Alpengold 389 - Rosi Wallner - E-Book

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Rosi Wallner

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Beschreibung

Niemand in Hochkirchen wundert sich, dass der leichtsinnige, großmäulige Gabriel Steiner sein Madl fallen lässt, als er erfährt, dass Annamirl ein Kind von ihm unter dem Herzen trägt. Verantwortungsbewusstsein und die Rolle des treuen Ehemannes und Vaters trauen ihm selbst seine Freunde nicht zu. Und so steht die hübsche Annamirl ganz allein in der Welt, denn der Mann, den sie liebt, will tatsächlich nichts mehr von ihr wissen.
Doch es kommt noch schlimmer. Kaum hat das Madl einem gesunden Buben das Leben geschenkt und das Krankenhaus mit dem Baby verlassen, verliert sich plötzlich die Spur von den beiden. Zeugenaussagen belasten Gabriel Steiner schwer, Annamirl etwas angetan zu haben, und ehe er es sich versieht, sitzt er schon in Untersuchungshaft ...


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Inhalt

Cover

Der Büßer vom Kreuzhof

Vorschau

Impressum

Der Büßer vom Kreuzhof

Hofft er umsonst auf Vergebung?

Von Rosi Wallner

Niemand in Hochkirchen wundert sich, dass der leichtsinnige, großmäulige Gabriel Steiner sein Madl fallen lässt, als er erfährt, dass Annamirl ein Kind von ihm unter dem Herzen trägt. Verantwortungsbewusstsein und die Rolle des treuen Ehemannes und Vaters trauen ihm selbst seine Freunde nicht zu. Und so steht die hübsche Annamirl ganz allein in der Welt, denn der Mann, den sie liebt, will tatsächlich nichts mehr von ihr wissen.

Doch es kommt noch schlimmer. Kaum hat das Madl einem gesunden Buben das Leben geschenkt und das Krankenhaus mit dem Baby verlassen, verliert sich plötzlich die Spur von den beiden. Zeugenaussagen belasten Gabriel Steiner schwer, Annamirl etwas angetan zu haben, und ehe er es sich versieht, sitzt er schon in Untersuchungshaft ...

»Immer hat es ihn umgetrieben, den Bauern vom Kreuzhof, nun soll ihm wenigstens der Herrgott die ewige Ruh schenken«, murmelte Anni Ottinger, die Wirtin des Dorfgasthauses »Zur Weißen Gams«.

Sie stand in angemessener Entfernung des Grabes, in das gerade der schwere Eichensarg hinabgelassen worden war. Hochwürden sprach noch einmal Segenswünsche für den Verstorbenen aus und trat dann zurück, damit die Hinterbliebenen auf ihre Weise Abschied von Rupert Steiner nehmen konnten.

Anni überkam ein Frösteln, das nicht allein dem kalten Wind, der durch die hohen, düsteren Eibischbüsche fuhr, geschuldet war. Unwillkürlich griff sie nach dem Arm ihrer Nichte, die neben ihr stand.

»Das ist der Fluch, der auf dem Kreuzhof liegt«, flüsterte Anni und bekreuzigte sich gleich mehrmals. »Einen elenden Tod ist er gestorben, der Bauer, wie alle Vorfahren, die auf dem Hof gelebt haben.«

»Was für ein Fluch?«, wollte Lissi Murner wissen.

»Später«, gab ihre Tante mit unterdrückter Stimme zur Antwort.

Sie beobachteten nun, wie ein hochgewachsener dunkelhaariger junger Mann, dessen schöne Züge seltsam verkniffen wirkten, eine kleine Schaufel ergriff und Erde auf den Sarg prasseln ließ. Eine gebrechliche ältere Frau, die selbst schon an Grabes Rand zu stehen schien, warf einen kleinen Blumenstrauß hinab und murmelte etwas vor sich hin, bevor sie wieder Halt suchend nach dem Arm des Mannes griff.

Die Honoratioren folgten, die meisten jedoch nickten nur kurz und schienen danach froh, sich dieser Pflicht entledigt zu haben. Anschließend löste sich die Trauergesellschaft rasch auf, auch Anni und ihre Nichte strebten dem Friedhofstor zu.

»Nun erzähl mir doch, Tante, was es mit dem Fluch auf sich hat«, drängte Lissi.

»Das ist eine gruselige Geschichte. An der Stelle, wo jetzt der Hof steht, ist vor Urzeiten ein großes Bergkreuz errichtet worden. Eines Tages kamen die Steiners ins Tal. Sie hatten es zu großem Reichtum gebracht und wollten sich hier in unserem schönen Bergtal niederlassen. Der Vorfahr beschloss, einen Hof genau an der Stelle zu erbauen, wo das Kreuz stand. Eines Nachts wurde das Kreuz durch ein Feuer zerstört, und Steiner setzte seinen Plan in die Tat um.

»Und dann?«

»Das löste großen Aufruhr im Tal aus, denn das Kreuz war eine Art Heiligtum für die Dörfler. Das ging sogar so weit, dass Steiner samt seinen Nachfahren von einer alten Frau, die als Dorfhexe galt, verflucht wurde. Keiner von ihnen sollte jemals glücklich werden und einen friedlichen Tod haben. Und bei dem Rupert war es ja auch so. Er ist unter den Traktor geraten, und es dauerte qualvolle Stunden, bis ihn jemand fand. Es heißt, er soll die ganze Zeit bei vollem Bewusstsein gewesen sein. Erst nach Tagen ist er im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen gestorben.«

»Wie furchtbar«, murmelte Lissi, und ihr reizendes Gesicht zeigte den Ausdruck größten Mitgefühls.

Anni seufzte. »Man soll nichts Schlechtes über Verstorbene sagen, aber der Steiner war ein übler Mensch. Er hat seine Frau früh ins Grab gebracht durch seine Untreue. Wenn er betrunken war, und das kam häufig vor, hat er sie sogar misshandelt. Und den Buben hat er mit dem Gürtel geschlagen, kein Wunder, dass der ganz nach dem Vater geraten ist.«

»Jessas«, kam es über die Lippen des Madls.

»Sein Großvater war net besser. Er war ein Schläger bis ins hohe Alter. Seine Tochter hat er aus dem Haus getrieben, sie ist nach München gegangen, und niemand hat jemals wieder etwas von ihr gehört. Seine Frau ist auch spurlos verschwunden, und lange hat sich das Gerücht gehalten, dass er ihr etwas angetan hat. Aber man konnt ihm nichts nachweisen. Außerdem lag ihm die Wilderei im Blut, und die hat ihn schließlich das Leben gekostet. Denn früher haben die Jäger net lang gefackelt, wenn sie auf einen Wilddieb stießen.«

»Das sind ja schlimme Geschichten«, meinte Lissi, sichtlich außer Fassung gebracht.

»Schlechtes Blut halt, wie man so sagt.«

»Aber dieser junge Mann, der heut seinen Vater begraben hat, macht doch einen guten Eindruck. Ein richtig schmucker Bursch ist der«, wandte Lissi ein.

»Ja, er schaut wirklich gut aus, der Gabriel, aber er ist alles andere als ein Engel. Er nutzt sein Aussehen weidlich aus und hat hier schon manchem Madl das Herz gebrochen. Ein richtiger Schürzenjäger ist er, der auch vor verheirateten Frauen net haltmacht. Außerdem ist er ein Raufbold, einmal hat er sogar bei uns in der ›Weißen Gams‹ eine Prügelei angezettelt.«

»Und wie ist das Ganze ausgegangen?«

»Dein Onkel hat ihn eigenhändig vor die Tür gesetzt. Anschließend musste der Gabriel von seinen Spezln ins Krankenhaus gefahren werden«, schloss Anni befriedigt.

Lissi verbiss sich nur mühsam ein Lachen. Der Gamswirt, wie man Franz Ottinger nannte, war eine wuchtige Erscheinung, jedoch gewöhnlich von friedlicher Wesensart. Aber wenn man ihn reizte und beispielsweise sein Mobiliar, das noch von den Urgroßeltern stammte, beschädigte, dann geriet er außer sich.

»Hat sich der Gabriel jemals wieder bei euch blicken lassen?«

»Aber ja, schließlich hat er beim Gamswirt auch seinen Stammtisch. Aber er steht sozusagen unter Aufsicht, und so nimmt er sich halt zusammen.«

»Vielleicht ist er doch net so schlimm.«

Anni warf ihrer Nichte einen misstrauischen Blick zu.

»Dass du bloß net mit dem anbändelst ...«

»Aber nein«, gab Lissi lachend zurück. »Ich hab doch meinen Wiggerl, den tät ich nie hergeben. Nächstes Jahr feiern wir Hochzeit, und dass ich jetzt von ihm getrennt bin, kommt uns beide hart an.«

Das Madl sollte noch einige Monate in der »Weißen Gams« verbringen und sich in den Betrieb einarbeiten. Denn ihre zukünftigen Schwiegereltern besaßen ein ähnliches Gasthaus und würden es den jungen Leuten übergeben, sobald sie verheiratet waren.

»Nun, nächste Woche hast du wieder einen Tag frei, dann kannst du deinen Wiggerl wiedersehen«, meinte Anna tröstend.

Die beiden hatten inzwischen die Dorfstraße von Hochkirchen erreicht und lenkten ihre Schritte auf das breit dahingelagerte Wirtshaus zu, das zwar inzwischen renoviert, aber dennoch weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben war.

Das schmiedeeiserne Schild, das einen Gamsbock zeigte, stammte noch aus dem neunzehnten Jahrhundert und war der ganze Stolz der Wirtsleute. Die Fenstersimse waren mit Blumenkästen geschmückt, und bald würden wieder leuchtende Geranien die Vorderseite des Hauses schmücken.

***

Angenehme Essensdüfte schlugen Anni und Lissi ihnen entgegen, als sie den geräumigen Wirtssaal betraten. Die Tische waren gefällig eingedeckt und alle mit einem kleinen Blumenstrauß geschmückt. An den getäfelten Wänden, die nachgedunkelt waren, hingen sepiabraune Bilder aus dem Dorfleben von Hochkirchen, die weit zurückreichten.

Sie zeigten die Enthüllung eines Denkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die Einweihung der Dorfschule sowie Hochzeiten von Großbauern und Umzüge von den Gebirgsjägern. Zeugnisse der Vergangenheit, und mochten die meisten Mitwirkenden auch bereits verstorben sein, so wurden sie doch so immer wieder ins Gedächtnis zurückgerufen und stärkten so das Gemeinschaftsgefühl der Nachkommenschaft.

Auch Touristen, denen diese Atmosphäre gefiel, hatten schon den Weg zu dem Gasthaus gefunden, das sie als so »ungemein authentisch« empfanden. Nicht gerade zum Vergnügen der Dörfler, die lieber unter sich blieben.

Franz Ottingers Augen begannen zu leuchten, als er seine Anni erblickte. Er war noch genauso verliebt in sie wie am ersten Tag, als er sie auf einer Dorfkirmes im Werdenfelser Land erspäht hatte. Auch sie hatte sich sofort zu dem stattlichen jungen Mann hingezogen gefühlt, der fortan nicht mehr von ihrer Seite gewichen war. Als sie sich an jenem Abend in die Arme gefallen waren, hatten sie gewusst, dass sie für immer zusammenbleiben würden.

Viele Widrigkeiten hatte es allerdings zu überwinden gegeben, denn Ottingers Eltern wollten, dass ihr Sohn »eine Hiesige« heiratete. Doch er hatte sich durchgesetzt, und es hatte eine große Hochzeit stattgefunden, von der es auch ein Bild an der Wand gab. Und so war die tüchtige und freundliche Anni schließlich in den Schoß der Familie aufgenommen worden.

»Es ist alles bereit. Sobald alle versammelt sind, könnt ihr auftragen«, verkündete Franz Ottinger nicht ohne Stolz.

Wie es hier allgemein Brauch war, würde nun im Nebenzimmer ein Leichenschmaus zu Ehren des verstorbenen Kreuzhofbauern stattfinden. Lissi hatte die lange Tischreihe eingedeckt, und ihre Tante hob prüfend das eine oder andere Glas hoch oder rückte etwas zurecht. Doch alles war tadellos.

»Das hast du gut gemacht, Lissi«, lobte Anni das Madl, das vor Freude errötete. »Du hast schon viel gelernt in der kurzen Zeit.«

»Du warst auch immer sehr geduldig mit mir, Tante.«

Wenig später trafen die ersten Trauergäste ein und nahmen unter Geplauder und Stühlerücken ihre Plätze in dem Nebenraum ein. Gabriel Steiner kam als Letzter, sein Gesicht zeigte einen zornigen Ausdruck, offensichtlich war er wieder einmal in irgendeine Streitigkeit verwickelt gewesen.

Als Lissi ihn so vor sich sah, ging es ihr wieder durch den Sinn, dass Gabriel ein ungemein gut aussehender Mann war. Doch da war ein Ausdruck in seinen dunklen, fast schwarzen Augen, der sie mit Unbehagen erfüllte.

Dann aber schob sie diese Gedanken beiseite und bediente die Gäste. Einige der Honoratioren scherzten mit ihr, jedoch ohne jede Anzüglichkeit. Schließlich heftete sich Gabriels dunkler Blick auf sie, und in seinen Augen flammte es auf.

»Ich wusste gar net, dass der Gamswirt eine so hübsche Nichte hat. Mit ihm hast du jedenfalls keine Ähnlichkeit«, fügte er mit einer gewissen Häme hinzu, was bei seinen Spezln, die rechts und links von ihm saßen, für lautes Gelächter sorgte.

»Mein Onkel ist ein rechtschaffener Mensch. Das kann net jeder von sich sagen«, erwiderte Lissi heftig.

»Auf den Mund bist du jedenfalls net gefallen«, meinte Gabriel, dessen Verstimmung offensichtlich einer Flirtlaune gewichen war.

»Nimm dich vor dem in Acht. Der Gabriel hat es faustdick hinter den Ohren«, wurde sie von einem der Älteren gewarnt.

»Ich weiß Bescheid«, sagte sie trocken.

»Man soll net alles glauben, was man so hört«, kam es von Gabriels Lippen, und sein Blick schweifte begehrlich über ihre Gestalt.

Als Lissi mit abweisender Miene mit dem Tablett neben ihm stand, flüsterte Gabriel ihr etwas zu, was sie so aus der Fassung brachte, dass ihr beinahe der Teller, den sie vor ihm absetzen wollte, aus der Hand geglitten wäre. Mit zusammengepressten Lippen eilte Lissi zurück in den Wirtssaal, bleich vor Zorn.

»Mit der hast du es dir aber verdorben«, gab einer seiner Spezln von sich, die anderen lachten schadenfroh.

»Du kannst froh sein, wenn net gleich ihr Onkel auftaucht.«

»... und dir eine ordentliche Abreibung verpasst«, beendete ein anderer den Satz.

»Wir sind hier auf einer Trauerfeier, net im Bierzelt«, unterbrach einer der gestandenen Männer das Geplänkel.

Daraufhin erhob man die Gläser und trank auf den Verstorbenen.

»Was hat es gegeben«, fragte der Gamswirt, als er Lissis Miene sah.

»Der Steiner ...«

»Hat er dich belästigt?«, verlangte ihr Onkel zu wissen, und seine Stirn rötete sich.

»Nein, aber ...« Lissi konnte nicht weitersprechen.

Auch ihre Tante, die ein älteres Touristenpaar bedient hatte, kam beunruhigt hinzu und erkundigte sich nach dem Grund der Aufregung.

»Wenn er dich net belästigt hat, was hat er dann getan?«

»Der Steiner hat mir etwas zugeflüstert.«

»Was hat er dir zugeflüstert, nun sprich doch frei heraus, Madl«, drang Anni in sie.

»Das kann ich niemandem sagen«, erwiderte sie und senkte den Kopf, offensichtlich den Tränen nahe.

»Wir sind deine Verwandten, uns kannst du alles sagen«, beharrte Ottinger und warf einen bösen Blick in Richtung der Trauergäste.

Lissi schüttelte stumm den Kopf.

»Ein junges Madl wie unsere Lissi ist halt geschamig«, nahm seine Frau die Nichte sofort in Schutz.

Ottingers Gesicht nahm eine beunruhigende Färbung an, ein schlechtes Zeichen, wie Anni wusste.

»Am liebsten tät ich den Steiner am Hemdkragen hinausschleifen, diesen Haderlumpen«, wütete er.

Er machte Anstalten, hinter dem Tresen hervorzukommen, was Anni jedoch erschrocken verhinderte.

»Jessas! Das kannst du net tun! Das ist eine Trauerfeier. Was meinst du, was Hochwürden dazu sagen tät!«

Im gleichen Augenblick erschallten aus dem Nebenraum lautes Gelächter und unflätige Ausrufe.

»Da hörst du, wie sehr sie trauern. Der Steiner ist doch heilfroh, dass er seinen bösartigen Vater endlich los ist. Und mit Hochwürden hat es die Familie sowieso verscherzt, sonst tät er jetzt mit am Tisch sitzen, wie es Sitte ist.«

»Die Predigt war auch sehr knapp«, gab Anni zu.

Der Gamswirt hatte sich wieder beruhigt, was aber nicht bedeutete, dass sich sein Groll auf Gabriel gelegt hatte.

»Irgendwann bekommt er Hausverbot, das verspreche ich dir.«

»Ja, irgendwann«, murmelte Anni.

Dann übernahm sie es, die Trauergäste zu bewirten. Vor der energischen Gamswirtin hatten sie Respekt, sodass es nicht zu weiteren Zwischenfällen kam. Allerdings war Gabriel bald so betrunken, dass ihn seine Spezln fast aus der Gaststube tragen mussten. Sie beförderten ihn in seinen Geländewagen, wo er auf den Hintersitzen seinen Rausch ausschlief.

Lissi weinte sich in den Schlaf. Sie wurde von Selbstzweifeln geplagt, denn nach diesem Vorkommnis befürchtete sie, dass sie ihren künftigen Aufgaben als Gastwirtin nicht gewachsen sein würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Mit ihrer freundlichen Art sollte sie große Beliebtheit erlangen und das Gasthaus zu einem Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft werden.

***

Gabriel Steiner ließ sich nicht mehr beim Gamswirt sehen, denn er hatte Pläne, die viel Zeit erforderten. Seinen Vater hatte er gehasst, und jetzt, da er nicht mehr dessen herrische Stimme vernehmen musste, die ihn oft mit einer Flut von Beschimpfungen übergossen hatte, spürte er, wie eine große Last von seinen Schultern geglitten war.

Inzwischen war er beim Notar gewesen und hatte erfahren, dass sein Erbe wesentlich größer war, als er zu hoffen gewagt hatte. Aus schierem Geiz hatte sein Vater sein Vermögen immer kleingeredet und seinem einzigen Sohn nichts gegönnt.

Gabriel erbte nicht nur den Hof mit viel Landbesitz, sondern auch Wertpapiere und Anlagen, daneben ein prall gefülltes Konto und mehrere Immobilien, die vermietet waren. Eigentlich müsse er bis an sein Lebensende keinen Finger mehr rühren, hatte ihm der Notar scherzhaft erklärt.

Auch wenn der Vater es erzwungen hatte, Gabriel die Aufgaben eines Hofbauern einzutrichtern, so hatte der Bursche früh erkannt, dass ihm die Landwirtschaft nicht lag. Er hatte nach der mittleren Reife weiter auf das Gymnasium gehen und nach dem Abitur studieren wollen, doch sein Vater hatte das zu verhindern gewusst.

»Die Steiners waren schon immer Bauern, das liegt ihnen im Blut. Und du wirst fei net aus der Reihe tanzen, hast mich?«, hatte sein Vater ihn angeschrien, als er ihm seine Zukunftspläne offenbart hatte.