Alltag im Ausnahmezustand - Richard C. Schneider - E-Book
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Alltag im Ausnahmezustand E-Book

Richard C. Schneider

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Beschreibung

Innerlich zerrissen und von außen bedroht: Wie sieht Israels Zukunft aus? - Einer der besten Kenner des Landes berichtet

»Alltag im Ausnahmezustand« ist das Porträt eines Landes, das hin- und her gerissen ist zwischen Normalität und Ausnahmezustand, zwischen Konsum und Krieg, zwischen der Sehnsucht nach Frieden und dem Bedürfnis nach Sicherheit.

Richard C. Schneider bereist als Journalist seit über 30 Jahren den Nahen Osten und war von 2006 bis 2015 als Leiter und Chefkorrespondent des ARD-Studios Tel Aviv verantwortlich für Israel und die palästinensischen Gebiete. In seiner Analyse konzentriert er sich vor allem auf die komplexe und komplizierte Entwicklung der israelischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren. Zwischen Hightech-Hub und religiösem Fundamentalismus droht die israelische Gesellschaft in jeder Richtung extremer und radikaler zu werden, nicht zuletzt auch durch die Bedrohungen von außen.

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Seitenzahl: 485

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Über das Buch

»Alltag im Ausnahmezustand« ist das Porträt eines Landes, das hin- und hergerissen ist zwischen Normalität und Ausnahmezustand, zwischen Konsum und Krieg, zwischen der Sehnsucht nach Frieden und dem Bedürfnis nach Sicherheit.

Richard C. Schneider bereist als Journalist seit über 30 Jahren den Nahen Osten und war von 2006 bis 2015 als Leiter und Chefkorrespondent des ARD-Studios Tel Aviv verantwortlich für Israel und die palästinensischen Gebiete. In seiner Analyse konzentriert er sich vor allem auf die komplexe und komplizierte Entwicklung der israelischen Gesellschaft in den vergangenen Jahren. Zwischen Hightech-Hub und religiösem Fundamentalismus droht die israelische Gesellschaft in jeder Richtung extremer und radikaler zu werden, nicht zuletzt auch durch die Bedrohungen von außen.

Über den Autor

RICHARD C. SCHNEIDER, geboren 1957, ist Journalist, Buch- und Fernsehautor. Er war von 2006 bis 2015ARD-Studioleiter und Chefkorrespondent in Tel Aviv, 2016 Leiter TV und Chefkorrespondent im ARD Studio Rom, und arbeitet jetzt wieder als Editor-at-large und Filmemacher für die ARD. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit dem Nahostkonflikt, der israelischen Gesellschaft und der jüdischen Geschichte.

Richard C. Schneider

Alltag im Ausnahmezustand

Mein Blick auf Israel

Deutsche Verlags-Anstalt

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Copyright © 2018 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alles Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Umschlagmotiv: Autorenfoto von Thomas Dashuber

Typografie und Satz: DVA / Andrea Mogwitz

ISBN 978-3-641-16321-1V002

www.dva.de

For A.The One, The Chestnut Woman

Inhalt

Vorwort

Einführung

1948–2018. Siebzig Jahre und kein Ende in Sicht

I – Wie sind Israelis

1 – Angst ist immer mit dabei

2 – Das erste Trauma: die Shoah

3 – Das zweite Trauma: die Kriege

4 – Arroganz und Überheblichkeit, oder wie aus einem entrechteten Volk ein mächtiges Volk wurde

II – Trennungslinien

1 – Das säkulare Tel Aviv gegen das orthodoxe Jerusalem

2 – Aschkenasim gegen Sephardim

3 – Steinzeit gegen Start-up

III – Das Prinzip Bibi

1 – Alle sind gegen uns

2 – Iran, Iran, Iran

3 – Das Ende der Zwei-Staaten-Lösung, oder wie Netanyahu die USA zum Narren hält

IV – Frieden? Welcher Frieden?

1 – Der unsichtbare Palästinenser

2 – Kann man die besetzten Gebiete zurückgeben?

V – Der ewige Antisemitismus oder die raison d’être Israels

1 – Antizionismus und Israelkritik

2 – Europa – der antisemitische Kontinent

VI – Kann man als Jude überhaupt objektiv über Israel berichten? Ein sehr deutsches Problem

Vorwort

Als ich das Manuskript zu diesem Buch zu schreiben begann, war ich nach einem kurzen Intermezzo in Italien gerade wieder dabei, in den Nahen Osten zurückzukehren. Nach über zehn Jahren, die ich als Korrespondent und als Studioleiter der ARD in Tel Aviv verbrachte, waren meine knapp anderthalb Jahre in Rom, neben meiner Arbeit dort, auch eine Zeit der Reflexion über den Nahen Osten, aber fast mehr noch über Europa. Als Europäer so lange außerhalb des eigenen Kontinents zu leben, war gerade in diesen Zeiten eine interessante Erfahrung. Besonders in der israelischen Mittelmeermetropole. Tel Aviv ist nach dem Silicon Valley der zweitwichtigste Hightech-Hub der Welt. Hier wird die Zukunft programmiert und gestaltet. Und die Welt kommt nach Israel, um Geschäfte zu machen: nicht nur Europa und die USA, sondern auch China, Indien, Afrika. Schnell hat man den Eindruck, dass Europa drauf und dran ist, den Anschluss an die Entwicklungen zu verlieren, die mit unglaublicher Geschwindigkeit überall stattfinden, nur eben kaum in Europa. Dieser Eindruck verstärkt sich besonders, wenn man in Italien lebt, diesem Sehnsuchtsland der Deutschen, das aber nicht in der Lage ist, sich fundamental zu reformieren, um wirtschaftlich überleben zu können. Und man begreift erst außerhalb Europas, dass der europäische Ethnozentrismus nicht mehr funktioniert, um mit der Welt von heute und morgen umzugehen, dass Tradition und Kultur, alte Kultur, kaum noch ausreichen, um die Zukunft zu gestalten.

Aus der Ferne wirkt Europa mitunter wie ein Museum. Ein wunderschönes, eines, das ich über alles liebe, immer lieben werde, zu dem ich gehöre, von dem ich ein Teil bin und sein möchte und immer bleiben werde. Aber Europa wirkt auf mich zuweilen, als ob es sich darauf ausruhe, der Welt eine Kultur geschenkt zu haben, die über Jahrhunderte alles dominierte, von der wir auch in Zukunft noch zehren werden, eine Kultur, die wir auch heute noch brauchen und von der wir nur hoffen können, dass sie sich auch in Zukunft weiterentwickeln kann, Neues im Bereich Literatur, Musik, Theater und Malerei hervorbringen wird. Was besonders wichtig wäre: eine neue Philosophie der Staatskunst, der Bewahrung von Demokratie, Liberalismus und Freiheit in Zeiten der Not und des Terrorismus und der digitalen Revolution. Wir bräuchten dringend neue ethisch verantwortliche Ansätze zur Lösung unserer globalen Probleme. Und wer, wenn nicht Europa, könnte sie liefern? Die USA? Russland? China?

Aber nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, dass ausgerechnet Israel – und insbesondere Tel Aviv – für den Augenblick ein idealer Standort ist, um die Zukunft zu erleben – und die Gefahren für die Zukunft. Israel ist eine Art »Versuchslabor« für die westliche Welt. Das Leben hier ist intensiver, schneller, hektischer, bedrohter von innen und von außen als irgendwo sonst im Westen. Die Fragen, mit denen Israel seit Jahrzehnten umzugehen hat, erreichen inzwischen auch Europa und Deutschland. Wie geht man mit Terror um? Wie bekämpft man ihn wirkungsvoll, ohne die Persönlichkeitsrechte allzu sehr einzuschränken? Wie geht man mit Fundamentalismus um, dem von außen und dem von innen? Wo sind die feinen Linien, die nicht überschritten werden dürfen, wenn man nicht in ein reaktionäres, totalitäres Regime abgleiten will? Wie schafft man es, eine multiethnische Gesellschaft zusammenzuhalten, wie bewältigt man den wirtschaftlichen Aufschwung unter schwierigsten Bedingungen? Wie geht man mit Rassismus um? Mich fasziniert Israel, weil man hier ganz intensiv mitverfolgen kann, welche Fehler gemacht werden, aber auch, welche Lösungen man findet. Wo die Regierung und die Gesellschaft versagen, wo sie neue, kreative Antworten auf Herausforderungen finden. Das Leben in Israel ist härter und brutaler als in vielen Teilen Europas, aber auch spannender und intensiver, selbst wenn man jeden Tag über die Realität des Alltags verzweifeln möchte und politische Entwicklungen beobachtet, die einem angst und bange machen.

Anfang Dezember 2017 hielt US-Präsident Trump eine Rede, die Gegebenheiten und Gewissheiten im palästinensisch-israelischen Konflikt auf den Kopf stellte. Er erkannte Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels an und versprach, die US-amerikanische Botschaft endgültig von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Wörtlich sagte er:

»After more than two decades of waivers, we are no closer to a lasting peace agreement between Israel and the Palestinians. It would be folly to assume that repeating the exact same formula would now produce a different or better result. Therefore, I have determined that it is time to officially recognize Jerusalem as the capital of Israel.«

Die Tatsache, so Trump, dass mehr als zwei Jahrzehnte amerikanische US-Präsidenten immer wieder den Umzug der Botschaft nach Jerusalem verschoben, habe nichts gebracht, man sei dem Frieden keinen Schritt nähergekommen. Er wolle das nun ändern. Und so fügte er an:

»I’ve judged this course of action to be in the best interests of the United States of America and the pursuit of peace between Israel and the Palestinians. This is a long overdue step to advance the peace process and to work towards a lasting agreement.«

Nun, dass seine Entscheidung den Frieden eher möglich macht, mag glauben wer will. Die Reaktionen der Palästinenser waren dementsprechend. Die palästinensische Führung, sowohl die Autonomiebehörde von Präsident Abbas als auch die Hamas und alle andere Fraktionen, waren wütend, entsetzt, voller Zorn und Hass. Für sie hat sich der amerikanische Präsident endgültig als Zionistenfreund geoutet. Die USA seien kein ehrlicher Makler mehr. Natürlich kam es zu Protesten und gewalttätigen Unruhen in den darauffolgenden Tagen. Es waren die üblichen Bilder, die die Nachrichtenagenturen aus Jerusalem und den besetzten Gebieten zeigten. Menschen starben bei diesen Auseinandersetzungen. Aber die Unruhen wurden bald schon wieder im Keim erstickt und eine Dritte Intifada, wie manche Kommentatoren behaupteten, brach nicht aus. Dazu scheint den Palästinensern im Augenblick die Kraft zu fehlen, beziehungsweise wissen viele, die die Zweite Intifada erlebt hatten, dass sie am Ende den höheren Preis zahlen würden als die Israelis.

Trumps Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt ist eigentlich nichts Besonderes. Präsident Obama hat dies in einer Rede getan, George W. Bush ebenso und andere Präsidenten auch. Das wirklich Neue und Verstörende für die palästinensische Seite ist, dass die USA nun tatsächlich ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen wollen. Bei seinem Besuch in Jerusalem Ende Januar 2018, erklärte Vizepräsident Mike Pence, die Botschaft werde bereits 2019 umziehen und nicht, wie viele glaubten, erst in vier Jahren oder überhaupt nie. Die israelische Rechte jubelt. Sie fühlt sich am Ziel, fühlt sich im Recht, hat endlich die Unterstützung, die ihr der liberale Vorgänger Trumps versagt hatte. Man will nun eine Straßenbahnhaltestelle, die in der Nähe der Klagemauer gebaut wird, »Donald-Trump-Haltestelle« nennen, zu Ehren des Präsidenten, der für immer im Herzen des jüdischen Volkes wohnen werde, wie Premier Benyamin Netanyahu dies so oder ähnlich immer wieder betonte. Doch ist diese Ankündigung Trumps für Israel nicht ein Danaergeschenk? Wird Trumps Politik im Nahen Osten nicht nur weiter die extremistischen Kräfte auf beiden Seiten stärken? Werden nun israelische Politiker wie Ayelet Shaked oder Lieberman oder Smotrich und andere nicht versuchen, die Annektierung von mindestens 60 Prozent des Westjordanlands voranzutreiben, solange dieser Präsident noch im Amt ist?

Für die Palästinenser ist die aktuelle Lage eine Katastrophe. Sie haben – zumindest für den Augenblick – verloren. Mit den USA wolle man nichts mehr zu tun haben, umso weniger als Präsident Trump wenige Wochen nach seiner Jerusalem-Ankündigung auch noch erklärte, man werde der UNRWA, der UN-Hilfsorganisation für die palästinensischen Flüchtlinge, die Hälfte der jährlichen Zuwendungen nicht mehr überweisen, immerhin über 60 Millionen US-Dollar. Trump machte auch klar, dass mehr Geld erst dann wieder fließen werde, wenn die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückkehren. Doch danach schaut es wahrlich nicht aus. Präsident Abbas versucht die Europäer als Vermittler und Unterstützer an Stelle der USA zu gewinnen, er will sich nun endgültig an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wenden, um Israel wegen Kriegsverbrechen und anderen Dingen anzuklagen. Ob das wirklich geschehen wird, ist im Augenblick noch nicht abzusehen. Nach Verhandlungsbereitschaft klingt das nicht.

Und schließlich und endlich hielt der 82-jährige Abbas im Januar 2018 eine zweieinhalbstündige Wutrede, die der israelischen Rechten endgültig »bewies«, dass sie schon immer mit ihrer Einschätzung der Person Abbas recht hatte. Abbas brannte verbal nicht nur alle Brücken nach Washington nieder, er machte die gesamte europäische Geschichte für die Existenz Israels verantwortlich, und entwickelte eine haarsträubende Verschwörungstheorie, die dümmer und absurder nicht sein konnte. Er machte von Oliver Cromwell über Napoleon bis zu Winston Churchill alle Europäer verantwortlich für die Entstehung Israels. Man habe die holländische Marine, die die größte der Welt sei, gebeten, die Juden nach Palästina zu bringen. In diesem Stil ging es immer weiter. Und ja, Abbas erklärte auch, die Juden hätten keinerlei historischen oder religiösen Bindungen an dieses und mit diesem Land. Und schließlich griff Abbas auch noch auf antisemitische Klischees zurück, indem er zum Beispiel behauptete, Israelis würden die palästinensische Jugend mit Drogen fertigmachen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der »moderate« Abbas, wie er von der israelischen Linken und in Europa genannt wird, antisemitischer Klischees bedient. In einer Rede vor dem EU-Parlament in Brüssel im Jahr 2016, hatte Abbas erklärt, israelische Rabbiner hätten ihre Regierung aufgefordert, das Wasser zu vergiften, um Palästinenser zu töten. Am Ende der Rede gab es standing ovations der europäischen Parlamentarier, der damalige Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, erklärte auf Twitter, dies sei eine »inspirierende« Rede gewesen. Nicht nur, dass Abbas sich mittelalterliche Brunnenvergiftungstheorien aneignete: Man konnte nachweisen, dass nichts von dem, was er behauptet hatte, stimmte.

Der Frust, den Palästinenserpräsident Abbas aufgrund der Politik Donald Trumps hat, ist verständlich. Washington scheint sich nicht mehr um die Palästinenser und ihre Anliegen zu kümmern, die arabische Welt übrigens auch nicht. Aber Verschwörungstheorien und Antisemitismus als Waffen im Kampf gegen die USA und Israel? Wie gesagt, die israelische Rechte fühlt sich als Sieger. Man habe es doch immer gewusst, dass der »nette Herr Abbas«, in Wirklichkeit ein Antisemit sei, dass er Israels Existenzrecht nicht anerkenne. Am Ende seiner Tage kehre Abbas wieder zu seinen Anfängen zurück, schließlich habe er in seiner Dissertation den Holocaust relativiert. Tatsächlich hatte Abbas in seiner Doktorarbeit angezweifelt, dass sechs Millionen Juden im Holocaust ermordet wurden. Er erklärte, dies könne auch schlicht eine zionistische Übertreibung gewesen sein. Zwar hat sich Abbas später von dieser »Theorie« distanziert, doch nun scheint er auf seine alten Tage tatsächlich wieder da anzuknüpfen, wo er angefangen hat. Soviel ist nun klar: Mit diesem Mann kann man keinen Frieden machen. Mit der Hamas auch nicht. Und wer auf Abbas folgen wird, das weiß niemand. Auf der »Habenseite« von Abbas steht allerdings seine Ablehnung von Terror gegen Israel. Ob dies in der Nach-Abbas-Ära so bleiben wird, ist fraglich. Im Augenblick aber kann die Siedlungspolitik Israels ungestört weitergehen.

Die Zeichen der Zeit stehen also auf Sturm. Und sollte Trump auch nur eine Sekunde ernsthaft geglaubt haben, seine Ankündigung könne etwas verbessern an den Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern, so müsste er inzwischen begriffen haben, dass er das genaue Gegenteil erreicht hat. Er zündelte. Und den Preis werden andere bezahlen. Man möchte sich die Haare raufen angesichts der letzten Entwicklungen und weiß doch gleichzeitig, dass es noch schlimmer kommen könnte, vielleicht sogar wird. Optimismus ist in diesen Zeiten Mangelware in Nahost.

Ich begann das Manuskript zu diesem Buch in Europa, schrieb in den vergangenen Monaten in Italien, in der Schweiz, um es schließlich in Israel zu Ende zu schreiben. Und ich merkte, wie sich zweimal mein Fokus auf das Land und mein Thema veränderte, der Blick von innen, dann von außen und wieder von innen. So springe ich wie ein »teilnehmender Beobachter« ständig hin und her in meinem Blick auf das Land, das mich seit meiner frühesten Kindheit mehr als alle anderen beschäftigt, mit Ausnahme von Deutschland und Frankreich, der kulturellen Heimat meiner frühen Jahre.

Das Buch entstand in einer persönlich anstrengenden Lebensphase. Das Schreiben war mir ein Anker, um fast meditativ immer wieder zum Eigentlichen zurückzukehren. Zum Erzählen über ein Land, das mich fasziniert. Viele Menschen halfen mir dabei, dass dieses Buch zustande kommen konnte, und ich bin ihnen zutiefst dankbar. Einige halfen mir mit inhaltlichem Rat, andere ermöglichten es mir in Zeiten des Umzugs, einfach irgendwo zu sein, um in Ruhe arbeiten zu können.

Zuallererst muss ich Thomas Rathnow von Random House danken, der mit viel Geduld auf dieses Buch wartete, das ich eigentlich viel früher hätte schreiben sollen. Er hat nie aufgehört, an dieses Buch zu glauben. Ohne ihn wäre nichts möglich gewesen. Ich danke Annette Anton für ihre sensible und einfühlsame Lektorierung des Textes und für die wichtigen Gespräche, die wir miteinander hatten und die mir das Gefühl gaben, gut aufgehoben zu sein.

Ich danke all den Menschen in den letzten Jahren, die mir in Israel und Palästina Einblicke ermöglichten, die ich ohne sie nicht hätte haben können. Zu ihnen gehört das gesamte ARD-Team in Tel Aviv, Gaza und Hebron, sowie viele Freunde und Bekannte, insbesondere Miki Sohar, Alon Ben David, Dana Weiss, Carlo und Julia Strenger, Shlomit und Assaf Ashkenasi, Anita Haviv, Orit und Rami Amit, Uri Schneider, Natan Sznaider, Yifaat Weiss und Anshel Pfeffer. Dass ich meine palästinensischen Freunde hier nicht erwähne, hat Gründe, aber sie wissen, dass ich ihnen sehr zu Dank verpflichtet bin.

Und ich danke ganz besonders meinen Freunden Sabine Herting, Lo und Heiko von Gienanth, Yvonne Marianowicz, Tina Hassel, Mima Speier, Louis und Ilana Lewithan, Silvia und Samuele Dadusc, Timna Brauer, Rita Russek, Harry Tschebiner und Lilly Otscheret-Tschebiner, Dieter und Simone Graumann, Yves Kugelmann, Benny Levensohn und Maximilian Teicher.

Und last, but definitely not least bin ich meiner gesamten Familie tiefen Dank schuldig, mehr als ich es hier in Worte fassen kann.

Tel Aviv, Januar 2018

»Der historische Tag war der siebte Tag, an dem wir zu entscheiden hatten, was uns dieser Krieg bedeutete. Ein Eroberungskrieg oder ein Verteidigungskrieg? Wir waren plötzlich im Besitz des ganzen Landes, und da entschieden wir: Es war ein Eroberungskrieg. Das hieß, dem palästinensischen Volk das Recht und die Möglichkeit auf nationale Selbstständigkeit zu rauben.«

Yeshayahu Leibowitz (geb. 1903 in Riga, gest. 1994 in Jerusalem), Naturwissenschaftler und Religionsphilosoph

Einführung

1948–2018. Siebzig Jahre und kein Ende in Sicht

Nie werde ich diesen Tag vergessen. Ein warmer Frühlingstag in München, Anfang Juni. Ich war gerade aus der Schule nach Hause gekommen, war wie immer als erstes in mein Zimmer gegangen, um die Schultasche abzulegen, um dann mit meinen Eltern in der Küche gemeinsam zu Mittag zu essen. Doch meine Mutter war sofort in mein Zimmer gekommen, ich hatte meinen Schulranzen noch in der Hand. Sie sah mich sehr ernst an und sagte nur: »In Israel ist Krieg. Die Araber haben angegriffen.« Es war der 5. Juni 1967, ich war zehn Jahre alt. Ich wusste nicht genau, welche Konsequenzen dieser Krieg haben würde. Aber ich dachte sofort an Napalm und verbrannte Kinder – Bilder aus dem Vietnamkrieg, die bei uns täglich während des Abendessens über den Schwarz-Weiß-Fernseher ins Wohnzimmer eindrangen. Diese Bilder kannte ich gut, sie gehörten zu meinen Kinder- und Jugendjahren wie eine Hintergrundmusik im Kino, eine Art Leitmotiv. Man nimmt sie kaum wahr, doch sie ist immer da. Der Vietnamkrieg. Irgendwie nah und doch weit weg. Vietnam. Wo lag das? Zum Glück waren da keine Juden und keine Deutsche involviert, keine Nazis, sondern Amerikaner, und die waren doch schließlich die Guten, hatten die nicht Hitler besiegt und somit meinen Eltern das Leben gerettet? Dass sowohl mein Vater als auch meine Mutter von der Roten Armee gerettet wurden, hatte ich zwar gehört, schließlich waren meine Eltern in Konzentrationslagern der Nazis in Osteuropa gewesen, aber ich wusste auch, dass meine Eltern nach dem Krieg zweimal vor den Kommunisten aus der Tschechoslowakei und Ungarn fliehen mussten, ehe sie endlich im Westen ankamen. Und dass die Russen Antisemiten waren, das hatte ich auch gehört. Und dass sie Frauen in den befreiten KZ vergewaltigt hatten, das auch. Also: die USA. Nur die USA. Und die USA waren in der Tagesschau, aber vor allem waren sie im Radio täglich präsent mit der heißesten Musik, die man in Deutschland hören konnte. Im AFN, dem amerikanischen Armeesender. AFN prägte meine Generation in Deutschland. Wolfman Jack war unser Idol. Denn in Deutschland, da gab’s nur Vico Torriani, Peter Alexander und Lou van Burg. Also, was konnte schlecht an den USA sein? Amerika war der Garant für Freiheit und Zukunft. Ein Land mit vielen Juden und ohne Antisemitismus, davon war ich überzeugt. Also mussten die GIs im Vietnamkrieg auch für die gute Sache kämpfen. Ich erschrak zwar, wenn ich brennende Kinder sah, aber ich konnte kaum glauben, dass die USA dafür verantwortlich waren, und wenn, dann geschah dies wohl eher aus Versehen als mit Absicht. So dachte ich damals.

Aber letztendlich waren Franz Beckenbauer und Gerd Müller, Pierre Brice und Lex Barker in meiner Welt einfach wichtiger als irgendein Krieg, den ich nicht begriff, Lichtjahre von uns entfernt. Nun aber: Krieg gegen Israel. Ich hatte keine Vorstellung, welche Konsequenzen er weltpolitisch möglicherweise haben würde. Aber dass es um das Überleben des jüdischen Staates ging, dass dieser Krieg auch das Leben meiner Familie betraf, das war mir sofort klar. Und so ließ ich den Schulranzen in meiner Hand einfach auf den Boden fallen und blickte meine Mutter unsicher an. Ich war gerade mal ein halbes Jahr zuvor das erste Mal in Israel gewesen, mit meinem Vater, wir wohnten bei seiner Cousine Piri im Galil und reisten durch das Land. Ich besuchte all die Orte, die ich aus dem Religionsunterricht und dem Gebet kannte. Nur den Tempelberg mit der Klagemauer, dem Stück Westmauer des Zweiten Tempels, den konnte ich nicht besuchen. Er lag in Ostjerusalem, war damals noch in jordanischer Hand. Ich stand mit meinem Vater an der stacheldrahtüberzogenen Grenzlinie zwischen West- und Ostjerusalem, ganz in der Nähe des Mandelbaumtors, da deutete mein Vater in Richtung des Tempelbergs und sagte: »Eines Tages, wenn der Meshiach (Messias) kommen wird, dann werden wir beide dort stehen und beten.« Wir beide ahnten nicht, dass es gerade mal ein halbes Jahr dauern würde, bis sein Wunsch Realität würde.

Der Meshiach kam im Juni 1967 in Gestalt zweier Militärs: Verteidigungsminister Moshe Dayan, der Mann mit der Augenklappe, und Generalstabschef Yitzhak Rabin, der spätere Premierminister. Beide wurden als Helden gefeiert. Sie hatten nicht nur den Sechs-Tage-Krieg gewonnen und die jüdischen Heiligtümer und biblisch bedeutenden Orte nach 2000 Jahre Diaspora wieder in jüdische Gewalt gebracht, sie hatten vor allem den Untergang Israels verhindert. Allen Juden weltweit, selbst mir, dem zehnjährigen jüdischen Kind, war die Drohung des ägyptischen Herrschers Gamal Abdel Nasser ständig im Ohr gesessen: »Wir werden die Juden ins Meer werfen.« Viele Jahrzehnte später entdeckte ich in einem Filmarchiv Bilder von Tel Aviv wenige Tage vor Kriegsausbruch. Am Strand: kein Mensch. Auf den Straßen: kaum jemand. Später, als Journalist, interviewte ich Freunde, Bekannte, ältere Verwandte, wie das damals war in den Tagen vor dem Krieg. Und fast einhellig erhielt ich die gleiche Antwort: »Wir dachten, jetzt ist es vorbei. Die Shoah haben wir überlebt, aber jetzt, jetzt ist es endgültig aus.« In der Euphorie, die die gesamte jüdische Welt nach dem Krieg erfasste, dachte niemand mehr daran, dass nur kurz zuvor das Schicksal des jüdischen Staates besiegelt zu sein schien.

Als meine Mutter mir an jenem Mittag sagte, in Israel herrsche Krieg, müssen sie und mein Vater dieselbe Angst verspürt haben wie alle Juden rund um den Globus. Natürlich hingen wir von dem Augenblick an nur noch vor dem Fernseher und am Radio. Mein Vater wechselte die Frequenzen, um in allen Sprachen, derer er mächtig war, neue Informationen zu bekommen. Wir versuchten, unsere Verwandten in Israel zu erreichen, doch das war damals keine einfache Angelegenheit, und häufig sagte uns das »Fräulein vom Amt«, man käme nicht durch, die Leitung sei unterbrochen.

Für meine Familie hatte der Krieg unmittelbare Auswirkungen. Meine Schwester sollte Mitte Juni in München heiraten, die Hochzeitsvorbereitungen waren längst in vollem Gange. Aber nun was tun? Kann man eine große Hochzeit feiern, wenn man nicht weiß, ob Israel vernichtet wird? Und selbst wenn nicht, wie viele Tote wird es geben? Wie viele tote Freunde, Verwandte? Meine Eltern wandten sich an den Rabbiner der jüdischen Gemeinde in München, der entsprechend des Religionsgesetzes entschied, man könne eine »Simche«, ein Freudenfest, nicht so ohne weiteres absagen. Aber man solle das Fest auf ein Minimum reduzieren, nur das Nötigste. So entschieden, so getan. Meine Eltern mussten die gebuchten Räumlichkeiten, in denen nach der Hochzeit die große Party hätte stattfinden sollen, wieder absagen. Die deutschen Veranstalter waren sehr nett und hatten großes Verständnis für die Situation. Man entschied, ausschließlich in der Synagoge zu feiern und keine Musikkapelle zu engagieren. Als meine Schwester schließlich heiratete, war der Krieg schon vorbei, der Sieg triumphal und die Freude in der Gemeinde riesig. Die Hochzeitsfeier fiel zwar bescheiden aus, aber sie war nach dem Sieg Israels dementsprechend stimmungsvoll.

Keinen Monat nach dem Sechs-Tage-Krieg stand ich mit meinem Vater an der Klagemauer, um zu beten. Mein Vater, Jahrgang 1920, konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Für seine Generation war die Eroberung des Tempelbergs, des Grabes der Stammmutter Rachel bei Bethlehem und die Eroberung der Grabstätten von Abraham und den anderen Stammvätern und -müttern in Hebron mehr als ein Wunder. Keine 25 Jahre zuvor waren mein Vater und meine Mutter aus den Lagern der Nazis befreit worden, die Eltern, die Geschwister und viele weitere Verwandte in den Gaskammern und Krematorien von Auschwitz in Asche und Rauch aufgegangen. Und nun stand er da, mein Vater, das chassidische Kind aus dem Stetl, zusammen mit seinem kleinen Sohn und betete an der Westmauer des Zweiten Tempels, der hier vor 2000 Jahren gestanden hatte. Wir waren durch den arabischen Suk zur Klagemauer gelangt, so wie man auch heute dorthin kommen kann. Damals aber war der Suk noch nicht touristisch-folkloristisch, noch nicht picobello sauber und hell. Der gesamte Suk starrte vor Dreck und war vor allem dunkel. Denn überall hingen schwere Teppiche über uns als Schutz gegen die Sonne, damit es im Bazar schön kühl bleibt. Die arabischen Ladenbesitzer starrten uns an, die Fremden in ihren Jeans und Polohemden. Da trafen in der Tat zwei Welten aufeinander. Wir waren fasziniert vom »wahren Orient«, und die Araber hatten wohl in erster Linie Angst. Natürlich wussten diese Palästinenser noch nicht, was die israelische Besatzung für sie bedeuten würde. Niemand wusste das. Selbst die Israelis nicht, wir Diasporajuden schon gar nicht.

In den ersten Jahren schien ja auch alles so einfach. Israel brachte den Palästinensern Wohlstand und Fortschritt. Und sie nahmen dies auch dankbar an, das muss gesagt werden. Israelis reisten mit Begeisterung in die besetzten Gebiete, die ja das eigentliche biblische Israel waren. Sie besuchten die jüdischen Heiligtümer, die biblischen Orte, kauften in den palästinensischen Städten ein oder gingen dort zum Essen. Beide Seiten profitierten voneinander. Es war, scheinbar, eine goldene Zeit. Ich erinnere mich nur zu gut, wie selbstverständlich das war, bis weit in die achtziger Jahre am Nachmittag in Jerusalem zu sitzen und mit einigen Freunden einfach so mal schnell nach Hebron zu fahren, um dort Kaffee zu trinken in diesem kleinen arabischen Lokal, wo man auch hervorragendes Knaffe bekam. Und wer aus meiner Generation erinnert sich nicht an die wunderbaren Fischrestaurants an den Stränden von Gaza oder an Nuëba, unten an der Sinai-Halbinsel, wo man mit seiner Freundin, ein paar Kumpels, einer Flasche Wein und einer Gitarre am Strand lag und den schönsten und billigsten Urlaub machte, den man sich nur wünschen konnte.

Die Siedlungspolitik, die parallel anlief, die Terroranschläge, die es immer wieder gab, die Flugzeugentführungen der siebziger Jahre, sie waren eine bedrohliche Kulisse, von der man sich aber nicht abhalten ließ, dieses neue, größere, unbesiegbare Israel zu genießen. Dass die Araber und insbesondere die Palästinenser immer noch die Zerstörung des Staates Israel wollten, war »klar«. Der Yom-Kippur-Krieg 1973 machte das deutlich spürbar. Und es zeigte sich, dass Israel eben doch nicht so unverwundbar war, wie das eigentlich alle nach 1967 glauben wollten. Mehr als 2500 israelische Soldaten fielen, so viele wie nie zuvor und bislang nie danach in einem Krieg.

Die ersten Siedlungen wurden von den meisten Israelis als nettes, harmloses Unternehmen einiger religiöser Eiferer gesehen. Vor allem nach dem Yom-Kippur-Krieg begann die Siedlerbewegung »Gush Emunim« mit Macht darauf zu drängen, in den eroberten Gebieten Siedlungen zu gründen. Es war, neben religiös-messianischen Gründen, auch ein Versuch, ein politisch-ideologisches Gegenmodell zu entwerfen, das dem sozialistischen Zionismus, der immerhin die Staatsgründung durchgesetzt, aber nach dem katastrophalen Krieg von 1973 mental und ideologisch abgedankt hatte, etwas Positives entgegensetzen sollte. Denn das ganze Land befand sich in einer kollektiven Depression. Israel hatte den Yom-Kippur-Krieg faktisch gewonnen, doch die hohen Verluste, der Überraschungsmoment, das Versagen der Geheimdienste, das gescheiterte Verteidigungskonzept am Suezkanal, die Unfähigkeit der Politiker, allen voran Premierministerin Golda Meir, weise zu planen und mit der Situation umzugehen, verunsicherte die Israelis zutiefst. Mehr noch als während des Unabhängigkeitskriegs 1948, als man ja wusste, dass es um alles oder nichts ging und ein Überleben keineswegs gewährleistet war. So schaute man 1948 nur nach vorn. In den Jahren nach 1967 aber hatte sich eine sträfliche Überheblichkeit über das Land gesenkt. Die Demütigung, die die arabischen Armeen erfahren hatten, die Leichtigkeit des Sieges, die Rückkehr der Heiligen Stätten in jüdische Hand, ließen das Land vor Stolz und Prahlerei und Überzeugung erstarren. Umso tiefer geriet dann der moralisch-emotionale Sturz nach dem 73er-Krieg. Und so waren die jungen Männer, die voller Verve und religiöser Inbrunst siedeln wollten, ein Hoffnungsschimmer. Ein Hoffnungsschimmer, dass der Elan der Anfangsjahre des Zionismus nicht erloschen war, dass der Traum weiterginge. Es gab natürlich kluge Visionäre, die bereits damals wussten, dass die Siedlungspolitik ein Krebsgeschwür in der israelischen Gesellschaft werden würde, dass Israel sich neue, nahezu unlösbare Probleme aufbürdet. Der große Religionsphilosoph Yeshayahu Leibowitz war so ein Mahner, der aber kein Gehör fand. Am allerwenigsten wollten die Politiker hören. Viele linke Politiker setzten sich zwar nicht an die Spitze der Siedlerbewegung, aber sympathisierten mit ihr offen und unbedacht, allen voran Shimon Peres, der in seinen späten Jahren nicht daran erinnert werden wollte, dass er der Siedlerbewegung überhaupt erst den Weg eröffnete, Judäa und Samaria zu erobern. Diese Politiker wollten sich in dem Glanz der jungen Männer sonnen, die dem Land als Aktivisten Mut machten, die nicht in Depression versanken, sondern ganz im Sinne der zionistischen Ideologie »anpackten«, die sich nicht der Agonie, die das Land beherrschte, ergaben.

Es ist leicht, heute die Politiker von damals für ihre Kollaboration mit den Siedlern zu verurteilen. Heute wissen wir, was aus der Siedlerbewegung geworden ist. Aber man darf nicht vergessen: Es waren anfänglich ein paar Dutzend, dann Hunderte, und erst später ein paar Tausend, die ins Westjordanland und in den Gaza-Streifen zogen (und auf die Sinai-Halbinsel und den Golan). Es waren geringe Zahlen, ein so verschwindend kleiner prozentualer Anteil der israelischen Gesellschaft, dass eben die meisten sich nicht vorstellen konnten, was da zu wachsen begann – und wohin das Israel und die gesamte Gesellschaft führen sollte.

So gut wie niemand in Israel dachte damals über das Palästinenserproblem nach, außer ein paar Politik- und Militärstrategen, die sich darüber im Klaren werden mussten, wie man mit den Menschen im eroberten Gebiet umgehen will. Doch niemand hatte auch nur im Ansatz das Gefühl von Schuld oder Verantwortung für eine Tragödie, die bereits 1948 begonnen hatte. Wie denn auch? Die Schaffung des jüdischen Staates war nach Auschwitz eine conditio sine qua non, mehr noch: Sie war ein Recht, ein sechsmillionenfaches Recht. Was den Juden geschehen war, rechtfertigte alles, um einen eigenen Staat zu schaffen und damit die Möglichkeit, sich zu verteidigen, sich nie mehr in Gaskammern treiben zu lassen.

Was wussten wir Juden, egal ob in Israel oder in der Diaspora, über die palästinensische Vertreibung? Was ging sie uns an? War es denn überhaupt eine Vertreibung? Das zionistische Narrativ blieb bis in die achtziger Jahre frei von Verantwortung. Die Palästinenser hatten damals, im Unabhängigkeitskrieg – niemand kannte das Wort »Nakba«, was soviel wie Unglück, Katastrophe auf Arabisch bedeutet, und das später zum Begriff für das palästinensische Unglück von 1948 wurde – ihre Dörfer und Städte verlassen, weil die arabischen Armeen sie über Radio und Zeitungen dazu aufgerufen hatten zu fliehen. Sie sollten fliehen, damit die sieben arabischen Armeen freie Bahn hätten, die Zionisten zu vernichten. Nach dem »Endsieg« würden die Palästinenser in ihre Dörfer zurückkehren. Übrigens: Damals kannte auch noch niemand den Begriff »Palästinenser«, die nationale palästinensische Identität entwickelte sich endgültig erst nach der Nakba – und als Reaktion auf den jüdischen Nationalismus, eine eigenartige Ironie des Schicksals.

Aber selbst wenn es bereits 1967 bekannt gewesen wäre, dass die Zionisten an der Flucht der Palästinenser mit Schuld hatten, dass sie vielerorts Araber tatsächlich vertrieben hatten, dass es vereinzelt auch zu Massakern kam, es wäre egal gewesen, denn dem jüdischen Volk war nur drei Jahre vor 1948 unfassbares Leid, unsäglich, unvergleichlich Grausames angetan worden. Ein knappes Drittel des jüdischen Volkes war ausgerottet worden. Was spielte es da für eine Rolle, wenn 700000 Araber aus Palästina fliehen mussten, damit Juden einen sicheren Hafen für alle Ewigkeit hätten? Welche Rolle spielten da vielleicht auch einige Massaker angesichts von sechs Millionen jüdischen Menschen, die von den Nazis und ihren europäischen Handlangern abgeschlachtet worden waren? Das klingt zynisch? So wurde das nicht gesehen. Das Unrecht an den Palästinensern, es hätte keine Rolle gespielt. Denn jeglicher Vergleich mit dem Holocaust war und ist unmöglich, jegliche Analogie war und ist irrsinnig und zeugt lediglich von völliger Ignoranz historischer Fakten oder aber von einer antisemitischen Haltung all jener, die diesen Vergleich ziehen.

Was 1948, aber auch noch 1967 und später, nicht erahnt werden konnte war, dass diese »Vergleichssituation« eines der großen Dramen des Konfliktes zwischen Palästinensern und Israelis werden würde. Wie gesagt, die Nakba ist nicht einmal im Ansatz dem Holocaust gleichzusetzen. Aber das subjektive Erleben der Menschen, das kollektive Narrativ stellt bei den Palästinensern die Nakba als ihre eine, einzigartige Katastrophe dar, so wie das im jüdischen Narrativ die Shoah ist. Nur, wer ist das größere Opfer, wer hat mehr gelitten, wer hat mehr Unrecht über sich ergehen lassen müssen? Natürlich das jüdische Volk. Aber spielt das eine Rolle, wenn man vom eigenen Schmerz übermannt ist und diesen als den einzig wahrhaftigen Maßstab für Leid wahrnimmt? Kann man einem vertriebenen Palästinenser von 1948, der womöglich noch einen Teil seiner Familie verloren hat, vermitteln, dass die Juden Schlimmeres erlitten hatten als er? Es wäre ein erster Schritt raus aus der Tragödie dieses Konflikts, wenn Palästinenser dies endlich anerkennen könnten – und im Gegenzug die Israelis allerdings auch das Leid, den Schmerz, den Verlust der Palästinenser und das Unrecht, das ihnen von Israel angetan wurde. Doch davon sind wir immer noch weit entfernt, selbst wenn die »Neuen Historiker« Israels in den achtziger Jahren, nach der Öffnung der Archive, den Unabhängigkeitskrieg in seiner Gesamtheit untersuchen konnten und mit ihren Veröffentlichungen die israelische Gesellschaft darüber aufzuklären begannen, dass Israel sehr wohl einen Teil der Verantwortung für das Leid der Palästinenser trägt.

Und immerhin, in gebildeteren Kreisen der Palästinenser wird inzwischen der Holocaust nicht mehr geleugnet, wie das früher üblich war, wenngleich die Anerkennung der Shoah als historischer Fakt immer einhergeht mit dem Satz: »Na und? Warum mussten wir Palästinenser für den Antisemitismus der Europäer bezahlen?« Doch auch jetzt noch, 2018, siebzig Jahre nach der Staatsgründung Israels, siebzig Jahre nach der Nakba, ist immer noch kein Ende des Konflikts abzusehen. Eine gegenseitige Anerkennung des Leids und der Rechte des jeweils anderen liegt in weiter Ferne.

Zeitsprung: 1987 verbrachte ich mehrere Monate für ein Forschungsprojekt in Jerusalem. Es war das erste Mal, dass ich nicht nur für einen Urlaub nach Israel gekommen war, sondern um dort zu leben. Jerusalem war damals eine offene Stadt. Gerade noch. Israelis gingen nach Ostjerusalem, Palästinenser waren in Westjerusalem zu sehen. Eine Bekannte, die an der Hebräischen Universität Professorin für jüdische Folklore war, hatte ein schweres Leiden, für das sie nur in Europa die richtigen Medikamente bekam. Sie wurden ihr regelmäßig zugeschickt. Ihr palästinensischer Gemüsehändler im Ostteil der Stadt hatte dasselbe Leiden, sein Arzt bestätigte ihm, dass er dieselben Medikamente benötigte wie seine israelische Kundin. Doch er konnte sich diese nicht leisten. Also besorgte ihm Galit die Tabletten und bekam dafür von ihm auf alles, was sie kaufte, einen Rabatt. Man verstand sich, man half sich, alles schien so normal. Schien.

In jenem Sommer 1987 erschien David Grossmans Buch Der gelbe Wind. Grossman war durch die besetzten Gebiete gefahren, hatte Palästinenser besucht, mit ihnen geredet, ihre Gefühlswelt erforscht. Sein Bericht traf einen Nerv. Und so mancher Israeli war alarmiert. Denn Grossman prophezeite, dass die Ruhe bald vorbei sein, dass bald ein Sturm losbrechen könnte, der alles, alles verändern würde. Die ruhigen Jahre der Besatzung wären dann wohl vorbei. Längst war das Siedlungsprojekt zum Politikum geworden, spätestens nach 1977, als zum ersten Mal ein Rechter Ministerpräsident wurde, Menachem Begin. Die Linke, die seit Staatsgründung an der Macht war, hatte zum ersten Mal Wahlen verloren. Menachem Begin, aber vor allem Ariel »Arik« Scharon, unter Begin zunächst Landwirtschafts-, dann Verteidigungsminister, trieb das Siedlungsprojekt voran. Er überzog das gesamte Westjordanland mit immer neuen Siedlungen, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Die Siedlerbewegung fühlte sich im Recht. Das Westjordanland war das biblische Israel, auf dieses Land hatte man vielleicht noch mehr Anrecht als auf den Teil, der bereits israelisches Staatsgebiet war. Man argumentierte natürlich auch mit Sicherheitskriterien. Israel brauchte dringend »Tiefe«, um mögliche Angriffe in Zukunft besser abwehren zu können. So unsicher wie 1967 wollte man sich nie wieder fühlen. Inzwischen war bekannt, dass Israel den Sechs-Tage-Krieg gewonnen hatte, weil es ihn mit einem Überraschungsangriff begonnen hatte. Aufgrund seiner geografischen Winzigkeit hatte Israel stets die Militärdoktrin befolgt, einen Krieg tief in das Land des Feindes hineinzutragen. Die Gefahr, überrollt zu werden, wenn es einem arabischen Heer gelingen sollte, ins Staatsterritorium einzudringen, war einfach zu groß. Welche Konsequenzen das haben könnte, sah man doch 1973, als die ägyptische Armee über den Suezkanal setzte und die Bar-Lev-Linie, die Verteidigungslinie, überrannte. Während die Sinai-Halbinsel dem Land eine gewisse Tiefe gab und somit auch Zeit, um mehr Truppen in Richtung Suezkanal zu bewegen, war die Lage auf dem Golan dramatischer. Die syrische Armee hatte ebenfalls angegriffen und die viel zu geringe Anzahl an Panzern, die Israel dort stationiert hatte, musste einer Übermacht der Syrer standhalten, bis endlich Verstärkung kam. Wenn dies nicht gelungen wäre, wären die Syrer im Nu am See Genezareth gewesen und somit mitten in Israel. Mit einem normalen Auto fährt man vom Ufer des Sees in etwa dreißig bis sechzig Minuten hinauf auf den Golan, je nachdem, wo man genau hinwill. Ein Katzensprung also.

Tiefe, geografisch-militärische Tiefe wollte Israel. Und dann war da noch die Sache mit Gott. Mit seinem Versprechen, dass dieses Land dem Volk Israel verheißen ist. Zweitausend Jahre war das jüdische Volk von diesem Land getrennt. Wobei das so genau nicht stimmt, denn es hatten fast immer Juden in dem Land gelebt, das jahrhundertelang Palästina genannt wurde, für das jüdische Volk aber immer nur »Eretz Israel« war, das Land Israel. Dennoch – man hatte im ersten Jahrhundert nach Christus die Herrschaft über das Land endgültig verloren. Titus hatte 70 n. Chr. den Jüdischen Tempel zerstört, und drei Jahre später war auch die Festung Massada erobert, wo ein letzter Rest an jüdischen Widerständlern kollektiv Selbstmord beging, um nicht in römische Sklaverei zu geraten. Bis heute ist die Losung der israelischen Armee, ja, des gesamten Volkes mit diesem historischen Ereignis verbunden: »Massada darf nicht wieder fallen!« Oft werden israelische Rekruten nach ihrer Grundausbildung auf dem Plateau der Festung Massada feierlich vereidigt. Sie bekommen den T’nach, die heiligen jüdischen Schriften, gleichzeitig mit ihrer Waffe überreicht. So sollen sie sich als Verbindungsglied zwischen der jüdischen Geschichte damals und heute verstehen, mit dem Auftrag, nie wieder einen Churban, eine totale Zerstörung, zuzulassen.

Also die Sache mit Gott. Warum hatten Juden in der Diaspora nicht schon in früheren Jahrhunderten versucht, zurückzukehren nach Zion, nach Jerusalem? Warum hatten sie nicht früher versucht, einen jüdischen Staat zu gründen?

In den Schriften hieß es stets, dass ein neuer jüdischer Staat erst mit der Ankunft des Messias entstehen würde. Nur zur Erinnerung für den nichtjüdischen Leser: Während das Christentum glaubt, der Messias, der Erlöser, sei bereits in der Person Jesu erschienen, wartet das Judentum immer noch auf den Messias. Jesus wird als Messias nicht anerkannt, unter anderem auch deswegen, weil die Prophezeiungen, die mit der Ankunft des Messias im Judentum verbunden werden, nicht erfüllt sind. Aus diesem Grund hatten Juden nie das Unternehmen gewagt, Zion wieder zu erobern. Man musste warten und bis dahin sein schweres Schicksal erdulden. Was nicht vergessen werden darf: Juden hatten über Jahrhunderte, ja, Jahrtausende überhaupt nicht die politische Macht oder Möglichkeit, einfach mal so aus ihren jeweiligen »Gastländern« auszuwandern und nach Palästina zu gelangen. Gewiss, es gab immer wieder einzelne, die sich ihren religiösen Traum erfüllten und nach Jerusalem gingen. Der große Dichter Yehuda ha-Levi aus Toledo war beispielsweise im 12. Jahrhundert von Spanien nach Palästina gepilgert. Aber die Gründung eines jüdischen Staates? Unmöglich. Religiös unmöglich, aber mehr noch politisch unmöglich. Die jüdische Diaspora war stets außerhalb der Geschichte, sie war kein Akteur innerhalb der menschlichen Geschichte, sondern stets nur Opfer und ohnmächtig.

Es bedurfte mehrerer Entwicklungen im christlichen Europa, um die Voraussetzungen für die Gründung eines jüdischen Staates zu schaffen und damit den Wiedereintritt des »Juden« in die Geschichte. Da war zunächst die Französische Revolution und die Aufklärung und damit verbunden die Säkularisierung der Gesellschaft ebenso wie die Entscheidung, Juden zu Staatsbürgern zu machen und ihnen Rechte zuzugestehen, gleiche Rechte. Dann war da die Entwicklung der nationalen Idee, die in Form des Nationalstaates ihren stärksten, sehr europäischen Ausdruck erhielt. Und schließlich die Entwicklung des modernen, rassischen Antisemitismus, hervorgegangen natürlich aus dem christlichen, religiös motivierten Antijudaismus, der Juden trotz der Emanzipation das Leben in Europa zur Hölle machte. Diese Voraussetzungen zusammengenommen führten zur Entstehung des Zionismus. Der Zionismus war nicht nur der jüdische Ausdruck der nationalstaatlichen Idee, die Transformation des jüdischen Volkes in die jüdische Nation, er war nicht nur die Antwort auf den rassisch begründeten Antisemitismus, sondern er war auch getragen von der Idee der Aufklärung, eine Revolution im Inneren, eine Emanzipation von der jüdischen Tradition und Religion zu vollbringen. Der Zionismus setzte sich zum Ziel, eine jüdische Identität jenseits des Religionsgesetzes zu schaffen, jenseits der Halacha, jenseits alter Lebensformen, die von vielen Juden, die sich zur Haskala, der jüdischen Aufklärung, bekannten, in Frage gestellt wurden. Aus all diesen Gründen lehnte die jüdische Orthodoxie den Zionismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert vehement ab. Der Zionismus war Verrat. Verrat an allem, was das Judentum in der Diaspora zusammengehalten hatte. Er war auch Verrat an der Diaspora selbst, an einer Lebensform, in der sich das jüdische Volk nolensvolens eingerichtet hatte und die sie im politischen und historischen Kontext nicht anzweifelte, trotz der langen Leidensgeschichte mit jeweils kurzen Erholungspausen oder, wie Juden diese zu nennen pflegen: Perioden zwischen Verfolgungen und Vernichtungen. Mit dieser Lebensform wollte der Zionismus endgültig brechen. Er war eine Auflehnung nicht nur gegen die jüdische Orthodoxie, nicht nur gegen den Antisemitismus, gegen das christliche Europa, er war ebenso und vielleicht noch mehr eine Auflehnung gegen Gott. Das aber hatte gute jüdische Tradition. »Ein Jude kann mit oder gegen Gott sein, aber nie ohne ihn«, sagte einmal der verstorbene Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel. Der frühe Zionismus hatte viel von dieser Haltung. Umso erstaunter und entsetzter waren viele Vertreter der jüdischen Orthodoxie, als die frühen Zionisten 1917 einen ersten großen politischen Erfolg feiern konnten. Damals erklärte der britische Außenminister Arthur James Balfour, die Juden hätten ein Anrecht auf eine nationale Heimstätte in Palästina. Wie konnte das sein? Wie konnte es sein, dass diese Abtrünnigen, diese Verräter am Religionsgesetz, Unterstützung von der Mandatsmacht im damaligen Palästina erhielten? Wieso konnte Gott das zulassen?

Raw Abraham Isaac Kook, der von 1865 bis 1935 lebte und der erste aschkenasische Oberrabbiner Palästinas wurde, suchte und fand eine theologische Antwort auf diese Frage. Er verglich die säkularen Zionisten mit den Handwerkern im Jüdischen Tempel. Dieser musste ja immer wieder mal gereinigt und renoviert werden. Und dazu mussten die Handwerker auch in das Allerheiligste gehen können, in den Raum, wo nur der Hohepriester eintreten durfte und das auch nur einmal im Jahr, am höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur. An diesem Tag trat der Hohepriester in diesen Raum vor Gott, sprach dessen Namen aus und bat Gott um Vergebung für die Sünden des jüdischen Volkes. Niemand, absolut niemand außer dem Hohepriester an diesem einen Tag, durfte da hinein. Aber auch dieser Raum musste ja gereinigt werden. Was also tun? Die Antwort war simpel und pragmatisch. Für die Zeit der Renovierung des Tempels wurde, vereinfacht erklärt, diesem die »Heiligkeit« genommen. So wurde etwa die Bundeslade für den Zeitraum entfernt, ebenso wie andere Ritualgegenstände. Nun konnten die Handwerker in das Allerheiligste, das jetzt nichts anderes war als ein simpler Raum. Danach wurde der Tempel wieder neu geheiligt, neu geweiht, die Bundeslade und alles andere kamen zurück, Gebete wurden gesprochen, heiliges Öl entzündet und damit war alles wieder beim Alten.

Raw Kook übertrug diesen Vorgang metaphorisch auf den Zionismus. Das verheißene Land, Eretz Israel, war Anfang des 20. Jahrhunderts entheiligt, denn es war Jahrtausende in den Händen nichtjüdischer Mächte gewesen. Es musste, wie einst der Tempel, erst wieder in den Zustand der Heiligkeit zurückgeführt werden. Die antireligiösen Zionisten waren also die »Handwerker«, die das Land reinigten, es vorbereiteten auf den Moment, da es wieder »heilig« werden konnte. Heilig für den großen Augenblick der Prophezeiung, in dem der Messias erscheint, das »Dritte Haus« (»Bait HaShlishi«) baut, den Dritten Tempel, und die Erlösung beginnt. Mit dieser Analogie machte Raw Kook die säkularen Zionisten zu Werkzeugen Gottes. Der theologische Widerspruch zwischen den Schriftprophezeiungen und der Realität des frühen 20. Jahrhunderts war – zumindest für Teile der Orthodoxie – überwunden. Natürlich schlossen sich nicht alle Strömungen dieser Sichtweise an, die sich zur späteren nationalreligiösen Ideologie ausweitete. Bis heute gibt es orthodoxe Gruppen, die den Zionismus strikt ablehnen, ihn sogar bekämpfen. Man kennt die Bilder von Ultrafrommen, die sich an der Seite des früheren iranischen Präsidenten Ahmadinejad im Teheran oder an der Seite von Yassir Arafat oder Mahmud Abbas in Ramallah zeigten, um gegen die »Zijojnim«, wie sie auf Jiddisch genannt werden, zu kämpfen. Diese jüdischen Antizionisten reden auch kein Hebräisch, denn dies ist die Sprache Gottes, sie darf nicht entheiligt werden, sie sprechen deswegen im Alltag nur Jiddisch. Doch es sind heute nur kleine Randgruppen, die im orthodoxen Mainstream keine große Rolle spielen. Denn vor allem nach dem Holocaust begriffen die meisten Orthodoxen, dass der Staat Israel eine politische Notwendigkeit geworden war, dass es nicht um Theologie ging, sondern ums nackte Überleben, um den Erhalt des jüdischen Volkes.

Die Geschichte schien Raw Kook recht zu geben. Denn mit der Gründung des Staates Israel begann das, was in den Schriften als »Kibbutz Galuyot«, als »Einsammlung der Exilierten« beschrieben wird. Juden wanderten aus allen Winkeln dieser Erde nach Israel ein. Aus Europa, den USA, aus Afrika und dem Nahen Osten. Die Zeit der Erlösung schien nah. Dies wurde mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 eindrucksvoll unterstrichen. Die Eroberung der Gebiete, die wir heute allgemein als »besetzte Gebiete« bezeichnen, die Eroberung des Westjordanlandes, das eigentliche biblische Israel, die Rückeroberung der Heiligen Stätten, das wurde von vielen in der Tat als ein göttliches Zeichen gesehen. Nach 2000 Jahren Diaspora und nur 22 Jahre nach dem Holocaust. Und nicht nur fromme Juden sahen die Hand Gottes mit im Spiel. Auch nichtreligiöse Juden begannen 1967 an ein Wunder zu glauben.

In dieser religiös aufgeladenen Atmosphäre war die Weiterentwicklung der »Handwerker«-Idee fast schon zwangsläufig. Es war der Sohn jenes Raw Abraham Isaac Kook, Raw Zvi Yehuda Kook, der dafür wiederum die theologischen Grundlagen lieferte. Er gilt als geistiger Vater der religiösen Siedlerbewegung, des »Gush Emunim«, des »Blocks der Getreuen«. Ihr theologisches Rüstzeug hatten diese frühen Eiferer in der Yeshiva, der Religionsschule von Zvi Yehuda Kook erhalten, in der »Merkaz haRaw«, die bis heute in Jerusalem existiert. Es galt nun, das Werk der säkularen Zionisten zu vollenden. Nun aber bereits im religiösen Bewusstsein der Aufgabe. Ganz Israel, Eretz Israel, musste besiedelt werden, um es heilig zu machen, um es vorzubereiten auf die Ankunft des Messias. Und dass er kommen wird, schien außer Zweifel zu sein. Die Zeichen dafür waren doch offensichtlich. Nicht nur für die Juden. Für die ganze Welt. Die Fahne des jüdischen Staates wehte über Zion, über ganz Zion, war das nicht Zeichen genug?

Die jüdische Geschichte hatte einige falsche »Messiasse« erlebt. Shabtai Zvi aus Smyrna hatte beispielsweise im 17. Jahrhundert eine Massenhysterie in der jüdischen Welt erzeugt. Viele Juden hatten ihr gesamtes Hab und Gut aufgegeben, um diesem »Messias« zu folgen. Wahre Ekstase hatte weite Kreise der jüdischen Gemeinden erfasst. Der dreißigjährige Krieg hatte vielen das Gefühl gegeben, in einer »Endzeit« zu leben. Da kamen die Verkündungen dieses Shabtai Zvi gerade recht. Dass er ein Scharlatan war, stellte sich spät, zu spät für seine Anhänger heraus, als er plötzlich zum Islam übertrat. Er hinterließ einen emotionalen und religiösen Trümmerhaufen in der jüdischen Diaspora, von dem sich das Judentum lange Zeit nicht erholte. Nach Shabtai Zvi hatten die Rabbinen streng darauf geachtet, dass solch eine Katastrophe nicht noch einmal geschehen konnte. Darum gaben sie dem Thora- und Talmudstudium absolute Priorität und sprachen jedem, der kein »Talmud Thora«, kein Thoragelehrter war, jegliche Autorität ab. Erst mit dem Erstarken des Chassidismus in Osteuropa begann sich dies allmählich wieder zu ändern, denn der Chassidismus stellte den einfachen gläubigen, aber nicht gelehrten Juden wieder in den Mittelpunkt und erklärte, dass auch er göttliche Eingaben haben könne.

Nach dem Holocaust und dem Wunder der Wiederauferstehung eines jüdischen Staates begannen so manche frommen Gruppierungen, erneut Endzeit- und Erlösungsfantasien zu entwickeln. War die Shoah nicht auch eine Katastrophe von solch gigantischem Ausmaß, dass nun endlich der Messias kommen musste, argumentierten sie.

»Gush Emunim« mit ihrem geistigen Führer Raw Zvi Yehuda Kook ist nur als Phänomen dieser Zeit zu verstehen. Es ging nicht um die Palästinenser, es ging nicht um die Vertreibung der Palästinenser aus dem Westjordanland, es ging ideologisch um die prophezeite Rückkehr in das biblische Land. Als die Hebräer unter Yoshua Bin Nun nach Israel zurückkehrten, war das Land ja auch bevölkert gewesen. Die Siedler der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts bewaffneten sich zwar, denn man begann teilweise unter Palästinensern zu leben, wie in Hebron, aber niemand hatte damals das Gefühl, er würde den Arabern irgendetwas wegnehmen. Gott hat das Land den Juden gegeben. Zweimal – in der Bibel und jetzt wieder. In dieser theologisierten Vorstellung gab es schlicht keinen Anspruch anderer auf das Land.

Dieser Mischung aus Erlösungsesoterik und Sicherheitsüberlegungen gesellte sich noch ein dritter, legalistischer Aspekt hinzu. Wem gehörte denn das Land, das heute allgemein Westjordanland genannt wird, oder auf Englisch Westbank, wirklich? Den Palästinensern, die dort lebten? Es war bis zum Sechs-Tage-Krieg jordanisches Staatsgebiet. Doch es war ein Gebiet, das sich Jordanien nach 1948 einverleibt hatte – und diese Einverleibung war lediglich von zwei Staaten international anerkannt worden: Großbritannien und Pakistan. Alle anderen Staaten hatte diese Besatzung völkerrechtlich nicht anerkannt. Wem gehörte das Land also? Vor Jordanien war es britisches Mandatsgebiet und davor Teil des Osmanischen Reiches. Doch dieses gab es längst nicht mehr. Also wem gehörte es dann? Wenn die ideologisch motivierten Siedler von »befreiten« und nicht von »besetzten Gebieten« sprechen, dann führen sie diese völkerrechtlichen Argumente neben religiösen Überzeugungen mit an, um klarzumachen, dass sie das Land juristisch tatsächlich niemandem weggenommen haben. Zumindest in ihren Augen.

Als mit dem Ausbruch der Ersten Intifada im Dezember 1987 Israel die Besatzung buchstäblich um die Ohren flog, waren die meisten Israelis überrascht und schockiert. Sie kannten zwar Terror. Doch im Grunde wurden die Palästinenser als schwach und phlegmatisch angesehen. Und als unfähig. Vor allem die Führung der PLO. Mit Letzterem hatten die Israelis ja gar nicht so unrecht. Und so durfte es nicht verwundern, dass die Intifada ein »Grassroots«-Aufstand war, ein Aufstand des Volkes, das von den reichen, korrupten Führern der PLO im Ausland wenig hielt. Die Intifada führte schließlich zum Abkommen von Oslo, zum berühmten Handschlag zwischen Israels Premier Yitzhak Rabin und PLO-Führer Yassir Arafat im Rosengarten des Weißen Hauses in Washington. Präsident Bill Clinton musste Rabin ein wenig anschieben, damit er Arafat die Hand reichte. Dem hochdekorierten General von einst war es zuwider, dem Terroristen Arafat die Hand zu reichen. Aber gerade dass er, Rabin, dies getan hat, war ein wichtiger Schritt auf dem Weg des Friedensprozesses, um die Formel der »Zwei-Staaten-Lösung« und »Land für Frieden« schließlich zum Mantra einer ganzen Region und einer ganzen Generation zu machen.

Heute, 2018, sind wir vielleicht weiter von einer Zwei-Staaten-Lösung entfernt denn je zuvor. Die Akteure auf beiden Seiten sind nicht in der Lage oder nicht willens, diesen Traum Realität werden zu lassen. Die politischen Umstände im gesamten Nahen Osten lassen es nicht zu, und wahrscheinlich sind auch die weltpolitischen Verwicklungen alles andere als geeignet, um Frieden zwischen Israelis und Palästinensern in den nächsten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten zu erreichen.

Was siebzig Jahre nach der Nakba und einundfünfzig Jahre nach der Besetzung des Westjordanlandes und Gazas klar ist: Die israelische Gesellschaft ist zerrissener denn je, ist insgesamt weiter nach rechts gerückt, ist religiöser, in Teilen sogar fundamentalistischer geworden. Der Zionismus durchlief im Laufe seiner Geschichte verschiedene Phasen: von der Idee eines jüdischen Staates bis zur Gründung Israels. Von der Schaffung einer eigenen hebräischen Kultur bis hin zum sogenannten Postzionismus, den viele Historiker in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts ausriefen. Israel hat sich von einem sozialistischen Agrarland zu einem der wichtigsten High-Tech-Hubs der Welt entwickelt und ist nun in einer Phase, in der es sich mit Dringlichkeit fragen muss, ob es zugleich ein jüdischer und demokratischer Staat sein kann und will. Was wird Israel in dreißig Jahren sein? Ein demokratischer Staat aller Bürger? Ein jüdischer Staat mit demokratischen Zügen, in dem Minderheiten geschützt sind? Ein Apartheid-Staat, in dem eine Minderheit eine Mehrheit unterdrücken wird? Oder gar ein autoritär-theokratischer Staat? Alles scheint im Augenblick möglich. Vor allem in diesen unsicheren Zeiten, in denen sich alle liberalen westlichen Demokratien in einer tiefen Sinn- und Bewährungskrise befinden, die der israelischen Problematik nicht unähnlich ist. Die tektonischen politischen Verschiebungen, die globalen gesellschaftlichen Veränderungen, die digitale Revolution lassen überall die Fundamente der Demokratie erzittern.

In Israel geht es darüber hinaus immer auch noch ums Überleben. Es ist die vielleicht »jüdischste« Form menschlicher Existenz. Und die Existenz Israels ist auch nach all diesen Jahrzehnten und trotz einer der stärksten Armeen der Welt keineswegs gesichert, wenngleich eine Zerstörung Israels eine Zerstörung des gesamten Nahen Ostens bedeuten würde. Wird Israel überleben? Viele Israelis bemühen sich um eine zweite Staatsbürgerschaft, vor allem Juden europäischer Herkunft sind seit Jahren damit beschäftigt, die verlorene Staatsbürgerschaft ihrer Eltern und Großeltern wiederzubekommen. Erst kürzlich berichtete mir ein Freund aus Tel Aviv, dessen Familie im Nationalsozialismus aus Deutschland geflohen war, dass er nun für sich und seine Töchter die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und auch bekommen hat. Die Geburts- und Heiratsurkunde seines Großvaters Adolf reichte aus (ja, im 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es natürlich auch Juden, die Adolf hießen), um seinen Anspruch bei den deutschen Behörden zu belegen. Die Erleichterung dieses Freundes war vielleicht noch größer als der Stolz, etwas zurückzubekommen, was man seiner Familie einst geraubt hatte: »Jetzt weiß ich, dass meine Töchter jederzeit hier wegkönnen, wenn es ganz schlimm werden sollte!« Palästinenser reden nicht so. Israelis reden nicht so. Doch »der Jude« in ihnen, der redet so. Auch nach siebzig Jahren in Palästina, in Israel, in Zion.

I – Wie sind Israelis

1 – Angst ist immer mit dabei

Samuel Lewis, der zur Zeit der Präsidentschaft von Ronald Reagan amerikanischer Botschafter in Israel war, erzählte mir vor Jahren eine wunderbare Geschichte. Der inzwischen verstorbene Diplomat, der, anders als sein Name vermuten lässt, kein Jude, sondern Presbyterianer war, wurde nach dem Golfkrieg 1991 vom damaligen Präsidenten George H. W. Bush ins Weiße Haus eingeladen. Bush senior wollte eine Friedenskonferenz vorbereiten, an der alle arabischen Staaten, die Palästinenser und die Israelis an einem Tisch sitzen sollten, damals eine fast unvorstellbare Herkulesaufgabe.

Im Prime Minister’s Office in Jerusalem saß damals der »Falke« Yitzhak Shamir, ein Mann, der in einer rechten Untergrundorganisation gegen das britische Mandat gekämpft hatte, ein Mann, der in Israel und in den USA als »Mr. No« bekannt war. Was immer man ihm in Richtung Verhandlungen mit den Palästinensern vorschlug, es kam von ihm stets nur ein Nein. Er stammte aus einem kleinen Dorf im heutigen Weißrussland und hatte den Holocaust durchmachen müssen. Seit dieser Erfahrung misstraute er jedem, den Europäern sowieso, aber auch allen anderen Nichtjuden und vor allem allen Arabern, am meisten Palästinenserführer Yassir Arafat. Wie also diesen gerade mal 1,52 Meter kleinen, aber extrem harten und dickköpfigen Mann zu Verhandlungen mit der arabischen Welt bringen? Noch dazu, nachdem Israel während des Golfkrieges zum ersten Mal Raketenangriffe auf Tel Aviv erleben musste? Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte jede Nacht Scud-Raketen auf Israel abfeuern lassen. Er hatte gedroht, Sprengköpfe mit Giftgas auf den Raketen anzubringen. Giftgas, das aus Deutschland kam. In Israel herrschte vor Kriegsbeginn große Nervosität. Gas aus Deutschland. Ein neuer Holocaust? Die Vorbereitungen für den Krieg liefen auf Hochtouren. Im ganzen Land wurden Gasmasken verteilt, in jeder Wohnung musste ein Raum mit Plastikplanen versiegelt werden. Darin sollte man sich bei den zu erwartenden Raketenangriffen aufhalten, die Gasmasken aufsetzen und ausharren – und hoffentlich überleben. George Bush hatte damals eine große Allianz gegen Saddam Hussein geschmiedet. Selbst die Syrer waren mit von der Partie. Voraussetzung dafür aber war, dass Israel sich nicht an dieser Koalition und an diesem Krieg beteiligen werde. Shamir begriff das. Aber er machte im Vorfeld immer wieder klar: Im Falle eines Angriffs werde Israel nicht einfach tatenlos zusehen, sondern einschreiten. Die Zeiten, als Juden sich nicht wehren konnten, seien vorbei. Für US-Präsident Bush bedeutete das ein Rennen gegen die Zeit. Er musste versuchen, die mobilen irakischen Raketenabschussrampen für die Scuds so schnell wie möglich von seiner Air Force zerstören zu lassen. Denn im Falle eines Raketeneinschlages mit einer hohen Zahl an israelischen Todesopfern würde die israelische Luftwaffe unter keinen Umständen am Boden bleiben.

Der Krieg kam. Und mit ihm die ersten Scud-Angriffe. Wie durch ein Wunder richteten sie nur geringen Schaden an. Gebäude wurden zerstört, einige Israelis starben, aber das Massensterben blieb aus, zum Glück. Die Raketen trugen keine Giftgassprengköpfe. Mehrfach wurde die israelische Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzt. Mehrfach waren Shamir und sein Verteidigungsminister Moshe Arens drauf und dran, gegen Saddam in den Krieg zu ziehen. Man wusste ja nicht, wie der Krieg enden würde, jede Nacht kamen die Scuds, und jede Nacht fürchtete man, die Vergasung könnte doch noch kommen. Hinzukam ein psychologisches Problem, denn jede Nacht, die Israel Angriffe ertrug, ohne zum Gegenschlag auszuholen, bedeutete für Saddam Hussein einen kleinen Sieg, die arabische Welt konnte zuschauen, wie Israel plötzlich hilflos war.

Die Israelis befanden sich also in einer für sie höchst ungewöhnlichen Situation. Sie konnten nichts tun. Waren den Raketen ausgeliefert. Präsident Bush war im ständigen Kontakt mit Shamir und versprach täglich aufs Neue, dafür zu sorgen, dass keine Scuds mehr auf Tel Aviv abgefeuert werden können, doch mit jedem Tag wuchs der Druck auf den amerikanischen Präsidenten. Shamir war mehr als einmal während des Krieges bereit, Atomwaffen gegen den Irak einzusetzen. Das hatten die Israelis die US-Administration sehr deutlich wissen lassen. Ob diese Warnung nur Bluff war, ob Israel tatsächlich seine Atomwaffen zum Einsatz vorbereitete, ist unklar, es gibt jedoch Hinweise, dass Israel begonnen hatte, seine Kampfjets mit taktischen Atomraketen zu bestücken, bestätigt ist dies allerdings nicht. Doch Bush wusste, dass Eile geboten war. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte er den Israelis nicht den Erkennungscode der Allianz gegen Hussein gegeben. Mit diesem Code können im Luftkampf feindliche von befreundeten Jets unterschieden werden, um sie nicht aus Versehen abzuschießen. Israel wusste, dass es im Fall der Fälle Gefahr laufen würde, seine Kampfjets »friendly fire« auszusetzen.