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DU WARST MAL MUTIG. NEUGIERIG. FREI. Als Kind hast du gefragt, ohne Angst vor der Antwort. Du hast gebaut, zerstört, neu angefangen. Du hast gespielt, gestritten, Frieden geschlossen – ohne Groll. Alles, was du fürs Leben brauchst, hast du damals schon gelernt. Doch dann kam das Erwachsenwerden. Plötzlich hast du dich gefragt: »Was, wenn ich nicht gut genug bin?« Leistung zählte plötzlich mehr als Neugier. Fehler wurden peinlich. Überlegen wichtiger als Erleben. Und so hast du verlernt, was für dich einst selbstverständlich war. In einer Ära, in der künstliche Intelligenz unsere Grenzen verschiebt, erinnert dieses Buch daran, was uns unersetzlich macht. Denn die wichtigsten Lektionen des Lebens hast du längst gelernt – Zeit, sie dir zurückzuholen.
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Seitenzahl: 227
Veröffentlichungsjahr: 2025
CHRISTIAN WEHNER
ALLES, WAS DU IM LEBEN WISSEN MUSST,HAST DU SCHON IMKINDERGARTEN GELERNT
Wie du deine verlorengegangenenFähigkeiten zurückgewinnst
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2. Auflage 2025© 2025 Deutscher Wirtschaftsbuch VerlagChristoph-Rodt-Straße 11, 86476 Neuburg an der Kammelwww.deutscherwirtschaftsbuchverlag.comAlle Rechte vorbehalten.
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Satz: inpunkt|wlo, Wilnsdorf (www.inpunktwo.de)Cover- und Umschlaggestaltung: www.b3k-design.de, © 2025 Andrea Schneider & diceindustrieseBook by ePUBoo.com
ISBN Print: 978-3-69066-009-9ISBN E-Book (PDF): 978-3-69066-011-2ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-69066-010-5
1.DAS FREIE SPIELIRGENDWO ZWISCHEN FOKUS, FLOW UND NONSENS
2.GRENZENKINDER, DIE NICHT SCHREIEN, VERHUNGERN
3.NAIVITÄTHIN ZUM ERGEBNISOFFENEN WOHLWOLLENDEN ERSTEN SCHRITT
4.SENSIBLE FENSTERWARUM SIE VERLERNEN MÜSSEN, UM WEITERZUKOMMEN
5.UNZERSTÖRBARES GRUNDVERTRAUENEIN GESCHENK, DAS WIR NICHT VERGESSEN DÜRFEN
Für Opa Günter,Danke Dicker.
Mads & Elouise,euch wünsche ich,dass ihr im Herzen immer barfuß bleibt.
Catharina, you are my wonderwall.
»Menschen halten mich fälschlicherweise für einenErwachsenen, nur aufgrund meines Alters.«
— Unbekannt
Das Leben zu meistern ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Lebensaufgabe. Täglich stellt uns das Leben vor neue Herausforderungen und täglich erscheinen neue Ratgeber, sie zu meistern. Die meisten davon folgen derselben Erfolgsmasche.
Die Buchhandlungen sind randvoll von Rezepten selbsternannter Erfolgsgaranten, die es geschafft haben und ihren Weg als Trampelpfad ins Glück verkaufen. Aber möglicherweise ist das Geheimnis für ein erfülltes Leben gar nicht die Copy-und-Paste-Taste, sondern der Blick in das eigene Ich und die Zeit, als wir kleinen Menschen das Laufen, das Lachen und das Leben selbst kennen- und lieben gelernt haben. Darum ist dieses Buch ein wunderbar wohltuender Perspektivwechsel, der Geist, Herz und Wege öffnet. Auch zum Selbst und der Erkenntnis. Und die ist der Anfang von allem. Mark Twain, Gründervater der amerikanischen Literatur und humorvoller Geist formulierte es so: »die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren bist, und der Tag, an dem du entdeckst wofür?«
Der Sinn gibt dem Leben eine Richtung und dem Menschen Flügel. Alles, was es dafür braucht, steckt überraschenderweise in uns. Von Geburt an. Und darum geht es in diesen Werk. Darum lohnt es sich genauer dorthin zu blicken: das Leben wie es begann.
Der Autor wirft einen Blick in unsere Kindheit und öffnet den Blick für Unglaubliches. Kinder im Vorschulalter sind die kreativsten Wesen des gesamten Universums, in einer NASA-Studie erreichen unvorstellbare 98 Prozent von ihnen das Genius-Level im Bereich kreatives Denken. Dann schicken wir die Kinder in die Schule, in die Universität und in die Unternehmen. Sie lernen binomische Formeln, das Periodensystem, Kommasetzung, das Past Perfect und vor allem Fehler zu vermeiden. Ihr kreativer Geist verkümmert und ist mit Anfang dreißig bei kaum noch messbaren zwei Prozent.
Die Kreativität, die menschlichste aller Fähigkeiten, wird uns mit zunehmendem Alter ausgetrieben. Hier lesen Sie, was es braucht, um sie wiederzubeleben und warum dies wertvoll ist. Die linke Gehirnhälfte ist des Menschen ganzer Stolz. Die Ratio. Wir werden von Kindesbeinen an zu Zwangslogikern erzogen und verlieren darüber die Intuition und das Gespür für uns selbst.
Sinn braucht Sinnlichkeit. Der Mensch ist ein sinnliches Wesen. Das Hören, Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken ist unsere Verbindung mit der Welt. Je besser wir uns selbst erleben, desto leichter finden wir uns und unseren Platz in der Welt.
Doch wir treiben selbst die Sinnlichkeit aus unserem Leben aus – die digitale Welt wird zur ersten Anlaufstation fürs Leben – egal was wir brauchen: Ablenkung, Alltagseinkäufe, Sex, Bankgeschäfte und Small Talks. So verlieren wir uns selbst, brauchen Schrittzähler, um zu tracken, ob wir uns genug bewegen, einen Schlaftracker, um zu spüren, ob wir ausgeruht den Tag beginnen, und buchen Kurse, um wieder richtig atmen lernen. Statt sich mit dem eigenen Ich zu beschäftigen, verlieren wir uns in digitalen Störfeuern aller Art, auf der Suche nach Followern und Likes.
»Leben ist das, was passiert, während wir beschäftigt sind (Pläne zu schmieden)«, hat uns schon John Lennon ins Gesangbuch geschrieben. Wir leben in Zoom-Meetings und Zukunftsplänen, für das Hier und Jetzt bleibt keine Zeit.
Doch das Leben ist keine To-do-Liste. Gehen wir ein paar Jahre zurück – in die Zeit, als wir Kinder waren, und lernen, was es braucht, damit wir wachsen und über uns hinauswachsen können. Dann ist das Leben eine Freude und echtes Kinderspiel.
Viel Vergnügen beim Lesen.
Frank Dopheide
Gründer von »human unlimited«, ehemaliger Managing Director des Handelsblatts und Bestseller-Autor von »Gott ist ein Kreativer – kein Controller«
DAS FREIE SPIEL
IRGENDWO ZWISCHEN FOKUS, FLOW UND NONSENS
Erinnern Sie sich noch daran, wie ein einfacher vertrockneter Stock zum mächtigen Schwert und Sie zu einem tapferen Ritter wurden? Oder wie ein paar Decken und Kissen zu Ihrer geheimen Festung wurden? Für Kinder ist das freie Spiel nicht nur eine Beschäftigung, sondern ein Tor zu unendlichen Welten voller Fantasie und Abenteuer. Auch Ihre Kreativität kannte keine Grenzen, und jeder Tag war eine neue Gelegenheit, etwas Wundervolles zu entdecken.
Doch irgendwo zwischen Schulabschlüssen, Karriereplanung und dem täglichen Pendeln haben wir Erwachsenen verlernt, wie man spielt. Der Terminkalender platzt aus allen Nähten, die To-do-Listen sind schier endlos und selbst unsere Freizeit ist oft durchgetaktet. Spontaneität? Fehlanzeige. Stattdessen dominieren Produktivität und Effizienz unseren Alltag. Aber zu welchem Preis?
Das kindliche Spiel (Quelle: DALL·E)
In diesem Kapitel begeben wir uns auf eine spannende Reise zurück in die Welt des freien Spiels. Wir erkunden die Unterschiede zwischen kindlicher und erwachsener Spielweise. Wir tauchen ein in die Psychologie dahinter und entdecken, wie freies Spielen die kognitive Entwicklung fördert, Stress reduziert und soziale Kompetenzen stärkt. Wussten Sie zum Beispiel, dass das freie Spiel auch im erwachsenen Alter einen positiven Einfluss2hat? Es fördert nicht nur die Kreativität, die Fähigkeiten zum Problemlösen und die soziale Interaktion, sondern auch die Stressresistenz, stärkt das Immunsystem und verringert das Risiko psychischer Erkrankungen. Aber warum fällt es uns Erwachsenen so schwer, das freie Spiel wieder in unser Leben zu lassen? Liegt es an gesellschaftlichen Normen, die uns einreden, dass Spielen »kindisch« sei? Haben wir einfach vergessen, wie man loslässt und den Moment genießt?
»Kinder sind Träumer«, meinen Sie?
Dann schauen Sie in den Spiegel! Eine Harvard-Studie3hat zutage gebracht, dass wir Erwachsenen 47 Prozent unserer wachen Stunden mit Tagträumen oder gedanklichem Abschweifen verbringen. Unser Geist geht also fast ständig auf Wanderschaft, unabhängig davon, welche Aufgabe wir gerade ausführen. Vielleicht hapert es auch daran, Ihren Perfektionismus abzulegen und sich selbst die Erlaubnis zu geben, einfach mal nichts »Nützliches« zu tun.
Dies ist eine Einladung, die Welt wieder mit den Augen eines Kindes zu sehen – voller Neugier, Staunen und Freude. Es geht darum, Ihr frühes Wissen wieder zu umarmen und zu erkennen, dass das freie Spielen kein Luxus ist, dem Sie nur im jährlichen Urlaub nachgehen. Nein, es ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis! Die wichtigsten Lektionen des Lebens liegen nicht in Büchern oder Meetings, sondern in den einfachen Momenten des Seins. Also schnüren Sie Ihre imaginären Kinderschuhe, lassen Sie den Ernst des Alltags für einen Moment hinter sich und begleiten Sie mich auf dieser Entdeckungsreise. Wer weiß, vielleicht finden wir gemeinsam heraus, dass alles Wichtige im Leben tatsächlich schon im Kindergarten begann und es nie zu spät ist, das Spiel zurück in unser Leben zu holen.
Kinder können innerhalb von Sekunden in Lebenswelten eintauchen, die mit den Ihren absolut nichts zu tun haben. Ihre Vorstellungskraft dient ihnen als adaptive Superpower. Aber diese kann ein frühes Ende nehmen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass sich Kinderbilder ab einem gewissen Moment von spielerischen Werken in gelernte Muster verwandeln? Fantasievolle bunte Kunstwerke, die liebevoll das Erlebte verarbeiten, weichen den sich immer gleichen geometrischen Mandalas.
Im Folgenden erfahren Sie, was es damit auf sich hat, denn in diesem Kapitel geht es um die ungenutzte kreative Kraft, die in jedem von uns schlummert – eine Fähigkeit, die wir als Kinder intuitiv nutzten, aber oft im Erwachsenenalter verlieren. Wir erforschen, wie unser erlerntes Wissen und festgelegte Muster unsere spontane, freie Ausdruckskraft einschränken, und warum wir heutzutage gar erdrückt sind von der Last des Wissens.
Seit über 60 Jahren existiert in Paris ein Ort, an dem Kinder und Erwachsene ermutigt werden, dem freien Spiel zu frönen. Diese Stätte sieht sich der eigenen Beschreibung nach als »fremdes Land – ein Traumland«. Dieser Ort lädt mit all dem, was er zu bieten hat, seine Besucher dazu ein, ihre kindliche Ausdrucksfähigkeit wieder zu entfachen oder diese gar erst neu zu entdecken. Das fremde Land trägt den Namen Malort und wird von einem Pionier der kreativen Kunstpädagogik betrieben.
Arno Stern (* 23. Juni 1924 in Kassel; † 30. Juni 2024) hat sein gesamtes Leben der Förderung der kindlichen Kreativität gewidmet. 1946, im Alter von 22 Jahren, begann Stern in einem Pariser Vorort seine Tätigkeit in einem Heim für Kriegswaisen. In seiner täglichen Arbeit sollte er Kinder beschäftigen, doch er spürte schnell, dass da mehr möglich war. Er gab den Kindern Pinsel und Farben und ließ sie malen. Es dauerte nicht lange, bis er erkannte, wie befreiend dieses freie Spiel für die Kriegswaisen war. Doch er spürte auch, dass er für die Flucht aus dem Alltag einen vom Heim unabhängigen Raum benötigte, der den Kindern Schutz und Freiheit zugleich bot.
Der Malort war entstanden, ein Raum mit schützenden Wänden und einem Palettentisch, an dem die Kinder ohne jeglichen Druck einfach sie selbst sein konnten. Schnell platzte der Ort aus allen Nähten, aus Mangel an Platz mussten Wände und gar zugenagelte Fenster als Malflächen herhalten. Stern studierte Kunst und Psychologie und begann bald, seine eigenen pädagogischen Methoden4zu entwickeln, diese basierten auf der Idee, dass jeder Mensch ein natürliches Bedürfnis nach kreativem Ausdruck hat. Sein Ansatz stellte sich gar als wegweisend dar, die UNESCO ernannte Stern zu einem Delegierten für Kunsterziehung, zudem gastierte er als Referent in diversen Universitäten, Museen, Bildungs- und Ausbildungsstätten.
Die »Stern-Methode« bietet eine Möglichkeit, die kreativen Prozesse von Kindern und Erwachsenen zu fördern und zugleich tiefere Ebenen der Selbsterkenntnis und emotionalen Entwicklung zu erreichen. Ein Stern, der als Symbol für diese Methode dient, verkörpert die Idee, dass kreative Prozesse, ähnlich wie die Strahlen eines Sterns, in verschiedene Richtungen gehen können. Diese Strahlen stehen für unterschiedliche Aspekte des individuellen Ausdrucks: Emotionen, Gedanken, Fantasie und körperliche Bewegung. Kreative Prozesse, die ohne strikte Vorgaben verlaufen, lassen uns tiefer in die eigene Intuition eintauchen. Im Kern der Stern-Methode steht der Gedanke, dass jeder Mensch bereits ein tiefes kreatives Potenzial besitzt. Durch Malen, Zeichnen oder Gestalten werden Gefühle, die schwer in Worte zu fassen sind, sichtbar gemacht. Ähnlich wie das freie Spiel eine heilsame Funktion haben kann, bietet auch die »Stern-Methode« Möglichkeiten zur emotionalen Bewältigung und Heilung. Es ist der Prozess, der heilend wirkt, nicht das Endergebnis. Auch der physische Ort, den er damals geschaffen hat, existiert bis heute. Er gibt Menschen weiterhin die Möglichkeit, sich frei von jeglichem Druck oder Anspruch auszudrücken. In der Welt seines Malortes tauchen Menschen irgendwann auf, sei es als Kind im zarten Alter von drei, fünf oder zehn Jahren, oder möglicherweise sogar erst in fortgeschrittenerem Lebensalter von 20, 40 oder sogar 50 Jahren. Anders als herkömmliche Kunstschulen oder -workshops, in denen oft eine bestimmte Technik oder Stilrichtung vermittelt wird, bietet der Malort einen offenen Raum ohne Vorgaben oder Bewertungen.
Bei Arno Stern steht nie die Perfektion im Vordergrund, stets ist es die Freude am kreativen Tun, die die Oberhand hat. Eine der faszinierendsten Erkenntnisse, die Arno Stern aus seiner langjährigen Arbeit im Malort gewonnen hat, ist die Bedeutung des freien Spiels für die persönliche Entwicklung. Und genau hier beginnt die Spaltung, denn das freie Spiel findet kaum mehr statt, laut Stern werden Kinder »von der Last des Wissens erdrückt«. Seine Sammlung umfasst mehr als 500.000 Werke, allesamt gezeichnet von Kindern. Man muss kein Experte sein, um das Muster zu erkennen, es verhält sich immer gleich.
»Der direkte Vergleich zwischen freien Spiel und erlernten Mustern«Quelle: Bilder privat
Kinder beginnen mit einem Spiel, ohne ein Ziel zu haben. In seinem Buch »Der Malort« (Daimon, 6. Auflage 2015) schreibt Stern:
»Die Formulation ist nicht auf Wirkung eingestellt und kennt deshalb auch nicht deren Folgen: die Abhängigkeit vom Empfänger und die damit verbundene Erwartung auf Erfolg.«
Wir verlieren im Heranwachsen den Drang zum freien Spiel und werden abhängig »von der Erwartung auf Erfolg«, wie Stern es nennt, und Lob. Frühe Werke der Kinder bilden stets ganzheitliche Sichtweisen ab. Im kindlich gezeichneten Meeresraum finden sowohl Fische als auch Seepferdchen statt, hier und da versteckt sich ein Seestern hinter einer Muschel. An der Oberfläche schippern Dampfer und Gummiboote ihres Weges. Wenn Kinder malen, verlieren sie sich nahezu in der Erschaffung von Fantasiewelten, sie entwickeln sie vollends und füllen sie mit Leben. In späteren Werken kommt es kaum mehr zum freien Spiel. Hier tritt das ein, was Stern »Erwartung auf Erfolg« nennt. Das Gemalte wird von gelernten Formen bestimmt, aus denen die Kinder kaum mehr herauskommen. Kreative oder spielerische Dynamiken finden kaum mehr statt. Anstelle von kreativem Chaos reiht sich Strich an Strich, Muster wirken gelernt und langweilig. Kinder sind ab einem gewissen Alter förmlich erdrückt von der Last des Wissens. Statt sich in Fantasiewelten zu verlieren, wollen sie mit Gelerntem gefallen. So verlieren wir Stück für Stück den Zugang zu unserer Kreativität. Das junge Abenteuer kommt durch den Einsatz von Erlerntem früh zum Ende. Da jedes Kind unterschiedlich ist, gibt es hierzu keine genaue Altersangabe, aber es kommt bei jedem Kind der Moment, da werden Kinder nahezu abhängig vom Lob der Erwachsenen. Sie wiederholen Gelerntes und vergessen dabei, sich voller Neugierde in der Welt zu bewegen. Denn die Gewohnheit tritt ein und das Staunen weicht der Stille der Normalität.
Wenn ich aus diesem Kapitel nur einen Gedanken weitertragen könnte, dann wäre es:
»Kinder sind förmlich erdrückt von der Last des Wissens. Statt sich in Fantasiewelten zu verlieren, wollen sie mit Gelerntem gefallen.«
Statt dem freien Spiel zu frönen, trainiert unsere Gesellschaft Kinder darauf, in klar definierten Bahnen zu denken. Nach unserer Zeit im Kindergarten beginnt die Eingliederung ins System. Dieses Kapitel wirft die Frage auf, ob der lineare Fortschritt, der uns von Kindheit an gelehrt wird, wirklich der einzig mögliche Weg ist? Ich werde meine persönliche Geschichte mit Ihnen teilen, die zeigt, dass das Leben oft unerwartete Wendungen nimmt, die abseits der vorgegebenen Bahnen verlaufen. Zudem erkunden wir, warum ein Technologie-Unternehmen mit nahezu unendlichem Zugang zu Daten, trotz riesiger Datenmengen und fortschrittlicher KI-Algorithmen, keine klaren Muster in Ihren Daten finden kann. Es wird hinterfragt ob der lineare Fortschrittsgedanke – dass jeder Schritt in eine vorgegebene Richtung führen muss – in der modernen, dynamischen Arbeitswelt zunehmend weniger zutrifft.
Uns wird beigebracht, dass Fortschritt linear verläuft – ein Schritt führt zum nächsten, bis wir hoffentlich irgendwann das Ziel erreichen. In der Schule folgen wir einem festen Curriculum, von der Grundschule bis zum Schulabschluss. In der Arbeitswelt zeigt sich dies durch Karriereleitern und festgelegte Hierarchien, die suggerieren, dass Fortschritt nur durch stetige Schritte in eine Richtung möglich ist. Aber ist das wirklich so? Was passiert, wenn wir diese Strukturen brechen und uns fragen, ob die Welt nicht viel komplexer und voll von weitaus mehr Möglichkeiten ist, als uns diese linearen Strukturen glauben lassen?
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass Karrieren in Realität nicht so verlaufen, wie es uns beigebracht wurde. Mein eigener Lebenslauf ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Mein Leben verlief stets reizvoll unorthodox, abseits der Norm. Der Wahrheit zur Ehre muss ich gestehen, dass dies in jungen Jahren nicht immer mit der Einhaltung des Gesetzes einherging.
Wir schreiben das Jahr 2002. In der Weidener Fußgängerzone riecht es abwechselnd nach den Deodorants, die damals gefühlt jeder trug: FA Exotic oder Impulse Vanilla Kisses. Die Regale der lokalen Geschäfte platzen förmlich ob der farbenfrohen, meist stark tribal-lastigen Auswahl an Nokia-3210-Austausch-Covern.
Vorbeifahrende Autos kennen scheinbar nur »Without me« von Eminem, oder »Aserejé«, diesen nervigen Las Ketchup-Song. Doch der spaßige Refrain mischt sich an einem lauen Sommerabend mit grellem Sirenenalarm. Es ist jener Abend, als ein polizeibekannter Dealer mich mit voller Wucht durch eine Schaufensterscheibe schleudert. Er wirft mir vor, dass ich ihn bei der Polizei verraten hätte. »Schwachsinn!«, entgegne ich ihm. Er schubst mich trotzdem so hart gegen das meterhohe Glas, dass dieses umgehend hinter meinem Rücken zerbricht. Sirenen tönen, wir türmen. Keiner erwischt uns. Kurz darauf biege ich statt zur Schule allmorgendlich zum lokalen Thermalbad ab. Jedoch wartet auf mich nicht das kühle Nass, sondern ein Wischmopp und ein stabiler gelber ABS-Kunststoff-Wischwagen samt abnehmbarer Presse.
Ich arbeite im Thermalbad, da ich vom oberpfälzischen Jugendrichter aufgrund des Besitzes von Cannabis zu 30 Strafstunden verdonnert bin. In der Schule vermisst mich niemand, denn obwohl ich erst 16 bin, ist meine Schullaufbahn bereits vorbei. Den »Qualifizierenden Hauptschulabschluss« vergeige ich gar zweimal in Folge. Einen dritten Versuch gibt es nicht. Ich bin geübt darin, kein guter Schüler zu sein und habe es nie auf eine weiterführende Schule abseits der Hauptschule geschafft. Aber den »Quali« sogar zweimal nicht zu bestehen, das ist selbst für mich eine herbe Enttäuschung. »Complicated« ist im Jahr 2002 nicht nur der Songtitel des Sommerhits von Avril Lavigne, sondern auch meine Situation. Meine Bewerbungen laufen allesamt ins Leere, nicht mal auf Praktika-Anfragen erhalte ich eine Antwort. Glücklicherweise nimmt sich eine Organisation für schwer vermittelbare Jugendliche meiner Person an. Das ist für mich der rettende Strohhalm. Für mich heißt es: Alles oder nichts. Ich kündigte allen zwielichtigen Bekannten die Freundschaft und konzentriere mich fortan darauf, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Während Eminem »Cleanin’ out my closet« rappt, hießt es bei mir: »I’m cleanin’ out my life«. Dankenswerterweise nimmt die Geschichte einen glücklichen Ausgang. Ich erhalte nach einem sechsmonatigen Praktikum bei OBI die Zusage zu einem festen Ausbildungsplatz und werde sogar Schülersprecher der Europa-Berufsschule.
Im zweiten Lehrjahr fühlte ich mich so wohl und angekommen im Baumarkt, dass ich nach voller Positivität Laminat- und Parkettböden bestellte, von denen ich dachte, dass sich diese doch gut verkaufen würden. Es nervt mich, dass die Auswahl sich lediglich auf Buche und Ahorn beschränkte. Dass die Bestellung seitens des Computers durchging, war für mich die Legitimation, dass alles mit der Bestellung in Ordnung ist. Weit gefehlt. Das Geschrei in der Warenannahme war groß, als die Lkw Wochen später anrollten, um die Ware anzuliefern. Die hitzige Debatte eskalierte bis zum Marktleiter. Dieser stellte mich vor die Wahl: Entweder ich verabschiede mich fristlos für den begangenen Fehler oder ich löffle die Suppe eigens aus und stelle mich zum Abteilungsleiter für die Laminat- und Parkettabteilung. Es wurde ohnehin gerade einer gesucht.
So ernannte OBI mich aufgrund eines belohnten Fehlers zum jüngsten Abteilungsleiter Deutschlands. Danach heuere ich bei Radiosendern und prestigeträchtigen Unternehmen wie Red Bull an. Zudem war ich einer der ersten Festangestellten in einem der am schnellsten wachsenden Tech Start-Ups5Deutschlands: Ryte.com. Eine wilde Zeit!
Und heute? Heute darf ich den Titel »Senior Director Innovation Strategy« bei Europas6