Alleine ist man weniger zusammen - Paul Bokowski - E-Book
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Alleine ist man weniger zusammen E-Book

Paul Bokowski

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Beschreibung

Am Ende der Ausstellung haben wir Mutter verloren. Eine SMS mit dem Wortlaut „Wo bin ich?“ ignorieren wir. Während Vater sich dem Gästebuch des Museums widmet, ziehe ich mich auf das Besucher-WC zurück, um ungestört zu weinen. Als ich wiederkomme ist auch Papa verschwunden. Folgenden Eintrag im Gästebuch kann ich mit relativer Gewissheit meinem Erzeuger zuordnen: „Die Feuerlöscher im Spätmittelalter sind seit vier Monaten abgelaufen.“ Auch Mutter wollte sich verewigen: „Paul, wir warten draußen!“ Paul Bokowski ist zurück! Und das mit einer stillen, würdevollen Wucht, die ihresgleichen sucht. Zwei Dutzend hinreißend bissige Geschichten aus dem Leben eines polnischen Einwandererkinds. Über die abenteuerliche Reise einer wandernden Waschmaschine, unmoralische Angebote potentieller Nachmieter, passiv-aggressive Brettspiele mit der eigenen Mischpoke und die tiefgründige Bedeutung von vollveganem Fleischsalat.

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Seitenzahl: 137

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Buch

»Ich möchte keineswegs behaupten, dass man bei OBI ein wenig arbeitsscheuer ist als bei anderen Baumärkten. Als ich aber einen Karton Hohlraumdübel aus dem Regal nehme und dahinter einen Mitarbeiter entdecke, habe ich doch ein wenig Mühe, besonders überrascht zu tun.«

Mit Feingefühl und treffsicherer Analyse entwickelt der bekennende Stadtneurotiker Paul Bokowski aus den harmlosesten Situationen hinreißend humorvolle Geschichten. Seien es die Abenteuer einer wandernden Waschmaschine, die Hilflosigkeit eines Großstädters beim Anblick eines Kükens in der eigenen Küche, der stille Kampf um Beinfreiheit in überfüllten Zügen oder der nachbarschaftliche Wettstreit um die spektakulärste Balkonbegrünung. Paul Bokowski findet das Absurde im Zwischenmenschlichen und entlockt beiläufigen Begebenheiten das größtmögliche Maß an Komik. Neben der schleichenden Befürchtung, dass das alles wirklich so passiert ist, bleibt die augenzwinkernde Erkenntnis: Alleine ist man weniger zusammen …

Autor

Paul Bokowski, geboren 1982, gehört zur Speerspitze der Berliner Lesebühnenszene. Der Autor, Vorleser und Geschichtenerzähler lebt seit über zehn Jahren in einem der unbeirrbarsten Problembezirke der bundesdeutschen Hauptstadt. Er ist jüngstes Mitglied der Lesebühne »Brauseboys«, Gründungsmitglied der Literaturveranstaltung »Fuchs & Söhne« sowie festes Redaktionsmitglied der Satirezeitschrift »Salbader«. 2012 erschien sein Überraschungserfolg »Hauptsache nichts mit Menschen«. Der »Woody Allen des Weddings« entstammt einer deutsch-polnischen Familie und ist in seinem zweiten Leben leidenschaftlicher Backblogger.

Mehr zum Autor und seinen Büchern unter www.paulbokowski.de

Von Paul Bokowski außerdem lieferbar

Hauptsache nichts mit Menschen

Paul Bokowski

Alleine ist man weniger zusammen

MANHATTAN

Manhattan Bücher erscheinen imWilhelm Goldmann Verlag, München,einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

1. Auflage

Erstveröffentlichung Mai 2015

Copyright © der Originalausgabe

2015 by Paul Bokowski

Copyright © dieser Ausgabe 2013

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Die Nutzung des Labels Manhattan erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Hans-im-Glück-Verlags, München

Umschlaggestaltung und Konzeption:

Buxdesign | München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-15674-9

www.manhattan-verlag.de

Inhalt

Anruf bei der Polizei

Lausche, was wandert

Hinterhof, mon amour: Frühlingsgefühle

Von einem, der einzog, das Fürchten zu lernen

Kuck mal, was da schwimmt

Hinterhof, mon amour: Gute Tage

Der Schwabe

Das Mitbringsel

Hinterhof, mon amour: Leicht bekleidet

Glaube, Liebe, Hoffnung

Dicker als Wasser

Hinterhof, mon amour: Fernweh

Mutter Blamage und ihre Kinder, Teil 1

Die Nachmieter

Hinterhof, mon amour: NSA

Die neue Waschmaschine

Das Aquarium

Hinterhof, mon amour: Ruhestörung

Wenn der Nachbar ein Mal klingelt

Urban Balconing

Hinterhof, mon amour: Ostern

Mutter Blamage und ihre Kinder, Teil 2

Reden ist Silber

Hinterhof, mon amour: Der Mann fürs Leben

In drei Zügen schachmatt

Send in the Klaus

Hinterhof, mon amour: Vorsorge

Polohemd – der Tragödie zweiter Teil

Besuch vom RBB

Hinterhof, mon amour: Parship

Der Letzte macht das Licht aus

Episch geht die Welt zugrunde

Dank

Anruf bei der Polizei

Polizist

Notruf der Berliner Polizei, Abschnitt 35, Schimanski.

Paul

Sie heißen Schimanski!?

Polizist

Ja, mein Name ist Schimanski. Rüdiger Schimanski. Was kann ich für Sie tun?

Paul

Ich hätte gern eine Nummer für kleinere Notfälle.

Polizist

Kleinere Notfälle?

Paul

Ja.

Polizist

Was sind denn kleinere Notfälle?

Paul

Na ja. Keine richtigen Notfälle.

Polizist

Sie hätten also gern eine Nummer für nicht richtige Notfälle.

Paul

Genau. Also nichts Lebensbedrohliches oder so.

Polizist

(Schweigen.)

Paul

Hallo?

Polizist

Ja. Ich bin noch dran.

Paul

Ich könnte auch später noch mal anrufen.

Polizist

Das ist sehr nett von Ihnen, bringt mir persönlich aber wenig.

Paul

Wieso?

Polizist

Ich sitz hier noch bis Mitternacht.

Paul

Nee. So lang wollte ich eigentlich nicht wach bleiben.

Polizist

Eben. Was für ein Notfall ist das denn?

Paul

Da ist ein Tier in meiner Küche.

Polizist

Was denn für ein Tier?

Paul

Ich glaube, ein Vogel.

Polizist

Können Sie den Vogel beschreiben?

Paul

Eher klein, von rundlicher Statur, gelbes Haar.

Polizist

Haar?

Paul

Fell.

Polizist

Fell?

Paul

Gefieder.

Polizist

Eher klein, von rundlicher Statur, gelbes Gefieder?

Paul

Richtig.

Polizist

Klein, dick und gelb?

Paul

Nicht dick. Rundlich.

Polizist

Rundlich?

Paul

Ja. Rundlich, aber nicht dick. Eher flauschig.

Polizist

Klein, flauschig und gelb?

Paul

Ja.

Polizist

Sie meinen ein Küken.

Paul

Vielleicht.

Polizist

Sie wissen schon, dass das der Notruf der Berliner Polizei ist?

Paul

Deswegen frag ich ja!

Polizist

Wonach?

Paul

Nach einer Nummer.

Polizist

Wofür?

Paul

Kleinere Notfälle.

Polizist

Sie rufen also an, weil ein Küken in Ihrer Küche sitzt?

Paul

Das kommt drauf an, was genau ein Küken ist.

Polizist

Sie werden doch wissen, was ein Küken ist.

Paul

Ich weiß, dass Küken kleine Hühner sind. Aber ich weiß nicht, ob das in meiner Küche auch ein Huhn ist, verstehn Se? Vielleicht ist es ja ’ne Gans oder ’ne Ente oder ein Adler. Sind denn kleine Gänse auch Küken?

Polizist

In welchem Stock wohnen Sie denn?

Paul

Im dritten.

Polizist

Wie soll denn ein Küken zu Ihnen in den dritten Stock gekommen sein?

Paul

Wir haben einen Aufzug im Haus.

Polizist

Ist das Ihre einzige Theorie?

Paul

Vielleicht ist es auch geflogen?

Polizist

Küken können nicht fliegen.

Paul

Vielleicht ist es ein hochbegabtes Küken?

Polizist

Seit wann haben Sie das Küken denn in Ihrer Küche?

Paul

Seit drei Stunden.

Polizist

Was haben Sie denn gemacht so lange?

Paul

Na, das Übliche.

Polizist

Das Übliche?

Paul

Gegoogelt.

Polizist

Da hockt ein Küken in Ihrer Küche im dritten Stock und das Erste, was Sie machen, ist zu googeln?

Paul

Eigentlich hab ich erst ein Bild gemacht. Für Facebook.

Polizist

Und? Hat’s schon jemand geliked?

Paul

Ja. 86 Leute.

Polizist

Sehn Se. Ist doch halb so schlimm, so ein Küken in der Küche.

Paul

Aber was soll ich denn jetzt machen?

Polizist

Isses ein männliches oder ein weibliches Küken.

Paul

Keine Ahnung.

Polizist

Na schaun Se doch mal nach!

Paul

Ich fass doch kein fremdes Küken an!

Polizist

Was soll denn passieren?

Paul

Vielleicht beißt es mich.

Polizist

Küken könn’ nicht beißen.

Paul

Aber picken. Und ich habe lange dünne Finger. Fast wurmartig, könnte man sagen.

Polizist

Sie gehn jetzt gefälligst in die Küche und gucken nach, ob es ein männliches oder weibliches Küken ist.

Paul

Nein.

Polizist

Doch.

Paul

Wieso überhaupt?

Polizist

Wenn das ein männliches Küken ist, dann schick ich garantiert keine Streife los. Bei einem weiblichen Küken würd ich mit mir reden lassen.

Paul

Was hat das denn mit dem Geschlecht zu tun?

Polizist

Wissen Sie nicht, was man macht mit männlichen Küken?

Paul

Wie? Was man macht?

Polizist

Na, was so passiert mit männlichen Küken.

Paul

Nee.

Polizist

Die werden zermust.

Paul

Zermust?

Polizist

Ja. Aus weiblichen Küken macht man Legehennen und Masthennen. Aus männlichen Küken macht man Mus. Für Tierfutter.

Paul

Und was mach ich, wenn das ein männliches Küken ist?

Polizist

Sind Sie bei der PETA?

Paul

Nee.

Polizist

Bei Greenpeace?

Paul

Nö.

Polizist

Deutscher Tierschutzbund?

Paul

Nein.

Polizist

Partei für Mensch, Umwelt und Tierschutz?

Paul

Auch nicht.

Polizist

Wird dieses Gespräch aufgezeichnet?

Paul

Nicht von mir.

Polizist

Dann würd ich an Ihrer Stelle eine große Pfanne nehmen und kurzen Prozess machen.

Paul

Ich werd doch kein kleines Küken töten!

Polizist

Essen Sie Hühnerfleisch?

Paul

Ja.

Polizist

Dann töten Sie Küken. Vierzig Millionen. Jedes Jahr.

Paul

Ich töte doch keine Küken.

Polizist

Sie nehmen das Töten von Küken wissentlich in Kauf.

Paul

Wissentlich bisher ja nicht.

Polizist

Sehn Se!

Paul

Mit ’ner Pfanne! Geht’s noch!

Polizist

Aber Musmaschine ist okay oder was?

Paul

Bei so einem automatisierten Prozess finde ich das irgendwie weniger grausam.

Polizist

Weniger?

Paul

Ja. Weniger.

Polizist

Ham Se einen Mixer zu Hause.

Paul

Ja.

Polizist

Na bitte. Ist doch auch automatisiert.

Paul

Das ist auch grausam. Da muss ich das Küken ja erst reintun, Deckel drauf und dann selber auf den Knopf drücken.

Polizist

Ach, und wenn jemand anders draufdrückt, is’ aber okay?

Paul

Ja.

Polizist

Oder wenn das Ding von allein anspringt?

Paul

Noch besser.

Polizist

Ham Se eine Zeitschaltuhr zu Hause?

Paul

Geht’s noch?

Polizist

Oder Sie gehn zu Lidl.

Paul

Was soll ich denn bei Lidl?

Polizist

Sie nehm’ das Küken. Setzen es in den Leergutautomaten. Zack. Mus!

Paul

Sind Sie verrückt? Am Ende geht der Automat kaputt und ich darf blechen.

Polizist

Was soll denn da kaputtgehen? Außer dem Küken.

Paul

Kann das nicht jemand anders machen?

Polizist

Wer denn?

Paul

Na, die Polizei.

Polizist

Die Polizei kann doch kein kleines Küken töten. Was glauben Sie, was da los ist, wenn das rauskommt?

Paul

Wir könn’ doch so tun, als hätte Sie das Küken angegriffen. Warnschuss eins. Warnschuss zwei. Querschläger. Küken tot.

Polizist

Ich hab jetzt keine Lust mehr.

Paul

Könn’ Sie nicht vorbeikommen?

Polizist

Nee.

Paul

Von mir aus auch nach dem Dienst? Sie nehm’ das Küken einfach mit und regeln das für mich. Bitte.

Polizist

Nein.

Paul

Bittebitte.

Polizist

Nein.

Paul

Bittebittebitte.

Polizist

Hörn Se, ich leg jetzt auf.

Paul

Das dürfen Sie doch gar nicht.

Polizist

Was?

Paul

Na, auflegen.

Polizist

Warum sollte ich das nicht dürfen.

Paul

Na juristisch. Sie als Polizist vom Notruf.

Polizist

Das stimmt. Normalerweise.

Paul

Was heißt denn normalerweise.

Polizist

Na, eigentlich darf ich das nicht. Außer bei kleineren Notfällen.

(Ende der Szene)

Lausche, was wandert

Man darf’s ja so laut gar nicht sagen, aber wo wir doch gerade unter uns sind: Ich gehöre schon ganz klar zu den Leuten, die ein bisschen klüger sind als alle anderen. Da muss man schon ganz ehrlich mit sich sein. Will zwar keiner hören, ist aber so: Ich weiß eigentlich alles ein bisschen besser als der Rest. Da kommt’s auch gar nicht darauf an, wovon genau die Rede ist: frühmittelalterliche Dichtung, Nuklearmedizin, Byzantinistik oder Geschlechtskrankheiten subtropischer Tierarten. Ich, im Kopf immer verschränkte Arme, rechte Augenbraue ganz weit oben und ein bisschen Überlegenheit im Gesicht.

Je weniger ich von irgendwas verstehe, umso mehr weiß ich Bescheid. Auch immer noch ein bisschen mehr als alle anderen. Da könnte man jetzt sagen: »Geht doch gar nicht! So rein logisch.« Aber glauben Sie mir mal. Ich weiß schon, wovon ich rede.

Sie müssen wissen: Die Leute sehen das ja auch, dass man weiß. Und dass man weiß, dass sie wissen. Wenn ich dem Dirk vom Hornbach sage, dass die neue Waschmaschine immer wandert, wegen der Dielen, dann weiß ich doch sofort, dass er denkt: »Das weiß ich aber besser. Nicht wegen der Dielen, sondern weil die Beinchen falsch justiert sind.« Und wenn der Dirk vom Hornbach mir dann eine Unterlegmatte für die Waschmaschine verkaufen will, dann weiß ich: »Hilft mir zwar bei Beinchen, aber nicht bei Dielen.« Das weiß ich eben besser als der Dirk. So eine Unterlegmatte macht doch alles nur noch schlimmer. Aber weil ich weiß, dass Dirk weiß, dass ich weiß, kaufe ich trotzdem eine, damit er nicht denkt, ich wüsste … na, Sie wissen schon.

Is’ ja auch gut, so was mal im Haus zu haben. Damit falls einer sagt: »Kauf dir mal ’ne Unterlegmatte!«, ich gleich sagen kann: »Hab ich schon. Wusste ich gleich, dass das nichts bringt.«

Soweit ich weiß, geht das mit der Waschmaschine schon ein Weilchen so. Anfangs nur ein kleines bisschen. Da ist die Waschmaschine morgens nicht mehr neben dem Kühlschrank gestanden, sondern hinten rechts bei der Spülmaschine. Hatte ganz plötzlich angefangen. Wobei: So ganz genau wissen kann ich das ja nicht. Könnte gut sein, dass die Waschmaschine schon länger gewandert ist. Nur eben sehr unauffällig. Immer raus aus ihrer Nische, einmal rund um den Küchentisch und wieder zurück in ihre Nische. Ich hab da ja kein Auge für. Mir fällt so was immer nur rückblickend auf. Mir ist sogar so, als sei die Waschmaschine eines Morgens im Wohnzimmer am Fenster gestanden. Glaube ich. Nicht so lange. Zwei, drei Tage vielleicht. Und dann wieder zurück. Aber Achtung: Ich, anfangs ja noch voll der Besserwisser. Da hab ich gedacht: Kann doch gar nicht sein.

Und dann, letzte Woche, das weiß ich noch ganz genau, bin ich morgens aufgewacht, und was seh ich, draußen am Balkon? – Die Waschmaschine! Hat die ja nicht wissen können, dass die Balkontür immer gleich zufällt und man von draußen nicht mehr reinkommt. So ganz ohne Arme. Aber was erwartet man auch? Ist ja nur ’ne Waschmaschine.

Aber interessant, weil ganz wichtige Erkenntnis: Besserwissersein gleich voll das Familiending. Als ich nämlich meinem Vater erzählt habe, dass die Waschmaschine über Nacht auf den Balkon gewandert ist, also von der Küche durch den Flur, Schlafzimmertür auf, Schlafzimmertür zu, vorbei am Bett, Balkontür auf und über die Schwelle raus an die frische Luft, da hat er nur gesagt: »Kann doch gar nicht sein.« Aber unter uns: Musste er ja sagen. Weil die Beinchen von der Waschmaschine hatte mein Vater justiert.

Mutter dagegen wieder total weiblich-irrational. Wie das denn gehen soll, dass eine Waschmaschine Türen aufbekommt? Aber da muss man als Besserwisser schon ein bisschen Nachsicht haben. Auch mit der eigenen Mutter. Die hat halt nur ’ne alte Bauknecht zu Hause. Die hat bestimmt schon zwanzig Jahre auf dem Buckel. Klar, dass die keine Türen aufbekommt.

Vater hatte dann trotzdem noch einen Tipp auf den Lippen. Er sagte: »Olivenöl unter die Beinchen.« Hab ich nicht verstanden, warum. Aber so gute Ratschläge am besten gar nicht hinterfragen, sondern lieber ein bisschen Wind aus den Segeln nehmen.

Mutter eher so der Fachmann für Antitipps. Aber Empathie: top. Und gute Absichten sowieso. Also gar nicht erst versuchen, das Problem zu lösen, sondern lieber effektiv daran arbeiten, das Problem nicht noch wesentlich schlimmer zu machen. Mutter sagte, ich solle bloß keinen ganzen Weißkohl in die Trommel legen. Hab ich auch nicht ganz verstanden, wie sie darauf kam. Drei Stunden später hat dann der Bruder meiner Mutter angerufen. Hat mir gesagt, ich solle einfach bei jeder Wäsche einen ganzen Weißkohl mit in die Trommel legen.

Letzten Freitag gegen acht dann ein Klingeln an der Tür. Der Betreiber vom Wettbüro gegenüber. Ich möge doch bitte kommen und meine Waschmaschine wieder abholen.

Als wir kurze Zeit später gerade auf dem Weg nach Hause waren, die Waschmaschine und ich, holte uns Frau Paszellak vom Penny ein. Sie bekäme noch acht Euro für meinen Einkauf gestern Nachmittag. »Welchen Einkauf?«, fragte ich. Aber Frau Paszellak wusste, dass ich wusste, und deutete stumm auf die Einkäufe in meiner Waschmaschine. Ich deutete stumm zurück auf den 10-Euro-Schein im Weichspülerfach.

Letzte Nacht ein Anruf von der Bundespolizei. Man hätte in der Nähe von Görlitz eine Waschmaschine aufgegriffen. In der Waschtrommel ein paar Stangen Zigaretten und ein verwaschener Einkaufszettel mit meinem Namen drauf. Ob das meine Waschmaschine sei. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, habe ich gesagt. Aber ich wusste, dass der Polizeibeamte wusste, dass ich wusste. Aber dass ich wusste, dass er wusste, dass ich wusste, na das, das muss der mir erst mal beweisen.

Im Quergebäude nebenan wohnt seit vielen Jahren eine alte Dame. Rita Schoblinsky. Die arme Frau hat eine sehr seltene Erkrankung: Ihre Unterarme sind an ihrem Fensterbrett festgewachsen. Mehrmals täglich ruft die Rentnerin nach ihrer langjährigen Freundin Herta Kemper aus dem gegenüberliegenden Seitenflügel.

Hinterhof, mon amour: Frühlingsgefühle

Rita

Herta!

Herta

Wat’n?

Rita

HERTA!

Herta

Ja, wat’n?

Rita

Komm doch ma’ ans Fenster!

Herta

Jaja. Wat is’n los?

Rita

Herta … ick gloob, ick hab mir verliebt!

Herta

Wat haste?

Rita

Mir verliebt!

Herta

Biste dir sicher?

Rita

Klar bin ick mir sicher. Sowat merkt man doch!

Herta

Woran merkst’n ditte?

Rita

Na, die Pumpe, Herta! Wie’s da so rumpelt! Und der Magen, als hätt ick Miniermotten inner Wampe! Und die Rübe! Janz heiß is’ mir obenrum.

Herta

Ach Rita, so war dit bei dem Rudi doch auch damals!

Rita

Na, siehste!

Herta

War aber keene Liebe! War Krebs!

Von einem, der einzog, das Fürchten zu lernen