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Als Engelbert nach einem feigen Überfall ins Koma fällt, weicht nur seine Schwester Annerl nicht von seiner Seite. Stunde um Stunde hält sie seine Hand, während der Rest der Familie ihn meidet - so wie immer schon den Sohn, der nur adoptiert und nie ganz akzeptiert war. Im Sanatorium am See kämpft Engelbert sich Atemzug für Atemzug ins Leben zurück. Zunächst ohne Erinnerung, verloren zwischen Traum und Dunkelheit. Doch nach und nach kehren die Bilder zurück - erst bruchstückhaft, dann unerbittlich klar. Und mit jeder Erinnerung wächst die Gewissheit: Die Wahrheit über den Überfall wird alles verändern. Was einst Familie hieß, droht an ihr zu zerbrechen - unwiderruflich!
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Sie gaben ihm ihren Namen – doch nicht ihre Liebe
Von Rosi Wallner
Als Engelbert nach einem feigen Überfall ins Koma fällt, weicht nur seine Schwester Annerl nicht von seiner Seite. Stunde um Stunde hält sie seine Hand, während der Rest der Familie ihn meidet – so wie immer schon den Sohn, der nur adoptiert und nie ganz akzeptiert war.
Im Sanatorium am See kämpft Engelbert sich Atemzug für Atemzug ins Leben zurück. Zunächst ohne Erinnerung, verloren zwischen Traum und Dunkelheit. Doch nach und nach kehren die Bilder zurück – erst bruchstückhaft, dann unerbittlich klar.
Und mit jeder Erinnerung wächst die Gewissheit: Die Wahrheit über den Überfall wird alles verändern. Was einst Familie hieß, droht an ihr zu zerbrechen – unwiderruflich!
Gedankenvoll ließ Elisabeth Altinger den Blick über die Familienbilder schweifen, die auf der Kredenz aufgereiht standen. Was für stolze Menschen ihre Vorfahren gewesen waren! Reich und unabhängig, mit zahlreichen Nachkommen gesegnet. Von ihr und ihrem Mann gab es nur eine Aufnahme, die sie bei ihrer Hochzeit zeigten.
Elisabeth seufzte auf. Ein glückliches Paar waren sie gewesen, das trotz vieler Widerstände endlich vor dem Traualtar stehen durfte. Damals hatte sie geglaubt, dass das schwere Leid, das die Familie getroffen hatte, endlich überwunden war. Bruder Quirin, der zukünftige Hoferbe, war bei einem Bergunfall ums Leben gekommen, ein Schicksalsschlag, von dem sich ihre Eltern nie erholt hatten. Wie sorglos Quirin auf dem Bild lächelte!
Nur sie, die Zweitgeborene, war ihren Eltern noch geblieben, und auf sie setzten sie nun ihre ganzen Hoffnungen. Reich heiraten sollte sie und ihnen viele Enkel schenken, das wünschten sie sich von ihr.
Doch Elisabeth enttäuschte alle ihre Erwartungen. Sie verliebte sich in einen jungen Mann, der zwar eine gute Ausbildung bekommen hatte, dem aber als Drittgeborener so gut wie kein Erbe zustand. Ihre Eltern versuchten alles, um zu verhindern, dass ihre Tochter ihn heiratete, doch Elisabeth setzte sich durch.
Und obwohl Theo sogar Elisabeths Nachnamen annahm, ließen ihre Eltern kein gutes Haar an ihm. In der Dorfwirtschaft »Zum schwarzen Adler« beklagte sich der Altinger bitter über seinen Schwiegersohn, der seiner Ansicht nach zu faul für die Landwirtschaft sei. Außerdem wäre er anscheinend noch nicht einmal imstande – wobei er sich sehr vulgär ausdrückte – ihm den ersehnten Enkel zu schenken,
Der Umstand, dass Elisabeth kein Kind bekam, obwohl sie es sich von Herzen wünschte, lag wie ein dunkler Schatten über der einst so glücklichen Beziehung. Sie hatte mehrere Ärzte aufgesucht, und alle hatten ihr versichert, dass sie völlig gesund sei und nur ein wenig Geduld haben müsse. Und es lag auch nicht an Theo, das versicherten die Spezialisten.
Elisabeth war eine sehr gläubige Frau, und so wandte sie sich an Hochwürden, einen verständnisvollen älteren Mann, der selbst denjenigen mit Rat und Tat zur Seite stand, die nicht zu seiner Gemeinde zählten.
Er war sehr betroffen, als Elisabeth ihn um ein Gespräch bat. Die junge Frau, die noch vor Kurzem so glücklich und blühend gewirkt hatte, war nun verhärmt und wirkte niedergeschlagen.
»Was ist mit dir, Elisabeth? Verstehst du dich nicht mehr mit deinem Mann? Ihr habt doch aus Liebe geheiratet ...«
»Das ist es net. Der Theo ist sehr liebevoll zu mir, obwohl er es net leicht hat mit meinem Vater«, gab sie zurück.
Hochwürden runzelte die Stirn.
»Ich hab davon gehört und werde ihm einmal richtig ins Gewissen reden. Der Theo scheint doch ein rechtschaffener junger Mann zu sein.«
»Ja, das ist er. Allerdings hat er mit der Landwirtschaft nichts im Sinn. Doch das ist net der Grund, warum ich mit Ihnen reden will ...« Elisabeth schluchzte auf.
Hochwürden wartete, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
»Ich wünsch' mir halt so sehr ein Kindl. Doch nun sind wir schon seit mehreren Jahren verheiratet und haben immer vergebens gehofft.«
»Gibt es dafür medizinische Gründe?«, wollte Hochwürden wissen.
Elisabeth schüttelte heftig den Kopf.
»Nein, überhaupt nicht. Wir waren bei mehreren Ärzten, und alle haben uns gesagt, wir müssten halt ein wenig Geduld haben. Aber ich hab keine Geduld mehr ...«
Elisabeth brach in haltloses Weinen aus.
»Sei getrost, Elisabeth. Ich werde für dich beten. Der Herr wird dir den richtigen Weg weisen«, sagte Hochwürden.
Und Elisabeth fühlte sich wider Erwarten getröstet. Ihre Tränen versiegten, und nachdem sie noch einen Augenblick verweilt hatte, erhob sie sich und bedankte sich bei dem Geistlichen.
Hochwürden begleitete sie hinaus und sah ihr besorgt nach. Als Erstes würde er ein ernstes Wort mit ihrem Vater sprechen, unter Umständen war die vergiftete Atmosphäre, die auf dem Hof herrschte, der Grund für Elisabeths Kinderlosigkeit.
Dann begann ein Gedanke in ihm Gestalt anzunehmen, der Elisabeths Leid Abhilfe verschaffen könnte.
***
Doch dann überschattete ein furchtbares Ereignis die Familie, und alles andere trat dahinter zurück.
Rupert Altinger hatte sich am Stammtisch einmal wieder über seinen untauglichen Schwiegersohn ausgelassen und dabei mehr Weiße getrunken als gewöhnlich.
»Sogar Hochwürden hat ein ernstes Wörterl mit mir reden wollen, weil ich den Theo so schlecht behandeln tät. Aber was bei mir daheim geschieht, geht auch ihn nichts an«, erklärte er außer sich vor Wut.
»An deiner Stelle tät ich mich net mit dem anlegen«, sagte einer seiner Spezis. »Was meinst du, was der mir für eine Standpauke gehalten hat, bloß, weil mir die jungen Madln besser gefallen als meine Frau.«
»Man kann auch aus der Kirche austreten«, erklärte Rupert und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierseidel.
Das löste betroffenes Schweigen aus.
»Jetzt gehst du aber ein bisserl zu weit«, meinte der Apotheker kopfschüttelnd. »Hochwürden hat schon vielen Menschen, die nimmer zurechtgekommen sind, geholfen.«
»Ich brauch' seine Hilfe net!«, stieß Rupert hervor und erhob sich.
Mit unsicheren Schritten näherte der Altinger sich dem Ausgang, und der Apotheker rief erschrocken aus:
»In dem Zustand kannst du net fahren, Rupert! Gib mir die Schlüssel.«
Doch der Altinger winkte nur ab, und gleich darauf hörten sie, wie er den Motor anließ und davonfuhr. Und so blieb er ihnen in Erinnerung, ein eigensinniger Mann, der alle gutgemeinten Ratschläge in den Wind schlug.
Erst im Morgengrauen wurde sein Wagen gefunden, der sich wohl mehrmals überschlagen hatte. Rupert Altinger, so die Aussage der Polizei, musste sofort an seinen schweren Kopfverletzungen gestorben sein.
Und obwohl sie sich nie gut mit ihrem herrschsüchtigen Vater verstanden hatte, war Elisabeth zutiefst erschüttert. Am offenen Grab ihres Vaters weinte sie laut auf, und Theo musste sie stützen.
»Wie hat er uns nur verlassen können?«, kam es von Elisabeths Mutter, die bleich und zitternd neben ihrer Tochter stand.
Und das sollte nicht der einzige Todesfall auf dem Altingerhof bleiben. Rupert Altinger und seine Frau hatten sich schon seit frühester Jugend gekannt, und für sie war es klar gewesen, dass sie später einmal heiraten würden. Unzertrennlich waren sie gewesen, und wahrscheinlich war sie der einzige Mensch gewesen, dem der Altinger in Liebe verbunden war.
Niemand bemerkte, dass sie immer stiller wurde. Noch nicht einmal in die Kirche ging sie mehr, weil sie auch dort keinen Trost mehr fand.
Als Elisabeth frühmorgens zu ihrer Kammer hochstieg, weil sie nicht zum Frühstück erschienen war, lag ihre Mutter friedlich im Bett, ein Lächeln um ihren Mund. In der Hand hielt sie einen Brief, den Rupert Altinger ihr während einer längeren Abwesenheit geschrieben hatte. Neben ihr lag eines der Hemden ausgebreitet, die ihr Mann nachts getragen hatte.
»Wach auf, Mutterl. Es ist Zeit fürs Frühstück«, sagte Elisabeth.
Sie strich ihr über den Arm, doch dann fuhr Elisabeth erschrocken zurück, als sie spürte, wie kalt die Haut war.
»Theo«, schrie sie laut.
Ihr Mann kam sofort zu ihr hochgeeilt und erfasste mit einem Blick, was geschehen war.
»Sie hat ihren Frieden gefunden. Ohne ihren Mann wollte sie nicht mehr sein«, sagte Theo und hielt Elisabeth umfasst.
Und so wurde die Bäuerin vom Altingerhof neben ihrem Mann bestattet, so wie sie es sich gewünscht hatte. Es gab natürlich viel Getuschel, und Hochwürden hielt eine ergreifende Predigt über Eheleute, die sich so liebten, dass sie, wenn einer von ihnen starb, nicht mehr allein weiterleben wollten.
Elisabeth war so erschüttert, dass sie nicht am Leichenschmaus, der im »Schwarzen Adler« stattfand, teilnehmen konnte. Theo brachte sie nach Hause, wo sie endlich spätnachts in seinen Armen einschlief. Sie machte sich große Vorwürfe, weil sie den Zustand, in dem sich ihre Mutter befunden hatte, nicht wahrgenommen hatte.
Und so besuchte sie häufig das Grab ihrer Eltern, schmückte es mit ihren Lieblingsblumen und hielt Zwiesprache mit den Verstorbenen.
***
Der Tod von Elisabeths Eltern änderte alles auf dem Altingerhof.
Die Felder wurden verpachtet, nur der weitläufige Bauerngarten und die Streuobstwiese, die sich daran anschloss, gehörten weiterhin zum Aufgabenbereich des Paares.
Theo richtete sich ein Büro in der nahegelegenen Kreisstadt ein und begann mit Immobilien zu handeln. Darin war er sehr erfolgreich, denn viele Städter wollten eines der leerstehenden Bauernhäuser kaufen. Zuvor ließ Theo sie aber aufwendig renovieren, sodass er sie zu einem hohen Preis anbieten konnte.
Auf diese Weise gelangte er schon nach kurzer Zeit zu einigem Reichtum, und die Dörfler hörten bald auf, im »Schwarzen Adler« über den »Eingeheirateten« zu spotten. Eigentlich hielt er sich nur noch am Wochenende zu Hause auf, wo er sich dann ganz seiner Liebsten widmete.
Elisabeth, die inzwischen ihre Trauer über den Verlust ihrer Eltern überwunden hatte, fühlte sich vereinsamt und vernachlässigt. Umso stärker wurde wieder ihr Wunsch, ein Kind zu haben, und da es ihr immer noch verwehrt blieb, Mutter zu werden, versank sie in tiefe Verzweiflung.
Auch lange Gespräche mit Hochwürden halfen ihr nicht weiter, sie haderte mit ihrem Schicksal. Dann aber geschah etwas, das alles ändern würde. Hochwürden bat Elisabeth und Theo zu einem Gespräch und schlug ihnen vor, ein Kind zu adoptieren.
»Die Frommen Schwestern, die das Kinderheim in der Kreisstadt leiten, haben mir mitgeteilt, dass sie einen kleinen Jungen aufgenommen haben, der zur Adoption freigegeben ist«, berichtete er.
»Weiß man, wer seine Eltern sind?«
Hochwürden schüttelte den Kopf.
»Nein, er wurde vor der Tür des Heims aufgefunden, und die Schwestern haben sich seiner angenommen. Es wäre natürlich besser, wenn er ein richtiges Zuhause finden würde ...«
»Er ist aber nicht unser Fleisch und Blut«, gab Theo zu bedenken.
»Wenn ihr das Kind nach euren Vorstellungen und mit viel Liebe erzieht, dann wird er wie euer leiblicher Sohn sein«, hielt Hochwürden dagegen.
»Was meinst du, Elisabeth?«, wandte Theo sich an seine Frau.
»Wir müssen uns den Kleinen erst mal ansehen«, meinte sie, und Theo stimmte ihr – wenngleich auch zögerlich – zu.
»Gut. Ich werde die Schwestern sofort verständigen«, sagte Hochwürden sichtlich erleichtert und verabschiedete sich.
***
»Das Büberl ist inzwischen zwei Wochen alt. Er ist kurz nach seiner Geburt vor unserer Tür abgelegt worden«, erklärte eine der Schwestern, als sich das Ehepaar über den kleinen Jungen beugte, der just in dem Moment die Augen aufschlug.
»Was für schöne dunkle Augen er hat«, flüsterte Elisabeth.
»Er ist ein sehr ruhiges Kind, kaum, dass er einmal schreit. Wir nennen ihn Engelbert, weil er wie ein Engerl ausschaut.«
Auch Theo war sichtlich angetan von dem kleinen Jungen.
»Und er ist tatsächlich zur Adoption freigegeben?«, wollte er dann wissen.
»Ja. Und wir wären alle froh, wenn er zu einem jungen Paar käme, das sich liebevoll um ihn kümmert«, meinte die Schwester eindringlich.
»Können wir ihn mit nach Hause nehmen, um zu sehen, ob wir auch mit ihm zurechtkommen?«, bat Elisabeth.
Das wurde ihnen gestattet, wenn auch ziemlich ungern. Danach wurde Elisabeth unterrichtet, wie sie den Kleinen zu ernähren hatte, und ihr wurde alles Nötige mitgegeben.
Theo stellte anschließend eine größere Spende in Aussicht, was bei den Schwestern große Freude auslöste.
»Bei uns fehlt es an allem, denn wir mussten in der letzten Zeit immer mehr Kinder aufnehmen«, erklärte sie.
Bald stand für das Paar fest, dass sie den Kleinen adoptieren würden. Wenn Elisabeth das Kind in ihren Armen hielt, blühte sie auf, und auch Theo verspürte eine starke Zuneigung zu dem Kleinen.
Sie richteten ein Kinderzimmer ein, versehen mit allem, was ein Neugeborenes brauchte und noch viel mehr darüber hinaus. Elisabeth ging ganz in ihrer Rolle als junge Mutter auf, selten hatte man sie so glücklich gesehen.
Da das Trauerjahr inzwischen vorbei war, gab es ein großes Tauffest. Hochwürden hielt eine ergreifende Predigt und taufte den Kleinen auf den Namen Engelbert. Elisabeth sollte ihn immer zärtlich Engerl nennen.
Gefeiert wurde auf dem Hof, auch die Frommen Schwestern, die sich um Engelbert gekümmert hatten, wurden eingeladen. Als sie sich später verabschiedeten, waren sie davon überzeugt, dass Engelbert ein liebevolles Zuhause gefunden hatte.
Elisabeth und Theo verlebten drei glückliche Jahre mit ihrem »Engerl«, bis sich etwas völlig Unerwartetes ereignete.
***
Elisabeth und Theo verbrachten bei gutem Wetter gerne ein gemütliches Wochenende auf der Terrasse ihres Hauses, von wo man eine wunderbare Aussicht auf das Gebirge hatte. Engerl war bereits eingeschlafen, und das Paar genoss seine Zweisamkeit.
»Ich hole noch ein Flascherl von dem Quellwasser«, sagte Elisabeth und erhob sich.
Doch dann wurde sie von einem heftigen Schwindel ergriffen, sodass sie zu Boden gestürzt wäre, wenn Theo sie nicht aufgefangen hätte.
»Was ist dir, Elisabeth?«, fragte er erschrocken.
»Nichts, Schatzerl, ich bin nur zu schnell aufgestanden, mach dir keine Sorgen«, erwiderte sie abwehrend.
»Du bleibst jetzt hier sitzen, und ich hole dir das Wasser aus der Kuchel«, sagte Theo in befehlendem Tonfall.
Elisabeth gehorchte, denn es drehte sich noch immer alles um sie und sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
Theo kam zurück und reichte ihr ein Glas mit Quellwasser, das sie hastig trank.
»Hast du das schon öfters gehabt?«, wollte ihr Mann besorgt wissen.
»Nein, nein«, beteuerte sie, doch Theo kannte sie gut genug, um zu wissen, dass das nicht der Wahrheit entsprach.
Auch von der Übelkeit, die sie so oft überfiel, verriet sie nichts, denn sie wollte nicht, dass er sie für eine ewig kränkelnde Frau hielt. In Zukunft würde sie sich eben einfach besser beherrschen müssen.
»Wollen wir noch einen Spaziergang durch die Obstwiesen machen? Vielleicht tut dir ein bisserl Bewegung gut«, schlug Theo vor.
»Nein, dazu bin ich zu müd'. Unser Engerl ist ja inzwischen sehr lebhaft, sodass ich dauernd hinter ihm her sein muss. Weißt du, dass er vorgestern die Tischdecke heruntergezogen hat? Meine Lieblingsvase ist dabei zu Bruch gegangen«, verriet Elisabeth und lachte.
Doch ihr Lachen klang gekünstelt und unnatürlich, was Theo mit Misstrauen erfüllte. Sie würde ihm doch nicht etwas verheimlichen? Vielleicht war sie sogar schwer erkrankt, eine Vorstellung, die ihn mit Entsetzen erfüllte.
Als er dann noch bemerkte, dass sie am Sonntag das köstlich zubereitete Essen nicht bei sich behielt, sagte er streng zu ihr: »Ich weiß, dass mit dir etwas net stimmt. Aber wir müssen Gewissheit haben, deshalb gehst du gleich morgen zu unserem Doktor. Ich bleibe zu Hause und passe auf Engerl auf.«
Elisabeth wollte zuerst widersprechen, doch dann gab sie nach.
»Gut. Aber behalt den Buben im Auge, damit er net noch mehr Schaden anrichtet.«
Nachts konnte sie nicht schlafen, wälzte sich unruhig herum. Auch Theo fand keine Ruhe und griff nach ihrer Hand.
»Weißt du, wenn du etwas mit deinen Nieren hast, dann geb' ich dir eine von meinen.«
»Ach Tschapperl«, schluchzte sie auf und schmiegte sich an ihn.
***
Dr. Hinkelgruber war der Hausarzt der Altingers und kannte Elisabeth schon von Kind an. Er hatte ihr gut zugeredet, als sich ihr Wunsch nach einem Kind nicht erfüllte, und kannte sie sozusagen in- und auswendig.
