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Die Frage nach den sogenannten letzten Dingen treibt Menschen aller Glaubensrichtungen um. Dabei gibt es, nicht nur in den verschiedenen Religionen, unterschiedlichste Sichtweisen zum Ob und Wie eines Lebens nach dem Tod. Allezeit und Ewigkeit beschreibt einen möglichen Lösungsansatz, der unter Betrachtung von zeitlichem und ewigem Dasein verblüffend einfach erscheint und auch die Frage, wie Gott das schreckliche Leid der Welt zulassen kann, nicht außer Acht lässt. Der Autor möchte mit diesem Buch suchende Menschen anregen, einen Blick über den Tellerrand des eigenen Denkens und Glaubens hinaus zu wagen. Doch auch Menschen in Trauer, Leid und anderen belastenden Situationen möchte er Handreichungen anbieten, um sich mit der eigenen Situation ein wenig besser auseinandersetzen zu können.
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Seitenzahl: 210
Veröffentlichungsjahr: 2019
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VORWORT
SIMONE
AUFTAKTFRAGEN
Frage: was kommt danach?
Frage: warum lässt Gott es zu?
Frage: Wann kommt Christus zurück?
Frage: Haben andere Religionen auch recht?
TOT – UND DANN?
Nahtoderfahrungen
Begegnungen und Träume
Rückführungserlebnisse
Himmel – Hölle – Fegefeuer
Nihilismus – die Lehre vom Nichts
ZEIT UND EWIGKEIT
Der Zeit unterworfen
Zeit in der Physik und Philosophie
Zeit in der Theologie
Zeit und Leid
Ewigkeit
DIE CHRISTUS-SINGULARITÄT
Die Singularitäts-Vision
Zwischen Zeit und Ewigkeit
leben in Zeit und Ewigkeit
Der Theodizee-Irrtum
GOTTES EBENBILD
Mehrfaltigkeit
Reinkarnation – Multiinkarnation
Allezeit und Ewigkeit - Fazit
ZEITLOS GLÜCKLICH
Franziskus von Assisi
Niklaus und Dorothea von Flüe
Dietrich Bonhoeffer und Franz Jägerstätter
Der Jünger, den Jesus liebt(e)
Wege zum zeitlosen Glück
Zeitlos glücklich - Fazit
HANDREICHUNGEN
Gespräch mit meinem ewigen Ich
Dialog in der (Un-)Zufriedenheit
Dialog an glücklichen Tagen
Dialog in eigenem Leid
Dialog in Momenten des Abschieds
Dialog an einem Grab
Dialog für andere
Dialog im Streit
Dialog für mich
Zeitlos glücklich und selig
QUERVERWEISE IN DER BIBEL
Tot – und dann?
Zeit, Leid-Zeit
Fegefeuer
Ewigkeit
Christus-Singularität
Zeitlos glücklich
QUELLENVERZEICHNIS
Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, an Jesus Christus seinen eingeborenen Sohn, an den Heiligen Geist. Wir bekennen die Auferstehung der Toten, und das Leben der kommenden Welt. (apostolisches Glaubensbekenntnis) 1
Diese Worte gehen einem Christen scheinbar mühelos von den Lippen, wenn wir im gemeinsamen Gebet, in den Gottesdiensten oder in stiller Meditation unseren Glauben bekennen. Und wie stumm bleiben wir, wenn sich unser Glaube in der Trauer um einen lieben Angehörigen, in der eigenen Angst vor dem Sterben oder im Angesicht von Katastrophen und Lebenskrisen besonders bewähren sollte. Geht es uns dann nicht so wie Simon Petrus, der Jesus zwar über das Wasser entgegengehen wollte, es dann aber im Sturmwind mit der Angst zu tun bekam und zu versinken drohte?2 Unsere Traditionen gebieten uns, uns zu einer Trauerfeier in schwarz zu kleiden, mit gesenktem Blick und stumm – wenn wir uns nicht gerade über verwelkende Blumen unterhalten – an einem Grab zu stehen; an die armen Seelen zu denken und gerade in der Zeit von Allerheiligen und Allerseelen in eine gewisse Resignation und Trostlosigkeit zu verfallen. Ich habe mich schon vor meiner Weihe zum Diakon dazu entschlossen, diese paradoxe Situation zu durchbrechen, wann immer sich für mich die Gelegenheit dazu geben würde. So habe ich es mir angewöhnt, zu einer Beerdigung im weißen Jackett zu erscheinen, auch wenn ich mit dieser Farbe alleine stehe oder komisch angesehen werde. Ich frage die Trauerfamilien und deren Angehörige im Vorfeld, ob sie die für den Abschied übliche liturgische Farbe violett wünschen, oder ob es vielleicht auch die weiße oder die Regenbogenstola sein darf? Ich nehme beim Gang zum Grab, aber auch beim Gräberbesuch an Allerheiligen, immer die Osterkerze mit zum Friedhof, und höre nicht auf zu erzählen, dass wir nicht an Tote denken, sondern an Lebende, die als Selige bereits in die Ewigkeit Gottes vorangegangen sind. Wirklich uns voraus gegangen? Das Denken zuvor und hinterher, in früher und später Zeit, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist, wie auch das Vorausdenken sinnvoll, wenn wir den Faktor Zeit im Blick haben. Wie aber ist es um die Ewigkeit bestellt? Nach einem eindrücklichen Erlebnis und mehreren Jahren des Nachdenkens und des Beschäftigens mit den „letzten Dingen“ – eine für mich inzwischen sehr irreführende Bezeichnung – habe ich mich entschlossen, meine Gedanken und Erkenntnisse zu Papier zu bringen. Dabei ist mir vollkommen klar, dass auch dieses Buch keine konkreten Antworten geben kann, sondern vielleicht doch nur weitere, neue Fragen aufwirft. Jedoch ist es mir die Arbeit wert, Sie – liebe Leser – zum Nachdenken anzuregen, vielleicht ein wenig Trost zu spenden, und die Sätze des Glaubensbekenntnisses möglicherweise aus einem neuen, anderen Blickwinkel zu sehen.
Günter Kaiser
Von ganzem Herzen danke ich Frau Edelgard Romacker, Herrn Michael Rudigier und meinem Sohn Thomas Kaiser für die wertvolle Mithilfe an diesem Buch.
1 Gotteslob, Katholisches Gebets- und Gesangbuch 2013, Nr.3.4
2 vgl. Matthäus 14,22-23, Die Bibel, Einheitsübersetzung 2016, Katholische Bibelanstalt Stuttgart. Sämtliche biblischen Texte sind dieser Ausgabe entnommen (siehe auch Quellenverzeichnis) Es wird im Folgenden nicht mehr explizit auf diese Quelle verwiesen.
„Was willst Du mit diesem Buch erreichen?“, wurde ich von einer guten Freundin gefragt, der ich das erste Manuskript zu lesen gegeben hatte. Um ihr diese Frage beantworten zu können, musste ich die Gründe dafür erst einmal für mich selber sortieren, denn ich hatte mir während des Schreibens diese Frage nie gestellt. So musste ich mir jetzt im Nachhinein meine Gedanken darüber machen. Was hat mich dazu getrieben, mich so intensiv mit dem Leben und Sterben, mit dem jenseitigen und ewigen Leben zu beschäftigen? Ich habe mir wie gesagt diese Frage kaum einmal gestellt, sondern einfach meine Gedanken und Empfindungen niedergeschrieben, um sie am Ende – geordnet und sortiert – zu einem Gesamttext zu vereinen. Und doch ist es sehr wichtig, das Ziel dieser mir so wichtigen Suche klar und eindeutig zu benennen. Ich möchte es im Folgenden versuchen.
Es gab in meinem Leben schon immer die besondere Faszination für das Osterfest, ein sonderbares, untrauriges Berührtsein bei Sterbefällen, ein brennendes Interesse an der Person des oder der Verstorbenen und das Denken an Lebende statt an Tote. Mich interessierten schon immer die Namen oder die kleinen Portraitbilder auf Grabsteinen, und ein Friedhof war für mich viel mehr als der Ort des Sterbens und des Todes. Ich hatte dann vor einigen Jahren einen plötzlichen Gedanken, den ich heute als Christus-Singularität bezeichne, und der den sogenannten roten Faden in diesem Buch darstellt. Doch anders als alle früheren oder späteren Ereignisse hat mich der frühe Tod meiner Nichte Simone geprägt. Sie war gerade einmal zehn Jahre alt, als bei ihr Knochenkrebs im rechten Oberarm diagnostiziert wurde. Es begann für ihre Eltern, die beiden älteren Zwillinge und das ein Jahr jüngere Schwesterchen, aber letztendlich für unsere gesamte Familie eine schlimme Zeit zwischen Hoffen und Bangen, kleinen Erfolgsmeldungen und um so schlimmeren Rückschlägen. Simone war für uns alle der tapferste Mensch der Welt, denn weder Operationen noch Chemotherapien, weder lange Krankenhausaufenthalte noch das Vermissen ihrer Freunde und Mitschüler konnten ihren Lebenswillen brechen oder ihr die frohe Zuversicht rauben. In vielen Stunden der Unsicherheit war sie diejenige, die ihrer Familie immer wieder Trost und Halt gab. In den knapp zwei Jahren zwischen dem Ausbruch des Krebses und ihrem Tod reifte sie geistig schneller als Gleichaltrige, und artikulierte sich am Ende eher wie eine Sechzehn- statt wie eine Zwölfjährige.
Ihre letzten Wochen und Tage waren geprägt von Schmerz und Erschöpfung, und als sie schließlich noch eine lebensverlängernde Bluttransfusion erhielt, reagierte sie unverständig und ablehnend darauf. Als sie ihre Mama fragte, ob sie sterben werde, und diese unter Tränen bejahte, schien die Antwort Simone sehr zu erleichtern und zufrieden zu stellen. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen schlief sie schließlich ein, und es sah so aus, als hätte sie durch die Decke des Krankenzimmers bis in den offenen Himmel hineingesehen. Als wir am folgenden Tag in der Klinik zusammenkamen, um vor der Überführung in den Heimatort in einem wunderbar hergerichteten Aufbahrungszimmer gemeinsam Abschied zu nehmen, hatte Simone immer noch diesen verzauberten Ausdruck auf ihrem Mund und den geschlossenen Augen.
Sie war ausgerechnet an meinem Geburtstag in die Ewigkeit gegangen, und ich wusste, dass uns dieser besondere Tag für immer verbinden würde. Ich hatte im Aufbahrungsraum eine spontane Andacht mit der Familie gebetet, und wir hatten Simone und uns gegenseitig mit Wasser aus dem Jordan gesegnet. Wenige Tage nach der Beisetzung rief mich innerhalb einer Stunde zuerst mein Bruder und dann Simones Heimatpfarrer an und rieten, ich solle mir über einen weiterführenden Dienst in der katholischen Kirche Gedanken machen, da die Andacht an Simones Sterbebett allen Beteiligten sehr viel Mut und Trost gegeben habe. Da sie keinen konkreten Vorschlag für eine entsprechende Tätigkeit hatten, besprach ich mich wenige Tage später mit Hans, meinem Heimatpfarrer. Der zögerte keinen Augenblick und sagte „werde Diakon“. Hätte ich bereits gewusst, dass es ein Ausbildungsweg von über sieben Jahren werden würde, so hätte ich wahrscheinlich gezögert. So aber begeisterte ich mich spontan für diesen Rat meines Pfarrers, und ließ mich auf das Wagnis ein.
Auch meine Eltern, und ganz besonders meine Mutter, trauerten sehr um ihre geliebte Enkelin. Während mein Bruder und seine Frau durch die beiden damals dreizehnjährigen Zwillinge und die jüngere Schwester bald wieder ins normale Leben zurückfinden mussten und auch zurückfanden, bewahrte meine Mutter eine Art der schwarzen Trauer, die uns alle sehr erschreckte und mich zum Nachdenken zwang. Wie konnte ein Mensch, der sein ganzes Leben lang fest im Glauben gestanden hatte, in so eine tiefe und verzweifelte Trauer verfallen, die der gesamten Familie noch einmal tiefste Schmerzen bereitete? Schließlich schlug ich ein Jahr nach Simones Tod vor, als Familie eine Andacht in einer Bergkapelle unserer Region zu feiern. Eine Bekannte hatte eine Idee umgesetzt und eine große Osterkerze gestaltet, auf der die leicht abgewandelte Frage des Auferstehungsengels angebracht war „Was sucht ihr die Lebende bei den Toten?“. Darunter stand „Simone lebt“. Diese Andacht brachte auch meiner gequälten Mutter ein wenig Linderung und Trost, ließ aber andererseits auch mich selber nie wieder los. In dieser Zeit entwickelte ich erste Ideen für die Begleitung von Sterbenden und Trauernden. Und ich war mir absolut sicher, es sollte eine Begleitung sein, die das Leben zum Inhalt hat und nicht den Tod.
Jeder Trauerfall macht uns unsere Vergänglichkeit bewusst und stellt unseren Glauben auf eine Bewährungsprobe. Es sind an einem Grab schnell ein paar Worte von Auferstehung, Wiedersehen und ewigem Leben gesprochen. Es werden bekannte Formeln und Gebete herangezogen, die aber in ihrer Routinemäßigkeit und angesichts der akuten Trauersituation vielleicht auch schnell einmal verpuffen. Wie also sollte eine sinnvolle Begleitung und wirklicher Trost konkret aussehen? Reicht es aus, mit der Überzeugungsarbeit erst dann zu beginnen, wenn der Abschied von einem lieben Menschen akut ansteht oder noch ganz frisch ist? Oder sollte die christliche Osterhoffnung auch prophylaktisch und ohne konkreten Anlass vermittelt werden? Die tiefe, ohnmächtige Trauer meiner Mutter hat mich überzeugt, dass ein Überdenken des Lebens, Sterbens und des Abschiedes viel früher ansetzen sollte, ja sogar muss.
In der Vorbereitung auf meine Diakonenweihe 2010, erst recht aber bei den ersten Trauerfamilien, die ich begleiten durfte, wurde mir klar, wie sehr unsere Kultur des Abschiedes festgefahrenen Regeln und Gewohnheiten folgt, und wie schnell die christliche Überzeugung angesichts des Sterbens eigener Lieben aufgegeben wird, um einer ohnmächtigen Trauer Platz zu machen. Findet jedoch eine Trauerbegleitung auch über das Beisetzungsdatum hinaus statt, so öffnet sich manche Traurigkeit den ersten Fragen nach dem Warum und dem Danach. Da es dazu keine universalen Antworten gibt, machte ich mich auf die Spurensuche, sowohl in den Evangelien wie auch in Texten von heiligen Frauen und Männern, in Diskussionen mit Vertretern des Reinkarnationsglaubens, und bei der Lektüre von Berichten über Nahtoderlebnisse und sog. Rückführungen. Eine große Hilfe war mir auch der Nahtodbericht meines Freundes Michael, der nach einem schweren Verkehrsunfall über faszinierende Begegnungen in einer anderen Wirklichkeit erzählte.
Im Frühjahr 2010 fügte sich schließlich ein Gedankengang dazu, den ich im Nachhinein als Singularitätsvision bezeichne. Diese These, die mir plötzlich und unerwartet durch den Kopf ging, war schließlich das fehlende Teil in meinem Gedankenpuzzle. Die Singularität in und mit Christus Jesus vermag meiner Überzeugung nach die Zusammenhänge zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Leben, Sterben und ewigem Leben plausibel zu erklären, und gibt, noch weiter gedacht, möglicherweise auch Antworten auf andere Weltanschauungen und religiöse Überzeugungen. Diese universelle Vision, die ich 2010 zu einem kurzen Aufsatz zusammengefasst und aufgeschrieben habe, ist die eigentliche Keimzelle dieses Buches. Ich wollte und will diese Gedanken nicht für mich behalten, und so nutze ich sie schon seit einiger Zeit in der Trauerbegleitung, in persönlichen Gesprächen und auch in meinem Glaubensgesprächsprojekt „Über Gott und die Welt“.
Meine liebe Nichte Simone, das habe ich begriffen, hatte trotz ihrer schmerzlichen Krankheit keine Angst vor dem Sterben an sich, und brachte bis zuletzt noch die Kraft auf, ihren Eltern und Geschwistern Trost und Halt zu geben, so dass sie, schweren Herzens zwar, doch mit einem himmlischen Frieden beschenkt, loslassen konnten. Es stellte sich niemals die Frage nach dem Wie und Wo des seligen Kindes, und noch heute ist Simone in einer wundervollen Art und Weise lebendig und präsent. Ich würde mir wünschen, dass Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, etwas von der Zuversicht Simones und ihrer Eltern, ein wenig von der Überzeugung meines Freundes Michael und auch von der hoffnungsvollen Freude, die mir das Schreiben an diesem Buch bereitet hat, erfahren und behalten können. Selbst wenn dieses Buch vielleicht am Ende mehr Fragen aufwirft, als es beantworten kann, so möge es trotzdem die Beschäftigung mit den letzten Dingen, mit Zeit und Ewigkeit befeuern und den einen oder anderen Impuls des Trostes und der Zuversicht setzen.
Gewidmet meiner seligen Nichte Simone, 1991-2003
Ich werde mich hüten, an dieser Stelle bereits nach Antworten auf das Woher und Wohin zu suchen. Stattdessen lohnt es sich, ein paar Auftaktfragen stellen. Es sind vier einfache, typische Allerweltsfragen, oft gehört, und immer wieder neu gestellt. Ich beschränke mich dabei auf eine einfache Fragestellung, gerade so, wie immer und immer wieder im Zusammenhang bei der Spurensuche nach den letzten Dingen nachgehakt wird. Allerdings möchte ich wie gesagt zu diesem Zeitpunkt unbedingt vermeiden, irgendwelche Antworten zu wagen.
Frage: was kommt danach?
Jede Naturreligion und alle fünf großen Weltreligionen stellen sich dieser Frage, und es gibt verschiedene, oft sehr unterschiedliche Antworten darauf. „Es ist noch keiner zurückgekommen“, lautet oftmals die einfache Aussage. Nahtoderfahrungen unzähliger Unfallopfer und Menschen nahe am Sterben können vielleicht eine erste leise Ahnung von den Minuten nach dem Übergang vermitteln, doch hören diese Erlebnisse genau dort auf, wo es beginnt, spannend zu werden. Selbst von Jesus gibt es keinerlei Aussage, was ihm in der Zeit zwischen Karfreitag und Ostermorgen widerfahren ist. Die gesamte Frage bleibt – von Glaubenssätzen einmal abgesehen – unbeantwortet. Da der Mensch aber ein von Grund auf neugieriges Wesen ist, findet er sich nur schwer mit brennenden Fragen ohne Antwort ab. Das Neue Testament gibt in seinem letzten Buch, der Offenbarung des Johannes, eine diffuse, bildhafte Aussicht auf die Parusie, das Danach, die Wiederkunft Christi. Doch ist das wirklich bereits die Antwort, auf die wir hoffen?
Frage: warum lässt Gott es zu?
Wie kann Gott das Leid der Welt zulassen, wenn er – wie wir bekennen und glauben – allmächtig und ein liebender Gott ist? Bewegen Gott die Naturkatastrophen, die Verbrechen, Krieg, Terror, Seuchen und heillose Krankheiten nicht? Schaut Gott – wie es in einem Lied von Bette Middler heißt – „From a distance“ – aus der Distanz, und völlig ungerührt den Geschehnissen auf der Erde zu? Die sogenannte Theodizeefrage3 spaltet gläubige und ungläubige Menschen. Für Atheisten und Nihilisten4 ist sie der eindeutige Beweis dafür, dass es keinen Gott oder keine Götter geben kann. Doch auch im Glauben verwurzelte Menschen tun sich mit einer Antwort darauf sehr schwer. Wenn Gott wirklich allmächtig ist, dann kann, ja muss er doch etwas gegen all die Leiden und gegen das Sterben auf der Welt unternehmen. Ist er hingegen nicht allmächtig, so kann er nicht Gott sein. Was also lässt Gott zögern? Oder muss die Frage eher heißen: Lässt Gott das alles wirklich zu?
Frage: Wann kommt Christus zurück?
Paulus schreibt im ersten Brief an die Gemeinde in Thessaloniki, „dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs etwas voraushaben werden“ (1.Thessalonicher 4,15). Dieser Vers wird oftmals so gedeutet, dass Paulus in der (persönlichen) Erwartung der baldigen Wiederkunft Jesu lebte. Andererseits hat der Apostel sein eigenes Leiden und Sterben vorausgeahnt und mehrmals klar angedeutet. Erwartete Paulus wirklich die Parusie noch zu seinen Lebzeiten, oder müssen wir seine Aussagen zur baldigen Wiederkunft Jesu ganz neu deuten? Irrte Paulus, oder haben wir ihn ganz einfach falsch verstanden? Jesus hat die Frage nach seiner Wiederkunft ganz klar und eindeutig beantwortet, indem er jegliche konkrete Zeitfrage von sich wies:
Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Matthäus 44,40)
oder
Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. (Apostelgeschichte 1,7)
Dennoch gibt es zahlreiche elitär geprägte Sekten und Glaubensgemeinschaften, die diese Stunde nicht nur zu kennen meinen, sondern sie auch mit zum Teil gewagter Mathematik zu berechnen versuchen. Ist es überhaupt legitim, diesen „Termin“ zu erfragen? Müssten wir bei der Rückkehr Christi statt nach dem „Wann“ nicht viel eher nach dem „Wie“ fragen?
Frage: Haben andere Religionen auch recht?
Wieso gibt es so viele verschiedene Vorstellungen des Lebens nach dem Sterben? Es gibt den Glauben an die Reinkarnation (Wiedergeburt), es gibt die Verehrung der Ahnen als Heilige oder Gottgleiche, und es gibt Naturreligionen, in deren Glauben sich verstorbene Menschen in verehrten Tieren wiederfinden. Dagegen betonen die drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam die Einzigartigkeit und Nichtreversierbarkeit eines jeden Menschenlebens. Diesen Widerspruch hat das zweite Vatikanische Konzil (1962-65) in seiner Erklärung Nostra aetate („in unserer Zeit“) über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen neu aufgegriffen und darin den Wahrheitsanspruch der Religionen außerhalb der Kirche bekräftigt. Jede Religion auf der Welt stützt ihr Bekenntnis auf Offenbarungen, auf Visionen sowie auf das verbürgte Wort von Heiligen und Propheten, und nimmt die reine Wahrheit für sich in Anspruch. Doch schon Pontius Pilatus hat gefragt „Was ist (die) Wahrheit?“
4 Nihilismus, die Lehre vom Nichts
„Nichts ist umsonst, nicht einmal der Tod – denn der kostet das Leben“, „Nichts ist so sicher wie der Tod“ oder „Sterben müssen wir alle“. Das sind nur drei von vielen Redewendungen über den Tod.
Es ist eine unumstößliche Wahrheit, dass wir alle einmal werden sterben müssen. Wir wissen zwar nicht, wann und wie es geschehen wird, doch wir können sicher sein, dass es passieren wird. So sehr wir uns gegen diese Tatsache sträuben, und soweit wir diesen Gedanken auch von uns schieben, so sehr möchten wir auf der anderen Seite doch gerne wissen, wie es mit uns weitergehen wird. Am einfachsten tun sich diejenigen, für die der Tod das endgültige Ende bedeutet, und die nicht an ein Leben jenseits unseres Zeithorizontes glauben. Für sie ist das Thema abgehakt, und jegliche Spekulationen darüber sinnlos. Umfragen haben jedoch ergeben, dass sich selbst die größten Skeptiker ein paar Prozente der Unsicherheit, ob nicht doch noch etwas danach kommt, offen lassen.
Eine wachsende Anzahl von Menschen, auch getaufte Christen, beschäftigen sich nicht oder nicht mehr mit der Frage nach den letzten Dingen. Es ist für sie ein Thema, das auf der Dringlichkeitsliste nicht ganz oben steht. Das ändert sich jedoch oft schlagartig, wenn sie mit dem Sterben eines ihnen nahestehenden Menschen konfrontiert werden. Dann tut es auch ihnen gut, ein wenig Hoffnung in der Hinterhand zu halten und sich daran klammern zu können.
Für gläubige Menschen aller Völker und Religionen birgt die Frage nach dem Leben nach dem Tod die große Erwartung auf eine nicht endende Glückseligkeit, die Sehnsucht nach umfassender Erlösung von Mühsal und schweren Lasten, und die Vision der Vollendung im Himmel, im Nirwana, im Kreis der Ahnen oder in einer anderen Vorstellung der Ewigkeit.
Immer wieder suchen Menschen nach greifbaren Belegen für ein jenseitiges Leben, sie suchen in der heiligen Schrift oder bei Gnostikern, vertrauen sich Sehern, Schamanen und Geistmedien an, um ein klein wenig Gewissheit zu erhaschen. Seit vielen Jahren nimmt das Interesse an den Berichten über Nahtoderfahrungen und Rückführungen in „frühere Leben“ immer stärker zu, nicht nur bei religiösen Zeitgenossen. Ich möchte einige Facetten dieses Interesses näher betrachten:
Nahtoderfahrungen
Nahtoderfahrungen umfassen ein breites Spektrum von Erlebnisberichten über außergewöhnliche Bewusstseinszustände im Zusammenhang mit äußerst lebensbedrohenden Situationen an der Schwelle zum Sterben, besonders in Verbindung mit Herz- und Kreislaufstillständen und in der Phase einer eingeleiteten Reanimation. Daneben berichten auch Patienten, die sich nicht in unmittelbar lebensgefährlicher Bewusstlosigkeit befanden, von gleichen oder ähnlichen Situationen.
Die Erlebnisse reichen dabei von der Außensicht auf den eigenen Körper, auf das Beobachten der reanimierenden Ärzte, über Orte starker Dunkelheit, zum Beispiel Tunnel oder Höhlen, bis hin zu wunderbaren Lichterscheinungen, die ein großes Wohlbehagen auslösen.
Gerade die Ähnlichkeit vieler Erlebnisse lässt aufhorchen. Sind es wirklich nur medizinisch erklärbare Prozesse in einem sauerstoffunterversorgten Gehirn, wie viele Neurologen meinen? Oder sind es Halluzinationen, die in einem sterbenden Menschen durch körpereigene Botenstoffe ausgelöst werden?
Die Nahtodvisionen ähneln einander sehr stark, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen:
Eben Alexanders5 Frau findet ihren Mann auf dem Boden liegend, mit verdrehten Augen und schrecklichen Krämpfen. Die nächsten Stunden verbringt er auf der Intensivstation, mit dem Tod ringend. Während die behandelnden Ärzte noch über seinen Zustand rätseln, hat sich David bereits in eine andere Welt verabschiedet.
Nach dem Aufwachen beschreibt Eben Alexander diesen Ort seines Nahtoderlebnisses als tiefe, ohnmächtige Dunkelheit. Dämonische Fratzen kamen aus der Dunkelheit hervor und verschwanden wieder. Er wollte nur noch von hier fliehen, wusste aber nicht, wohin. Noch während er nach einem Ausweg suchte, tauchte eine fantastische Lichtwelt vor ihm auf. Er beobachtet singende und tanzende Wesen, und spürt mitten in dem Licht ein Wesen aus purer Liebe. David fühlt sich glücklich und geborgen wie niemals zuvor.
Sein Weg zurück verläuft wieder durch die Dunkelheit, doch diesmal hat er keine Angst mehr. Er ist nun davon überzeugt, dass auch die Dunkelheit zum Licht gehört. Die wichtigste Erkenntnis für ihn, einen bis dahin ungläubigen Menschen, sei "die bedingungslose Liebe und Akzeptanz", die er erfahren durfte.6
"Ich kann mich an jedes kleine Detail erinnern", erzählt auch Manuela7. Damals war sie mit einer schweren Bauchspeicheldrüsen-Entzündung in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Nachdem die Ärzte ihr starke Schmerzmittel gegeben hatten, erlitt sie einen Herzstillstand. Neun Minuten lang versuchten die Mediziner, die Patientin ins Leben zurückzuholen.
"Ich sehe mich noch genau in einem Bett liegen", berichtet sie. "Meine Mutter war da und hat am Fußende gesessen. Ich habe ihr in meinen Gedanken gesagt, dass ich sie liebe." Hören konnte die Mutter sie nicht. Denn Manuela war zu diesem Zeitpunkt bereits ganz langsam in eine andere, wunderbare Welt abgeglitten.
„Als ich meine Augen wieder geöffnet habe, stand ich in einem mit Licht durchfluteten Tunnel", erinnert sich Manuela. "Es war eine so wunderschöne, helle Farbe, die man mit Worten gar nicht beschreiben kann. Ich wusste sofort, dass ich im Himmel bin."
Manche Nahtoderlebnisse beschränken sich auf den Blick von außen auf den eignen Körper, auf detaillierte Beschreibung der Arbeit der reanimierenden Ärzte. Andere Aussagen enden in einem dunklen Tunnel, ohne dass ein helles Licht erscheint. Wieder andere berichten direkt von einem strahlenden Licht. Eine indirekte Nahtoderfahrung durfte ich selbst erleben, und ich sage ganz bewusst durfte und nicht musste, weil sie ein sehr tröstliches Erlebnis für mich war.
Mein eigener Vater verstarb am Weihnachtstag 2010. In den Nächten zuvor hielt die Familie abwechselnd Nachtwache an seinem Krankenbett, um unserer Mutter ein paar Stunden Schlaf zu ermöglichen.
In seiner letzten Nacht auf Erden ist mein Vater plötzlich wach geworden und sagte „hier ist auf einmal alles so dunkel“. Ich hielt seine Hand und sagte ihm, dass ich ihn auf diesem Weg durch die Dunkelheit solange begleiten werde, wie es mir möglich wäre. Nach ein paar Minuten wiederholte er seine Worte „es ist so dunkel“. „Ich bleibe bei dir“ versicherte ich ihm. Nach einiger Zeit – vielleicht gefühlte zwanzig Minuten – sah er zur Decke und meinte „jetzt ist alles so hell“. Ich fragte ihn noch „sind wir schon so weit?“, erhielt aber keine Antwort mehr.
Mein Vater schlief den Rest der Nacht sehr friedlich durch, und sein Herz hörte am Vormittag auf zu schlagen. Ich wusste, dass ich ihn auf seinem Weg ins Licht ein Stück weit hatte begleiten dürfen.
Ein guter Freund von mir hatte ebenfalls ein intensives Nahtoderlebnis, das sein Leben radikal geprägt hat: