Allahs Töchter - Nedim Gürsel - E-Book

Allahs Töchter E-Book

Nedim Gürsel

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Beschreibung

Nedim Gürsel, Jahrgang 1951, erzählt von der eigenen Kindheit, die er bei den Großeltern in Manisa in der Türkei verlebte. Der Großvater führt Nedim in die Welt des Islam ein. Er tut es sanft und menschlich. Trotzdem beschäftigen und plagen den Jungen die Rätsel, Wunder und Legenden der Religion – von denen Gürsel ebenfalls erzählt: von der »Kindheit« des Islam, in der »Allahs Töchter« dem Kampf Mohammeds für den einen Gott zu weichen haben. In einer Mischung aus Bedauern, Eifersucht, Neid und Faszination läßt er Lat, Manat und Uzza – so heißen die drei weiblichen Götzen – aus der Kaaba in Mekka berichten. Der Großvater diente im Ersten Weltkrieg »nebenan«, in Medina, als Soldat. Aus seinen Erinnerungen erfahren wir mehr über den Untergang des Osmanischen Reichs, über Geburtswehen und »Kindheit« der modernen Türkei. Muslime kämpften gegen Muslime, Türken gegen Araber und Engländer … Das alles ist aktuellste Vorgeschichte der Gegenwart, in der uns der Islam in manchen Erscheinungen absolut und bedrohlich begegnet. Fast unter der Hand führt Gürsels Geschichtenerzählen zu einer menschlich relativierenden Betrachtungsweise. (Übrigens ist, wovon der Autor die Töchter Allahs singen und klagen läßt, zwar überraschend und wenig bekannt, es entstammt jedoch der islamischen Überlieferung – weshalb von Blasphemie nicht die Rede sein kann.) Einnehmend, phantastisch und erhellend ist Nedim Gürsels weit in die Vergangenheit – bis zu Allahs Töchtern – ausgreifender Entwicklungsroman eines türkischen Jungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

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Seitenzahl: 454

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Nedim Gürsel

Allahs Töchter

Aus dem Türkischenvon Barbara Yurtdas

Roman

Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel Allah’ın Kızları im Verlag Dogan Kitap, Istanbul.

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2012

© Editions du Seuil, 2009

© Nedim Gürsel

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

eISBN 9783518777305

www.suhrkamp.de

Inhalt

Das glückliche und das glücklose Arabien

Lat

Prophet Abraham

Hacı Rahmi Ram aus Hacırahmanlı

Aus dem Land Saba ins Haus Allahs

Uzza

Der Rausch des Kays und seine Geschichten mit dem Kaiser

Im Jahr des Elefanten

Einige kommen zur Vernunft, andere kommen vom Weg ab

Manat

Das Jüngste Gericht

Mevlut

Die Himmelsreise

Hatice

Die Offenbarung

Der Versregen

Drei Freunde und die Dschinnen

Uzza

Der Sternenregen

Die Löwen von Badr

Der Heuschreckenregen

Manat

Väterchen Hacı

Der Gebetsruf

Menemen

Lat

Bäcker Ibrahim

Glossar

Anmerkungen

Sollten euch die Söhne vorbehalten sein und Ihm aus den Engeln die Töchter?

Koran, Sure 53, 21

Zum Gedenkenan meinen Großvater Nedim Tüzün

Was meint ihr, wer sind wohl Lat, Uzza und Manat, die dritte von ihnen? … Sie sind nichts als Namen, die ihr ihnen gegeben habt, ihr und eure Väter.

Koran, Sure 53, 19 ff.

Beim lichten Tag und bei der Nacht, wenn sie am stillsten ist. Höre Muhammed!1 Dein Herr hat dich keineswegs verlassen, und Er zürnt dir nicht. … Hat Er dich nicht als Waise gefunden und dir Zuflucht gewährt?

Koran Sure 93, 1 ff.

Höre! Höre auf das Flüstern der Sterne am Himmel und der Felsen auf Erden! Die Berge dröhnen nachts, höre auf ihr Dröhnen! Auf die Stimme der Unendlichkeit. Höre auf das Rauschen des Windes, der durch die Zweige streicht, auf das Tröpfeln des Wassers, das nicht fließt, sondern sich Tropfen für Tropfen am Grunde des Brunnens sammelt, auf das Donnern der weiß schäumenden Wellen, die sich weit draußen auftürmen und heranstürmen. Die Sonne brennt, der Sand reinigt. Höre auch auf ihre Stimme, ihr Wort!

Nein, am Anfang war nicht das Wort. Am Anfang war dieses Sandmeer, waren diese Steine, war die sengende Sonne am wolkenlos blauen Himmel. Zuerst waren die Wolken, zuerst war der Regen, zuerst waren die Berge und der bestirnte Himmel. Es gab die Stimme und den Atem all dieser unbelebten Wesen. Das Wort kam erst danach, viel später als die Erde, als der Sand, die Kiesel, das Wasser und die vom Wasser ausgewaschenen Flusstäler. Es kam später als die Schlangen und die Hundertfüßer, später als die riesigen Bäume mit den Dolchblättern, es kam nach den Insekten, die anderen Tieren zur Speise dienen, nach den Ameisen und Falken. Und noch einmal viel später als dieses alles wurde der Mensch ins Leben gerufen und erschaffen.

Andererseits gab es doch zuerst das Wort, denn alles begann mit dem Wort, mit dem Namen Allahs. Mit Seinen Namen. Dessen Wesen über alle Bezeichnungen erhaben ist. Mit dem Namen des allerbarmenden und barmherzigen Allah, der durch alle Zeiten ohne Anfang und Ende existiert. Mit dem Namen des Allerhöchsten, der der Einzige ist, der ungeschaffene Schöpfer, nicht gezeugt noch zeugend, der als der geheime Schatz erkannt werden will, der Gott aller Welten und Herr des Jüngsten Tages.

Und doch gab es eine Zeit, als Allah auch Töchter hatte. Hier unter diesem Himmel, unter dieser Sonne, unter diesem Dunst; am Abhang dieses steinigen Hügels, am Ende dieser Straße, dieser Straßen. Die Töchter Allahs sind Lat, Uzza und Manat. Höre auch sie! Höre ihre Stimme.

Das glückliche und das glücklose Arabien

Jetzt, Jahre später, nach sehr langer Zeit, nach all der Zeit darfst du träumen. Nachdem seither viele Tage, Monate, Jahreszeiten vergangen sind. Nachdem Blut geflossen ist, Blut vergossen wurde, nach Frieden und Kriegen, nach der Liebe, nach Liebesverhältnissen, die unter die Haut gingen wie ein Flammenhemd, das die Haut verbrennt. Nach verzehrenden Liebesleidenschaften. Nach Tod und Trennung, insbesondere nach einer Trennung, die schlimmer war als der Tod.

Einst gab es den Menschen noch nicht. Besser gesagt, es gab ihn, aber bei Gott. In Seinem Wesen existierte er, in Ihm lebte er. Mit Ihm war er verschmolzen, in Ihm verschwunden. Doch Gott langweilte sich, Seine eigene Einsamkeit langweilte Ihn, Seine Macht, Sein Zorn und Seine Liebe. Er wollte erkannt werden. Zuerst erschuf Er die Welt, die Welten und dann den Menschen. Auch die Engel und der Teufel, das Gute und das Böse waren in Ihm. Als Er die Erde und die Himmel schuf, erschuf Er auch die Engel und den Teufel, die Dschinnen und die Peris, doch nur den Menschen versetzte Er ins Paradies, nachdem Er ihn erschaffen hatte. Dort lebte der Mensch, als Mann und Frau, als zwei verschiedene Geschöpfe, in endloser Glückseligkeit. Sie waren sündenlos, nackt und unsterblich. Hätten sie sich nicht vom Satan verführen lassen und von der verbotenen Frucht gegessen, dann wären sie für immer dort geblieben. Sie wären nicht gezwungenermaßen so elend und schutzlos in dieser Hölle gelandet, diesem Paradies, diesem Landstrich, der sich wie ein Meer mit Wellen aus rotem Sand in endlose Weiten erstreckt.

Öffne den Atlas und schau! Breite die Meere, die Erdteile mit ihren Bergen und Flüssen vor dir aus. Die Länder sollen sich der Reihe nach aufstellen, ein Wasserlauf soll fließend das Abenteuer des Menschen erzählen, ohne trübe und schmutzig zu werden. Drehe den Globus um seine eigene Achse von Ost nach West.

Du wirst es sehen. Auf der nördlichen Halbkugel wirst du zwischen zwei schmalen Meeren Arabien sehen, wie ein Wäschestück aufgehängt am dritten darüber liegenden Meer; im Laufe der Zeit ist es immer trockener und mit dem Rückzug des Wassers fest und hart geworden, jene Halbinsel, die sich mit ihren Steinen, ihren Sandflächen, ihrer Dürre und ihren wüsten Stürmen erstreckt, sich mit ihren wellenförmigen Sanddünen ausbreitet. Zur westlichen Küste hin steigt sie an mit erloschenen Vulkanen, Granit und Gestein, während sie zum Osten hin völlig eben ist wie ein Monument der Leere und Einsamkeit. Du wirst das glückliche und das glücklose Arabien sehen mit dem Jemen unten und der Sinaihalbinsel oben, mit dem Golf zu seiner Rechten und dem Roten Meer zur Linken. Und entlang der Westküste siehst du die nach Norden terrassenförmig abgestuften Berge, die das Wasser vom Trockenen und das Meer vom Land trennen, die zwischen beiden einen Vorhang aus Felsen ziehen wie ein unüberwindliches Hindernis. Und du wirst am Busen eines Wadi, den jene Berge verstecken, die Stadt sehen, Mekka.

Ja, sie ist ein schwarzer Punkt am Saum der nackten Felsen, die den ganzen Tag von der Sonne versengt und ausgedörrt und nachts in eisige Kälte gehüllt werden. Gott hat nämlich, ehe Er das Angesicht der Erde schuf, eine tiefgrüne Substanz geschaffen, später ist dann diese Substanz zu Wasser geworden und hat angefangen zu fließen, und aus Gottesfurcht ist das Wasser bekanntlich höher gestiegen und übergelaufen. Das erste Land aber, das sich auf diesem Wasser zeigte, bekam folglich den Namen Ümmü‘l Kura, das heißt Mutter der Ortschaften. Es ist ein Bauch genau in der Mitte des Körpers, vielleicht auch eine Brustwarze. Als Gott befahl »Kün!« »Es sei!«, als der Buchstabe kâf den Buchstaben nun berührte2, entstand zuerst diese Stadt, Mekka, die Königin der Städte, und dann standen wie angewurzelt die Berge der Umgebung da, die die Stadt befestigen. Sie besteht aus Luftziegelhäusern, die sich um einen riesigen schwarzen Würfel3 gruppieren, und einem Brunnen, der Zemzem genannt wird.

Auch wenn das Wasser des Brunnens aus dem Paradies kommt, so ist es doch trübe und bitter und ein wenig säuerlich, es schmeckt nach Paradiesquelle. In jenem regenlosen Landstrich ist Wasser der größte Segen. Doch einmal oder vielleicht zweimal im Jahr, wenn die Winde Wolken heranführen und über den Bergen zusammentreiben, wenn die Wolken sich sammeln und es blitzt, dann kann man vor heftigem Regen nichts mehr sehen. Da helfen weder Dächer noch Planen, der Regen prasselt herunter, die Sturzbäche befreien nicht nur die Steine von Unrat, sie bahnen sich ihren Weg, rasen blitzgeschwind von den Felsenhängen herunter und begraben die Gassen unter Schlamm. Sie überfluten auch Menschen und Tiere und sogar den Tempel in der Mitte der Stadt, der aus ganz alten Zeiten stammt. Selbst wenn der Prophet Abraham die Kaaba mit eigenen Händen im Schweiße seines Angesichts erbaut haben sollte, so wird doch auch sie von den Wassern überschwemmt samt ihren Götzenbildern und Statuen, ihren Göttern und Göttinnen. Und genau zu dieser Zeit reden die Götzen miteinander. Wenn der Sturm sich legt und sich die Wasser der Sturzflut aus dem Tempel verlaufen, wenn die Gassen und Höfe wieder aussehen wie vor dem Unwetter, wenn die Menschen zu ihrer Arbeit zurückkehren und die Tiere zu ihren Besitzern, dann erfüllt in der Finsternis des riesigen Würfels plötzlich ein Flüstern die stille Leere der Kaaba, während am Himmel ein Stern fällt und auf Erden der Boden dröhnt. Ehe du die Stimme Gottes hörst, ehe du Seinem Wort gehorchst, höre zuerst dieses Flüstern. Höre, was Lat, Uzza und Manat erzählen.

Lat

Sie haben mich aus Taif geholt und hierher gebracht. Die Stadt Taif ist unter den vier Schönen des Hedschas die anziehendste, die fruchtbarste und sinnlichste. Zwar ist auch Yesrib eine Oase mit reichlich Wasser und vielen Kamelen und liegt wie Mekka an der Karawanenstraße, wohingegen Hayber berühmt ist für seine Datteln und seine Burg, aber Taif möchte ich gegen keine von ihnen tauschen. Diese Stadt ist meine Kindheit und Jugend. Noch jetzt gelte ich als jung, denn Gottheiten altern nicht, bleiben stets so alt wie zur Zeit, als sie erdacht wurden, zu Götterbildern gemacht und geliebt und gestreichelt wurden, doch mir scheint, dort war ich irgendwie noch schöner, noch heiliger und bedeutend fröhlicher. Viele Menschen kamen zu mir. Es gab auch viele, die mich zum Lachen brachten und unterhielten. Die Kaufleute pflegten mir immer zuerst zu erzählen, was sie erlebt hatten, ehe sie mir die mitgebrachten wertvollen Steine, Bernstein, Jade, Rubin, Silber und Gold opferten, zu meinen Füßen Opfertiere schlachteten oder meinen nackten Körper mit Seidenstoffen umhüllten. Sie erzählten von den fernen Orten, die sie gesehen hatten, von den Städten des Nordens, die nach Kümmel und Zimt rochen, und denen des Südens, die nach Rosen dufteten, von im Wasser schwimmenden Peris und von Dschinnen, die in der Wüste Feuer anzünden, von schrecklichen Riesen auf den Gipfeln der Berge und von den fügsamen Kamelen. Ich hatte nicht nur meine treuen Mönche, meine Verehrer und Diener, die mir Opfer darbrachten, ich hatte auch meine Prostituierten. Vor mir pflegten sie Liebe zu machen mit Fremden, die von weither gekommen waren. Sie salbten ihre nackten Körper mit Olivenöl, zeigten mir ihre geheimsten Stellen und flehten zu mir.

Einmal kam ein alter, müder Beduine. Sein Gesicht war seltsam, sein Bart kupferfarben. Seine Augen funkelten wollüstig. Er zog ein Kästchen aus dem Gürtel, und nachdem er vor mir auf die Knie gefallen war, öffnete er den Deckel und entfernte sich. Ich schaute, und da lag, in die Ecke verkrochen, ein Phallus aus Stein, er schien mit dem Leben abgeschlossen zu haben, so deprimiert und wehmütig lag er da. Mit einer Berührung erweckte ich ihn zum Leben und setzte mich auf ihn. Als er in mir war, fühlte ich plötzlich, dass ich lebte, als gehörte ich zu den Sterblichen. Ich wünschte mir, dass die Erwärmung in meinem Körper immer andauern, nie enden sollte. Dies war zweifellos die wertvollste Opfergabe, die mir je dargebracht worden war. Und sie gefiel mir auch am besten. Ohne dass es jemand sah, nahm ich sie und versteckte sie. Wenn ich allein war, vereinte ich mich immer mit dieser Gabe, ich machte sie zu einem Teil meines Körpers, zum engsten Gefährten meines weiblichen Organs. Bis man mich hierher brachte und mit Hubal4 verheiratete, trennte ich mich nie davon.

Eines Tages holten sie mich aus meinem Tempel in Taif und warfen mich in eine Ecke dieses dunklen Würfels mit der niedrigen Decke, der als das Haus Allahs bekannt ist. In Taif war ich glücklich gewesen, ich hatte dort mein steinernes Geschenk zur Verfügung gehabt und mich in der Verehrung meiner Bewunderer gesonnt. Ich weiß, dass ich hier an der Seite von Hubal unscheinbar bin, und dass seine Verehrer mich für bedeutungslos halten. Außerdem hat Hubal noch eine andere Ehefrau, Uzza. Im Sommer wohnt er mir bei, weil er auf meiner Haut die Kühle von Taif findet und in meinem Gesicht das Mondlicht sehen kann, das ich in ganz alten Zeiten den Frauen in jenem weit entfernten Land, das man Syrien nennt, verliehen habe. Im Winter hingegen umarmt er Uzza, die aus einem Stück Holz besteht, jedoch so leuchtend und sengend wie die Wüstensonne ist. Zumindest ist sie die Favoritin der Kureysch.

Taif war ein grünes Paradies, das hier ist eine dunkle, heiße Hölle. Ich müsste lügen, wollte ich sagen, dass ich mich nach jenem grünen Wadi, den sie den Obstgarten des Hedschas nennen, nicht fremd fühle an meinem neuen Ort. Doch was kann ich von den Nachkommen Abrahams schon anderes erwarten! Äußerlich verehren sie mich, sie fallen vor mir auf die Knie und beten mich an. Ich stehe für sie an einem Ort zwischen dieser und der anderen Welt, vielleicht bin ich eine Brücke. Oder ein Werkzeug, um Allah zu erreichen. Doch das sieht nur so aus. Ich weiß ja, dass in Wirklichkeit einer von ihnen, Abdulmuttalib, der für die Sicherheit der Pilger verantwortlich ist, die hierher kommen, um mich zu sehen und sich vor meinem Thron zu verneigen, längst zu einer anderen Überzeugung gelangt ist, dass er mich verachtet, ja sich sogar durch meine Existenz gestört fühlt. Ich weiß es nun sicher. Wenn er sich nicht vor den Pilgern genierte, würde er auf den Spuren Abrahams für sich ebenfalls einen neuen Gott, einen einzigen Gott finden und bei Ihm Zuflucht suchen. Er würde sich Ihm ergeben. Er ahnt es schon: Neben Allah, Der alles weiß, alles sieht und hört, wird man uns nicht mehr brauchen. Er ahnt auch, dass man Allah nicht als unseren Vater ansehen wird, und dass wir in Wirklichkeit nicht Seine Töchter sind. Dabei ist der Koranvers »Die Ungläubigen haben die Dschinnen, die Er doch erschaffen hat, Allah als Gefährten beigesellt. Die Verblendeten haben sich für Ihn Söhne und Töchter ausgedacht«5 noch gar nicht vom Himmel gekommen, noch nicht. Noch ist der nicht geboren, der ihn aussprechen wird. Doch im Gesicht seines Großvaters Abdulmuttalib scheinen sich schon die ersten Anzeichen dieses Verses abzuzeichnen. Deswegen verehrt er mich nicht; jedes Mal wenn er kommt, wendet er sein Gesicht zum Himmel, als suche er dort etwas. So wie es einst Abraham getan hat.

Prophet Abraham

Abraham war alt geworden, er war schon recht betagt. Bis zum heutigen Tag hatte er keine Götzenbilder angebetet, nicht mal jene, die sein Vater Azer einst angefertigt und ihn auf dem Markt hatte verkaufen lassen, vielmehr hatte er auf Gott, seinen Gott vertraut, den er in sich hörte und fühlte, den er in seiner Phantasie nährte und wachsen ließ, dessen Namen er nicht nur in Notzeiten anrief, sondern ständig. Tag und Nacht tröstete er sich mit Seiner Existenz, doch was hatte es ihm geholfen! Das erhabene Wesen, an das er glaubte, hatte ihm nicht einmal einen Sohn geschenkt. Den Nachkommen hatte Er ihm verwehrt, den Er sogar dem Fremden schenkte, den Er nicht mal den Grausamen versagte.

Dabei war es gar nicht so leicht gewesen, Gott zu finden. Einst hatte er seine Mutter gefragt: »Wer ist mein Gott?« Als er die Antwort: »Das bin ich«, bekam, erschien ihm das seltsam. Diese schöne Frau, die ihn mit ihrer Zärtlichkeit umgab, mochte vielleicht eine Göttin sein, doch er dachte, dass sie keinesfalls die Göttin der Erde und des Himmels sein konnte, weder der lebenden und unbelebten Geschöpfe auf Erden, noch der Sterne, die am Himmel standen und kreisten. Außerdem, wenn seine Mutter seine Göttin war, musste dann nicht auch die Mutter eine Gottheit haben? Hatte denn nicht jeder einen Gott, betete nicht mancher einen Baum an, manch anderer die Berge, wieder andere auch ein Götzenbild, das sie aus einem Baum geschnitten und geformt hatten, oder ein Geflecht aus Haar oder einen zurechtgehauenen Stein? Es gab sogar manche, die sich eine Phallusstatue anfertigten und diese verehrten. Die Menschen beteten zu diesen blinden, tauben Gegenständen, die nicht helfen konnten, während Abraham nach einem Wesen suchte, das hinter all dem existierte, hinter dem einschlagenden Blitz, hinter dem sich auftürmenden, brausenden Meer, hinter den Wolken, die der Wind aufwirbelte, und sogar hinter Mond, Sonne und Sternen. Er folgte der Spur eines Gottes, der über das alles herrschte und doch jenseits von all dem war, jenseits von allen Dingen. Du kannst Ihn dir vielleicht vorstellen, doch Er übersteigt die Kraft der Phantasie, und auch wenn du Ihn nicht siehst, Er sieht dich. Er ist dir näher als deine Halsschlagader; du weißt, dass Er in deinen Adern pulst und in deinem Blut kreist, aber du kannst nicht wissen, wer Er ist, wem Er gleicht. Unmöglich kannst du das wissen! Der Mensch benötigt die Vorstellung von einem höheren Wesen, das über ihm und allen Dingen steht und allmächtig ist, um es anzubeten. Er braucht dieses Wesen, um es anzubeten, es zu erhöhen und sich in seine Barmherzigkeit zu flüchten, seine Macht und seinen Zorn zu bejahen. Der Mensch fahndet nach etwas Erhabenem, weil er in seinem stockfinsteren Dasein einen Sinn, ein Ziel sucht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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