Alles pink! - Leslie Kelly - E-Book

Alles pink! E-Book

Leslie Kelly

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Beschreibung

Das Honeymoon-Hotel ganz in Pink am Lake Tahoe - perfekt für Flitterwöchner, die nur eins im Sinn haben: in seidenen Kissen heißen Sex genießen. Genau das will Pamela. Aber nicht mit ihrem Bräutigam Peter, sondern mit Ken, den sie erst gestern Abend auf einem Standspaziergang kennen lernte!

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Seitenzahl: 190

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IMPRESSUM

Alles pink! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2001 by Leslie Kelly Originaltitel: „Relentless“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 4 - 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Kristina Krüger-Barhoumi

Umschlagsmotive: GettyImages_JenAphotographer, LRArmstrong

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733759209

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Unter zehn Pfund Buttercreme in ihrer Pyramide aus Pappmachee kurz vor dem Erstickungstod stehend, wurde Pamela Bradford auf einen Schlag nüchtern. Ihr Whiskey-mit-Zitrone-Schwips verflüchtigte sich, ihr Magen begann zu rotieren, und ihre Hände zitterten.

„Helft mir hier raus, verflixt“, zischte sie, ohne einen Schimmer, ob ihre Brautjungfern überhaupt in der Nähe waren. Ein Kichern und ein geflüstertes „Still!“ beruhigten sie. „Sue? Sue, ich hab meine Meinung geändert. Ich steh das nicht durch.“

„Aber natürlich tust du das“, erwiderte jemand.

Das war nicht Sue, ihre sanftmütige Trauzeugin, die so schüchtern wie ein verschrecktes Kaninchen war. Nein, die Stimme klang zynisch, aber durchaus amüsiert, autoritär, wie nur die Stimme einer starken, selbstbewussten, zweihundert Pfund schweren Afroamerikanerin klingen konnte.

„LaVyrle, bitte, das war eine miserable Idee. Peter wird gar nicht begeistert darüber sein.“

„Nicht? Hey, Mädchen, nun mach mal halblang! Das Weichei mutiert zu einer geballten Ladung männlicher Hormone, wenn er dich aus dieser Torte raussteigen sieht. Und falls nicht, dann kriegst du die Wirkung spätestens morgen in der Hochzeitsnacht zu spüren. Jetzt aber leise, wir arbeiten an unserem Evakuierungsplan.“

Seufzend gab Pamela sich geschlagen. Gegen LaVyrle war nicht anzukommen, das wusste sie. Pamelas beste Freundin Sue, dieses engelsgleiche Wesen, hätte sie auf der Stelle befreit. Doch jetzt waren offensichtlich LaVyrle und Wanda am Zug. Gegen diese beiden Kolleginnen vom Jugendzentrum in Downtown Miami hätte Sue ohnehin keine Chance.

Seit Pamela Zeugin geworden war, wie LaVyrle einen Drogendealer zur Strecke gebracht hatte, der sich an die ihr anvertrauten Kids herangemacht hatte, wünschte sie Sue keineswegs eine Konfrontation mit dieser übermächtigen Frau.

Ich könnte vermutlich jetzt einfach so aus der Torte platzen, überlegte sie, bevor die Junggesellenparty überhaupt erst anfängt. Aber da ihre Freundinnen die Torte mitten in einem Flur des „Fort Lauderdale Hotels“ deponiert hatten, verwarf sie den Gedanken wieder. Bei ihrem Glück würde sie glatt auf einen schmierigen Klatschkolumnisten stoßen oder auf eine brave Familie mit sechs großäugigen Sprösslingen, die Kamera im Anschlag.

„Du liebe Güte“, stieß sie verdrossen heraus. Sie steckte fest, im wahrsten Sinne des Wortes.

Zusammengekauert, die Knie bis zum Kinn angezogen, hockte sie da. Nicht mal an der Nase kratzen konnte sie sich, ohne zu riskieren, in die Buttercreme einzutauchen. Sie spähte nach oben und registrierte, dass der Deckel des Tortengerüsts sich gesenkt hatte. Die klebrige Last war einfach zu schwer. „Ich wusste nicht, dass sie echte Creme auf diese Dinger pappen“, bemerkte Pamela mit einem misstrauischen Blick auf den Rahmen. „Hoffentlich hält das Ding noch ein paar Minuten durch.“

„Tun sie normalerweise auch nicht“, meinte LaVyrle. „Der Typ, der meine Freundin Nona für heute Abend als Stripperin gebucht hat, hat extra dafür gelöhnt. Manche Typen tun das, weißt du. Damit das Geburtstagskind – oder der Bräutigam – nachher die Tänzerin abschlecken kann.“

Pamela schluckte.

„Aber Peter wird das natürlich nicht tun, daran besteht ja wohl kein Zweifel“, ertönte Sues glockenhelle Stimme. Der Himmel sei gepriesen für ihren unerschütterlichen Optimismus!

„Nun, da wäre ich mir nicht so sicher“, konterte LaVyrle. „Pamela, ich wette, Peter reißt sich danach, jeden noch so kleinen Klecks abzulecken. Es sei denn, er steht nicht auf Frauen … ich meine, Süßigkeiten.“

Pamela drehte sich erneut der Magen um. „Bitte, lasst mich raus!“

„Du hast bloß kalte Füße. Hör auf zu jammern!“, befahl LaVyrle.

„Einen kalten Hintern hab ich“, murmelte Pamela. Das leise, gutturale Lachen ihrer Freundin bedeutete ihr, dass sie sie gehört hatte. Pamela verlagerte ihr Gewicht ein wenig, während sie sich fragte, wie sie überhaupt in diesen Schlamassel hineingeraten war.

Obwohl sie sich kaum rühren konnte, riskierte sie einen raschen Blick an sich hinunter und erschauderte. Ja, sie trug tatsächlich diesen knallroten Stringtanga aus glänzendem Latex mit der farblich dazu passenden Peitsche und die stachelbewehrten Stöckelschuhe. Na gut, darüber hatte sie noch ein Hemd an. Doch das war nahezu durchsichtig und reichte nur bis zur Hüfte. Es war zum Beispiel viel zu dünn, um ihren fast nackten Po vor dem kalten Metall des Karrenbodens zu schützen.

Das war eine denkbar unbequeme Art, die Nacht vor der Hochzeit zu verbringen. Pamela konnte immer noch kaum glauben, dass sie sich darauf eingelassen hatte. Was war da bloß in sie gefahren?

Nun, ehrlich gesagt, wusste sie ganz genau, was sie dazu getrieben hatte. Sie hatte auf die Einflüsterungen ihres unreifen Ichs gehört, das sie mit der Frage piesackte, warum Peter bis jetzt keine Anstrengungen unternommen hatte, die emotionale Nähe ihrer Beziehung durch körperliche Intimität zu toppen.

In den sechs Monaten ihrer Beziehung hatte er nicht ein einziges Mal versucht, sie ins Bett zu bekommen. Er hatte sie geküsst, na gut, süße, zärtliche Küsse, die gezügelte Leidenschaft ahnen ließen. Aber mehr war nicht gewesen.

Warum heiratest du ihn dann überhaupt, fragte Pamela sich in einem Anflug von Pessimismus, den sie ihrem abklingenden Schwips und dem stramm sitzenden Tanga zuschrieb.

Da musste sie nicht lange nach einer Antwort suchen, sie wusste genau, warum. Peter hatte sie vielleicht nicht durch physische Attraktivität beeindruckt, aber auf emotionaler Ebene dafür umso mehr. Peter war der erste Mensch in ihrem Leben, mit dem sie sich völlig im Einklang fühlte. In allem und jeden lagen sie auf derselben Wellenlänge – angefangen bei Sportteams und Eiscreme bis hin zu Rockgruppen und politischen Ansichten. Sie hatten sich bis jetzt nicht ein einziges Mal gestritten, kein böses Wort war je zwischen ihnen gefallen. In Anbetracht ihrer vielen Streitigkeiten mit ihren Eltern empfand Pamela seine Gegenwart stets als äußerst wohltuend.

Das war noch nicht alles. Darüber hinaus war Peter der erste Mann in ihrem Leben, der keine Einwände gegen ihren Beruf erhoben hatte. Im Gegenteil, er ermutigte sie noch in ihrem Kampf für die unterprivilegierten Jugendlichen, den sie so leidenschaftlich führte. Er tröstete sie, wenn sie über das anhaltende Genörgel ihrer Eltern weinte, die ihre Berufswahl einfach nicht akzeptieren wollten – eine Wahl, die Country Klubs, Golfpartien und ausgedehnte Schiffsreisen nicht mit einbezog.

Nach Meinung ihrer Eltern durchlief Pamela lediglich eine Art kritische Phase in ihrem Leben beziehungsweise war absichtlich unartig, so wie als kleines Mädchen. Zu gern hatte sie ihre Stofftiere mitten auf dem Küchentisch operiert und grüne und braune Marker benutzt, um ihre Barbiepuppen damit zu verzieren. Sie hatte davon geträumt, es im Basketballteam weiter als nur bis zum Cheerleader zu bringen. Und das alles nicht etwa aus dem Bedürfnis heraus, sich quer zu stellen, sondern weil sie ehrlich zu sich selbst sein wollte – auch wenn das bedeutete, sich von den Menschen, die sie liebten, zu unterscheiden.

Peter hatte diese Haltung von Anfang an unterstützt. Er hatte ihren Verstand erobert und sie mit seiner uneingeschränkten Loyalität verführt.

Aber was ihren Körper betraf … Keine lustvollen Zärtlichkeiten, keine gestöhnten Worte der Begierde. Nichts. Nada. Absolute Fehlanzeige. Pamela war sexuell nicht besonders erfahren – weit gefehlt! –, aber sie wusste sehr wohl, dass zwei Menschen, die einander genug liebten, um zu heiraten, unweigerlich auch auf körperlicher Ebene eine Beziehung führten. Doch Peter hatte nie den Wunsch geäußert, mit ihr zu schlafen, obwohl Pamela ihn durchaus dazu ermuntert hatte.

Sie kannte seinen Ruf als Frauenheld. Pamela hatte sich oft genug im Bürogebäude ihres Vaters aufgehalten, um zu wissen, dass es Peter nie an weiblichen Begleiterinnen gemangelt hatte. Aber natürlich – das gehörte der Vergangenheit an. Doch diese Tatsache machte es nur noch frustrierender, dass er nicht versuchte, sie zu verführen.

Sie hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, die romantischsten, aufreizendsten Flitterwochen zu planen, die sie sich nur vorstellen konnte! Durch eine Anzeige in einer Brautmodenzeitschrift aufmerksam geworden, hatte sie ein kleines Vermögen dafür ausgegeben, um ein Zimmer in einem neu eröffneten Flitterwochen-Hotel in Lake Tahoe zu buchen.

Sie hatte Peter in dem Glauben gelassen, sie würden die Flitterwochen in einer Hütte am See verbringen, und sie war sich nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn sie in ihrer Luxusherberge ankamen, die vollmundig damit warb, „die Außenwelt mit ihren Zwängen und Regeln einfach vergessen zu lassen“. Was, wenn es ihm nicht gefiel? Was, wenn er abreisen wollte?

Sie sollte nicht derart an dem Mann zweifeln, den sie heiraten wollte. Diese Zweifel störten sie. Nein, sie ängstigten und ärgerten sie auch. So sehr, dass sie heute Abend auf ihrer Jungesellinnenparty unter dem Einfluss von zu viel Alkohol ihr gar nicht süßes Geheimnis ausgeplaudert hatte.

Sue hatte sie entgeistert angestarrt. Wanda hatte sie skeptisch beäugt und LaVyrle entsetzt aufgeschrien: „Er ist schwul! Ich sage dir, Mädchen, du bist dabei, dich an einen Kerl zu binden, der in Dampfbädern abhängt und zu Bette-Midler-Konzerten geht!“

„Er ist nicht schwul“, bekräftigte Pamela im Innern der Torte. Sie wusste, dass Peter „normal“ veranlagt war. Dafür sprachen schon seine zahllosen Affären. Doch auch sie fand keine logische Erklärung für das offenkundige Desinteresse ihres Verlobten.

Eines jedoch war sicher. Sie konnte nicht einen Mann heiraten, der kein Interesse an Sex hatte. Die Liebe war etwas Wunderbares, und Pamela war sich sicher – verdammt sicher sogar –, dass sie Peter liebte. Wie könnte sie auch nicht? Welche Frau wäre nicht überglücklich, so einen gut aussehenden, erfolgreichen Mann zu heiraten, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas und ihr in allem zustimmte?

„Vielleicht eine Frau, die in ihrem Leben Wert auf Leidenschaft legt“, murmelte sie. Pamela konnte sich eine Ehe ohne körperliches Verlangen ganz einfach nicht vorstellen. Nicht, wenn sie an ihre Eltern dachte, die sich nach dreißig Ehejahren immer noch leidenschaftlich liebten.

„Meine Eltern.“ Pamela zog eine Grimasse. Wenn sie ihre kleine Prinzessin jetzt sehen könnten, würde sie ganz sicher auf der Stelle der Schlag treffen.

„Okay, Honey, unser Plan steht“, meldete sich LaVyrle irgendwo rechts oben über Pamelas Kuchensarg. „Sue geht gleich rein, um Peter zu sagen, dass sie dringend mit ihm reden muss. Während die beiden sich unterhalten, platzen Wanda und ich in die Gesellschaft und verkünden, dass es eine Bombendrohung gegeben hat. Alle rennen raus, nur Sue hält Peter zurück.“

„Das ist die dümmste Idee, die ich je gehört habe“, protestierte Pamela. „Bist du noch gar nicht darauf gekommen, dass Peter sich fragen wird, warum Sue ihn dazu drängt, drinnen zu bleiben und damit zu riskieren, in die Luft zu fliegen?“

„Weil sie ihm verraten wird, dass du die Bombe bist, Herzchen! Hast du eine bessere Idee?“

Pamela blies sich eine widerspenstige kastanienbraune Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus der hoch aufgetürmten Lockenpracht auf ihrem Kopf gelöst hatte. „Wie wär’s mit der Ankündigung, dass in der Lobby ein Oben-ohne-Damen-Ringen stattfindet?“ Ohne nachzudenken, setzte sie hinzu: „Das würde Peter ohnehin nicht interessieren.“

„Ich schätze, das würde ihn vermutlich völlig kalt lassen“, fügte LaVyrle mit einem verächtlichen Schnauben hinzu.

Pamela stieß einen unterdrückten Fluch aus.

„Ja, so wird’s gehen. Rühr du dich ja nicht von der Stelle – komm bloß nicht auf die Idee, abzuhauen.“ LaVyrle kicherte. „Wir kundschaften jetzt erst mal die Bar aus und machen uns dann auf den Weg zur Suite, um die Männer rauszuscheuchen. In zehn oder fünfzehn Minuten sind wir zurück, um dich zu holen.“

„Bitte, LaVyrle“, flehte Pamela, „gebt Acht, dass auch wirklich alle Männer verschwinden. Das Ganze ist schon demütigend genug – der Gedanke, dass außer Peter noch jemand Zeuge wird, wie ich aus dieser Torte platze, ist einfach zu grauenvoll, um auch nur daran zu denken.“

Besonders, da die meisten seiner Gäste Kollegen von ihm waren – was bedeutete, dass sie für Pamelas Vater arbeiteten! Die Vorstellung, wie die gesamte mittlere Managerebene in ihren dunkelblauen Anzügen Zeuge wurde, wie Pamela mit Latexhöschen und Peitsche herumhüpfte, war schier unerträglich.

„Wir sind gleich wieder da“, flüsterte Sue ihr aufmunternd zu. „Es wird schon alles gut gehen.“

Pamela hörte, wie die drei Freundinnen kichernd verschwanden. Jetzt war sie sich selbst überlassen, in die Torte gezwängt, die in einem Alkoven in der Nähe der Suite abgestellt war, in der die Junggesellenparty stattfand. Ihre Freundinnen hatten sie hierher gerollt, nachdem sie ihr in die Torte geholfen hatten, um die Rolle zu übernehmen, die eigentlich für Nona, die Stripperin, vorgesehen gewesen war.

Was für ein seltsamer Zufall, dass LaVyrle ausgerechnet mit der Frau befreundet war, die Peters Kumpel für heute Abend gebucht hatten. Und was für ein unglückseliger Zufall darüber hinaus, dass Pamela sich ausgerechnet den heutigen Abend dazu ausgesucht hatte, dem aufgemotzten Punsch ein wenig zu sehr zuzusprechen. Ihr Schwips war schuld, dass sie ihre Zweifel an ihrem zukünftigen Liebesleben vor aller Welt ausgebreitet hatte. Das hatte LaVyrle auf die verhängnisvolle Idee gebracht, ihre Stripper-Freundin durch Pamela zu ersetzen.

Die Konsequenz daraus war, dass Pamela jetzt fast nackt hier hockte. Umhüllt von einer dicken, fetten Cremeschicht, die so süß war, dass allein der Geruch ihr schon Übelkeit verursachte. Völlig eingequetscht, sodass ihre Beine bestimmt eingeschlafen waren und sie im Stich ließen, wenn sie als grotesker Springteufel durch die Tortendecke platzte. Was würde sie erwarten? Ein begehrliches Glitzern in den Augen ihres Bräutigams oder eine angewiderte Grimasse?

Warum, oh, warum nur hatte sie sich darauf eingelassen?

Ken McBain saß in der hintersten Ecke in der opulent ausgestatteten Hotelsuite, allein, an einem Bier nippend. Zum hundertsten Mal fragte er sich, warum um alles in der Welt er bloß die Einladung zu dieser Junggesellenparty angenommen hatte. Er kannte so gut wie niemanden von den Gästen, deren konservative, glatt rasierte Gesichter alle denselben verblödeten Gesichtsausdruck trugen, der besagte: „Lasst uns mal was richtig Gefährliches tun und einen schmutzigen Film im Playboy-Kanal ansehen!“ Und, was noch schlimmer war, er konnte den Bräutigam nicht ausstehen!

Alles in allem entpuppte es sich als ein vergeudeter Freitagabend. Obwohl er erst vor einer Stunde gekommen war, konnte Ken es kaum erwarten, wieder zu verschwinden.

„Pete, du erinnerst dich doch bestimmt noch an diese beiden Ladys“, wandte einer der Gäste sich gerade an den Bräutigam und dirigierte zwei aufgetakelte Blondinen mit dümmlichem Grinsen auf den maskenhaft geschminkten Gesichtern vor sich her.

„Jetzt kommt die Party endlich richtig in Schwung“, grinste der Bräutigam und setzte eine Bierflasche an die Lippen, um sie mit einem Zug auszutrinken. Was ihm leider nicht gelang, sodass die Hälfte der Flüssigkeit auf sein Hemd und Jackett kleckerte.

Die Ankunft der beiden Partygirls setzte für Ken das Zeichen zum Aufbruch. Er hatte nie für Sex zahlen müssen und legte keinen Wert auf die Gesellschaft von Kerlen, bei denen sich das anders verhielt.

Er stand auf, um zu gehen. In diesem Moment umfasste Peter anzüglich die Hüfte eines der Mädchen. Kens Respekt für ihn, ohnehin nicht besonders groß, sank auf den Nullpunkt.

Er konnte es nicht fassen, dass Pamela Bradford – die Pamela, deren lächelndes Gesicht er nicht mehr vergessen konnte, seit er ihr Foto auf dem Schreibtisch ihres Vaters gesehen hatte – sich an einen solchen Blindgänger verschwendete.

Peter Weiss musste über beachtliches schauspielerisches Talent verfügen. Denn Pamela konnte jeden Mann haben, den sie wollte, das wusste Ken aus eigener Erfahrung. Er war ihr zwar nur ein einziges Mal begegnet, aber diese Begegnung hatte einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen.

Und sie hatte sich ausgerechnet für diesen Peter entschieden. Entweder war sie also dumm und naiv, was Ken stark bezweifelte, oder Peter war es gelungen, ihr Sand in die Augen zu streuen. Aber auch das schien kaum glaublich. Ken arbeitete erst knapp zwei Wochen für die Firma, doch wusste er schon von Peters zahllosen Affären mit den diversen Sekretärinnen. Letztes Jahr war er sogar dabei erwischt worden, wie er eine der Buchhalterinnen in einer Kabine der Herrentoilette vernaschte. War es wirklich möglich, dass Pamela das nicht wusste?

Natürlich konnte Peter sein Leben auch grundlegend geändert haben, nachdem Pamela ihm über den Weg gelaufen war. Welcher Mann würde noch anderen Röcken nachlaufen, wenn er eine Frau wie Pamela hatte?

Warum nur dachte er so viel über eine Frau nach, die er doch gar nicht kannte? Der Grund war nicht allein, dass sie umwerfend gut aussah und verdammt sexy war. Er sah sie auch mit den Augen ihres Vaters – durch seine Geschichten, seine Klagen und zärtlichen Kommentare – eine Frau, die sowohl dickköpfig als auch unendlich großherzig sein konnte. Diese Pamela würde er für sein Leben gern kennenlernen.

Doch leider war sie drauf und dran, einen sexbesessenen Trottel zu heiraten.

Ken durchquerte den Raum auf der Suche nach seinem Jackett. Die Menge hatte inzwischen angefangen, laut zu johlen und den Bräutigam zu was auch immer anzutreiben. Bloß raus hier! Doch leider fand er sein Jackett nicht. Jemand musste es woanders hingehängt haben.

Frustriert sah Ken sich um. Sein Blick fiel auf die Tür, die in diesem Moment geöffnet wurde. Einer von Peters Freunden kam herein und verkündete triumphierend: „Schaut mal, was ich draußen gefunden habe!“ Er drehte sich um und zog und zerrte etwas in den Raum. Sein vom Alkohol ohnehin schon rotes Gesicht verfärbte sich purpurfarben, und der Schweiß stand ihm auf der Stirn.

Mit widerwilligem Interesse verfolgte Ken das Geschehen. Der Mann schob eine überdimensional große Cremetorte hinein, aus der unten ein rot beschuhter Damenfuß herauslugte und sich bremsend in den flauschigen Teppichboden bohrte. Ganz offensichtlich war die in der Torte verpackte Lady noch nicht bereit für ihren Auftritt. Ken hörte, wie sie dem Mann zuzischte, sie wieder dorthin zurückzurollen, wo er sie gefunden hatte, doch dieser kümmerte sich gar nicht um ihren Protest.

„Die Überraschung ist da!“, verkündete er, als es ihm schließlich gelungen war, die Torte mitten ins Zimmer zu manövrieren.

Die beiden Blondinen wechselten einen amüsierten Blick. „Nona wird dir gefallen, Süßer!“, wandte sich eine der beiden an den Bräutigam, der sie statt einer Antwort auf seinen Schoß zog.

Ken, der ganz in der Nähe der Torte stand, hörte die Frau darin protestieren: „Ich muss hier raus. Das ist ein Irrtum!“

Der Mann, der sie hereingerollt hatte – Ken glaubte in ihm Dan aus der Buchhaltung zu erkennen –, beugte sich über das P in Peter, das in rosa Creme auf die Torte gespritzt stand. „Nur nicht so schüchtern, Kleine!“

Doch nichts passierte.

Dan versuchte es noch einmal. „Hallo da drin.“ Diesmal bohrte er zwei Finger durch die oberste Etage der Torte, vermutlich in Höhe des Gesichts der Tänzerin. Hoffentlich kostet sie das nicht ein Auge, betete Ken.

Es kostete Dan fast einen Finger. „Autsch!“ Wie elektrisiert zog er die Hand zurück. „Sie hat mich gebissen!“

Beißen? Strippen? Prostituierte? Ken hatte jetzt endgültig genug. Es war Zeit zu verschwinden.

Doch sein Jackett blieb weiterhin verschwunden. Da sich seine Autoschlüssel und sein Handy in den Taschen befanden, konnte er es nicht einfach abschreiben. Er ging in die Kochecke der Suite und machte sich daran, einen Berg Jacken zu durchforsten, die jemand achtlos auf der Arbeitsplatte gestapelt hatte.

Mit einem Auge verfolgte er weiterhin das Partygeschehen. Dan und ein zweiter Mann hatten die Torte quasi direkt vor die Nase des Bräutigams geschoben. Die Männer taten ihr Bestes, die Tänzerin herauszulocken, doch Peter blieb gelassen. „Wir haben ja noch die ganze Nacht“, grinste er. Die Blondine auf seinem Schoß schmiegte sich an ihn.

„Sieh zu, dass du auf deine Kosten kommst, Peter, schließlich ist es deine letzte Nacht in Freiheit“, grölte einer der Männer. Ken, der es fast aufgegeben hatte, sein Jackett zu finden, griff sich eine Dose Mineralwasser und krempelte sich die Ärmel hoch. Es herrschte eine brütende Hitze im Raum. Die Lady in der Torte würde es sicher nicht mehr lange darin aushalten.

„Ich glaube kaum, dass ich meine Freiheit groß vermissen werde, wenn ich meine Braut erst mal in die Finger kriege. Sie nicht anzurühren, hat mich fast umgebracht!“

Ken horchte interessiert auf. Das klang ja fast so, als hätte das glückliche Paar die Hochzeitsnacht nicht, wie üblich, schon vorverlegt. Kaum zu glauben, wenn man die Sexbesessenheit des Bräutigams kannte!

Die Blondine auf Peters Schoß kicherte. „Du meinst, ihr habt noch nicht …“

„Nein. Die Prinzessin soll als Jungfrau in ihre Hochzeitsnacht gehen, das will ihr Daddy so. Und das ist alles, was zählt. Hauptsache, Daddy ist glücklich. Nachdem ich nun also so lange gewartet habe, wird sie sich morgen Nacht hoffentlich ordentlich anstrengen.“

Obwohl Pamela Bradford glücklicherweise nicht anwesend war und somit nicht hören konnte, was gesprochen wurde, trieben Ken diese Worte die Zornesröte ins Gesicht. Der Kerl wagte es doch tatsächlich, aus dem Nähkästchen zu plaudern, was die Frau betraf, die er heiraten wollte. Damit nicht genug, er verbreitete seine Indiskretionen auch noch vor einer Horde von Männern, die ihren Gehaltsscheck vom Vater der so Bloßgestellten erhielten!

„Was meinst du damit, ‚Hauptsache, Daddy ist glücklich‘?“, wollte einer der weniger Angetrunkenen wissen.

„Sie kommt mit den Schlüsseln zum Königreich. Solange ich dafür sorge, dass sie zu Hause bleibt, schwanger wird und sich von dieser lausigen Jugendbande fernhält, in die sie so vernarrt ist, wird der gute alte Daddy mir jeden Wunsch erfüllen. Wir haben nämlich so eine Art Abkommen.“

Pamela tat Ken aufrichtig leid. Wie es sich anhörte, hatte ihr Vater sich tatsächlich dazu hinreißen lassen, mit diesem schmierigen Kerl gemeinsame Sache zu machen. Und das alles nur, damit aus Pamela ein gefügiges kleines Frauchen wurde, das sich fortan nur noch ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen widmete.

„Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, durch welche Hölle ich gegangen bin – mein Frauchen ist nämlich eine richtige Wildkatze im Bett, darauf wette ich! Jedes Mal, wenn ich sie in letzter Zeit zu Hause abgesetzt habe, hat sie mich derart angeschmachtet, dass ich mir vor dem Schlafengehen erst noch weibliche Gesellschaft suchen musste.“

Ken schüttelte angewidert den Kopf. Natürlich hatte dieser Widerling seinen Appetit während der vergangenen Monate nicht heruntergeschraubt. Er war nicht nur ein sexbesessener Trottel, sondern auch noch ein Betrüger.

Was Ken betraf, so vertrat er den Standpunkt, dass mit dem Tauschen der Verlobungsringe auch ein Treuegelöbnis einherging. Es war dasselbe wie mit einer durch Handschlag besiegelten geschäftlichen Abmachung.

Plötzlich passierte etwas Eigenartiges. Kens Aufmerksamkeit richtete sich auf die Torte, die plötzlich zu schwanken anfing. Offensichtlich versuchte die darin versteckte Person, sich mit rhythmischen Stößen zu befreien.