Alleine über die Alpen - Michael Keßler - E-Book

Alleine über die Alpen E-Book

Michael Keßler

0,0

Beschreibung

Draußen sein. Berge. Beschränkung auf das Wesentliche. Wer damit etwas anfangen kann, wird die Begeisterung des Autors Michael Keßler für dieses Projekt verstehen. Die gewaltige Natur, die Erfahrung körperlicher Grenzen und das Alleinsein haben ihn nachhaltig beeindruckt und intensive meditative Erfahrungen machen lassen. Dieses Buch ist ein Foto-Buch, ein Erlebnisbericht und eine Vorlage zum Nachwandern. Vorschläge für eine zweckmäßige Ausrüstung sind ebenso enthalten wie Anregungen für ein geeignetes Training. Michael Keßler greift dabei auf seine Erfahrungen aus vielen Wanderungen und auf das Wissen aus seiner B-Trainer-Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes zurück, die er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buchs besitzt. Jeder Leser und jede Leserin kann sich damit einen Eindruck über die unvergleichlichen Schönheiten, die bestehenden Herausforderungen und die nötigen Vorbereitungen für eine solche Wanderung verschaffen. Jeden Meter zu Fuß zurückzulegen, ausgetretene Pfade zu vermeiden und keine technischen Hilfsmittel zu benötigen, waren die Ziele der Routenplanung. Auf Gipfelbesteigungen verzichtete der Autor bewusst, der technische Anspruch war dennoch durchaus hoch. Zwischen dem Start in Garmisch und dem Ziel in Brescia lag eine Gesamtstrecke von 425 km mit ca. 25.500 Hm Aufstieg und ca. 26.000 Hm Abstieg. Nach Michael Keßlers Erfahrung ist es letztlich aber nicht wichtig, ob eine solche Weitwanderung durch die Alpen führt oder irgendwo anders hin. Für das intensive Erlebnis, und um wirklich zu sich zu finden, muss sie nur lang genug sein. Und man muss alleine unterwegs sein. "Mit dem ersten Schritt am ersten Wandertag beginnt Deine Reise zu Dir selbst."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 88

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael Keßler

ALLEINE ÜBER DIE ALPEN

Eine Alpenüberquerung zu Fuß von Garmisch nach Brescia in 5 Wochen.

Phantastische Naturerlebnisse, körperliche Herausforderungen und die meditative Wirkung einer Weitwanderung.

Copyright: © 2023 Michael Keßler

Einbandgestaltung: Michael Keßler Bildnachweise: Michael Keßler Kartenausschnitte: komoot ® Beschriftete Fotos: AR AlpineGuide Lektorat: Sigrid Hock

Eine Alpenüberquerung erfordert eine gute körperliche Verfassung und alpine Erfahrung. Wenn Sie diese Wanderung machen möchten und sich unsicher sind, ob Ihre Fitness oder Ihre Bergerfahrung ausreicht, fragen Sie Ihren Arzt und lassen sich im Deutschen Alpenverein (DAV) ausbilden. Eine Mitgliedschaft im DAV ist bei diesem Vorhaben grundsätzlich empfehlenswert.

Michael Keßler

Silgestraße 28

67067 Ludwigshafen

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Softcover 978-3-384-16434-6

E-Book 978-3-384-16435-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors.

VORWORT

Draußen sein. Berge. Beschränkung auf das Wesentliche. Wer damit etwas anfangen kann, wird meine Begeisterung für dieses Projekt verstehen. Ich wollte es im Jahr meines 60. Geburtstages verwirklichen. Dann kam die Corona-Pandemie und ich musste zwei Jahre verschieben. Zum Glück konnte ich es schließlich doch noch umsetzen, denn meine Erwartungen wurden übertroffen. Ich hatte mich auf eine grandiose Bergwelt gefreut, aber ich habe eine Natur erlebt, die mich mit ihrer Schönheit nachhaltig beeindruckt hat. Ich hatte gehofft, das Alleinsein würde nicht bedrückend sein, aber die volle Konzentration auf den Weg, das Wetter und mich selbst haben mir im Gegenteil eine tiefe meditative Erfahrung geschenkt. Und ich hatte damit gerechnet, dass es anstrengend werden würde. Tatsächlich habe ich meine körperlichen Grenzen erfahren.

Bergwandern muss wie jeder andere Sport trainiert werden. Es kann grenzenlose Freude und Erfüllung schenken, aber bei mangelnder Übung und ungenügender Vorbereitung auch schnell zum Risiko werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches besitze ich eine B-Trainer-Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes, weshalb mir die Grundlagen der Sportwissenschaft bekannt sind. Auf Basis dieses Wissens habe ich mich neben meinem üblichen Fitnessprogramm sechs Monate vor der Tour speziell vorbereitet. Vorschläge für ein sinnvolles Training und eine zweckmäßige Ausrüstung sind neben der Beschreibung der einzelnen Etappen und vielen Fotos in diesem Buch enthalten.

Ich habe viele Bergwanderungen und einige Klettersteige gemacht, aber nie mit dem Bergsteigen begonnen. Ein Ziel meiner Routenplanung war daher, keine technischen Hilfsmittel zu benötigen. Deswegen habe ich auf Gipfel verzichtet. Mir war nur wichtig, wirklich jeden Meter zu Fuß zurückzulegen. Und ich wollte die ausgetretenen Pfade vermeiden. Der sogenannte L1 erschien mir als Vorlage am geeignetsten. Dieser Weg ist nach Hans Losse benannt, der ihn Ende der 1980er Jahre ausgearbeitet hat.

Der technische Anspruch ist auch ohne Gipfelbesteigungen durchaus hoch. Es gibt sehr steile, ausgesetzte und nicht immer seilversicherte Stellen. Absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind unbedingte Voraussetzung. Anderen Wanderern begegnet man besonders im italienischen Teil selten. An manchen Tagen habe ich außer bei der Übernachtung keinen einzigen Menschen getroffen. Handyempfang ist sehr oft nicht vorhanden, manchmal auch nicht auf den Hütten.

Mein Rucksack wog inklusive Leichtsteigeisen für eine Gletscherüberquerung und einem Liter Wasser etwas mehr als 11 kg. Die Dauerbelastung und die täglichen Auf- und Abstiege über ca. 5 Wochen sind wegen der Höhe und dem Rucksackgewicht konditionell sehr anspruchsvoll. Ich hatte deshalb regelmäßige Ruhetage eingeplant.

Ich hoffe, das Du ist in Ordnung für Dich. Unter Bergsportlern ist es so üblich.

ÜBERBLICK

Gesamtroute und Höhenprofil

Startpunkt ist der Bahnhof in Garmisch, Endpunkt der Bahnhof in Brescia. Der höchste Punkt des Weges ist das Ramoljoch mit 3.189 m im Naturpark Ötztal, Teil des Alpenhauptkamms. Die Gesamtstrecke beträgt 425 km mit ca. 25.430 m Aufstieg und ca. 25.990 m Abstieg. Der Asphalt-Anteil liegt bei ca. 30 km. Bis auf die letzten drei Tage habe ich weder eine Seilbahn noch einen Bus genutzt. Im letzten Drittel führt der Weg über den Sentiero Adamello, einem einzigartigen Bergwanderweg durch das italienische Adamello-Gebirge. Je weiter man nach Süden kommt, desto ursprünglicher werden die Wege und Pfade. Markierungen und Sicherungen werden seltener.

Ich habe diese Wanderung im Juli bis Anfang August 2022 durchgeführt. Früher oder später im Jahr sind die höheren Passagen wegen Schnees unpassierbar.

DEUTSCHLAND

Tag 1, Anreise

Für die An- und Abfahrt kommt nur die Bahn in Frage, da sich Start und Ziel nicht am selben Ort befinden. Allerdings gerät bereits die Anreise zu einer ersten mentalen Herausforderung: Der Zug am Startbahnhof hat Verspätung, sodass der geplante Anschlusszug nicht mehr erreicht werden kann. Im nächsten Zug ist dann die Klimaanlage ausgefallen. Es ist 30 Grad heiß und die Wagen sind voll besetzt. Schließlich gibt es noch eine Streckensperrung und wir müssen in Busse umsteigen.

Während der Reise habe ich Zeit, meinen Gedanken nachzuhängen. Nach langer Vorbereitung wird es morgen endlich losgehen. Bin ich fit genug, um dieses Pensum zu schaffen? Wie werde ich mit dem Alleinsein zurechtkommen? In mir ist eine Mischung aus Vorfreude und ziemlich großem Respekt vor dem, was vor mir liegt.

Garmisch ist ein touristisch hochfrequentierter Ort, deshalb sollte man sein Zimmer frühzeitig buchen. Ich habe eins in der Innenstadt in einer kleinen preisgünstigen Pension ohne Frühstück und mit Etagendusche und -WC reserviert. Diesen Komfortverzicht habe ich absichtlich als Einstimmung auf die einfacheren Bedingungen in den Bergen gewählt. Am Abend stellt es sich als schwierig heraus, einen Tisch für das Abendessen zu bekommen. Ich muss in mehreren Lokalen fragen, bevor ich Erfolg habe. Das Frühstück am nächsten Morgen ist dagegen einfach zu organisieren: In der Nähe meiner Pension gibt es eine Bäckerei mit ein paar Tischen.

Tag 2, Garmisch – Kreuzeckhaus

Endlich geht es los. Kaum bin ich aufgebrochen, beginnt es heftig zu regnen. Ich ziehe die Regenjacke über und spanne den Wanderschirm auf. Die kurze Hose behalte ich an, denn es ist nach wie vor warm. Nachdem ich Garmisch hinter mir gelassen habe, geht es auf befestigten Wegen aufwärts. Später lässt der Regen nach. Ich ziehe die Jacke aus und gehe nur noch mit Schirm und T-Shirt. Es regnet während des ganzen Tages immer wieder, mal schwächer, mal stärker.

Nachdem die befestigten Wege geendet sind, geht es durch dichten Wald und über Kuhweiden weiter. Die feuchte Erde riecht herrlich. Auf meist breiten Wegen führt die Etappe mehr oder weniger steil bergan. Sie ist mit kalkulierten 3:30 Stunden nicht lang und daher gut geeignet zum Eingewöhnen.

Ich komme planmäßig auf dem Kreuzeckhaus an. Es sind nur wenige Gäste hier, weshalb ich ein Zweibettzimmer für mich alleine bekomme. Die Einrichtung ist alt, an manchen Stellen sieht man Ritzereien in den Möbeln mit Jahresangaben aus den 1970ern. Aber es ist alles sauber, daher ist die Einfachheit völlig in Ordnung.

Nachmittags kommt doch noch ein wenig die Sonne raus. Ich genieße sie auf der Terrasse bei einem Bier, später nehme ich auf einem Liegestuhl ein Sonnenbad. Dabei finde ich ein Smartphone im Gras. Ich vermute, dass es einer jungen Frau gehört, die ich kurz zuvor auf dem Liegestuhl gesehen hatte. Ich suche und finde sie. Zuerst meint sie, es sei nicht ihr Handy, aber nach kurzer Überprüfung, ob es an seinem Platz ist, erkennt sie den Irrtum. Sie strahlt vor Erleichterung.

Jemandem am ersten Tag eine Freude machen zu können, gibt mir ein gutes Gefühl.

Tag 3, Kreuzeckhaus – Knorrhütte

Beim Aufbruch am Morgen regnet es zunächst nicht, fängt aber bald wieder an. Umgeben von herrlicher Natur geht es über den Bernardeinsteig ca. 600 m abwärts bis zu meiner ersten Rast, der Bockhütte im Reintal. Bis dahin begegnet mir niemand, ich überhole lediglich eine einzige Gruppe Wanderer. Als ich an der Hütte ankomme, ist der Regen heftig geworden. Da es nach wie vor warm ist, trinke ich meinen Kaffee auf der überdachten Veranda. Nach der Bockhütte führt ein sehr schöner Weg entlang der Partnach gemächlich ca. 300 m aufwärts bis zur Reintalangerhütte, in deren Nähe der Fluß entspringt. Sie ist perfekt für meine Mittagspause.

Nach der Pause hat der Regen fast aufgehört. Das trifft sich gut, denn ab jetzt wird es anstrengender. Der Weg hoch zur Knorrhütte ist steil und wird nach oben hin geröllig. Die 700 m Aufstieg sind ziemlich kräftezehrend.

Die Knorrhütte liegt unterhalb des Zugspitzplatts. Man hat eine tolle Aussicht von hier oben. Sie ist eine ideale Raststation für den Zugspitzaufstieg und daher sehr beliebt. Dem entsprechend ist die Hütte nahezu ausgebucht. Ich komme in einem voll belegten Sieben-Betten-Lager unter, schlafe aber trotzdem gut.

Tag 4, Knorrhütte – Tillfußalm

Das Gelände wird langsam alpiner. Der Weg führt heute zunächst den Plattsteig entlang bis zum Gatterl, einem einfachen Drahttürchen, das den Grenzübergang nach Österreich darstellt. Der nächste markante Punkt ist das Steinerne Hüttl. Von der Knorrhütte kommend nähere ich mich von oben. Mir kommen Zweifel, ob ich richtig bin, als ich endlich ein Hinweisschild sehe. Ein paar Schritte weiter stehe ich schon vor dem Eingang, solange bleibt die Hütte unsichtbar. Das Schild stand nahezu auf dem Dach. Die Hütte ist in den Hang eingegraben und das Dach mit einer Wiese bedeckt. Ungewöhnlich.

Im Hüttl ist niemand, weder Wirtsleute noch andere Gäste. Aber in einem Baumstamm-Trog mit fließend kaltem Quellwasser stehen ein paar Getränkekisten und neben der Tür entdecke ich ein Preisschild und eine Blechdose, die als Kasse dient. Die Sonne scheint, der Ausblick ist herrlich, nur der Wind fühlt sich kalt an. Mit einer Flasche Almdudler setze ich mich in ein geschütztes Eck, ziehe die Wanderstiefel aus, lege die Füße hoch und tauche mit meinen Blicken in die Natur ein. Es ist ausgesprochen urig hier.

Der weitere Etappenverlauf bis zur Tillfußalm ist nicht sonderlich anspruchsvoll. Es geht auf unproblematischem Gelände abwärts, es nicht sehr anstrengend. Ich kann die Berglandschaft ausgiebig genießen.

Unten im Tal ist es sommerlich warm. Die Tillfußalm ist ein Ausflugslokal mit einigen wenigen Übernachtungsplätzen und bei meiner Ankunft gut besucht. Abends treffe ich die Frau mit dem verlorenen Handy wieder. Mit ihren drei Mitwanderinnen sind wir vier Gäste, die über Nacht bleiben und ich bekomme wieder einen Raum für mich allein.

ÖSTERREICH

Tag 5 und 6, Tillfußalm – Wildermieming