele pinkfarbene Ballons organisiert, dass ihr Wohnzimmer wie eine Schaumbadwerbung ausgesehen hatte.

»Vor ein paar Tagen. Noah drehte sich um, und sie folgte ihm«, berichtete Cora.

»So groß!«, krähte Mercedes. »So klug. So ein kluges Mädchen!«

Cora verlagerte ihr Gewicht und lungerte in der Nähe der Tür herum. Sie wirkte erschöpft. Mitgenommen.

»Tja, sie hat gegessen, aber was ist mit dir und mir? Wohin sollen wir zum Mittagessen gehen?«, fragte Mercedes und küsste Gias Hals, woraufhin sich das keine Mädchen wand und von ihrem Arm herunterwollte.

»Eigentlich habe ich einen Arzttermin. Tut mir leid. Ich hatte ihn für heute gemacht, weil ich dachte, dass ich dich bitten könnte, auf sie aufzupassen. Und dann habe ich es komplett vergessen. Kann sie für ein oder zwei Stunden hierbleiben? Das ist nicht so lustig, wie irgendwo zu Mittag zu essen, aber mal ehrlich … Gia ist echt anstrengend, und wir würden sie ohnehin nur quer durchs ganze Restaurant jagen.«

»Klar. Kein Problem. Geht es dir gut, Cora?«

»Ja. Alles in Ordnung. Nur eine Nachsorgeuntersuchung ein Jahr nach der Geburt. Kein Grund zur Beunruhigung. Ich könnte sie mitnehmen, aber … sie stürzt sich auf alles … und …« Da war etwas in ihrem Tonfall, eine gewisse Teilnahmslosigkeit, die dafür sorgte, dass Mercedes ihr nicht glaubte. Cora war nicht einfach gestrickt. Sie war sehr komplex, versteckte sich aber vor ihrer Komplexität, indem sie die ganze Welt banal anlächelte und jeden glauben ließ, dass sie nichts im Kopf hatte.

»Ich werde dich begleiten und mit Gia im Wartezimmer bleiben, während du deine Untersuchung hast. Und wenn du fertig bist, gehen wir aus. Oder wir können auch hierher zurückkommen und etwas essen. Ich schneide dir die Spitzen und entferne dir mit Wachs alle unerwünschten Haare«, bot Mercedes an und wackelte dabei mit den Augenbrauen. Die Menschheit zu verschönern war ihre Gabe und ihr Ziel.

»Wow. Mit Wachs. Das klingt wirklich verlockend, Sadie«, erwiderte Cora mit ausdrucksloser Miene. »Ich verzichte.«

»Ich werde dir auch eine Pediküre verpassen. Wenn ich fertig bin, wirst du dich wie eine neue Frau fühlen. Nichts fühlt sich so gut an, wie von Kopf bis Fuß hübsch zu sein.«

»Das wäre nett. In letzter Zeit fühle ich mich nicht sehr hübsch.« Coras Lächeln war schwach. »Aber für dich besteht kein Grund, mich zum Arzt zu begleiten. Du und Gia habt es hier viel schöner. Ich komme zurück, sobald ich fertig bin, und dann darfst du dich an mir austoben. Ich kenne dich. Du wirst mir keine Ruhe lassen, bis ich nachgebe.«

»Richtig. Das werde ich nicht. Und, Cora?«

Cora wandte den Blick ab. »Ja?«

»Du würdest es mir doch erzählen, wenn etwas nicht in Ordnung wäre, oder?«, drängelte Mercedes.

Cora blickte zur offenen Tür hinaus, als müsste sie los.

»Bist du spät dran?«, fragte Mercedes. Cora neigte dazu, entweder sehr spät oder sehr früh dran zu sein, so als wäre ihre innere Uhr immer verstellt.

»Nein. Nein, ich habe noch Zeit«, sagte sie. Doch sie blieb in der Nähe der Tür und behielt die Augen auf das Licht gerichtet, das von draußen hereinströmte. »Wenn mir etwas zustoßen sollte … würdest du dich doch um sie kümmern, nicht wahr, Sadie?«, fragte sie.

»Wovon redest du da?«, keuchte Mercedes und starrte ihre Freundin mit offenem Mund an.

»Ach nichts. Ich habe nur laut gedacht. Das sind die Hormone. Ignorier mich einfach.« Cora versuchte zu lächeln.

»Hormone hin oder her … du jagst mir Angst ein.«

Cora wedelte mit einer Hand herum, als wollte sie die Worte verscheuchen. »Es geht mir gut. Ich bin nur wirklich müde. Ich habe so lange nicht mehr durchgeschlafen, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie es sich anfühlt, nach einer erholsamen Nacht ausgeruht zu sein. Die meiste Zeit über ist es, als wäre ich in einem Nebel gefangen.«

»Stillst du Gia nachts immer noch?«

»Nein. Ich habe sie abgestillt.« Ihr Mund zitterte, und Mercedes’ Besorgnis nahm weiter zu.

»Das ist gut, oder?«, fragte Mercedes sanft. »Du wirst besser schlafen, wenn du nicht aufstehen musst, um sie zu stillen. Und sie ist jetzt ja schon über ein Jahr alt.«

Coras Augen füllten sich mit Tränen. Sie nickte hastig und wischte sich dabei über die Augen. »Das ist gut. Ich kann meine Medikamente wieder nehmen, ich werde meinen Körper zurückhaben, und vielleicht wird Noah dann auch seine Frau zurückbekommen. Ich bin keine sehr gute Ehefrau gewesen. Aber ich bin traurig, dass es vorbei ist. Ich habe es geliebt, sie zu stillen.«

Mercedes nickte, da sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie war nie Mutter gewesen, hatte nie ein Kind gestillt und auch nie das Gefühlschaos erlebt, von dem sie sicher war, es sei für das erste Jahr typisch.

»Ich mache mich besser auf den Weg.« Cora lehnte sich nach unten, bis ihr Gesicht über dem Kopf ihrer Tochter schwebte. Sie küsste Gias flaumiges Haar und sagte: »Ich liebe dich, Gia-Käferchen.« Gia lächelte und krallte sich sofort in die rote Haarmähne ihrer Mutter. Cora löste die kleinen Hände geduldig von ihren langen Strähnen und richtete sich auf.

»Ich werde bald zurück sein, Sadie. Danke.« Cora zögerte eine Sekunde lang. Dann drehte sie sich um und zog Mercedes in eine feste Umarmung. Sie musste sich vorbeugen, um ihre deutlich kleinere Freundin mit den Armen umschließen zu können. Sie legte ihren Kopf auf Mercedes’ dunkles Haar, wie sie es immer getan hatte, als sie jünger gewesen waren.

»Ich liebe dich, Sadie. So sehr«, murmelte Cora.

»Ich liebe dich auch, mama.« Mercedes erwiderte die Umarmung. Cora war liebevoll und emotional. Das war sie schon immer gewesen. Aber dass sie Mercedes so ernsthaft versichert hatte, dass sie sie liebte, ohne es zwischen Tür und Angel oder ganz beiläufig bei einer Verabschiedung zu sagen, war nun schon eine ganze Weile her – Jahre, um genau zu sein. Sie ließ Mercedes abrupt los und ging zur Tür, ohne noch einmal zurückzuschauen.

Stunden vergingen, doch Cora kam nicht zurück. Nachdem ihre Mutter gegangen war, schlief Gia ein. Doch anderthalb Stunden später wachte sie wieder auf und war quengelig und hungrig. Mercedes fütterte sie mit einer zerdrückten Banane und ein paar Bissen von der Ofenkartoffel, die sie sich zum Mittagessen gemacht hatte. Gia futterte fröhlich, und danach gingen sie spazieren und plapperten dabei miteinander – Gia in einer unbekannten Sprache und Mercedes auf Spanisch, denn sie war fest entschlossen, ihre Patentochter zweisprachig aufwachsen zu lassen. Für April war es ein ungewöhnlicher Tag. Die Sonne funkelte auf dem Schnee, und kein Lüftchen bewegte die spröden Zweige über ihren Köpfen oder kniff unangenehm kalt in ihre Wangen. Mercedes war sicher, dass Cora bei ihrer Rückkehr bereits auf sie warten würde. Doch sie war nicht da.

Mercedes machte Gia eine frische Windel und brachte sie mit gutem Zureden dazu, noch ein paar Schritte zu laufen, bevor sie sich mit ihr und einem Haufen Spielzeug mitten im Wohnzimmer niederließ. Ärzte waren bekanntermaßen unzuverlässig – vor allem Frauenärzte. Eine Patientin, die plötzlich Wehen bekam, reichte aus, um den Terminplan eines ganzen Tages durcheinanderzubringen.

Als Gia wieder quengelig wurde und anfing, sich die Augen zu reiben, gab Mercedes ihr das Fläschchen mit Muttermilchersatz, das Cora ihr dagelassen hatte. Und als sie damit fertig war, legte sie sie wieder zwischen all die Kissen und Spielzeuge. Gia schlief wieder ein. Ihr kleines Hinterteil hatte sie dabei in die Luft gereckt, und ihre Arme steckten unter ihrem Körper. Cora war seit Mittag weg. Inzwischen war es siebzehn Uhr. Mercedes versuchte, Noah anzurufen, doch die Sekretärin in der Montlake-Klinik teilte ihr mit, dass er sich gerade in einer Therapiesitzung befinde. Sie versprach jedoch, dass sie ihn bitten würde, sie zurückzurufen, sobald er verfügbar sei. Der Schönheitssalon, in dem Mercedes arbeitete, war montags geschlossen. Sie nutzte diesen Tag der Woche immer, um alles zu erledigen, was liegen geblieben war. Normalerweise putzte sie dann, kümmerte sich um kleinere Erledigungen, schaute Fernsehen und backte. Aber jetzt war sie zu nervös, um still zu sitzen und fernzusehen. Ihr Haus war sauber, und sämtliche Erledigungen würden warten müssen, bis Cora zurückkam. Also besann sie sich auf ihre altbewährte Beschäftigung: Kochen. Sie hatte gerade angefangen, die erste Fuhre Empanadas zu frittieren, als das Telefon klingelte. Sie rannte zu dem Gerät, weil sie sich sicher war, dass es Cora war.

Noahs Name leuchtete auf der Anzeige auf.

»Hey«, meldete sie sich.

»Ist Gia bei dir?« Er klang panisch, seltsam. Die Geräusche, die durch den Hörer drangen, verrieten Mercedes, dass er sich draußen oder in seinem Auto befand. Ein Hupen ertönte gedämpft und fern in ihrem Ohr, und Noah fluchte.

»Ja. Ist sie. Aber Cora hätte schon vor Stunden wieder hier sein sollen, Noah. Sie hatte einen Arzttermin und ist nicht zurückgekehrt. Hast du was von ihr gehört?«

»Gia ist bei dir. Gia geht es gut«, keuchte er. »Ich dachte … Ich hatte Angst, dass …«

»Noah? Was ist los?«, fiel Mercedes ihm ins Wort.

»Ich dachte, dass Gia bei Cora gewesen wäre. Sie sagten, dass der Sitz leer gewesen sei …« Er hielt inne. »Cora hatte einen Unfall. Ich werde dich wieder anrufen, wenn ich mehr weiß. Sie wollen mir nichts weiter mitteilen.«

»Was? Wo ist sie? Sag mir, wo du bist.«

»Sie ist im Krankenhaus … in der Uniklinik. Ich bin auf dem Weg dorthin. Mehr weiß ich auch nicht.«

»Ich bin so schnell dort, wie ich kann.«

Das Telefon verstummte in ihren Händen. Sie rannte durch das Haus, schaltete den Ofen aus, suchte ihre Handtasche und ihre Schlüssel zusammen und stürmte zur Tür hinaus. Erst dann fiel ihr das Kind wieder ein, das in einem Kreis aus Kissen auf dem Wohnzimmerfußboden schlief. Sie hatte Gias Kindersitz nicht hier.

»Mist. Okay. Das ist kein Problem. Ich werde sie einfach gut festschnallen.« Das war sehr wohl ein Problem. Denn es war nicht in Ordnung. Es war nicht sicher, und wenn man sie unterwegs anhielt, würde sie einen Strafzettel bekommen, der sich gewaschen hatte. Ihr blieb kaum eine andere Wahl.

Mercedes nahm Gia auf den Arm, schnappte sich ihre Windeltasche und eine Decke vom Boden und eilte aus dem Haus. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie konnte nur noch daran denken, den nächsten Atemzug zu tun und den nächsten Schritt zu machen. Sie weigerte sich, zu lange bei einem Gedanken oder bei ihrer Angst zu verweilen. Sie würde nicht denken. Sie würde einfach handeln. Und alles würde wieder in Ordnung kommen. Sie musste sich keine Sorgen machen. Alles würde gut sein.

Gia wachte auf dem Weg zum Krankenhaus nicht auf. Mercedes hatte beschlossen, sie vor dem Beifahrersitz auf den Boden zu legen. Sie hatte sie in ihre Decke gewickelt und es ihr so bequem wie möglich gemacht. Dort war sie sicherer als auf dem Sitz, auf dem sie herumrollen würde. Mercedes fuhr, als hätte sie eine Hochzeitstorte im Kofferraum. Sie umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen und ließ den Blick immer wieder zwischen dem schlafenden Kind und dem Verkehr vor ihr hin und her huschen wie ein Metronom. Hin, her, hin, her. Sie schaltete das Radio nicht ein. Sie atmete. Sie fuhr. Und ihre Augen bewegten sich hin und her.

Der Nachmittag war strahlend und kühn, detailliert und nicht zu leugnen. Nicht surreal. Nicht entrückt. Sie erlebte ihn. Voll und ganz. Unwiderlegbar. Und ihre Angst brannte jede Szene und jede Einzelheit in ihre Erinnerung ein. Als alles vorbei war, erinnerte sie sich genau daran, wo sie auf dem überfüllten Parkplatz geparkt hatte und wie dankbar sie gewesen war, dass sie überhaupt eine Lücke gefunden hatte. Sie erinnerte sich daran, wie sie ein kurzes Dankgebet an die Madonna gehaucht hatte, weil sie angekommen war, ohne Gia aufzuwecken. Sie erinnerte sich daran, wie sie auf ihre Füße hinuntergestarrt und erkannt hatte, dass sie Stilettos trug. Rote Stilettos und Socken. Sie hatten direkt neben der Eingangstür gestanden, und sie war hineingeschlüpft, bevor sie zu ihrem Auto gelaufen war. Rote Stilettos, Jeggings und ein grelles lilafarbenes Oberteil. Lila und rot. Keine tolle Kombination. Sie schüttelte die Schuhe ab, zog die Socken aus und schlüpfte dann wieder in die Stilettos. Ihr Haar war auf ihrem Kopf zu einem festen Knoten zusammengebunden, und sie trug Ohrringe, die sie selbst gemacht hatte – baumelnde Reifen, auf die kunterbunte Perlen aufgezogen waren. Die Ohrringe sorgten dafür, dass die Kombination aus Rot und Lila funktionierte. Warum dachte sie über ihr Outfit nach?

Ihr Make-up war perfekt – es war immer perfekt –, und als sie auf der Suche nach ihrer Sonnenbrille die Sonnenblende herunterklappte, sah ihr Gesicht im dahinter verborgenen Spiegel genauso aus wie immer. Sie brauchte die Sonnenbrille. Sie musste ihre Augen bedecken. Sie musste sich vor dem, was ihr bevorstand, abschirmen. Denn ihr stand etwas Schreckliches bevor. Plötzlich zitterte sie und hatte solche Angst, dass sie mit dem Gedanken spielte, das Krankenhaus nicht zu betreten. Sie hasste Krankenhäuser. Sie würde mit Gia auf dem Parkplatz warten, bis Noah sie wieder anrief oder das Baby aufwachte. Sie setzte die Sonnenbrille auf und tastete in ihrer Handtasche nach ihrem Lippenstift. Sie fand ihn. Das Röhrchen fühlte sich in ihrer Hand glatt und klein an. Sie zog die Kappe ab und versuchte ihn über ihre Lippen gleiten zu lassen. Doch der Lippenstift fiel aus ihren zitternden Fingern und rollte unter den Sitz. Sie öffnete die Autotür und stieg aus, damit sie ihn leichter wieder hervorholen konnte. Sie ging in die Hocke, tastete danach, fand ihn und zog ihn hervor. Ein langes karmesinrotes Haar klebte an dem wachsigen Lippenstift.

Mercedes starrte das rote Haar an. Das war nicht ihr Haar. Es war Coras. Und Cora war in diesem Gebäude. Cora brauchte sie. Mit entschlossenen Bewegungen zog sie das Haar ab und schob die Kappe zurück auf den Lippenstift. Sie gestattete sich keinen weiteren Augenblick des Zögerns, sammelte ihre Sachen zusammen, ging um ihren alten Corolla herum auf die Beifahrerseite und nahm Gia auf den Arm. Dann verriegelte sie die Tür mit dem Schlüsselanhänger in ihrer Hand und marschierte mit verdeckten Augen, geschminkten Lippen und vollen Armen auf das Krankenhaus zu.

Alles würde wieder in Ordnung kommen. Alles würde gut sein. Dafür würde sie sorgen.

Sie rief Noah an. Er ging nicht dran. Das Telefon in ihrer Hand tutete und tutete, bis der Anruf an seine Mailbox weitergeleitet wurde. Sie hinterließ eine Nachricht und teilte ihm mit, dass sie im Wartezimmer der Notaufnahme sei.

Sie suchte sich einen Platz in einer ruhigen Ecke, stellte ihre Handtasche und Gias Tasche vorsichtig auf dem Boden ab und hielt Ausschau nach Noah. Gia starrte mit verschlafenen Augen zu ihr hoch. Ihr helles Haar stand in alle Richtungen ab und umgab ihr Gesicht wie ein flaumiger Heiligenschein.

»Hi, kleine Maus. Du bist ja wach. Wir werden deinen Daddy sehen«, murmelte Mercedes kraftlos. Gia weinte nicht und wirkte angesichts der Tatsache, dass sie sich an einem fremden Ort wiederfand, auch nicht beunruhigt. Sie saß auf Mercedes’ Schoß und schaute sich mit ruhiger Neugier im überfüllten Wartezimmer um. Mercedes versuchte erneut, Noah anzurufen. Und dann noch einmal.

Nachdem sie fünfzehn Minuten lang gewartet hatte, ging Mercedes zur Anmeldung und bat die Frau hinter der Empfangstheke um Hilfe.

»Meine Freundin wurde hergebracht. Sie hatte einen Unfall. Das hier ist ihre Tochter. Ihr Ehemann ist auf dem Weg. Können Sie ihn ausrufen lassen oder … mir sagen, wie ich zu ihr gelange?«, fragte Mercedes.

»Wie lautet ihr Name.«

»Cora Andelin.«

Die Hände der Frau erstarrten für eine halbe Sekunde, bevor sie den Namen in den Computer eingab. Sie ließ ihn sich nicht buchstabieren und fragte Mercedes auch sonst nichts Weiteres. Sie griff nach dem Telefon und tätigte einen Anruf, ohne dabei aufzuschauen.

»Ist Dr. Andelin bereits eingetroffen?«, fragte sie in den Hörer. Mercedes wurde klar, dass die Frau Noah kennen musste. Er war hier praktisch aufgewachsen, und ein Krankenhaus ähnelte einer Kleinstadt. Noah sagte, dass jeder jeden kenne und jeden Tag Tratsch serviert werde – warm, kalt oder als Reste vom Vortag. »Ich habe hier eine Frau … eine Freundin der Familie. Mit seinem kleinen Mädchen.« Die Frau presste ihre Finger auf den Mund, als wollte sie nicht vor Mercedes sprechen. Sie nickte, sagte »Okay« zu der Person am anderen Ende der Verbindung und nickte erneut.

»Setzen Sie sich. Dr. Andelin ist auf dem Weg hierher«, erklärte sie und legte den Hörer zurück auf den Apparat. Sie sprach ganz sachlich, konnte Mercedes aber nicht so recht in die Augen schauen.

»Danke für Ihre Hilfe«, sagte Mercedes und wandte sich ab.

Sie spürte, wie die Frau sie beobachtete, während sie sich zurückzog. Doch sie vergaß sie sofort, als sie sah, wie Noah eine zweiflügelige Schwingtür aufstieß und hindurchging. Er bewegte sich wie jemand, dem gar nicht bewusst war, dass er lief, so als wären seine Beine darauf programmiert worden, ihn vorwärts zu befördern, obwohl sein Verstand stillstand. Und in diesem Moment wusste sie, ohne dass er auch nur ein Wort sagte, was sie in der Nacht gewusst hatte, in der Papi gestorben war.

»Noah?«, fragte Mercedes, als er sich ihr näherte. »Wo ist Cora?«

Er fing an zu zittern, und seine Beine gaben nach. Mercedes packte seinen Arm und schob ihn in Richtung eines Stuhls. Die Leute beobachteten sie. Ihre Gesichter waren voller Neugier und Sorge. Noah setzte sich für eine Millisekunde hin, stand dann aber wieder auf, als würde Bewegung seine Qualen davon abhalten, sich zu manifestieren. Er nahm Mercedes Gia ab und machte sich auf den Weg zu den Eingangstüren. Mit seinen langen Beinen legte er die Entfernung innerhalb kürzester Zeit zurück.

»Noah?« Mercedes eilte hinter ihm her und erwartete, dass er sie zu Cora bringen würde, wo auch immer sie war. Doch sobald er draußen war und in den strahlenden Sonnenuntergang starrte, der sein blasses Gesicht in falsche Hoffnung tauchte, blieb er abrupt stehen. Blind drehte er sich herum und lief auf und ab. Er suchte nach einem Ausweg, einem Loch, das ihn verschlingen würde. Er hielt Gia wie ein Neugeborenes, schmiegte sie an sich, als würde er sie zum ersten Mal halten. Gia ließ es zu und starrte glücklich und zufrieden zu ihm hoch. Sie lächelte und streckte die Hände nach seinem Bart aus.

»Da, da, da, da«, gluckste sie.

»Wo ist Cora, Noah?«, verlangte Mercedes zu wissen. Unerklärlicherweise war sie wütend auf ihn. Er würde es nicht wagen, ihr etwas mitzuteilen, das sie nicht hören wollte. Er würde es nicht wagen. Doch Mercedes wusste es, und jeder Atemzug war mit Arsen versetzt.

»Sie ist fort«, würgte er erstickt hervor. Mercedes beobachtete, wie sein Antlitz Risse bekam, wie er flatternd die Augen schloss und die Arme fester um Gia legte, während er sich auf eine leere Bank sinken ließ. Noah weinte an dem Tag, an dem er und Cora heirateten. Er hatte in seiner blauen Paradeuniform vor dem Altar gewartet. Das Jackett war an den Schultern ein wenig zu eng und an den Ärmeln ein wenig zu knapp und die Hose gute zweieinhalb Zentimeter zu kurz gewesen. Seit man ihn für die Uniform ausgemessen hatte, war er gewachsen. Tränen waren über sein Gesicht geströmt, als Cora am Arm ihrer Mutter auf ihn zuschritt.

Die Tränen, die er jetzt weinte, waren jedoch ganz anders. Sie rollten über seine Wangen und versteckten sich in seinem Bart. Sie wirkten verängstigt und schwer und wollten der Sintflut verzweifelt entkommen.

»Was meinst du mit … fort?«, hauchte Mercedes.

»Sie ist … tot, Mer«, schluchzte er.

Sie taumelte rückwärts und schwenkte ihre Handtasche und die Windeltasche in einem weiten Bogen. Es war ein verzweifelter Versuch, sich vor einem direkten Treffer zu schützen – doch er war zu schwach und kam zu spät.

SiebefandsichwiederimerstenSchuljahr.ImSportunterrichtinderdrittenStunde.SiewardieEinzige,diebeieinerPartieVölkerballnochaufdemFeldstand.Siehasstees,einenTrefferzukassieren,undvermiedesumjedenPreis.Sieschlitterteunddrehteundwandsich,umdemBallzuentkommen.DochsiewardaseinzigeverfügbareZiel,unddieBälle,dieinihreRichtungflogen,warenzuzahlreich,umihnenallenauszuweichen.Sieversuchteeinenzufangen,dochdasführtenurdazu,dasseinweiterergegenihrGesichtprallte.Sietaumelte.DieSchmachunddieDemütigungdesAufprallswarenfastsoschlimmwiederSchmerz.IhreBrustbrannte,undihrGesichtlief knallrot an. Sie war zu geschockt gewesen, um zu reagieren.

Mercedes stand da, schaute auf Noah hinunter und verspürte die gleiche Kränkung, die gleiche Qual, die gleiche beißende Fassungslosigkeit, während sie darum kämpfte, Luft in ihre sich verkrampfende Lunge zu saugen.

Gia fing an zu jammern. Der Schmerz ihres Vaters machte ihr eindeutig Angst. Noah versuchte, seine Tränen zu verbergen, indem er mit seiner großen Hand über sein Gesicht fuhr. Seine Schultern bebten, während er weinte.

»Jemand sah, wie sie über die Kante fuhr, und meldete es. Sie fanden ihr A… Auto am Boden einer Schlucht im Emigration Canyon. Es lag k… kopfüber im F… Fluss«, stammelte er und schluckte seine Schluchzer hinunter. »Das Wasser ist hoch – so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Sie wissen nicht, ob sie ertrunken ist … oder ob sie schon t… tot war, bevor das Auto zum Stehen kam.«

»Warum war sie im Canyon? Sie hatte einen Arzttermin«, flüsterte Mercedes, die immer noch stand. Sie war nach wie vor fassungslos. Doch in ihrem Bauch wuchs ein Schrei heran, der in ihre Brust aufstieg. Ihre Hände waren heiß. Ihre Brust war kalt. Noah sagte etwas darüber, dass die Sonne vom Schnee, der immer noch die Straßenränder säumte und die Berge bedeckte, reflektiert worden sei. Etwas über die heftigen Abschwemmungen, die das durch den Frühlingseinbruch hervorgerufene Schmelzwasser verursacht habe. Der Emigration Canyon war zehn Minuten entfernt, wenn überhaupt. Sie wohnten am Fuß der Gebirgsausläufer östlich von Salt Lake City. Doch Mercedes konnte nur Coras Gesicht sehen und sich daran erinnern, wie sie ausgesehen hatte, als sie erschöpft und mitgenommen in ihrem Wohnzimmer gestanden hatte.

Wenn mir etwas zustoßen sollte … würdest du dich doch um sie kümmern, nicht wahr, Sadie?

Mercedes wollte zu Cora gehen, doch Noah wollte nicht, dass Gia ihre leblose Mutter sah. Er stand draußen vor dem abgeschotteten Bereich, in dem man seine Frau für tot erklärt hatte, presste sein Kind an sich und gab Mercedes einen Moment. Seine Tränen hatten nicht nachgelassen. Er lief umher und telefonierte, wiegte seine Tochter in seinen Armen und versuchte seine Schwiegermutter zu beruhigen, die auf dem Weg hierher war. Und die ganze Zeit über sammelten sich weiterhin Tränen in seinem Bart. Mercedes trat durch den Vorhang, der Cora vom Rest der Notaufnahme trennte.

Ein Tuch bedeckte Cora von den Schultern bis zu den Füßen, aber ihr fehlte ein Schuh, und ganz unten lugte ein schlanker Fuß in einer stark verschmutzten gestreiften Socke hervor. Es gab kein Blut und auch keine sichtbaren Verletzungen. Ihr Haar umgab ihr Gesicht als strähnige, feuchte Masse. Mercedes strich es zurück und entwirrte die Knoten mit ihren Fingern, während sie ungläubig auf ihre langjährige Freundin starrte. Die Frau auf der Bahre sah wie Cora aus. Aber sie war nicht Cora. Die Cora mit dem flüchtigen Lächeln, die immer wie ein kleines, verirrtes Mädchen gewirkt hatte, gab es nicht mehr. Mercedes zog verängstigt ihre Hand zurück. In ihrer Brust brannten Tränen, aber ihr Herz war so schwer und entsetzt, dass sie sie nicht herauslassen konnte. Sie war wütend. Empört. Und sie konnte nicht weinen.

Ein Schrei hallte durch die Notaufnahme. Mercedes zuckte zusammen und wich von Coras Leiche zurück. Dieses Geräusch hatte sie zuvor schon einmal gehört. Es richtete die Haare in ihrem Nacken auf und jagte ihr unter ihrer Kleidung einen Schauer über den Rücken. Coras Mutter war eingetroffen.

»Noah! Oh, nein, nein, nein. Wo ist sie?« Heather McKinney trauerte, weinte schon und war bereits hysterisch. Heather McKinney hatte ihren Ehemann durch Selbstmord verloren. Nun war ihre Tochter ebenfalls tot.

Mercedes verließ den abgetrennten Bereich und legte ihre Arme um Heather, während Noah gezwungen war, die ganze Geschichte noch einmal zu erzählen. Die Krankenschwester, die Heather hergebracht hatte, warf Noah einen entschuldigenden Blick zu und informierte ihn dann ruhig darüber, dass er ihr Bescheid geben solle, wenn sie fertig seien, damit man Cora aus der Notaufnahme entfernen könne. Noah wurde blass, so als wären ihm die nächsten Schritte noch nicht einmal in den Sinn gekommen. Er war kein Mediziner. Er war Psychologe. Er heilte keine Körper, sondern erleichterte Herzen und entwirrte Gefühle. Er enträtselte gefährliche Gedanken und analysierte Psychosen. Was passierte als Nächstes? Wohin würden sie Cora bringen? Welche Vorbereitungen mussten getroffen werden? Für einen Augenblick dachte Mercedes, dass sie sich übergeben müsste. Doch sie kämpfte dagegen an und brachte ihren Magen mit reiner Willenskraft dazu, sich zu beruhigen. Auch ihr Kopf wurde klarer.

Heather war vollkommen außer sich und nicht bereit, den Vorhang beiseitezuschieben und sich dem, was sich dahinter befand, allein zu stellen. Gia wurde unruhig, und Mercedes streckte die Hände nach ihr aus. Sie nahm sie Noah ab, damit er Heather zu ihrer Tochter bringen konnte, bevor sie sie von hier wegschaffen würden. Gia musste hungrig sein, ihre Windel war völlig durchnässt. Mercedes schlüpfte in einen nahe gelegenen Toilettenraum. Die stille Sterilität des kleinen Orts war beinahe tröstend. Hier gab es keine verwirrenden Gefühle und keinen Tod. Hier ging es nur darum, sich um die unmittelbaren Bedürfnisse eines kleinen Kinds zu kümmern. Die Wände waren mit langen Stangen ausgestattet, damit sich die Kranken oder die Beeinträchtigten an ihnen festhalten konnten, während sie sich durch den Raum bewegten. Da es keinen Wickeltisch gab, griff Mercedes nach einer der Stangen, während sie sich auf den Boden sinken ließ. Sie wünschte sich, dass etwas so Einfaches wie eine Metallstange ihr emotionales Gleichgewicht wiederherstellen könnte. Sie breitete Gias Decke auf dem gefliesten Boden aus und legte sie ab, um mit tauber Effizienz die Windel zu wechseln. In der Windeltasche fand sie eine Packung Rosinen und einen der langen, dicken Kekse, die beim Zahnen helfen sollten. Gia liebte sie, aber sie hinterließen immer eine fürchterliche Sauerei. Als Gia den Keks sah, quietschte sie vor Vergnügen. Ihre unschuldige Ahnungslosigkeit gab Mercedes Halt. Das Kind litt nicht – noch nicht. Mercedes wusch sich die Hände und trocknete sie ab. Dann packte sie den Keks aus und reichte ihn Gia. Schließlich hob sie das Kind hoch, stand auf und verließ den kleinen Toilettenraum, um sich erneut dem Schrecken zu stellen, der außerhalb davon wartete.

Mercedes wusste, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Sie konnte nicht trauern. Sie konnte auch nicht schlafen. Aber was ihr wirklich Sorgen bereitete, war ihr Mangel an Tränen. Die Tage nach Coras Tod waren eine seltsame Mischung aus gedämpften Farben und schwarzen Gefühlen. Die Leute wiederholten immer wieder die gleichen Dinge – es gab nur eine gewisse Anzahl an Dingen, die man sagen konnte –, und alle weinten. Alle außer Mercedes weinten.

Bei Coras Beerdigung hielt sie eine Rede, in der sie sich an ihre gemeinsame Zeit erinnerte. Sie sprach aufrichtig von ihrer Liebe für ihre Freundin, von Coras Liebe für ihre Familie und davon, wie sie die Welt zu einem besseren Ort gemacht hatte. Die kleine Versammlung betrachtete sie mit tränenfeuchten Wangen und verweinten Augen, als Mercedes den Trauergästen davon erzählte, wie Cora sie einst vor einem angreifenden Hund beschützt hatte. Cora hatte ihre Arme um Mercedes gelegt und geschrien, bis Noah und Papi herbeigelaufen gekommen waren. Cora hatte am ganzen Rücken oberflächliche Bisswunden und Kratzer davongetragen, doch Mercedes hatte den Angriff unbeschadet überstanden. Als Mercedes Cora fragte, warum sie das getan habe, hatte Cora sie seltsam angesehen und gesagt: »Weil du kleiner bist als ich. Und weil ich dich liebe.«

Mercedes erinnerte sich außerdem daran, dass Cora nie ein unfreundliches Wort über die Lippen gekommen war – was gut war, denn Mercedes gab so viele unfreundliche Worte von sich, dass es für sie beide reichte. Die Leute lachten – es klang wie ein glucksender Chor der Erleichterung –, und Mercedes lächelte ebenfalls. Doch ihr Lächeln war falsch, selbst wenn das nicht für ihre Worte galt. Sie erzählte den Trauernden nicht, wie Cora müde und niedergeschlagen in ihrem Wohnzimmer gestanden und dann Mercedes’ Haus verlassen hatte, um mit ihrem Auto über eine Klippe zu fahren. Das erzählte ihnen Mercedes nicht. Das erzählte sie niemandem. Sie wusste nicht mit Sicherheit, ob es stimmte, aber in ihrem Herzen glaubte sie es.

Noah hatte ebenfalls aufgehört zu weinen. Auf der Trauerfeier war sein Gesicht eine blasse steinerne Maske. Seine Augen zeugten von Elend und Schlafmangel. Heather weinte mehr als alle anderen zusammen. Alma sagte, dass Mütter mehr Tränen hätten, doch ihre Augen waren trocken geblieben. Mercedes hatte Heather vor der Beerdigung frisiert, aber Heather hatte sich selbst um ihr Make-up gekümmert und Streifen aus verschmierter Wimperntusche liefen über ihre mit vorzeitigen Falten übersäten Wangen.

Während der Trauerfeier übernahm Alma Gia und beschäftigte sie im Foyer der Kirche. Alma behauptete, dass sie ohnehin nicht verstehen würde, was gesagt werden würde. Ihr Englisch war nicht besonders gut, doch Mercedes wusste, dass sie sehr viel mehr verstand, als sie sich anmerken ließ. Es war ihre Art, sich nützlich zu machen, während sie ihren Gefühlen aus dem Weg ging. Mercedes war wie ihre Mutter. Sie mussten sich beschäftigen, damit sie nicht verrückt wurden. Sie mussten sich beschäftigen, damit die Trauer sie nicht einholen würde.

Auf dem Friedhof standen alle um den Sarg herum, der über dem klaffenden Loch hing. Der Boden war feucht, und die Blätter fingen gerade erst an, an den dürren Zweigen zu sprießen. Die Sonne schien hell, der Tag war mild. Der April in Utah war unberechenbar – launisch und wechselhaft. An manchen Tagen gab er sich trübsinnig, an anderen zeigte er den Bewohnern die kalte Schulter und an wieder anderen neckte er sie mit Sonnenstrahlen, die hoffnungsvolle Wärme verströmten. An dem Tag, an dem Cora beerdigt wurde, strahlte die Sonne wie verrückt. Und als der Sarg in die Erde hinabgelassen wurde, umspielte eine sanfte Brise die Umstehenden.

Noah spielte ein Lied auf seiner Gitarre. Es war eine alberne Melodie, die er geschrieben hatte, um Cora zu bitten, ihn zu heiraten. Mercedes hatte es nie übers Herz gebracht, ihm zu sagen, wie schrecklich das Lied war. Doch während sie seiner sanften Stimme und den unbeholfenen Tönen lauschte, die seine langen Finger den Saiten entlockten – es gelang ihm nicht ganz, den Akkord zu halten –, erkannte sie, wie sehr sie sich geirrt hatte. Es war ein Lied über all die kleinen Dinge, die er an ihr liebte, all die Teile, die ein Ganzes ergaben. Er hatte sich für das Lied einige etwas unglückliche Reime überlegt. Als er es zum ersten Mal für Cora gespielt hatte, bevor er ihr die entscheidende Frage gestellt hatte, war sie kaum in der Lage gewesen, ernst zu bleiben.

Doch in den albernen Strophen und seiner verschämten Darbietung hatten Liebe und Hingabe gelegen, Verbindlichkeit und ein Versprechen. Und auch Hoffnung. Das Lied war kein bisschen schrecklich. Es war perfekt und es war schmerzhaft. Mercedes musste sich große Mühe geben, um sich nicht die Ohren zuzuhalten, bis es vorbei war. Noahs Stimme brach, als er die letzte Zeile sang. Die kleine Gruppe versammelte sich um ihn und lächelte angesichts der Albernheit des Lieds und seiner aufrichtigen Gefühle. Und wieder kullerten Tränen. Doch Mercedes weinte nicht.

2

1985

»Was willst du werden, wenn du erwachsen bist?«, fragte Noah.

»Ich will nicht erwachsen werden«, erwiderte Cora.

Sie saßen zitternd auf dem heißen Bürgersteig und versuchten, trocken zu werden. Ein Lieferwagen war direkt vor ihrer Wohnanlage gegen einen Hydranten gekracht, woraufhin Wasser in die Luft geschossen war und sich auf die Straßen ergossen hatte. Seit dem 4. Juli war es jeden Tag fast vierzig Grad heiß gewesen, und das Wasser hatte sich wie ein Springbrunnen aus dem Himmel angefühlt. Noah, Mercedes und Cora hatten keine Zeit damit verschwendet, sich ihre Badeklamotten anzuziehen. Sie hatten befürchtet, dass das Feuerwehrauto kommen und das Wasser abstellen würde, bevor sie sich umziehen konnten. Ihre Shorts und T-Shirts waren völlig durchnässt, und sie hatten die Beine vor sich ausgestreckt, was ihre unterschiedlichen Hautfarben betonte. Braun, weiß und rot – Cora bekam so schnell einen Sonnenbrand, dass sich ihre Nase ständig pellte. Noah nicht, aber im Vergleich zu Mercedes’ Beinen waren seine weiß. Mercedes’ Haut war normalerweise golden, aber im Sommer erinnerte sie eher an die Farbe von Schokolade. Ihre Beine sahen wie ein Fürst-Pückler-Eis aus.

»Ich will einen Schönheitssalon führen, wenn ich älter bin«, sagte Mercedes. Sie hatte sogar schon einen Namen dafür: MeLo – eine Zusammensetzung aus den ersten beiden Buchstaben ihres Vor- und Nachnamens. Mercedes Lopez. MeLo. Sie fand, dass das der perfekte Name für einen Ort war, an den die Leute gingen, um zu entspannen und sich in Schmetterlinge zu verwandeln.

»Warum willst du so was machen?«, hakte Noah nach.

»Weil ich gern dafür sorge, dass Leute schön aussehen. Ich liebe Make-up. Ich liebe Haare. Ich liebe Klamotten.« Mercedes zuckte mit den Schultern. »Und ich kommandiere Leute gern herum, also muss der Salon mir gehören. Ich will nicht einfach nur dort arbeiten. Was möchtest du denn später mal machen?«

»Ich will Arzt werden«, sagte Noah und lehnte sich zurück. Er richtete die Augen gen Himmel und verschränkte seine dürren Arme hinter dem Kopf. Cora und Mercedes lehnten sich sofort ebenfalls zurück, damit sie neben ihm liegen konnten.

»Ich könnte niemals Ärztin werden. Ich könnte nicht den ganzen Tag über Blut sehen.« Mercedes verzog das Gesicht.

Cora erschauderte. »Oder Knochen. Oder Erbrochenes.«

»So ein Arzt will ich nicht werden«, sagte Noah. »Ich will ein Arzt werden, der Menschen mit psychischen Erkrankungen hilft.«

»Wir sind elf, Noah. Was zum Teufel sind psychische Erkrankungen?« Fluchen brachte Mercedes zum Lachen, also fluchte sie oft.

»Noah will Menschen helfen, die traurig sind. So wie mein Dad«, erklärte Cora.

»Und meine Mom«, fügte Noah hinzu. Er drehte den Kopf und schenkte Mercedes ein Lächeln. »Du sorgst dafür, dass sie äußerlich gut aussehen, Mer. Ich repariere sie von innen.«

»Vielleicht sollte ich auch eine Ausbildung zur Kosmetikerin machen«, überlegte Cora. »Dann könnte ich mit dir in deinem Salon arbeiten, Sadie.«

Mercedes zuckte mit den Schultern. Die halbe Zeit über vergaß Cora, sich selbst die Haare zu bürsten. Mer konnte sich nicht vorstellen, dass es sie glücklich machen würde, jemand anders die Haare zu frisieren. »Klar, wenn du das willst. Aber würdest du nicht lieber etwas anderes machen?«

»Ich habe euch doch gesagt, dass ich nicht erwachsen werden will. Das jagt mir Angst ein«, murmelte Cora.

»Das liegt daran, dass jeder Erwachsene, den du kennst, einen Arzt wie Noah braucht«, meinte Mercedes. Die Drei-Amigos-Wohnanlage war voll mit Verrückten.

»Deine Mom und dein Dad brauchen so einen Arzt nicht«, argumentierte Noah.

»Weil wir Mexikaner sind. Papi sagt, dass Mexikaner hart im Nehmen sind«, verkündete Mercedes stolz und reckte ihr Kinn vor.

»Dann will ich vielleicht ein Mexikaner sein, wenn ich erwachsen bin«, sagte Cora. Noah und Mercedes lachten laut, und Mercedes setzte sich auf, um zu ihrer Freundin hinunterzuschauen. Cora hatte die Hände über der Brust gefaltet und die Augen geschlossen. Ihr rotes Haar lag ausgebreitet um ihren Kopf und ihre Schultern herum auf dem Beton und schimmerte feuerrot wie die Sonne. Der Anblick erinnerte Mercedes an das Gemälde, das Abuela über ihrem Bett hängen hatte. Es zeigte Unsere Liebe Frau von Guadalupe, deren Körper von einem heiligen Glühen umgeben war. Cora lachte nicht, und plötzlich verging auch Mercedes das Lachen.

Noah las Viktor Frankls Buch Der Mensch auf der Suche nach Sinn, als er sechzehn war. Er las es so oft, dass der Umschlag abfiel und sich die Seiten lösten. In der ersten Hälfte des Buchs berichtete Frankl von seinen Erfahrungen in einem Konzentrationslager. Doch der Teil, der Noah am meisten beeinflusste, war der, in dem Viktor beschrieb, wie er in einem Wald in der Nähe von Auschwitz arbeitete und glaubte, dass seine Frau im Frauenlager auf der anderen Seite des Weges noch am Leben war.

Das war sie nicht. Doch es gab einen Moment, in dem Viktor zum Himmel aufsah und in die kalte Schönheit der Welt hinausstarrte, die ihn umgab. Dabei dachte er an seine Frau und erkannte, dass man die Seele selbst nicht einsperren konnte. Er hatte immer noch die Freiheit zu lieben. Er hatte immer noch die Freiheit, zu hoffen und Freude und Dankbarkeit zu erfahren, sogar inmitten all des Schreckens, der ihn umgab. Dieses Wissen befreite ihn und hielt ihn am Leben.

So oft wie in den Wochen nach Coras Tod hatte Noah seit Jahren nicht mehr an Viktor Frankl gedacht. Wie ironisch, dass er sich ebenfalls nach seiner Frau sehnen würde, die ihm zu früh genommen worden war – sie war in ein Nimmerland verschwunden, in dem nur Gott und seine Engel ihr Gesicht sehen konnten. Seine eigene Befreiung hatte er noch nicht erfahren. Bedauern kettete seine Seele an die Erde, und Cora war in den Wolken. Er war noch derselbe Mann, aber seine Brust war aufgebrochen worden, und seine Haut hatte sich abgeschält. Nach Coras Tod wandelte er umher, und jeder starrte auf sein grausam entblößtes Herz. Doch niemand konnte ihm helfen, und alle wünschten sich, dass er verschwinden würde, bis es verheilt war.

Er kehrte nicht sofort wieder zur Arbeit zurück, sondern zog es vor, das Personal der Montlake-Klinik nicht mit seiner Brustwunde zu konfrontieren. Doch er würde bald zurückkehren müssen. Cora hatte eine kleine Lebensversicherung gehabt, allerdings gab es eine Selbstmordklausel, und derzeit wurde eine Untersuchung durchgeführt. Die Person, die gesehen hatte, wie ihr Auto über die Klippe stürzte, behauptete, dass sie nicht einmal langsamer geworden sei. Noah wollte das Geld nicht – es machte ihn krank und traurig –, aber er brauchte es, wenn auch nur, um sich ein wenig Zeit zu erkaufen, damit er herausfinden konnte, wie er das Leben als alleinerziehender Vater ohne Hilfe meistern sollte. Vielleicht war das nicht fair. Er hatte Hilfe, auch wenn die Herzen seiner Helfer beinahe ebenso verletzt und geschunden waren wie seines.

Coras Mom Heather weinte, wann immer sie mit ihm redete, und Noah war dankbar, dass sie mit ihren eigenen blutigen Narben beschäftigt war. Das hielt sie davon ab, seine zu sehen. Mercedes weinte nicht. Ihr Schmerz war eher wie ein Abszess, unsichtbar für alle anderen, aber mehr als offensichtlich für ihn. Irgendwann würde man ihn aufschneiden müssen, aber sie ließ niemanden in ihre Nähe. Sie kochte und putzte und sorgte dafür, dass Noah nicht die Windeln ausgingen und seine Küchenschränke immer gut gefüllt waren. Sie fragte ihn nicht, wie es ihm ging. Sie wusste es. Sie bewegten sich schweigend im Orbit des anderen wie abgesonderte Planeten in einer einsamen Galaxie.

Gia mit all ihrer unschuldigen Ahnungslosigkeit war seine Rettung. Nur wenn er auf das Gesicht seiner schlafenden Tochter herabblickte, wenn er sie in seinen Armen hielt oder sie lächeln sah, erkannte er, genau wie Viktor, dass Freude auch im Angesicht schrecklichen Schmerzes möglich war. Viktor hatte in seinem Leben nach Sinn gesucht. Noah musste nicht lange danach suchen. Gia gab ihm seinen Lebenszweck. Sie war die Antwort auf die Frage, die er sich jeden Tag stellte, wenn er aufwachte: »Warum zum Teufel stehe ich überhaupt noch auf?«

Trauer war gierig und erschöpfend, und er konnte sich nicht um Gia kümmern, wenn er es sich gestattete, sich darin zu suhlen. Seine Mutter hatte das getan. Sie hatte sich in ihrer Trauer gesuhlt und war durch sie hindurchgewatet. Auf diese Weise hatte sie das Loch immer tiefer und dunkler gemacht, bis ihre Trauer zu einem warmen Umhang aus Ausreden geworden war. In dem Augenblick, in dem Shelly ihn aus ihrer Gebärmutter gepresst hatte, war Noah gezwungen gewesen, erwachsen zu werden. Ihre Traurigkeit hatte ihn altern lassen.

Das wollte er nicht für Gia. Also verband er sein eiterndes Fleisch und sperrte seine Trauer in das Zimmer, in dem er auch seine schlechten Erinnerungen und nutzlosen Wahrheiten aufbewahrte. Er ignorierte sie nicht. Er wechselte nur nicht den Verband und öffnete auch nicht sehr oft die Tür. Wenn er es tat, dann nicht einmal einen Spaltbreit, und er griff nur hinein, um das absolute Minimum herauszuholen. Dann zog er sich schnell wieder zurück und zog die Tür hinter sich zu. Er behielt den Blick von seiner verstümmelten Brust abgewandt und stellte sich jedem Tag in Stücken und kleinen Teilen. Er eroberte die wesentlichen Dinge eins nach dem anderen und versuchte, sich keine unnötigen Sorgen zu machen. Er musste füttern, wickeln, anziehen und trösten, und allein darauf konzentrierte er seine Bemühungen.

Er war nicht besonders geschickt im Wickeln. Es beschämte ihn zuzugeben, dass er in Gias erstem Lebensjahr nicht viele Windeln gewechselt hatte. Er war auch nie nachts aufgestanden, um Gia zu füttern. Seine größte Leistung war gewesen, dass er aufgestanden, Gia aus ihrem Bettchen gehoben und sie Cora gereicht hatte. Er verfügte nicht über die nötige Ausrüstung fürs Stillen, und Cora war unerbittlich gewesen, wenn es um dieses Ritual gegangen war. Doch einen Monat nach Coras Tod konnte Noah im Halbschlaf eine Windel wechseln und ein Fläschchen machen. Nichts lief mehr aus, und alles saß dort, wo es sitzen sollte. Er wechselte Windeln so, wie er im Ausbildungslager gelernt hatte, sein Bett zu machen. Straffe Ecken, gerade Linien, alles fest verstaut und glatt. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, mit welcher Temperatur Gia ihren Muttermilchersatz am liebsten trank. Auch welche Lebensmittel sie essen – Kartoffelbrei war immer willkommen – und welche sie verschmähen würde, wusste er bald.

Gias Haar war ein anderes Problem. Entweder stand es in alle Richtungen ab oder es hing ihr in die Augen. In einer Schublade im Bad fand er eine kleine pinkfarbene Haarspange, doch sie zerrte sie sofort ab, riss sich dabei ein Büschel Haare mit aus und jaulte vor Schmerz auf. Noah griff auf das zurück, was er kannte. Er feuchtete Gias Haar an, schmierte es mit Pomade ein und befand es für gut. Ihr Haar saß bombenfest. Problem gelöst. Zumindest bis Mercedes vorbeikam, um nach ihnen zu sehen. Sie warf einen Blick auf Gia und bekreuzigte sich, wie Abuela es immer tat. Mercedes führte sie in die Küche und setzte Gia auf einen Hochstuhl und Noah auf einen Hocker, um ihnen beiden einen Haarschnitt zu verpassen.

»Wenn wir Gias Haar kurz schneiden, wächst es gleichmäßiger. Dann bekommt sie keine zu langen Strähnen und auch keine kahlen Stellen. Ich habe es Cora hundertmal gesagt, aber sie wollte mich nicht an Gias Haar lassen. Sie konnte die Vorstellung, dass es abgeschnitten wird, nicht ertragen.« Mercedes hielt abrupt inne. Coras Name tropfte von den Spitzen der Schere, die sie in den Händen hielt. Sie holte tief Luft und fing an zu schneiden. Und Coras Wünsche fielen zu Boden wie Gias Babyhaar.

Als sie fertig war, maß Gias Haar an den Seiten etwa zweieinhalb und oben auf dem Kopf etwa fünf Zentimeter. Mercedes feuchtete es an und scheitelte es ordentlich, so als würde Gia ins Büro gehen. Sie brauchte nur noch einen winzigen Anzug und eine Krawatte.

»Sie sieht wie ein Geschäftsmann aus«, murmelte Noah.

Mercedes verdrehte die Augen. »Als hättest du Ahnung von so was. So wie du ihr die Haare nach hinten gegelt hattest, sah sie aus wie Gordon Gekko aus Wall Street.«

Das stimmte, und Noah lachte. Mercedes hob ruckartig den Kopf, als hätte sie das Geräusch vermisst, und warf ihm ein Grinsen zu. Eine schmerzhafte Mischung aus Trauer und Schuldgefühlen durchbohrte sein Herz, und sein Lächeln verblasste. Mercedes tat so, als hätte sie es nicht bemerkt.

»Sie sieht schick aus. Wie Twiggy«, widersprach Mercedes mit einem empörten Schnaufen. »Wenn du willst, dass sie mädchenhafter aussieht, werden wir ihr Ohrlöcher verpassen.«

»Und wie lautete Coras Meinung dazu?«, fragte Noah.

Mercedes antwortete nicht, auch wenn er vermutete, dass sie es wusste. Sie fegte die flaumigen blonden Haarbüschel zusammen und entfernte sie von den Fliesen. Dann reichte sie Gia ihre Trinkflasche und einen Keks. Seine Frage ignorierte sie. So wie er Cora gekannt hatte, hätten Ohrringe für sie nicht zur Debatte gestanden. Cora hatte geweint, als Gia ihre Impfungen bekam – jedes Mal –, und Noah konnte sich nicht vorstellen, sie hätte gewollt, dass jemand die Ohren ihres Babys durchlöcherte, sofern es nicht unbedingt notwendig war.

»Du bist dran, Höhlenmensch«, wechselte Mercedes das Thema. »Dieser Bart ist nur dann attraktiv, wenn sich darin keine kleinen Waldtiere verstecken können.«

Er schloss die Augen und ließ sie einfach machen. Sie trimmte und schnippelte an dem Haar auf seinem Kopf und an dem Bartwuchs in seinem Gesicht herum. Dabei redete sie über dies und das, über eine neue Produktlinie für Haarfärbemittel, die sie im Laden verkaufte, und über die – endlich – steigenden Temperaturen in Salt Lake City. Und er hörte einfach zu und ließ ihre Stimme die Stille füllen. Er antwortete nur, wenn es nötig war, und wurde in der Sicherheit, die ihm ihre Hände boten, schläfrig.

»Ich habe euch beide in den Schlaf geredet«, murmelte sie. Noah öffnete die Augen und starrte Gia an. Ihr Kopf sackte nach unten. Mercedes legte die Schere ab und platzierte einen Stapel Geschirrhandtücher zwischen Gias linker Wange und dem Tablettbereich ihres Hochstuhls, damit sie es bequemer hatte. Dann fuhr Mercedes mit ihrer liebevollen Fürsorge fort, und seine Augen wurden wieder schwer.

»Ich breche am Donnerstag auf, Noah. Ich nehme an diesem Kurs teil, von dem ich dir erzählt habe – über all die neuen Innovationen im Bereich der Schönheitspflege, -produkte, -dienstleistungen und all das. Er findet in L. A. statt … erinnerst du dich? Ich werde mit Experten aus der Branche zusammenarbeiten – Stylisten, die sich um die Haare und das Make-up der Hollywoodstars kümmern – und am Set dieses Historienfilms beschäftigt sein. Ich verlasse dich und Gia gerade wirklich nur ungern, vor allem weil du bald wieder zur Arbeit gehen wirst. Aber ich habe mich ein Jahr lang darauf vorbereitet. Ich muss an diesem Kurs teilnehmen.«

Noah war plötzlich hellwach. Er starrte sie ausdruckslos an.

»Wie lange wirst du weg sein?«, fragte er.

»Der Kurs dauert zwei Wochen, und dann bin ich noch für vier Wochen am Set.«