Allianz des Blutes - Ariel Tachna - E-Book

Allianz des Blutes E-Book

Ariel Tachna

0,0

Beschreibung

Buch 1 in der Serie - Blutspartnerschaft Können ein verzweifelter Magier und ein verbitterter, desillusionierter Vampir einen Weg finden, Partner zu werden und ihre Welt zu retten? In einer Welt, in der ein Krieg der Magier tobt, werden Vampire von vielen als minderwertig angesehen, als die stereotypischen Geschöpfe der Nacht, denen die Menschen zum Opfer fallen. Doch der Krieg wird immer bedrohlicher und die Magier wissen, dass sie Hilfe brauchen, um das Geschick zu ihren Gunsten zu wenden. Die dunklen Magier wollen die bestehende Welt auslöschen, und die Stärke der Vampire könnte den Ausschlag geben, um das zu verhindern. Die Magier gehen das Wagnis ein, den Chef de la Cour der Vampire zu einem geheimen Treffen zu überreden, um ihn von ihrem guten Willen zu überzeugen und seine Unterstützung zu gewinnen. Alain Magnier, ein verzweifelter Magier, und Orlando St. Clair, ein verbitterter, desillusionierter Vampir, treffen sich in Paris auf einem Friedhof. Das Schicksal der Welt hängt vom Ausgang dieses Treffens ab. Werden die Vampire sich dem Kampf gegen die dunklen Magier anschließen und sich mit den Magiern auf eine Partnerschaft einlassen, um den Krieg gemeinsam zu gewinnen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 398

Veröffentlichungsjahr: 2015

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Copyright

Published by

DREAMSPINNERPRESS

5032 Capital Circle SW, Suite 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886  USA

http://www.dreamspinnerpress.com/

Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Figuren, Plätze, und Vorfälle entstammen entweder der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, Firmen, Ereignissen oder Schauplätzen sind vollkommen zufällig.

Allianz des Blutes

Urheberrecht der deutschen Ausgabe © 2015 Dreamspinner Press.

Originaltitel: Alliance in Blood

Urheberrecht © 2014 Ariel Tachna.

Übersetzt von Anna Doe.

Umschlagillustration

© 2015 Paul Richmond.

Die Illustrationen auf dem Einband bzw. Titelseite werden nur für darstellerische Zwecke genutzt. Jede abgebildete Person ist ein Model.

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch ist ausschließlich für den Käufer lizensiert. Eine Vervielfältigung oder Weitergabe in jeder Form ist illegal und stellt eine Verletzung des Internationalen Copyright-Rechtes dar. Somit werden diese Tatbestände strafrechtlich verfolgt und bei Verurteilung mit Geld- und oder Haftstrafen geahndet. Dieses eBook kann nicht legal verliehen oder an andere weitergegeben werden. Kein Teil dieses Werkes darf ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages weder Dritten zugänglich gemacht noch reproduziert werden. Bezüglich einer entsprechenden Genehmigung und aller anderen Fragen wenden Sie sich an den Verlag Dreamspinner Press, 5032 Capital Cir. SW, Ste 2 PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886, USA oder unter http://www.dreamspinnerpress.com.

Deutsche eBook Ausgabe. 978-1-63476-559-6

Deutsche Erstausgabe. April 2015

Erstausgabe: Mai 2008

Zweite Ausgabe: Oktober 2014

Gedruckt in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Für Dawn, die erste meiner Adoptivschwestern, die mir ihre Freundschaft geschenkt hat, als ich niemanden hatte, und die mich zum Schreiben ermutigt hat, als es niemanden interessierte. Obwohl sie nicht mit dem Inhalt meiner Bücher übereinstimmt, hat sie alles gelesen, was ich je geschrieben habe.

Für Glynda, ohne die ich den Ausflug in die Welt des Schreibens nie unternommen hätte. Nur durch sie sind aus zwei Seiten Notizen 689 Seiten Text geworden.

Für Emmet und George, die mit mir beim Essen Ideen ausgetauscht haben (und mich einen Serienmörder nannten). Sie haben mir den Glauben an mein Projekt gegeben. Weiter so!

Für Nancy, die mir stundenlang die Hand gehalten hat, wenn wir fabuliert, umformuliert, Korrektur gelesen und die Geschichte ins Reine gebracht haben. Ohne Nancy wäre sie nie geschrieben worden.

Kommentar

EINIGEGESCHICHTEN beruhen auf Erfahrungen, seien sie selbst erlebt oder nur aus zweiter oder dritter Hand übermittelt. Andere Geschichten entspringen einer kreativen Fantasie, für die es oft keine Erklärung gibt und deren Ursprung unbekannt bleibt.

Ich kann mit Stolz behaupten, nie eine Vampirgeschichte gelesen zu haben. Weder Anne Rice, noch Laurell K. Hamilton oder Bram Stoker. „Dress of White Silk“, ein Monolog, den ich in der siebten Klasse gelesen habe, wäre dem noch am ehesten vergleichbar. Als eine Freundin mich dazu aufforderte, doch eine Geschichte über das Übernatürliche zu schreiben, habe ich nur mit den Schultern gezuckt und zugestimmt. Ich dachte damals an die Hexen von Salem, die mich schon immer fasziniert haben. Dann ging ich schlafen, und als ich am nächsten Morgen wieder aufwachte, hatte ich drei unglaublich eindrucksvolle Bilder vor Augen. Ein mitternächtliches Treffen auf einem Friedhof, eine Schlacht, die zwei Geliebte wieder vereint und eine zweite Friedhofsszene, diesmal in der Morgendämmerung. Diese drei Bilder ließen mich nicht mehr los. Auch, dass ich gerade an zwei anderen Romanen schrieb und dabei noch ganztags arbeiten musste, änderte daran nichts. Es war den Bildern egal. Sie wollten, dass ihre Geschichte erzählt wird. Also schrieb ich sie auf. Mein Freund Emmet war der erste, der das Manuskript gelesen hat. Er gab es mir zurück und meinte, das wäre ja alles sehr informativ und wichtig, aber schon der Anfang würde meine Leser aber wahrscheinlich zu Tode langweilen. Natürlich hatte er recht. Er hat die unangenehme Eigenschaft, immer recht zu haben. Also fing ich von vorne an, und schon nach wenigen Tagen waren die ersten vier Kapitel geschrieben. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass es sich um mehr als nur einen Roman handelte. Es musste eine Serie werden.

Ich bin ein Mensch, der alles genau recherchiert. Ich halte das für sehr wichtig. Deshalb spielt die Geschichte in Paris, denn es ist die einzige Hauptstadt, die ich wirklich gut kenne. Über Vampire wusste ich dagegen gar nichts. Also habe ich den Text einer Freundin geschickt, die Vampirromane nur so verschlingt. Ich wollte wissen, woher ich mehr darüber erfahren kann. Sie las die vier Kapitel und verbot mir, auch nur einen einzigen Vampirroman in die Hand zu nehmen, bevor die Serie zu Ende geschrieben wäre. Sie meinte, meine Vampire wären so außergewöhnlich, dass es schade wäre, wenn sie durch die gängigen Klischees ihre Einmaligkeit verlieren würden. So kommt es, dass ich seit drei Jahren mit meinen Vampiren lebe, und – außer meinem eigenen – immer noch keinen einzigen Vampirroman gelesen habe.

Jeder, der mit mir übers Schreiben spricht, weiß, dass ich eine etwas merkwürdige Auffassung über die Länge von Texten habe. Für mich ist alles unter 20.000 Wörtern eine Novelle, und meine Romane haben leicht 200.000 oder mehr Wörter. Es hat daher niemanden meiner Kollegen überrascht, als aus fünf Kapiteln erst zehn, dann zwanzig wurden. Als ich damit anfing, hat mich die Länge nicht sonderlich gekümmert. Ich hatte eine Geschichte zu erzählen, und ich erzählte sie so, wie ich sie vor meinem inneren Auge sah. Schwierig wurde es erst, als ich sie an einen Verlag schickte, denn sie war für einen Band zu lang geworden. Trotzdem ist sie in meinem Kopf nur eine einzige Geschichte. Also habe ich mich wieder hingesetzt und mir die Handlung genauer angesehen. Ich habe wichtige Ereignisse gesucht, die es mir ermöglichten, die Geschichte neu zu strukturieren und in mehrere Bände aufzuteilen. Mit der Hilfe meiner Freunde und einigem Umformulieren ist Allianz des Blutes entstanden. Auch Pakt des Blutes war schon geschrieben, als ich den umgearbeiteten Text wieder an den Verlag schickte. Der zweite Band war fast doppelt so lang wie der erste, aber das lag am Handlungsablauf, der keine andere Unterteilung zuließ. Konflikt des Blutes und Versöhnung des Blutes existierten damals, zum Amüsement meiner Kollegen, nur als vage Ideen und Skizzen. Sie wissen, dass ich ein sehr ambivalentes Verhältnis zu meinen Skizzen habe. Das hat sich auch dieses Mal bestätigt. Nach den ersten beiden Kapiteln von Konflikt hatte ich schon wieder eine neue Idee, und aus den geplanten zwei Kapiteln wurden vier. Und so ging es weiter. Und weiter. Und weiter.

Viele Romane, auch einige Serien, erzählen die Geschichte eines einzigen Menschen oder eines Paares. Meine haben eine Besetzung von Tausenden von Menschen. Jeder einzelne von ihnen ist mir wichtig, auch wenn er manchmal wieder aus der Geschichte verschwindet, bevor er eine Chance hat, richtig zum Leben zu erwachen. Die Anzahl der Hauptpersonen ist etwas geringer, aber sie stehen im Mittelpunkt der Handlung, haben alle ihre Auftritte und spielen eine wichtige Rolle. Das macht den Handlungsablauf oft etwas trügerisch. denn jeder Tag ist vollgepackt mit Ereignissen. Während die eine Hauptperson gerade zu Hause im Bett liegt und sich erholt, ist eine andere in der Stadt unterwegs und hält nach dem dunklen Magier und seinen Schergen Ausschau. Eine einzelne Person mag ruhen, doch die Geschichte geht weiter.

Ich hoffe, dass die Personen Ihnen genauso ans Herz wachsen wie mir und meinen ersten Lesern.

Ariel Tachna

Mai 2008

Kapitel 1

PARISBREITETE sich zu seinen Füßen aus. Die Lichter der Stadt glänzten wie Diamanten auf schwarzem Samt. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er einzelne Gebäude und Monumente erkennen: Die Kathedrale von Notre-Dame mit ihren zwei Glockentürmen, das weiß leuchtende Sacré-Cœur auf dem Gipfel des Montmartre und den Eiffelturm, der über der Stadt aufragte. Seufzend wandte der weißhaarige Magier dem Fenster mit seinem verzierten Steingewölbe den Rücken zu. Er ließ den Blick durch das Büro schweifen. An den dunkel getäfelten Wänden hing eine Karte und in den Nischen, die die Täfelung durchbrachen, standen die Abzeichen seines Ranges und seiner Macht: das Medaillon, das ihn als den Generalkommandeur der Milice de Sorcellerie auswies, die Plakette mit den Namen seiner Vorgänger als Oberhaupt der Association Nationale de Sorcellerie, Fotos, die ihn mit dem Präsidenten der Republik, mit dem Premierminister oder anderen Staatsoberhäuptern zeigten.

Er konzentrierte sich auf die Karte und verfolgte die Leuchtpunkte, die den Weg der Patrouillen durch das Fünfte Arrondissement markierten. Mit einem Fingerschnippen änderte er die Anzeige und trat einen Schritt zurück, um sich die gesamte Stadt anzusehen. Er hätte sich auch das ganze Land anzeigen lassen können, aber Pascal Serriers Ziel war es, die Regierung zu stürzen. Daher beschränkten sich seine Guerillaattacken bisher auf Paris.

Er runzelte besorgt die Stirn, weil ein Leuchtpunkt seinen Weg zum Arc de Triomphe nicht fortsetzte. Hoffentlich war die Patrouille nicht in einen Hinterhalt von Serriers Rebellen geraten. Bevor er den wachhabenden Soldaten ansprechen konnte, klopfte es an der Tür. Er öffnete sie und winkte seine beiden führenden Offiziere ins Zimmer.

„Bellaiche hat einem Treffen zugestimmt“, informierte General Marcel Chavinier die Offiziere, nachdem sie Platz genommen hatten. Er hielt den Brief hoch, den er vom Chef de la Cour der Pariser Vampire erhalten hatte. Es hatte Wochen gedauert, einen Vampir zu lokalisieren, und noch länger, den Namen und die Adresse ihres Anführers zu erfahren. Aber Marcel hoffte, dass es sich auszahlen würde. Wenn Serrier seine Attacken über die Île-de-France auf die Umgebung ausweitete, würde Marcel noch weitere Verbündete brauchen. Aber solange sie sich auf die Hauptstadt beschränkten, waren Bellaiche und seine Vampire ihre letzte und beste Hoffnung. „Morgen um Mitternacht auf dem Friedhof Père Lachaise. Einer von uns und einer von ihnen. Jeder weitere Anwesende wird als Kriegserklärung verstanden.“ Er ließ die Bombe fallen und sah sich abwartend um. Er kannte die beiden Männer, die ihm auf der anderen Tischseite gegenüber saßen. Er kannte sie schon, seit erst Alain, dann Thierry, beide noch kaum den Kinderschuhen entwachsen, bei der ANS aufgetaucht waren, um die Kunst der Magie zu erlernen.

„Nur über meine Leiche!“, explodierte Thierry Dumont. Marcel hätte fast gelächelt. Thierrys Reaktionen waren so vorhersehbar. Wenn jetzt Alain Magnier genauso erwartungsgemäß reagierte, würden sie mit ihren Vorbereitungen beginnen können. „Wir schicken keinen Magier ohne Begleitung zu einem Treffen mit einem Vampir. Was ist, wenn der Vampir nicht alleine kommt? Wenn er angreift? Wenn …“ Der ehemalige Diplomat und jetzige General hörte sich den Ausbruch Thierrys geduldig an und wartete darauf, dass Magnier ihn stoppen würde.

„Ich gehe“, unterbrach Alain seinen besten Freund. „Es ist eine Geste des Vertrauens. Sie haben uns ein Angebot gemacht, indem sie nur einen Vampir schicken. Wir müssen ihnen das gleiche Vertrauen entgegenbringen, indem wir nur einen Magier schicken. Außer Marcel und dir bin ich wahrscheinlich der einzige, der mächtig genug ist und dem wir diese Aufgabe anvertrauen können. Es braucht mehr als nur einen Vampir, um mich zu besiegen. Du weißt, dass ich unsere beste Hoffnung bin, Thierry. Lasst mich gehen. Wir verabreden eine gewisse Zeitspanne, und wenn ich danach nicht zurück bin, könnt ihr die Kavallerie schicken und mich aus ihren Klauen retten. Es ist ein Risiko, das wir eingehen müssen. Es lässt sich nicht vermeiden.“

Es gab noch einen anderen Grund, warum Alain diese Mission nicht Thierry überlassen wollte. Aber darüber wollte er nicht sprechen, weil er Thierrys Reaktion auf dieses Thema nur zu gut kannte. Thierry hatte immer noch eine Chance auf ein glückliches Leben. Alain hatte diese Chance vor zwei Jahren verloren. Wenn also einer von ihnen zu diesem riskanten Treffen gehen musste, dann besser Alain, nicht sein Freund Thierry.

Alain wusste um das Risiko, das Marcel allein dadurch eingegangen war, dass er mit dem Anführer der Vampire in Kontakt getreten war. Es war ein Eingeständnis, Pascal Serrier, den mächtigen dunklen Magier, der diesen Krieg begonnen hatte, nicht ohne Hilfe besiegen zu können. Das allein war schon sehr mutig gewesen. Und es hatte die Magier verwundbar gemacht, sollte Jean Bellaiche einem Bündnis nicht zustimmen. Vom Ausgang dieses Kriegs hing nicht nur die Zukunft ihrer Gesellschaft ab, auch das Gleichgewicht der Welt stand auf dem Spiel. Das Gleichgewicht zwischen natürlichen und übernatürlichen Kräften und das Gleichgewicht der Elementarmächte, das die Welt stabilisierte. Unglücklicherweise war die öffentliche Meinung gespalten, was die Ursache des gegenwärtigen Ungleichgewichts der magischen Kräfte anging. Weltweit debattierten Magier und Regierungen darüber und suchten nach Lösungen. Alains Meinung nach waren die Ursachen eindeutig und lagen auf der Hand, aber nicht jeder sah die Lage genauso. Und selbst diejenigen, die die Situation richtig einschätzten, konnten sich nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Dennoch war Eines unbestreitbar. Ohne die Magier und ihre Kontrolle über diese Kräfte würde in absehbarer Zeit alles und jedes im Chaos enden. Alain wusste es. Marcel wusste es. Alain hoffte, dass auch Thierry und die Vampire es wussten. Sie hatten es bisher nicht geschafft, dem Krieg eine günstige Wendung zu geben. Auf beiden Seiten stiegen die Zahlen der Opfer. Sie brauchten Verstärkung, bevor es nichts mehr zu retten gab. Sie hatten versucht, mit den Magiern der Nachbarländer in Kontakt zu treten, aber deren Antwort war eindeutig ausgefallen. Sie hielten es für ein innenpolitisches Problem, dass Frankreich selbst lösen musste. So lange das Ungleichgewicht die Grenzen Frankreichs nicht überschritt und auf die angrenzenden Länder übergriff, waren sie auf sich allein gestellt.

Thierry fluchte leise vor sich hin. Seine Emotionen luden die Luft um ihn herum mit magischen Funken auf und brachten sie zum Knistern.

„Beruhige dich, Thierry“, befahl Marcel. Er wusste, dass der magische Schutzschild seines Büros stark genug war, um die Magie, die durch Thierrys Ausbruch freigesetzt wurde, zu neutralisieren. Aber der junge Mann musste lernen, sich besser unter Kontrolle zu halten. „Ich stimme Alain zu. Wenn du also nicht an seiner statt gehen willst, solltest du mir besser helfen, alles für seine Sicherheit zu tun.“

„Das wäre keine gute Idee“, meinte Alain, noch bevor Thierry antworten konnte. „Dein Temperament ist zu unberechenbar. Du gehst schon hoch, wenn du dir eine Beleidigung oder Gefahr nur einbildest. Dann wären wir wieder genau da, wo wir angefangen haben. Oder noch schlimmer. Vertraut mir.“

„Ich vertraue dir. Es sind Bellaiche und seine Leute, denen ich nicht vertraue“, erwiderte Thierry. „Wenn du nicht innerhalb einer halben Stunde wieder zurück bist, komme ich und hole dich da raus.“

Alain stimmte Thierrys Bedingungen zu. Es war nur vernünftig, einen Plan zu haben, falls etwas schief ging. Die Vampire hatten bisher keinerlei Anstalten gemacht, sich in den Konflikt zwischen den Magiern einzumischen. Aber das war kein Grund, unnötige Risiken einzugehen. Schließlich wollten sie die Vampire genau darum bitten – Stellung zu beziehen und sich einzumischen. Serrier war ein Rassist, aber er war nicht dumm. Wenn er bisher noch nicht auf die Idee gekommen war, mit anderen magischen Gruppen in Kontakt zu treten, dann würde das bestimmt bald passieren. Es würde zwar voraussetzen, dass er seine Abscheu gegenüber angeblich minderwertigen Geschöpfen überwand, aber sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass Serrier dazu nicht fähig wäre.

ALAINGING in Gedanken jedes Detail ihrer Vorbereitungen sorgfältig durch. Er war bereit, den Vampiren die Chance zu geben, ihren guten Willen zu beweisen; aber er hatte im Verlauf des Krieges schon zu viel erlebt, um leichtfertig zu werden. Wenn er allein zu diesem Treffen gehen musste, dann wollte er so gut vorbereitet sein, wie Magie und moderne Hilfsmittel es nur zuließen. Er trug einfache, dunkle Wollhosen und einen schwarzen Rollkragenpulli. Hätte er sich die Mühe gemacht, sich im Spiegel anzusehen, dann wäre ihm aufgefallen, wie gut die dunkle Kleidung zu seinem sandblonden Haar und seiner leichten Bräune passte. Aber er hatte vor zwei Jahren aufgegeben, sich Gedanken über sein Aussehen zu machen. Für ihn ging es nur noch um Funktionalität. Der lange Wintermantel würde ihn in der kalten Oktobernacht warm halten, und sollte es zu einem Kampf kommen, konnte er ihn leicht loswerden. Die Hose und der Pulli saßen locker genug, um seine Bewegungsfreiheit nicht einzuschränken, waren aber nicht so weit, dass ihn ein Gegner daran festhalten konnte. Sein Handy trug er in einer kleinen Tasche am Gürtel. Es würde ihm bei einem Kampf nicht helfen können, aber Thierry erfuhr, dass etwas schief gegangen war, falls er sich nicht meldete. Alain hatte schon vor langer Zeit die Kunst der stablosen Magie erlernt, war einer der wenigen Magier, die Zeit und Energie dafür aufgebracht hatten. Trotzdem trug er seinen Stab bei sich. Sollte er ihn offen tragen oder abgeben müssen, würde das den Vampir von seinen ehrenvollen Absichten überzeugen. Außerhalb der ANS war es kaum bekannt, dass zur Magie nicht unbedingt ein Stab nötig war.

Alain wollte gerade aufbrechen, als es an der Tür klopfte und er Thierrys Aura auf der anderen Seite der Tür spüren konnte. Mit einer leichten Handbewegung deaktivierte er den Schutzschild der Tür und ließ seinen Freund eintreten. „Was willst du hier?“, fragte er und zog sich den Mantel an.

„Ich komme mit“, antwortete Thierry.

„Damit bringst du uns nur beide um“, erwiderte Alain.

„Nicht zum Treffen“, erklärte Thierry. „Nur in der Métro. Ich warte in einer Bar in der Nähe des Friedhofs auf dich. Falls es Probleme gibt, kann ich schnell bei dir sein.“

Alain stimmte ihm zu und sie machten sich auf den Weg nach Anvers, wo die nächste U-Bahn-Haltestelle war. Als sie die Wohnung verlassen hatten, reaktivierte Alain den Schutzschild. Dann fuhren sie mit der Linie 2 zum Père Lachaise. Alain und Thierry kamen so zeitig an, dass sie noch in Ruhe nach einer Bar suchen konnten, in der Thierry warten wollte. „Ich rufe dich in einer halben Stunde an“, versprach Alain, als er Thierry in dem kleinen Café zurückließ, das in einer Straße direkt gegenüber dem Eingang des Friedhofs lag.

Als Alain am Friedhof ankam, konzentrierte er sich mit allen natürlichen und magischen Sinnen darauf, die Umgebung zu erkunden. Er konnte keinerlei Aura oder Präsenz feststellen, aber das hieß noch lange nicht, dass er allein war. Soweit er wusste, konnten Vampire ihre Anwesenheit verbergen, wenn sie verfolgt wurden. Der Wind pfiff leise und übertönte alle kleinen Geräusche, die Alain möglicherweise über das Eintreffen des Vampirs informiert hätten. Die tiefen Schatten der Gebäude und Bäume tauchten alles in undurchdringliche Dunkelheit. Alain entschloss sich, kein Risiko einzugehen und öffnete das Tor zum Friedhof mit einer kurzen Bewegung seines Stabs. Falls der Vampir schon eingetroffen war, wollte er ihm nicht zeigen, dass er nicht auf dieses Hilfsmittel angewiesen war. Dieses Ass wollte er in der Hinterhand behalten, falls er schnell von hier verschwinden musste. Das Tor öffnete sich vollkommen geräuschlos. Er betrat den Friedhof und zog es wieder hinter sich zu, ließ es aber unverschlossen. So konnte Thierry im Notfall schneller bei ihm sein und er selbst konnte auch schneller die Flucht ergreifen.

„Wirf den Stab weg“, sagte eine körperlose Stimme aus der Dunkelheit. Alain wirbelte herum und suchte nach dem Sprecher. Die Stimme war samtweich und hatte einen unverkennbar britischen Akzent.

Alain tat, was die Stimme ihm aufgetragen hatte, ließ den Stab fallen und trat einen Schritt zurück. „Ich bin jetzt unbewaffnet“, sagte er. „Komm heraus, damit ich dich sehen kann.“

In den Schatten war eine Bewegung zu erkennen und er drehte sich zu dem Vampir um. Alain wusste, dass die unterschiedlichen magischen Wesen in allen Formen und Größen auftraten, deshalb hatte er keine vorgefasste Erwartung, wie der Vampir aussehen würde und ob es eine Frau oder ein Mann wäre. Aber mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet. Dunkle Haare umrahmten ein honigfarbenes, bartloses Gesicht mit dunklen Augen. Der Vampir war ungefähr so groß wie Alain und ebenfalls in schwarz gekleidet. Aber er trug keinen Mantel oder Umhang, der ihn gegen die Kühle der Nacht geschützt hätte. Alain wurde an die Natur seines Gesprächspartners erinnert. Er wusste, dass Vampire nicht mehr alterten, das Geschöpf vor ihm konnte also zwischen zwanzig und mehreren hundert Jahren alt sein. Er war an der Schwelle zum Mann umgewandelt worden, alt genug, um erwachsen zu sein, aber jung genug, um noch unschuldig zu wirken. Alain musste sich ins Gedächtnis zurückrufen, dass es sich um einen Vampir handelte, dass dieser Mann seit seiner Erschaffung nicht mehr unschuldig gewesen war.

Kapitel 2

DERVAMPIR sah den Magier abschätzend an. Kurzes, helles Haar. Sandblond, vielleicht etwas rötlich. Genau konnte man es in der Dunkelheit nicht erkennen, auch nicht mit der übernatürlichen Sehkraft der Vampire. Ein starkes Gesicht mit hellen Augen, aber auch deren Farbe war nicht zu bestimmen. Das feste Kinn deutete Entschlusskraft und Charakterstärke an. Es war ein gutes Gesicht. Und ein gut aussehendes. Aber der Vampir wusste sehr wohl, dass Äußerlichkeiten trügerisch sein konnten. Er war selbst oft genug mit einem Engel verglichen worden, bis die Menschen entdeckten, dass sich in ihm ein Teufel verbarg. Der Magier war groß gewachsen, aber sein langer Mantel verhinderte, dass man seinen Körper erkennen konnte. Trotzdem – der Stab lag auf dem Boden. Das war ein gutes Zeichen. Der Magier hatte keinen Widerspruch geleistet und ihn anstandslos fallen lassen.

„Wie ist dein Name?“, wollte der Magier wissen.

„Es ist vielleicht sicherer, keine Namen zu benutzen“, erwiderte der Vampir. Als Jean ihn gebeten hatte, die Vampire zu repräsentieren, hatte der Chef de la Cour ihm nicht nur erklärt, warum dieses Treffen nötig war, sondern ihm auch zu Vorsicht und Wachsamkeit geraten. Der Mann, der vor ihm stand, war unzweifelhaft ein Magier. Doch ob er in heller oder dunkler Magie handelte, musste sich erst noch herausstellen. Serriers Propaganda war geschickt und wirkungsvoll, aber Jean war schon seit dreihundert Jahren der Chef der Pariser Vampire. Das war lange genug, um die Regeln des Jeu de Cour zu beherrschen.

„Wenn du anonym bleiben willst, ist das deine Entscheidung. Mein Name ist Alain“, sagte der Magier.

„Du gehst ein unnötiges Risiko ein“, wies ihn der Vampir zurecht, während er sich den Namen einprägte. Er wollte noch mehr wissen, konnte sich aber rechtzeitig zurückhalten, bevor ihm eine Frage entschlüpfte. Anonymität, rief er sich in Erinnerung.

„Sieh es als Geste des guten Willens“, erwiderte Alain. „Ich nehme an, du weißt, warum wir hier sind.“

„Ihr wollt unsere Hilfe. Das hat die Botschaft deutlich gemacht. Was Chavinier nicht erklärt hat, ist, warum wir sie euch geben sollten“, antwortete der Vampir.

„Wenn wir den Krieg nicht beenden, wird das Gleichgewicht der Natur gestört. Das Land und auch der Rest der Welt wird zerstört werden, wenn wir Serrier nicht rechtzeitig aufhalten können“, sagte Alain ernst.

„Soweit ich informiert bin, gibt es darüber unterschiedliche Meinungen.“

„Ich habe nicht die Zeit, mich mit Bürokraten zu streiten“, gab Alain zurück. „Die sehen die eigene Hand vor den Augen nicht. Ich habe dringendere Probleme. Zum Beispiel, diesen Krieg zu gewinnen.“

„Aber warum sollten wir an eurer Seite kämpfen? Was könnt ihr uns dafür bieten?“

Alain suchte verzweifelt nach einem Angebot, das für die Untoten von Interesse sein könnte. Ihm wurde unangenehm bewusst, dass er nur die üblichen Vorurteile und Stereotypen über Vampire kannte. Er wusste nicht genug über sie, um ihnen ein Angebot machen zu können, das nicht als Beleidigung aufgefasst werden konnte. „Was wollt ihr?“

Der Vampir lachte bitter. „Ist das eine Fangfrage? Welche Antwort erwartest du darauf?“

„Ich kann euch nichts anbieten, wenn ich nicht weiß, was ihr euch wünscht“, erwiderte Alain.

Die Eckzähne des Vampirs glänzten im Licht, als er seinen Mund zu einem höhnischen Grinsen verzog. „Was sich ein Vampir wünscht? Soll ich dir von der ständigen Gier nach warmem Menschenblut erzählen? Soll ich dir erzählen, wie verlockend es ist, einen Menschen an sich zu pressen und zu wissen, dass man sein Leben jederzeit auslöschen kann, wenn einem der Sinn danach steht? Oder vielleicht möchtest hören, welche unzüchtigen Vorschläge mir meine Opfer schon gemacht haben, in der Hoffnung, ihr Leben zu retten? Was wünscht sich ein Vampir?“, fragte er Alain und kam auf ihn zu, bis er direkt vor ihm stand. Er sah ihn mit wild flackernden Augen an und wartete darauf, dass der gleiche Ekel, die Furcht und der Hass sich im Gesicht des Magiers zeigten, die er schon so oft erlebt hatte.

Alain lagen die Worte für einen leichten Abwehrzauber schon auf den Lippen, als der Vampir weitersprach.

„Wieder unter den Strahlen der Sonne gehen zu können. Mit meinen Freunden ein Glas Bier zu trinken. Ein normales Leben zu führen“, fuhr er fort. Der Magier – Alain – hatte ihn beeindruckt. Weder war er zurückgewichen, noch hatte er auch nur die geringste Abscheu erkennen lassen. Er blickte dem Magier in die Augen – sie waren blau, stellte er überflüssigerweise fest – und suchte nach Anzeichen einer Reaktion auf seine Worte.

„Du verlangst etwas, das nicht in unserer Macht liegt. Nenne mir einen Preis, den ich bezahlen kann, und wir können darüber reden.“

Der Vampir glaubte ihm kein Wort, aber Jeans Anweisungen waren eindeutig gewesen. Das, und nur das war der Preis für ihre Kooperation – etwas, das die Magier ihnen geben konnten, wenn sie es nur wollten, wenn sie wirklich von der Milice und keine Rebellen waren. „Ein Mitspracherecht über unsere Zukunft. Gleichbehandlung mit den Magiern. Ja, wir sind anders. Aber wir sind nicht weniger wert.“

„Wie meinst du das?“, fragte Alain mit einem fragenden Ausdruck in seinem attraktiven Gesicht.

„Wir werden behandelt wie der letzte Dreck“, schnauzte der Vampir ihn an und Wut verzerrte seine klassischen Züge. „Schlimmer noch als die nichtmagischen Menschen. Wir werden verfolgt und verjagt, wenn man uns findet. Nichtmagische werden durch Gesetze vor Diskriminierung geschützt. Wir wollen den gleichen Schutz.“

Alain schwieg. Er erkannte, dass der Vampir recht hatte. Vampire wurden von vielen noch minderwertiger als Menschen eingestuft, waren es nicht wert, unter dem Schutz des Gesetzes zu stehen, obwohl sie doch durch ihr hohes Alter soviel Weisheit und Erfahrung besaßen. Es war in Alains Augen ein kleiner Preis für ihre Unterstützung, den Krieg zu gewinnen. „Ich mache die Gesetze nicht. Aber ich verspreche, mich für eure Sache einzusetzen und meine Stimme zu erheben.“

„Und eure Oberhäupter?“, hakte der Vampir nach. „Wird Chavinier auch auf unserer Seite stehen?“

„Es ist ein langwieriger Prozess“, erinnerte ihn Alain. „Wir können nicht versprechen, erfolgreich zu sein. Aber wir können die Gesetze einbringen und in der Nationalversammlung und im Senat unterstützen.“

Der Vampir wirkte nicht sehr überzeugt. Er drehte sich um, als wollte er wieder gehen. Jean war nicht der einzige, der die Regeln des Jeu de Cour beherrschte. Das Spiel durchdrang die Existenz der Vampire bis ins kleinste Detail. Es regelte die nicht enden wollenden Machtkämpfe um ihre Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie. Und immer galt es, den Schein zu wahren und das Gesicht nicht zu verlieren.

„Was muss ich tun, um meine Aufrichtigkeit zu beweisen?“, platzte Alain heraus, weil er die Chance auf eine Allianz nicht zunichte machen wollte, bevor es überhaupt dazu gekommen war.

Der Vampir kam zurück und sah Alain eindringlich an. Natürlich gab es einen Weg, wie er ins Herz dieses Mannes – ins Herz jedes Menschen – schauen konnte. Die wenigsten wären jedoch bereit, sich dem Kuss eines Vampirs zu unterwerfen. Aber wenn der Magier es erlaubte, könnte der Vampir sich über dessen Absichten sicher sein.

„Lass mich dich schmecken.“

Alain war schockiert. Ihn schmecken? Was sollte das heißen? „Was?“, fragte er.

„Ein Vampir kann im Herz seiner Opfer lesen, wenn er ihr Blut schmeckt. Ich brauche nicht viel. Nur einige Tropfen. Lass mich die Aufrichtigkeit deines Angebots schmecken.“

Alain nickte beklommen und sein Blick fiel auf die geschwungenen Lippen, hinter denen sich die scharfen Vampirzähne verbargen. Der Vampir war zweifelsohne stärker als Alain. Falls er die Situation ausnutzen wollte, konnte der Magier ihn wahrscheinlich nicht davon abhalten. Mit einem leichten Unbehagen zog Alain den Kragen seines Pullis zur Seite und entblößte seinen Hals.

„Dein Handgelenk reicht aus“, knurrte der Vampir.

Erleichtert schob Alain den Ärmel nach oben und bot ihm das Handgelenk an. Der Gedanke an den Biss machte ihn nervös und er verspannte sich.

Der Vampir strich mit einem seiner langen Finger vorsichtig über das Gelenk, um die Haut nicht mit den scharfen Fingernägeln aufzukratzen. „Ganz ruhig. Wenn du dich entspannst, tut es weniger weh.“ Dann zog er den Arm an seinen Mund.

Alain spürte zuerst die Lippen des Vampirs, die erstaunlich weich und warm waren, wenn man bedachte, dass der Mann ein Untoter war. Dann wurden die Lippen zurückgezogen und die scharfen Zähne berührten Alains empfindliche Haut. Es waren nur die normalen Zähne, noch nicht die scharfen Eckzähne. Unter anderen Umständen hätte man es fast für eine Liebkosung halten können. Alain spürte, wie er sich gegen seinen Willen von diesem Wesen angezogen fühlte, das seinen Arm in der Hand hielt. Der Anblick des dunkelhaarigen Kopfes, der sich über Alains Arm beugte, war in seiner Einfachheit unglaublich erotisch. Dann bohrten sich die Zähne in Alains Haut und die Lust schoss wie ein Blitz durch seinen Körper. Es war noch nie seine Art gewesen, Lust und Schmerz zu vermischen, aber die Verbindung zwischen seinem Handgelenk und den Zähnen und Lippen des Vampirs übte trotz des anfänglichen Schmerzes eine starke sexuelle Wirkung aus. Alain durchfuhr ein Schauer und er kämpfte um seine Selbstbeherrschung.

Die Zähne des Vampirs hatten kaum die Haut des Magiers durchbohrt, als er die Verbindung spürte, die sich zwischen ihnen aufbaute. Es konnte es – bis zu einem gewissen Maß – bei jedem seiner Opfer fühlen, wenn er von ihnen trank. Aber so intensiv wie mit Alain war es noch nie gewesen. Der Vampir spürte, wie mit dem Blut die Magie des Mannes in seinen eigenen Körper eindrang und sich ausbreitete. Er widerstand der Versuchung, mehr von dem Blut zu trinken. Aber die wenigen Tropfen hatten ihn schon mehr gestärkt, als eine volle Mahlzeit von einem gewöhnlichen Menschen. Wie wäre es wohl, wenn er sich an dem Magier richtig satt trinken könnte? Der Vampir war ein impulsives Geschöpf und es nicht gewohnt, sich etwas vorzuenthalten. Aber der Magier war nicht so wie seine üblichen Opfer. Wenn er seinem Durst nachgab, würde der Magier ihn wahrscheinlich aufhalten, möglicherweise sogar verletzen. Und die Allianz, die er für Jean vorbereiten sollte, würde nie zustande kommen. Er zog seine Zähne aus Alains Handgelenk, leckte mit der Zunge über die Wunde, um die Blutung zu stillen und die letzten kostbaren Tropfen zu erhaschen. Dann hob er widerstrebend den Kopf.

Alain starrte ihm ins Gesicht. An den Zähnen des Vampirs hingen noch einige Blutstropfen und er hätte sich abgestoßen fühlen sollen. Aber stattdessen fand er den Anblick des Vampirs nur unerklärlich erotisch. Alains Puls schlug immer noch wild von der Intimität des Bisses, von der Zunge des Vampirs, die ihm zärtlich über die Wunde geleckt hatte. Er fragte sich, ob der Vampir fühlen konnte, wie wild Alains Herz pochte. Ihre Blicke trafen sich und für einen langen, angespannten Moment sahen sie sich tief in die Augen. Blau traf auf braun und Alain war sich einen Augenblick lang nicht sicher, ob der Vampir vielleicht fliehen oder ihn wieder beißen wollte, ob er selbst vielleicht fliehen oder das Blut von den roten Lippen des Vampirs lecken wollte.

„In dir ist keine Lüge“, sagte der Vampir schließlich. Seine Stimme klang bemüht neutral. „Ich werde Jean empfehlen, die Allianz mit euch zu schließen und auf eurer Seite zu kämpfen.“

„Ich werde Marcel eure Bedingungen ausrichten. Ich verspreche, dass er sie einhalten wird.“

Der Vampir nickte und drehte sich um. „Warte“, rief Alain ihm nach. „Können wir uns morgen wieder treffen, damit ich dir Marcels Antwort überbringen kann?“

Der Vampir blieb mit dem Rücken zu Alain stehen und nickte zustimmend. Als er einen Schritt weiter gegangen war, hielt Alains Stimme ihn wieder zurück. „Sag mir deinen Namen. Nach dem, was wir eben geteilt haben, möchte ich deinen Namen wissen.“

Der Vampir drehte sich immer noch nicht um. Er traute sich nicht. Aber seine weiche Stimme durchdrang die Dunkelheit. „Orlando.“

Kapitel 3

DERKLANG seines Namens hing noch in der feuchten Nachtluft, als Orlando selbst schon gegangen war. Nur ein leises Rascheln im Laub begleitete sein Verschwinden. Alain starrte auf die Stelle, wo der Vampir eben noch gestanden hatte. Der Name hallte in seinem Kopf nach. Orlando.

Orlando.

Alain fragte sich, woher Orlando wohl kam und wer seine Vorfahren waren. Welche Umstände hatten dazu geführt, dass er zum Vampir geworden war? Der Akzent ließ auf seine britische Herkunft schließen, aber alles andere blieb ein Rätsel.

Eine kühle Brise ließ die wenigen Blätter, die noch an den Bäumen hingen, erzittern. Das Rauschen und die Kälte jagten Alain einen Schauer über den Rücken und er sah sich um. Die Grabsteine aus Marmor, Sandstein, Metall und Mörtel warfen dunkle Schatten. Der Wind nahm zu, wirbelte das Laub um seine Füße auf und blies es über die Gräber. Alain zitterte wieder. Während seines Gesprächs mit Orlando hatte er das Wetter und die Umgebung kaum wahrgenommen. Er dachte über ihre Unterhaltung nach und suchte nach Hinweisen auf Verrat in den Worten und Taten des Vampirs. Aber er konnte keine finden. Nur Bitterkeit, Zynismus und auch Wut hatte er spüren können. Orlandos Wunsch nach einem normalen Leben war Alain sehr zu Herzen gegangen. Er hatte immer geglaubt, dass sein Herz vor zwei Jahren abgestorben wäre, aber der Schmerz und das Leid in Orlandos Worten waren zu tief empfunden, um Alain nicht zu berühren.

Das war auch der Grund, warum er den Vampiren seine Hilfe angeboten hatte. Er konnte sie nicht mehr zu dem machen, was sie einst gewesen waren. Er wusste nicht, ob es eine solche Magie überhaupt gab. Aber er konnte ihnen zumindest helfen, ein besseres Leben zu führen. Alain war sich ziemlich sicher, Marcel von der Rechtmäßigkeit ihres Anliegens überzeugen zu können. Und wenn Marcel einen Weg beschritt, würden andere ihm folgen. Marcel hatte schon vor dem Krieg und der Gründung der Milice großen Einfluss auf die Politik gehabt. Wenn es nach Alain ging, würde den Vampiren Gerechtigkeit widerfahren und Gleichbehandlung zuteilwerden.

Alains Gedanken verließen das Gespräch und er erinnerte sich daran, wie Orlando sich über seine Hand gebeugt hatte. Das Bild wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Orlando hatte genau das getan, was er Alain versprochen hatte. Nach wenigen Tropfen hatte er aufgehört zu trinken. Das allein überzeugte Alain, dass Orlando recht gehabt hatte und wirklich in sein Herz sehen konnte. Das unglaubliche Gefühl, dass die Zähne des Vampirs an seinem Handgelenk ausgelöst hatten, kam zurück und löste eine ganz andere Art von Schauer in ihm aus. Jetzt, wo Orlandos Anwesenheit ihn nicht mehr ablenkte, konnte Alain kaum glauben, was er selbst getan und dem Vampir erlaubt hatte. Aber seine Reaktion auf den Biss – und er benutzte dieses Wort wissentlich – zwang ihn zu dem Eingeständnis, dass er es genossen hatte, dass es ihn sogar auf eine Weise erregt hatte, wie es ihm in der Vergangenheit noch nie passiert war.

Als er ein Geräusch hinter sich hörte, drehte er sich um und hob die Hände, um sofort mit einer passenden Beschwörung reagieren zu können. Vor ihm stand Thierry mit dem Stab in der Hand. Alain ließ die Arme wieder sinken.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Thierry.

„Ja“, versicherte ihm Alain. „Er ist wieder gegangen. Du kannst den Stab wegstecken.“

Thierry ließ ebenfalls den Arm sinken, steckte den Stab aber nicht weg. „Warum hast du dich dann nicht gemeldet?“

„Ich habe nachgedacht“, erwiderte Alain bedächtig.

„Nachgedacht?“, wiederholte Thierry ungläubig. „Komm jetzt, es ist kalt hier. Lass uns einen warmen Ort finden, dann kannst du mir erzählen, wie euer Treffen verlaufen ist.“

Alain ging langsam zum Tor, immer noch leicht benommen von seinem Erlebnis mit Orlando, als Thierry ihn zurückhielt. „Hast du nicht etwas vergessen?“, fragte Thierry und zeigte auf den Boden.

Dort lag immer noch Alains Stab, den er auf Orlandos Aufforderung hin fallen gelassen hatte. Alain hatte ihn, nach allem was geschehen war, ganz vergessen. Er ging zurück, hob ihn auf und steckte ihn in eine Manteltasche, die extra für diesen Zweck gedacht war. „Lass uns gehen“, sagte er barsch. Er wollte nicht mehr an die beunruhigende Begegnung mit dem Vampir denken. Er wusste, dass er es Thierry früher oder später erklären musste. Auch Marcel musste informiert werden. Aber Alain hoffte, die mehr … privaten Details für sich behalten zu können.

Er folgte Thierry gedankenlos zu der U-Bahn-Haltestelle, von der ihre Bahn nach Hause abfuhr. Sie waren die beiden einzigen Passagiere, die so spät auf einen Zug warteten, und als er nach einigen Minuten einfuhr, waren sie auch die einzigen, die in dem Wagen saßen. „Was hat er gesagt?“, wollte Thierry wissen, als sie Platz genommen hatten und der Zug wieder losfuhr.

„Er hat zugestimmt. Für einen Preis“, erwiderte Alain.

„Für welchen Preis?“, fragte Thierry misstrauisch.

„Dass wir Gesetze einbringen, um die Vampire vor Diskriminierungen zu schützen. Sie haben weniger Schutz als die nichtmagischen Menschen, wenn es um solche Dinge geht. Ich habe nie darüber nachgedacht, bevor Orlando es erwähnte. Aber er hat recht, es ist nicht fair.“

„Orlando?“, fragte Thierry scherzhaft.

Alain wurde etwas rot, obwohl er sich keine Reaktion anmerken lassen wollte. „So heißt er. Ich habe ihm gesagt, ich würde mit Marcel über seine Bedingungen reden.“

Thierry sah ihn nachdenklich an. Dann zog er am Kragen von Alains Pulli. „Hat er dich gebissen?“

„Was?“, fragte Alain irritiert und entzog sich Thierrys Griff.

„Du bist zu leicht zu überreden. Du hast dich doch nicht beißen lassen, oder?“

Alain hätte seinen besten Freund beinahe belogen. Er wollte lügen. Er wollte dieses kleine Detail für sich behalten, zwischen ihm und Orlando. Aber er wusste, dass Orlando Bellaiche davon erzählen würde, um den Chef de la Cour von Alains Aufrichtigkeit zu überzeugen. Außerdem hatte er Thierry noch nie belogen. Wortlos schob er den Ärmel seines Pullis nach oben und zeigte ihm das Handgelenk mit den beiden kleinen Bisswunden, wo Orlandos Zähne seine Haut durchbohrt hatten. Als er die Wunden sah, überkam ihn wieder eine Welle des Verlangens. Er unterdrückte es rücksichtslos. Es war nur eine Geste des guten Willens gewesen. Ende der Geschichte.

Als Thierry die Bisswunden sah, hallte seine laute Stimme durch das leere Abteil. „Du Narr! Was ist nur in dich gefahren, dass du dich hast beißen lassen? Warum hast du ihn nicht daran gehindert?“

„Ich habe es ihm angeboten“, sagte Alain leise und bereitete sich auf das Verhör vor, das jetzt unweigerlich folgen würde.

„Was hast du?“ Das war noch einige Stufen lauter und explosiver als Thierrys erster Protest. „Wie konntest du so dämlich …“ Ihn verließen die Worte. „Du musst zu einem Arzt.“

Alain seufzte. „Er hat nicht von mir getrunken. Er hat nur einige Tropfen genommen, um sicher zu sein, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“

„Das musst du mir erklären“, verlangte Thierry. Er war überzeugt davon, dass sein Freund hinters Licht geführt worden war.

„Vampire können in den Herzen ihrer Opfer lesen. Ich habe ihn mein Blut schmecken lassen und so davon überzeugt, dass ich ihn nicht betrüge.“

„Das hat er dir gesagt?“, fragte Thierry.

Alain nickte.

„Und du hast es ihm geglaubt?“ Alain konnte sehen, dass Thierry wieder wütend wurde.

„Es hat keine Minute gedauert, Thierry. Er hat nicht mehr genommen, als er mir versprochen hat. Er hat mich zu nichts gezwungen. Er hat sogar selbst vorgeschlagen, mich nur ins Handgelenk zu beißen, nicht in den Hals. Und als er fertig war, hat er mir zugesichert, mit Bellaiche über unser Angebot zu reden. Wir wissen so wenig über sie. Das meiste sind Vorurteile und Altweibergeschwätz. Wenn wir sie als Verbündete wollen, müssen wir endlich mehr über sie erfahren. Keine Legenden und schlechten Filme, sondern die Wahrheit. Es ist zumindest eine gute Strategie.“ Alain hoffte, dass wenigstens dieses Argument zu Thierry durchdrang und ihn überzeugte. Thierry war ein Hitzkopf und manchmal sehr impulsiv, aber er war auch ein gewiefter Stratege.

„Na gut“, stimmte Thierry zu. „Wir werden sehen, was wir in Erfahrung bringen können. Marcel kann eine neue Botschaft schicken, wenn wir soweit sind. Dann können wir uns wieder mit ihnen treffen und über unsere Pläne reden.“

„Das wird nicht nötig sein“, meinte Alain und stellte sich auf einen neuen Wutausbruch ein. „Ich habe mich für morgen Abend mit Orlando verabredet, um ihm zu berichten, was Marcel von ihren Bedingungen hält. Und nein, du wirst mich auch morgen nicht begleiten. Er hat mir heute nichts getan, obwohl er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Er wird mir auch morgen nichts tun.“

Thierry konnte sich nicht vorstellen, was der Vampir gesagt oder getan hatte, um Alain von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Thierrys Erfahrung nach gab es so etwas wie Harmlosigkeit nicht. Er konnte nichts tun, um Alains Einstellung zu ändern, aber er selbst würde den Vampiren nicht so leicht vertrauen. Nicht ohne weitere Beweise. Er musste dafür sorgen, dass Alain keine Dummheiten machte oder sich in Gefahr begab. Thierry wollte diesen Krieg nicht führen, ohne seinen besten Freund an der Seite zu haben.

„T’es imbécile, Alain. Das ist dir doch klar, oder?“, sagte Thierry liebevoll, als sie die U-Bahn verließen.

„Du sagst es mir oft genug“, erwiderte Alain lachend. „Ich kann das nicht allein durchziehen, Thierry. Ich bitte dich nicht, ihnen zu vertrauen. Aber ich bitte dich, mir zu vertrauen. Hilf mir dabei, damit wir eine Chance haben.“

Oh verdammt! dachte Thierry. Wenn Alain sich etwas so von Herzen wünschte, konnte er ihm nichts abschlagen. Das war schon vor dreißig Jahren so gewesen, als sie sich kennengelernt hatten. Und es hatte Thierry immer wieder Ärger und Probleme eingebracht. „Na gut“, stimmte er widerstrebend zu. „Aber nur, weil du mich so nett bittest.“

Alain kicherte vor sich hin und legte seinem besten Freund den Arm um die Schultern. Auf Thierry konnte er sich immer verlassen.

Kapitel 4

ORLANDOSTAND in den Schatten eines mächtigen Grabmals verborgen und beobachtete Alain. Ein Friedhof mitten in der Nacht ist kein Ort, an dem man sich wohlfühlt; deshalb hatte er erwartet, dass der Magier ihn sofort wieder verlassen würde. Aber stattdessen war Alain nachdenklich stehen geblieben und wirkte sogar etwas fassungslos. Orlando konnte es ihm gut nachempfinden. Es ging ihm genauso. In seinen mehr als zweihundert Jahren als Vampir hatte er noch nie etwas erlebt, das auch nur annähernd an die Gefühle herankam, die ihn beim Geschmack von Alains Blut überkommen hatten. Seit sein Schöpfer ihn vor vielen Jahren umgewandelt hatte, war es ein selbstverständlicher Teil seiner Existenz geworden, sich von der Lebenskraft anderer Menschen zu ernähren. Aber trotz allem, was er zu Alain gesagt hatte, war es nur ein funktionaler, unvermeidbarer Teil seines Lebens. Orlando trank Blut, weil er nicht anders konnte, nicht, weil er dabei ein besonderes Vergnügen empfand. Bis jetzt. Selbst die wenigen Tropfen, die er von Alains Blut geschmeckt hatte, waren ein beglückendes Erlebnis gewesen. Nur ein kleiner Schluck, nicht mehr. Man konnte es kaum als Imbiss bezeichnen. Jean hatte oft gesagt, dass es für beide Seiten ein Vergnügen sein sollte, wenn ein Vampir von seinem Opfer trank. Wie Sex, nur viel besser, hatte der alte Vampir gesagt. Orlando hatte seinen Worten nie Glauben geschenkt. Er hatte es sich einfach nicht vorstellen können, dass ein solcher Genuss, eine solche Freude, überhaupt existieren könnte. Bis heute.

Orlando sah, wie ein zweiter Magier den Friedhof betrat. Er kniff die Augen zusammen. Alain war also doch nicht ganz allein gewesen. Orlando machte ihm daraus keinen Vorwurf. Zumindest auf den Friedhof war Alain allein gekommen. Orlando beobachtete die beiden Magier und fragte sich, in welcher Beziehung sie wohl zueinander standen. Sie sprachen so vertraut miteinander, dass er von einer unerklärlichen Eifersucht erfasst wurde. Seine Vampirzähne kamen zum Vorschein und er wollte den anderen Magier anfauchen, wollte ihm die Bisswunden an Alains Handgelenk zeigen, damit er verstand, dass Alain zu Orlando gehörte. Er beneidete den Mann um seinen vertrauten Umgang mit Alain, zwang sich aber, in den Schatten zu bleiben. Du bist ein Vampir, rief er sich ins Gedächtnis. Niemand will dich.

Nachdem die beiden Magier gegangen waren, verließ auch Orlando den Friedhof und kehrte zu Jeans Wohnung zurück, wo der Chef de la Cour auf seinen Bericht wartete. Auf dem Weg dachte er über die Wirkung von Alains Blut nach. Orlando hatte an diesem Tag noch nichts getrunken. Aber gestern hatte er so viel getrunken, dass er eigentlich noch für einen weiteren Tag gesättigt sein sollte. Trotzdem fühlte er auf dem Weg zu Jean Hunger in sich aufsteigen. Es war kein normaler Hunger. Die Passanten auf der Straße waren keine Versuchung für ihn. Es war ein spezieller Hunger. Ein Hunger auf einen blonden Magier, der nicht angeekelt vor ihm zurückgewichen war. Der sich Orlandos sehnlichste Wünsche angehört hatte, ohne sich darüber lustig zu machen. Der versprochen hatte, für die Anliegen der Vampire seine Stimme zu erheben. Der Orlando sein Blut angeboten hatte, um seine Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen. Orlando hungerte nach Alain.

Er nahm sich vor, Jean zu fragen, was es mit dem Blut der Magier auf sich hatte. Aber erst mussten sie über das Ergebnis des Treffens reden.

Jean erwartete ihn an der Wohnungstür. „Alors?“, fragte er mit besorgter Stimme. Orlando stand seine innere Aufgewühltheit ins Gesicht geschrieben. Jean wollte diese Allianz mit den Magiern, weil sie seinen Leuten nur Vorteile bringen konnte. Aber Orlando war ihm wichtiger. Seit Jean ihn aus der Hölle gerettet hatte, war der junge Vampir wie ein Bruder für ihn geworden.

„À mon avis?“, erwiderte Orlando. „Gehe die Allianz ein.“

„Einfach so“, bemerkte Jean und stellte seine persönliche Betroffenheit für den Moment zurück. Er würde von Orlando noch früh genug die Wahrheit erfahren. „Und warum?“

„Er hat unsere Bedingungen ohne Diskussion akzeptiert. Sein einziger Einwand war, dass die Gesetze nur durch Parlamentsbeschluss geändert werden können. Aber das wussten wir bereits“, erwiderte Orlando. „Wir wollten nur den Fuß in die Tür stellen. Er ist bereit, uns dabei zu helfen. Und wenn er recht hat, und die Klimawechsel und Naturkatastrophen auf das magische Ungleichgewicht zurückzuführen sind, dann schadet uns Untätigkeit mehr als die Gefahr durch eine offene Konfrontation mit Serrier.“

„Und du glaubst ihm?“

„Ja“, sagte Orlando nachdrücklich. „Er hat mich sein Blut schmecken lassen. Er ist ein Magier der Milice und sein Wort ist seine Verpflichtung. Er ist fest davon überzeugt, dass die Ereignisse seine Interpretation der Lage bestätigen.“

„Wie viel hast du getrunken?“ Jean legte die Hände um Orlandos Gesicht und studierte die Farbe seiner Haut.

„Einige kleine Tropfen. Warum?“ Orlando entzog sich Jeans Griff und sah ihn fragend an.

„Das Blut der Magier ist Gift für uns“, erklärte Jean.

„Gift?“, fragte Orlando überrascht. „Wie Gift hat es sich ganz sicher nicht angefühlt. Im Gegenteil, es ist wesentlicher erfüllender als normales Blut.“

Jean schwieg einen Moment. „Erfüllender? Was genau meinst du damit?“, wollte er dann wissen.

„Die wenigen Tropfen haben mich mehr gesättigt, als wenn ich einen normalen Menschen komplett leer getrunken hätte. Ich konnte ihn im ganzen Körper spüren und seine Magie ist durch meine Adern geflossen. Das Gefühl hat jetzt wieder nachgelassen, aber so lange es angedauert hat, habe ich mich stärker gefühlt als jemals zuvor.“

Auch diese Nachricht schien für Jean vollkommen neu zu sein. „Wir müssen die Wahrheit über die Magier erfahren. Deine Erfahrung widerspricht allem, was ich bisher zu wissen glaubte. Komm jetzt, wir haben noch viel Arbeit vor uns, bevor wir den Vertrag unter Dach und Fach bringen können.“

„Wir haben nur einen Tag Zeit“, warnte Orlando. „Ich habe für morgen um Mitternacht ein neues Treffen mit ihm verabredet.“

„Was hast du?“, rief Jean.

„Er ist allein gekommen, hat freiwillig seinen Stab aufgegeben und mich von seinem Blut trinken lassen. Selbst wenn Chavinier unsere Bedingungen ablehnt, wird Alain sich nicht anders verhalten. Mir droht keine Gefahr durch ihn.“

„Na gut“, meinte Jean, nahm sich aber vor, Orlando in der nächsten Nacht im Auge zu behalten. Er konnte sich nicht erklären, warum Orlando dem Magier so sehr vertraute, auch wenn er dessen Blut getrunken hatte. Er hatte Orlando zu dem Treffen geschickt, weil der einer der misstrauischsten Vampire war, die Jean kannte. Er selbst war der einzige, dem Orlando wirklich vertraute. Vielleicht hatten die Magier ja eine Möglichkeit gefunden, um den Geschmackssinn der Vampire zu manipulieren. „Lass uns jetzt an die Arbeit gehen. Wir müssen noch einiges in Erfahrung bringen. Ich will vor allem wissen, welche anderen Wirkungen sein Blut noch auf dich haben kann.“

Orlando stimmte ihm zu und folgte ihm in die Bibliothek.

AMANDEREN