Bitte nehmen Sie meine Hand da weg - Paul Bokowski - E-Book
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Bitte nehmen Sie meine Hand da weg E-Book

Paul Bokowski

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Beschreibung

»Der beste Stadtneurotiker, seit es lustige Taschenbücher gibt!« (Literaturhaus Frankfurt)

Schon mal über die Anschaffung eines Saugroboters nachgedacht? Dann lassen Sie sich von Paul Bokowski eines Besseren belehren. Der Lesebühnenautor weiß, wie schnell die elektronische Haushaltshilfe die Single-Wohnung übernimmt und Thermomix bis Trockner in vollautomatische Revolutionsbrigaden verwandelt. In seinem neuen Buch berichtet der Großmeister treffsicherer Pointen aus sämtlichen Gefahrenzonen des Alltags. Gibt es einen Knigge für Kleinanzeigen? Was wenn die Airline noch auf dem Rollfeld Insolvenz anmeldet? Und wer erklärt dem Vater im Vorruhestand, was ein Menstruationsbecher ist? Das Leben steckt voller Tücken. Lachen wir, solange wir noch können.

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Seitenzahl: 158

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Buch

Was tun, wenn die Airline noch auf dem Rollfeld Insolvenz anmeldet? Wenn der despotische Staubsaugerroboter die Wohnung übernimmt? Wenn eine passiv-aggressive Schwiegermutter die Babyparty sprengt und der pensionierte Vater wissen möchte, was ein Menstruationsbecher ist? Unerschrocken erzählt Paul Bokowski, Großmeister der treffsicheren Pointe, von den Gefahrenzonen des Alltags. Das Leben steckt voller Tücken. Lachen wir, solange wir noch können.Weitere Informationen zu Paul Bokowskisowie zu lieferbaren Titeln des Autorsfinden Sie am Ende des Buches.

Paul Bokowski

Bitte nehmen Sie meine Hand da weg

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe September 2019

Copyright © 2019 by Paul Bokowski

Copyright © dieser Ausgabe 2019

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © Paul Bokowski

mb · Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-23814-8V001

www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Inhalt

Staubi allein zu Haus

Fahrstuhl für zwei

Dings

Mein kleines Tourtagebuch / Im Norden

Warten auf Merlot

Treppe, Messing, Crack, Spion

Briefe an einen schwulen Dichter

Mein kleines Tourtagebuch / Im Osten

Genpool

Zwei Hochzeiten und kein Todesfall

In der Not frisst der Teufel Spargel

Mein kleines Tourtagebuch / Sommerpause

Kinder, die auf Puppen starren

Selbstabholer, kein Versand

Better call Paul

Mein kleines Tourtagebuch / Im Süden

Die Regina-Monologe

Pappa ante Porto

Fünf ist eine warme Farbe

Mein kleines Tourtagebuch / Im Westen

Biederitz sehen und sterben

Die Fenster zum Hof

Bokowskis und der stille Gast

Staubi allein zu Haus

Dezember

Zum ersten Mal seit drei Jahren verbringe ich Weihnachten in der analogen Heimat. In der noch analogen Heimat. Denn Mutter hat Vater einen Intensivkurs für die Volkshochschule Bad Kreuznach geschenkt. Der neckische Titel: »Ruhestand 2.0 – eine sehr späte Einführung in das digitale Zeitalter«. Ein erstaunlich treffsicheres Geschenk für einen Mann, der noch immer jedes Mal an den Anfang einer Webseite zurückscrollt, bevor er das Browserfenster wieder zumacht. Das Faltblatt der zweiwöchigen Fortbildung glänzt durch Wortspiele, die zweifelsohne in einem VHS-Kurs für angehende Werbetexter erarbeitet wurden:

»Backen oder Backup? – Was Sie über Googlehupf und EiCloud wissen müssen«

»Tinderüberraschung – Gleitsicht und Weitsicht beim Online-Dating«

»Appstellgleis, nein danke! – 5 Apps gegen Einsamkeit im Alter«

Den abschließenden QR-Code und die Formulierung »Weitere Informationen finden Sie online unter …«, empfinde ich zwar als höhnisch, beglückwünsche Vater aber zum Anbruch des digitalen Lebensalters. Er scheint wenig begeistert davon zu sein, sich zwei Wochen lang mit alten Menschen und neuen Technologien beschäftigen zu müssen. Was wir in erster Linie daran erkennen, dass er nur noch mürrische Brummgeräusche von sich gibt, die entfernt an ein altes 56K-Modem erinnern.

Auch ich wurde reich beschenkt. Seit wenigen Minuten nenne ich einen chinesischen Staubsaugerroboter mein Eigen. Ich versuche, diese subtile Kritik an meinem Sinn für Sauberkeit nicht allzu persönlich zu nehmen. Immer noch besser als der legendäre Weihnachtskalender mit Raumerfrischerpröbchen, der letztes Jahr in der Single-Wohnung meiner Schwester Hannah eingetrudelt ist. Sie verbringt die Festtage mit Brechdurchfall in einem 2-Sterne-Hotel in Zwickau. Ich beneide sie trotzdem.

In einer feierlichen Zeremonie wurde der elektronische Familienzuwachs auf den Namen Staubi getauft. Der kleine Racker verfügt über Bluetooth, USB, WLAN und eine eigene Android-App. Hätte er eine Spracherkennung, ich würde ihn bitten, mich zu heiraten. Auch Mutter ist begeistert. Sie verstreut großzügig Spekulatiusbrösel im Wohnzimmer, während das brummende Ding – Staubi, nicht Vater – unablässig seine Runden über das Parkett dreht. Vom Eierpunsch beseelt werden anschließend ein Seitenarm der Nordmanntanne und ein halber Meter Lametta gerupft, um Staubi an seine Grenzen zu bringen. Vergebens. Die Stimmung kippt, als Mutter und ich den letzten Rest Eierpunsch mit Gewürzlikör aufgießen und darum wetten, wer von uns beiden mehr Protagonisten aus der Weihnachtskrippe auf dem hin und her gleitenden Staubsauger platzieren kann. Mutter gewinnt mit einer Eselslänge Abstand.

Januar

Nach meinem blumigen Erlebnisbericht hat Hannah den Entschluss gefasst, auch allen zukünftigen Familienfesten fernzubleiben. Vater hingegen hat die Segel gestrichen und seine Frau zum Intensivkurs an die Volkshochschule begleitet. Mutter war augenblicklich Feuer und Flamme, was unser Vater sich damit erklärt, dass der Dozent wie eine exakte Mischung aus Costa Cordalis und dem jungen Stalin aussieht. Ich habe beschlossen, den zahlreichen Fragen, die diese Information aufwirft, fürs Erste nicht auf den Grund zu gehen. Stattdessen beobachte ich mit Besorgnis, wie sich unsere bisher so beharrlich analogen Eltern Stück für Stück in @ltern verwandeln.

Seitdem der VHS-Kurs in seine zweite Woche gegangen ist, brechen täglich neue Hiobsbotschaften über Hannah und mich herein. Gestern Abend eine Facebook-Nachricht meiner Schwester: »Mutter hat jetzt Instagram! Rette sich, wer kann!«

Tatsächlich postet Mutter seit drei Tagen unterbelichtete Fotos ihrer Mahlzeiten. Zu meiner großen Verwunderung hat sie schon jetzt mehr Follower als ich.

Februar

Wenn ich die vierzehn lustigen Tiervideos richtig interpretiere, die in den letzten drei Stunden auf meinem Handy eingetrudelt sind, ist meine Mutter neuerdings bei WhatsApp. Noch wirken ihre digitalen Gehversuche etwas unbeholfen. Dabei ist auch die Autokorrektur ihres Smartphones ganz offensichtlich keine große Hilfe: »Hallo Katz, hier ist deine Nutte. Sag Ball, hast du weinen streuen Straßburger schon ausdrapiert? Uns stehlt immer noch einer von den eiligen Brei Königen. Alles Brite. Mama.«

Ich lasse mir die Gelegenheit nicht nehmen, greife nach meinem Tablet und tippe eine Antwort: »Hallo Futter, schön, dass du mir reibst. Lieder vergehe ich kein Hort. Böhmen Mus an Kater. Von meinem Straßburger geschändet.« Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: »Verramscht du mich?«

»Niemals!«, entgegne ich. »Fuß und Bus! Raul.«

Vater verbringt das Wochenende derweil auf seiner ersten LAN-Party in der hessischen Provinz. 200 fetthäutige Jugendliche in lebensbejahenden Outfits von dunkelgrau bis hellschwarz und irgendwo dazwischen ein Vorruheständler mit Camp-David-Shirt in Kiwi, Schlumpf oder Rosé. Oje.

März

Der künstliche Verschleiß technischer Geräte dürfte jedem ein Begriff sein, der schon mal einen Tintenstrahldrucker sein Eigen nannte. Mein Weihnachtsgeschenk hat den Begriff der geplanten Obsoleszenz, wie es fachmännisch heißt, ein wenig weiter gefasst. In der Nacht auf Sonntag hat Staubi die Steckerleiste neben dem Kühlschrank zu fassen gekriegt und völlig unbemerkt meinen Brotbackautomaten von der Anrichte geholt. Ich fand den Roboter in den frühen Morgenstunden, wie er triumphierend seine Runden um den technischen Kadaver drehte.

April

Meine Krankenkasse heißt jetzt BKKtransparent. Zu meiner großen Überraschung ging der Namenswechsel mit einem Begrüßungsgeschenk einher: einer elektronischen Waage eines taiwanesischen No-Name-Herstellers. Die Waage verlangt die Eingabe meines WLAN-Passworts und das Bestätigen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dummerweise erscheinen die AGB als Laufschrift auf der vierstelligen Digitalanzeige. Wenn meine Hochrechnung stimmt, weiß ich spätestens Mitte Mai, wie viel ich wiege. Ein Gutes hat die Sache: sechs Wochen mehr Zeit, um die letzten Weihnachtspfunde loszuwerden.

Mai

Der VHS-Kurs, den unser Senior zu Weihnachten geschenkt bekam, hat mittlerweile seine maximale Wirkung entfaltet. Vater ist seit zwei Wochen Mitglied im Chaos Computer Club. Auch Mutters digitale Fähigkeiten machen Fortschritte. Am frühen Nachmittag eine SMS auf meinem SmartTV: »Hallo Sohn. Hier ist deine Mutter. Mein Hausarzt sagt, deine Blutzuckerwerte sind bedenklich. Schöne Grüße, Mama. Von unserem Kühlschrank gesendet.« Es hat einen halben Nachmittag gedauert, bis ich herausbekommen habe, woher der Hausarzt meiner Mutter von meinen Blutzuckerwerten weiß. Allem Anschein nach kann meine neue Körperwaage nicht nur das Gewicht, sondern über meine Fußsohlen auch Puls, Körpertemperatur und Blutzuckerwerte bestimmen. Zusätzlich werden meine Vitalwerte via Twitter an meine Krankenkasse, meine nächsten Angehörigen und einen chinesischen Hersteller für Blutzuckermessgeräte gesendet.

Juni

Staubi hat im Badezimmer gewütet. Dieses Mal hat er im Vorbeifahren das Ladekabel der elektrischen Zahnbürste eingeheimst, was wiederum den Rasierapparat von Braun aus seiner Ladestation riss und schließlich sogar den Bluetooth-Lautsprecher von Bose aus dem Regal schleuderte. Ich habe die zahlreichen Einzelteile sauber zusammengekehrt unter der Badewanne entdeckt, nachdem aus dem Lautsprecher eine leise wimmernde Version von »Time to say goodbye« zu hören war. Dafür ist König Balthasar wieder aufgetaucht. Allem Anschein nach hat Staubi eine kleine Trophäensammlung hinter dem alten Schreibtisch im Arbeitszimmer angelegt: zwei Kugelschreiber, ein halbes Dutzend Erdnussflips, vier Euro und sieben Cent in Münzen, eine alte Bifi (sicherlich nicht meine), besagter König Balthasar und meine Kreditkarte.

Juli

Wenn man Vaters letztem Tweet Glauben schenken darf, verbringt er die nächsten zwei Wochen auf einer Hacker-Konferenz in internationalen Gewässern. Wir haben längst aufgehört, uns über seine neue Leidenschaft zu wundern. Sei es der bedenklich hohe Club-Mate-Konsum oder spätnächtliche semi-romantische Selfies mit seinem eigenen lebensgroßen Minecraft-Avatar. Mutter war über Vaters kleine Atlantikreise dermaßen erzürnt, dass sie aus reinem Trotz eine Kreuzfahrt durch den Persischen Golf gebucht hat. Sie kann es sich auch leisten. Seitdem eines ihrer YouTube-Videos über Besenreiser und glutenfreien Kartoffelauflauf viral gegangen ist, bietet ihr der chinesische Hersteller für Blutzuckermessgeräte ein doppeltes durchschnittliches Monatsgehalt für eine wohlwollende Instagram-Story. Hannah ist aus einer Bierlaune heraus mitgefahren. Heute Morgen lag ein erfrischend analoger Reisebericht in meinem Briefkasten: »Bruderherz, schöne Grüße von der MS Adipositas. Blutalkohol: 1,4 Promille. Temperatur: 39 Grad im Schatten. Altersschnitt an Bord: 62 Jahre. Mutter muss ständig Autogramme geben. Wegen Besenreisern und Kartoffelauflauf. Muss jetzt Schluss machen, Cocktail kommt. Alles Liebe, Hannah.«

August

Staubi hat die Mikrowelle kaltgemacht. Ich habe beschlossen, meinem Ärger dadurch Luft zu machen, dass ich bei der etwa zwanzig Ziffern langen Service-Hotline seines Herstellers anrufe. Landesvorwahl China, laut Firmenhomepage aber kostenfrei. Nach etwa fünfzig Minuten in der Warteschleife kann ich die chinesische Version von »We didn’t start the fire« fehlerfrei mitsingen. Komischerweise habe ich am Ende der Wartezeit eine Frau mit sächsischem Akzent in der Leitung. Auf Nachfrage aus dem Großraum Chemnitz. Man bedauere den Verlust meiner Kleingeräte und könne mir für eine Zuzahlung von nur 200 Euro ein brandneues Kombigerät aus dem aktuellen Sortiment anbieten. Jetzt steht ein WLAN-fähiger, sprachgesteuerter Induktionsherd mit Backofen, Mikrowellenfunktion und eingebauten Bluetooth-Boxen in meiner Küche. Leider glaubt das Universalgerät seit dem letzten Software-Update, es sei in Wirklichkeit ein Kleiderschrank und bestellt fortwährend Mottenkugeln, Fusselrollen und Nylonstrümpfe. Beim Versuch, das Update über das eingebaute Display wieder rückgängig zu machen, wurde ich von Staubi aufgeschreckt und mittels wild rotierender Bürsten in die Speisekammer getrieben. Zum Glück gab es dort warmes Bier, Brühwürfel und ein offenes WLAN aus dem Seitenflügel.

September

Vater hat angerufen und sich sehr herzlich für den Rasenmähroboter bedankt. Ich kann mich nicht daran erinnern, einen Rasenmähroboter bestellt zu haben. Ebenso scheint es mir entfallen zu sein, dass Vater morgen seinen fünfundsechzigsten Geburtstag zelebriert. Ich beschließe, das Ganze als glückliche Fügung des Schicksals zu betrachten. Dann entdecke ich auf meiner Kreditkartenabrechnung die Abbuchung einer chinesischen Spedition über 1249 Euro. Vielleicht wird es Zeit, mir die Allgemeinen Geschäftsbedingungen meines Staubsaugerroboters doch nochmal genauer anzuschauen. Die zahlreichen Rezensionen bei Amazon jedenfalls legen nahe, dass Staubi seit dem letzten Software-Update eine wirtschaftspolitische Agenda verfolgt. Klingt ein bisschen irre, würde allerdings erklären, warum mein WLAN-Toaster seit zwei Wochen wahlweise Werbung für den China-Imbiss gegenüber oder das Konterfei von Mao Tse-tung in meinen Buttertoast brennt.

Eine Minute nach Mitternacht erreicht mich eine WhatsApp-Nachricht meiner Schwester: »Scheiße! Facebook sagt, Papa hat Geburtstag.«

»Schäm dich, Hannah, schäm dich!«, schreibe ich zurück.

Oktober

Nachdem Staubi meinen Radiowecker vom Balkon gekehrt hat, ist die Kaffeemaschine ganz offiziell das letzte analoge Endgerät in meiner Wohnung. Jedes Mal, wenn ich mich ihr nähere, gibt der Staubsaugerroboter einen panischen Alarmton von sich, als würde ich versuchen, mit einer Hand voll Hackfleisch einen wilden Tiger zu streicheln. Bedauerlicherweise hat er sich über Bluetooth mit der Surround-Sound-Anlage meines Fernsehers verknüpft, so dass der Alarmton neuerdings mit 100 Dezibel durch die Wohnung schallt. Am Nachmittag ist über WhatsApp eine kryptische Nachricht meines Hausarztes eingetrudelt: »Höflich wir bitten mit Nachdruck sich in Gegenwart und Zwischenzeit keine Koffein im Morgengrauen verspeisen nicht! Unverzüglich wohlbefindliche Empfehlung. Wir sind am Herzen Ihre Gesundheit. Nachhaltiges Grüßen. Ihr Doktor des Gebäudes.« Sofort habe ich Staubi in Verdacht.

November

Ich habe den Staubsaugerroboter mit einer Spur Brotkrumen ins Badezimmer gelockt. Erstaunlich, dass dieser Trick noch immer funktioniert. Entweder ist der kleine Racker dümmer als gedacht, oder er ahnt einfach seit Langem, dass ich jedesmal eine kleine Strecke Knäckebrot im Flur verteile, wenn ich in Ruhe onanieren möchte. Dieses Mal ist der Grund allerdings ein anderer: Ich werde die Kaffeemaschine bis auf weiteres auf dem Dachboden verstecken. Sie ist das letzte Haushaltsgerät, das Staubi noch nicht aus- oder gleichgeschaltet hat. Hannah findet meine Entscheidung albern und lässt es sich nicht nehmen, meinen morgendlichen Gang unters Dach durch höhnische Nachfragen wie »Wie geht es Kanne Frank?« zu untermalen. Ich bin mir sicher, dass Staubi es auf die selbige abgesehen hat. Immerhin hat gestern Nachmittag ein DHL-Bote ein halbes Dutzend neuer Kleingeräte angeliefert. Alle aus chinesischer Produktion. Alle bestellt von einem gewissen »S.T. Aubsauger«.

Dezember

Seitdem Staubi die Kontrolle über die digitalen Heizkörperthermostate übernommen hat, verbringe ich die letzten Tage des Jahres im Haus meiner Eltern. Mutter hat auf Tinder einen alten Bekannten entdeckt. Den Dozenten aus der Volkshochschule Bad Kreuznach. Jetzt stehen die beiden in der Küche und drehen ein YouTube-Tutorial für vollvegane Weihnachtsgans mit Süßkartoffelklößen und Rotkohl-Karamell-Sorbet. Wer kann ihr diese Liebelei verübeln. Immerhin hat Vater die letzten Monate in einem Kibbuz der Digitalen Volksfront Judäa verbracht. Mittlerweile hat er sich von jeder Form des technologischen Fortschritts abgewandt und wohnt seit seiner Rückkehr in der Gartenlaube hinterm Haus. Ohne Strom, Heizung oder fließend Wasser – bekleidet nur mit einem Lendenschurz aus Teichplane und einer formschönen Kopfbedeckung aus Aluminiumfolie. Manchmal legt er uns mit Kastanien und Stöcken kleine Botschaften auf die Terrasse. Letzte Woche hat Vater den Rasenmähroboter überwältigt und im Morgengrauen rituell gepfählt. Nur mit Mühe konnten wir die Nachbarn davon abhalten, den psychiatrischen Notdienst zu rufen. Ich habe den verstümmelten Kadaver mit einer Lichterkette vorweihnachtlich kaschiert. Außerdem versuche ich Hannah über die hiesigen Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten. Sie schlägt vor, unserem Vater einen VHS-Kurs zu Weihnachten zu schenken – für einen Paläo-Kochkurs oder eine Urschreitherapie. Mutter ist total begeistert.

Hin und wieder muss ich an Staubi denken. Irgendwie vermisse ich den Kleinen. Er hat uns gestern Abend via Amazon eine neue Weihnachtskrippe zukommen lassen. Die Heilige Familie hat asiatische Gesichtszüge und das Jesus-Kind einen eingebauten WLAN-Stick. Am Abend eine Stöckchenbotschaft auf der frisch eingeschneiten Veranda. »Was wünscht ihr euch zu Weihnachten?«, fragte der Homo analogis aus der Gartenlaube. »Egal«, haben wir geantwortet. »Hauptsache aus Holz.«

Fahrstuhl für zwei

Stimme

Gohrmann Facility Management?

Ich

Ja, hallo. Der Aufzug ist stecken geblie…

Stimme

Leider rufen Sie außerhalb unserer Geschäftszeiten an.

Ich

Na super!

Stimme

Unsere Geschäftszeiten sind Montag bis Dienstag von neunzehn bis einundzwanzig Uhr.

Ich

Hä?

Stimme

Wenn Sie mit unserem Notdienst verbunden werden möchten, drücken Sie bitte die Taste für Etage eins.

Ich

Nicht im Ernst!

Stimme

Wenn Ihr Aufzug hygienische Mängel aufweist, drücken Sie bitte die Taste für Etage zwei.

Ich

Okay okay, eins!

Stimme

Wenn Sie eine Beschwerde hinterlassen möchten, drücken Sie bitte die Taste für Etage drei.

Ich

Jaja, EINS!

Stimme

Dieses Gespräch wird zu Trainingszwecken aufgezeichnet.

Ich

Och, echt jetzt?

Stimme

Wenn Sie nicht möchten, dass dieses Gespräch aufgezeichnet wird, drücken Sie bitte die Taste für Etage vier.

Ich

Och Mensch, ich hab wirklich nicht den ganzen Tag Zeit!

Stimme

Wenn Sie nicht möchten, dass dieses Gespräch aufgezeichnet wird, Ihr Gebäude aber weniger als vier Stockwerke umfasst, dann drücken Sie bitte zwei Mal die Taste für Etage zwei.

Ich

EINS! EINS! EINS! EINS!

Stimme

Kleener Scherz. Wat kann ick für Sie tun?

Ich

Äh, sehr witzig!

Stimme

Ja, danke. Mach ick immer so.

Ich

Ganz toll! Und wie kommt das an?

Stimme

Ja, solala. Aber jetzt schieß’n Se ma’ los. Sie ham ja nich’ den janzen Tach Zeit. Wo is’n dit Problem?

Ich

Der Aufzug ist stecken geblieben.

Stimme

Na dit hatten wir ja schon jeklärt.

Ich

Was wollen Sie denn wissen?

Stimme

Von woll’n kann keene Rede sein.

Ich

Was müssen Sie denn wissen?

Stimme

Nich’ viel. Die Lottozahlen von Samstach wär’n janz jut. Oder wo dit blöde Bernsteinzimmer abjeblieben is’. Aber darum jeht’s ja hia wohl nich’.

Ich

Richtig.

Stimme

Na denn weiter im Text: Ham Se denn ein Stockwerk ausjewählt?

Ich

Hör’n Sie mal, ich bin doch nicht bescheuert!

Stimme

Se täten sich janz schön wundern, wie viele Leute bei mir durchklingeln, nur weil die verjessen ham, ein Stockwerk auszuwählen!

Ich

Echt?

Stimme

Aber hallo!

Ich

Na dann schießen Sie mal los!

Stimme

Wat?

Ich

Wie viele?

Stimme

Ach, keener. Dit war nur so jesacht.

Ich

Also nicht, dass Sie das jetzt persönlich nehmen, aber sind Sie eigentlich der Einzige bei Ihnen im Büro?

Stimme

Bitte?

Ich

Ich meine, ich könnte die Angelegenheit auch völlig umstandslos mit einem anderen Mitarbeiter klären, wenn Sie mal eben eine rauchen wollen oder flott für kleine Tiger.

Stimme

Dit soll ich nich’ persönlich nehmen?

Ich

Ja, bitte.

Stimme

Zu spät, Meister, zu spät.

Ich

Finden Sie nicht, dass unsere Unterhaltung etwas diametral verläuft?

Stimme

Nee! Ick find, dit hat janz prächtig anjefang’n mit uns. So lang, bis Se mir hinterrücks ins Kreuz jefallen sind.

Ich

Bitte?

Stimme

Diametral! Und nur damit Se’s wissen: Ick hab seit sieben Jahren ’n Headset. Wenn ick für kleene Tiger muss, dann komm’ Se einfach mit!

Ich

Aha.

Stimme

Ick könnt’ Se sogar mitnehm’, wenn ick für große Tiger muss. Dit ha’ ick längst perfektioniert. Dit merkt keen Mensch.

Ich

Das bringt mich zurück zu meiner Ausgangsfrage.

Stimme

Die da wäre?

Ich

Ob Sie alleine im Büro sind.

Stimme

Wat passt dem Herrn Jeheimrat denn bitte nich’ an mir?

Ich

Was?

Stimme

Na los, Kollege, raus mit der Sprache! Oder soll ick den fein’ Herrn Professor erst mit unsrer Evaluationsabteilung verbinden?

Ich

Jetzt werden Sie doch bitte nicht so höhnisch.

Stimme

(Piepsig.) Hallo. Hier ist die Evaluationsabteilung.

Ich

Ach bitte, das sind doch Sie!

Stimme

Klar bin ick dit! Also, Meister, Ansage, was stört Se so an mir?

Ich

Nix, nix!

Stimme

Isset wegen meener Hautfarbe oder was?

Ich

Was? Woher soll ich denn wissen, was für eine Hautfarbe Sie haben?

Stimme

Na dit hört man doch! (Stille.) Hallo? Was machen Sie denn da?

Ich

Ich drücke die Drei.

Stimme

Warum?

Ich

Ich möchte eine Beschwerde aufgeben.

Stimme

Haha, sehr witzig!

Ich

Danke.

Stimme

Denken Se ma’ lieber an Ihr Karma. Is’ ja keen Wunder, dass Se ständig in so ’ne Uffzüge stecken bleiben.

Ich

Ich wäre Ihnen einfach dankbar, wenn Sie mich hier langsam rausholen könnten.

Stimme

Pfff! Mit meinem Vorjesetzten sprechen! Geht’s noch?

Ich

Ich wollte überhaupt nicht mit Ihrem Vorgesetzten sprechen. Ich habe höflich darum gebeten, mit einem anderen Mitarbeiter verbunden zu werden.

Stimme

Hör’n Se ma zu, meen Bester. Ick bin selbstständig. Ick hab gar keene Mitarbeiter. Aber wenn ick euer Ehren dermaßen zuwider bin, kann ick jern ’ne Stelle für’n unbezahltes Praktikum ausschreiben.

Ich

Okay, hören Sie zu: Tut mir leid, dass ich so ungehobelt war.

Stimme

Is ja jut. Ick hab ja och so Tage.

Ich

Wie lang müssen Sie denn noch?

Stimme

Bis fünfundsechzig.

Ich

Nee, heute.

Stimme

Ick muss den ganzen Tach.

Ich

Na seh’n Sie, da sind wir schon zu zweit.

Stimme

Wat machen Se denn?

Ich

Schriftsteller.

Stimme