1,99 €
Dieser Tanz in den Mai verläuft ganz anders, als Jutta Wiesinger es sich erträumt hat. Zuerst wird nicht sie - wie allgemein angenommen - zur Maikönigin gewählt, sondern Vera Merzbacher, und dann spannt ihr die frisch gekrönte Maikönigin auch noch ihren geliebten Valentin Hochstetter aus. Wie im Rausch schweben die beiden über die Tanzfläche.
Jutta ist zutiefst gekränkt. Nie zuvor ist sie so gedemütigt worden!
Valentin und Vera ahnen nichts von dem abgrundtiefen Hass, der in dieser Nacht ein junges Mädchenherz für immer vergiftet ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Wer die Maikönigin küsst …
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / ginger_polina_bublik
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-2805-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Wer die Maikönigin küsst …
Bezaubernder Roman um eine Liebe, mit der niemand gerechnet hat
Von Rosi Wallner
Dieser Tanz in den Mai verläuft ganz anders, als Jutta Wiesinger es sich erträumt hat. Zuerst wird nicht sie – wie allgemein angenommen – zur Maikönigin gewählt, sondern Vera Merzbacher, und dann spannt ihr die frisch gekrönte Maikönigin auch noch ihren geliebten Valentin Hochstetter aus. Wie im Rausch schweben die beiden über die Tanzfläche.
Jutta ist zutiefst gekränkt. Nie zuvor ist sie so gedemütigt worden!
Valentin und Vera ahnen nichts von dem abgrundtiefen Hass, der in dieser Nacht ein junges Mädchenherz für immer vergiftet …
»Und dass ihr mir nur ja nüchtern bleibt, habt ihr gehört! Nach der Aufstellung könnt ihr noch tief genug ins Glas schauen«, wies Valentin Hochstetter mit großem Nachdruck seine Spezln an, die sich nach dem sonntäglichen Gottesdienst auf dem Platz vor der kleinen Dorfkirche um ihn versammelt hatten.
Leo Gruber, sein engster Freund, seufzte auf.
»Das hast du jetzt schon oft genug gesagt, Valentin. Bis jetzt hast du dich doch noch immer auf uns verlassen können, oder?«
»Wenn ich dran denk, wie der Toni damals …«
»Das war eine Ausnahme«, rechtfertigte sich Anton Weidinger sofort, und Ferdl Moser, sein Cousin, nickte bestätigend. »Willst du mir das jetzt mein Lebtag lang unter die Nase reiben? Damals war es halt gerade zwischen mir und der Irmi auseinandergegangen, und da hab ich Trost gebraucht. Letztes Jahr jedenfalls war ich stocknüchtern.«
»Hast ja recht«, beschwichtigte ihn Valentin schnell.
Sonst liefen nämlich alle Gefahr, dass Anton noch einmal in allen Einzelheiten schilderte, warum es zu der Trennung zwischen ihm und der Irmi gekommen war. Und davon hatten sie wahrlich mehr gehört, als sie jemals wissen wollten.
Was die Burschenschaft des Bergdorfs Altkirchen wie immer gegen Ende April umtrieb, war die traditionelle Aufstellung des Maibaums. Im Anschluss daran, wurde die Maikönigin samt ihrer Prinzessinnen gewählt, die Musi spielte, der Bürgermeister stach ein Bierfass an, und auf dem Dorfplatz wurde gefeiert und getanzt.
Doch bevor die Gaudi so weit war, wurden die Burschen gefordert, denn es mussten Nachtwachen eingeteilt werden, damit der Maibaum nicht von den jungen Männern aus einem der Nachbardörfer gestohlen wurde. Nur nach langwierigen Verhandlungen und dementsprechend viel Bier, das man den Dieben überlassen musste, konnte der Maibaum zurückerlangt werden. Und da das nie ohne Spott für die Bestohlenen abging, wollte man einem Diebstahl nach Möglichkeit vorbeugen.
»Der Leo und ich halten heut Nacht Wache, morgen seid ihr zwei dran«, erklärte Valentin, der schon immer der Wortführer der Burschenschaft gewesen war.
»Meinst du, die Niederottinger versuchen es noch mal?«, fragte Ferdl zweifelnd.
»Glaub ich net. Denen haben wir es doch gezeigt«, sagte Leo im Brustton der Überzeugung.
Die Niederottinger Burschen hatten sich nämlich an den Maibaum herangeschlichen, waren aber derart in die Flucht geschlagen worden, dass ihnen Hohn und Spott folgten, wenn sich einer von ihnen in Altkirchen blicken ließ.
»Raimund, kommst du mit in den ›Adler‹?«, rief Leo einem jungen Mann zu, der mit einem gehetzten Gesichtsausdruck den Kirchplatz überquerte und sich zu einer dicklichen Frau mit einem quengelnden Kind an der Hand gesellte. Die junge Mutter warf den Burschen einen feindseligen Blick zu.
»Nein, ein andermal«, rief er seinen Freunden zu und nahm das Kind auf den Arm, worauf es sofort verstummte.
»Jesses, was ist aus dem feschen Raimund geworden, seitdem er die Hiberer Gisela geheiratet hat«, sagte Ferdl abfällig. »Wenn ich an früher denk! Da hat er mehr als einmal über die Stränge geschlagen.«
»Ganz schön unter dem Pantoffel steht er jetzt. Er darf sich anscheinend nimmer mit seinen alten Freunden treffen«, meinte Leo.
»Zu bedauern ist er, der Raimund. Die Gisa war so ein sauberes Madel, aber jetzt ist sie eine rechte Giftspritze, die ihn nimmer aufkommen lässt. Und auseinandergegangen ist sie auch wie ein Hefeteig, so eine hätt er früher nie im Leben angeschaut. Das hat er jetzt davon, ein zänkisches, g’wampertes Weib und Kindergeschrei«, sagte Valentin voller Abscheu. »Wie kann man sich nur so etwas antun!«
Valentin versäumte keine Gelegenheit, sich darüber auszulassen, was er von dem »Ehejoch« hielt, dem er sich niemals unterwerfen wollte. Jedenfalls würde er sich keinesfalls die Jugend damit verderben, und an später wollte er wohlweislich nicht denken …
»Und das zweite Kind ist auch wieder ein Madel«, fügte Ferdl im düsteren Ton eines Grabredners hinzu.
Ehe Valentin darauf eine passende Antwort geben konnte, stieß Leo ihn in die Seite.
»Schau mal rüber zu den Madeln dort drüben. Die Merzbacher Vera scheint wieder im Land zu sein.«
Valentins Blick flog nur flüchtig zu den Mädchen hinüber, die kichernd und schwatzend zusammenstanden.
»Ach ja«, meinte er gleichgültig. »War die net ein Jahr im Ausland, um sich angeblich weiterzubilden?«
»Wer weiß, in was sie sich weitergebildet hat«, sagte Leo hämisch und starrte weiterhin unverfroren die Mädchen an.
Auch Valentin sah noch einmal hinüber, erst kurz, aber dann schien ihn etwas völlig gefangen zu nehmen.
Die Gruppe hatte sich geteilt und gab nun den Blick auf ein schlankes Mädchen mit lockigen rotbraunen Haaren frei, die in der Sonne kupferne Funken zu sprühen schienen. Sie umrahmten ein Gesicht von liebreizender Schönheit, das von großen graugrünen Augen beherrscht wurde. Und eben lächelte sie …
»Na, so schaut sie net aus«, verteidigte Valentin das Mädchen unwillkürlich, und sein Freund musterte ihn erstaunt von der Seite.
»Weißt du, es gibt welche, die sehen aus, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Und das sind die Schlimmsten.«
Leo war nicht gut auf Frauen zu sprechen. Obwohl er ein schmucker Bursche war, hatte er schon viele Körbe einstecken müssen, sah jedoch nicht ein, dass das an ihm selbst lag. Was sollte eine junge Frau von einem Mann halten, der bei einem Stelldichein unentwegt über die Schwächen und Verfehlungen ihrer Geschlechtsgenossinnen redete?
Valentin beachtete seine Freunde überhaupt nicht mehr, da er ganz in die Betrachtung von Veras schlanker, wohlgeformter Gestalt versunken war. Sie trug ein hübsches grünes Dirndl mit weißgrün gestreifter Schürze, das ihren ebenmäßigen Wuchs zur Geltung brachte. Vera war weder geschminkt, noch trug sie hochhackige Schuhe. Alles an ihr wirkte wunderbar natürlich und ungekünstelt.
»Jetzt komm endlich!«, drängte ihn Leo und zog ihn mit sich.
Im Dorfgasthaus »Zum Adler« wartete schon der Stammtisch auf sie, wo sie sich jeden Sonntag nach der Kirche zu einem kurzen Umtrunk einfanden, ehe sie nach Hause zum Mittagessen aufbrachen.
Leo nahm einen tiefen Zug von seinem Weißen und seufzte zufrieden.
»Der arme Raimund! Was dem nun alles entgeht«, sagte Leo in heuchlerischem Bedauern und wischte sich den Bierschaum von der Oberlippe.
Valentin gab keine Antwort und starrte geistesabwesend vor sich hin. Und so nahm er auch nicht wahr, dass sich das Gespräch der Wahl der Maikönigin zuwandte.
»Also, ich bin für die Merzbacher Vera. Der reicht jetzt keine mehr das Wasser«, meinte Ferdl Moser.
Leo setzte seinen Kennerblick auf.
»Schon. Und ganz deppert scheint sie auch net zu sein«, befand Leo – ausgerechnet er, der seine Lehrer durch seine Trägheit zur Weißglut getrieben hatte.
»Sie hat sogar schöne Beine«, warf Anton träumerisch ein.
Leo stieß seinen Freund unsanft an, worauf Valentin in die Wirklichkeit zurückkehrte.
»Bist du auch damit einverstanden?«
»Ja, natürlich«, erwiderte er abwesend.
»Triffst du dich nimmer mit der Wiesinger Jutta? Ich könnt mir vorstellen, dass die das net grad freut, wenn du eine andere …«, sagte Leo verwundert.
»Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?«, gab Valentin zurück und leerte hastig sein Weißes.
Über so viel Unverstand konnte Leo nur den Kopf schütteln, während die übrigen Spezln laut auflachten.
»Wirst ja sehen, was sie davon hält. So, Burschen, ich muss nach Haus, sonst gibt mir die Mutter nichts vom Sonntagsbraten ab.«
Die Gruberbäuerin, Leos Mutter, war nicht gerade von Sanftmut beseelt und führte ein strenges Regiment. Wenn Leo einen Menschen fürchtete, so war es seine Mutter. Man war sogar allgemein der Auffassung, dass sie der tiefere Grund dafür war, dass Leo nicht viel von den Frauen hielt, obwohl er das niemals zugegeben hätte.
Die anderen brachen ebenfalls auf. Ferdl, der nicht mit Geld umgehen konnte, ließ wieder einmal anschreiben und erntete einen missbilligenden Blick der Adlerwirtin.
»Passt gut auf den Maibaum auf. Net, dass euch die Niederottinger doch noch über sind«, rief ihnen jemand quer durch die Gaststube zu.
»Wir lassen den Maibaum net aus den Augen«, gab Leo zurück, dann fiel die massive holzgeschnitzte Tür der Gaststube hinter ihnen zu.
Valentin Hochstetter, dessen Eltern einen der größten Bauernhöfe in der Umgebung besaßen, machte sich zu Fuß auf den Heimweg. Das Anwesen lag etwas abgelegen, doch er benutzte eine Abkürzung, die von der Landstraße abzweigte, sodass er nach einem steilen Aufstieg bald die Mulde erreichte, in die der Hof gebettet war.
Er blieb stehen und holte tief Atem. Wie so oft ließ er von hier aus seinen Blick über den Hochstetterhof schweifen, und Stolz weitete seine Brust. Irgendwann würde das sein Erbe sein, von Generationen vor ihm begründet und vermehrt, und er war bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Von Kind an hatte es für ihn kein anderes Lebensziel gegeben. Er hatte seine Ausbildung danach ausgerichtet und bereits einige Pflichten seines Vaters übernommen.
Das Wohnhaus mit dem Schindeldach und den dunklen Holzbalustraden bot einen beeindruckenden Anblick. Bald würden von Simsen und Balkonen die Hängegeranien herabflammen, die seine Mutter jedes Jahr heranzog. Auch der Eingang war mit Pflanzen in Töpfen aus Terrakotta geschmückt, und auf der Einfassung des Hofbrunnens standen schon Blumenkästen bereit.
Die Stallungen und Anbauten rechts und links waren frisch gestrichen, der Hofplatz war makellos sauber. Es gab kein herumliegendes verrostetes Ackergerät, kein Unkraut entlang der Scheunenwand. Auch der Bauerngarten hinter dem Haus war sorgfältig angelegt, und seine Mutter hatte mithilfe seiner Schwester Gerlinde zahlreiche Preise gewonnen. Einmal erschienen sogar Aufnahmen von einem der besonders idyllischen Winkel des Gartens in einer angesagten Zeitschrift. Allerdings brüstete sich seine Mutter niemals damit, das entsprach nicht ihrer zurückhaltenden Natur.
Nun beeilte sich Valentin und überquerte mit weit ausholenden Schritten den Hofplatz. Sicher war das Sonntagsessen, bei dem sich die Mutter immer besondere Mühe gab, bereits aufgetragen worden. Er betrat das Haus, dessen Tür wie gewöhnlich halb offen stand, und angenehme Gerüche umgaben ihn.
»Tut mir leid, wenn ich mich verspätet hab«, sagte er auf der Schwelle zur Stube. Seine Familie hatte sich schon um den großen, runden Tisch versammelt, wo man die Mahlzeiten gemeinsam einnahm.
»Du kommst grad recht«, sagte seine Mutter.
Johanna Hochstetter war eine stattliche, füllige Frau mit angenehmen Zügen und freundlichen Augen. Valentin und seine Schwester Gerlinde, meist nur »Linde« genannt, hatten eine schöne Kindheit mit einer umsichtigen, fürsorglichen Mutter gehabt, ohne dass diese sie mit ihrer Liebe erdrückt hätte.
Franz Hochstetter nickte ihm nur kurz zu, und Valentin wurde schmerzlich bewusst, wie sehr sich sein Vater in der letzten Zeit verändert hatte. Er war immer ein gesunder, kraftstrotzender Mann gewesen, doch während der Erntearbeiten hatte er einen schweren Herzanfall erlitten, dem er beinahe zum Opfer gefallen wäre. Er hatte sich wieder erholt, war aber seitdem nicht mehr derselbe, obwohl er nie ein Wort darüber verlor.
Von ihm hatte Valentin sein gutes Aussehen geerbt. Wie sein Vater war er hochgewachsen, aber schlanker, und seine regelmäßigen Züge waren feiner geschnitten. Dunkle Locken fielen ihm verwegen in die Stirn, zu denen seine hellgrauen Augen einen auffallenden Gegensatz bildeten. Er bevorzugte wie sein Vater die ländliche Tracht. Zu den engen, knielangen Hirschledernen trug er meistens ein helles Hemd und einen schwarzen Spenzer.
Besonders wichtig war ihm die Charivari-Kette aus Bergkristall, die noch von seinem Großvater stammte und an ihn übergegangen war. Er trug sie an der Seite seiner Hose, wie die meisten jungen Männer heutzutage.
Eben kam Gerlinde mit der Suppenterrine herein und schenkte ihm ein nachsichtiges Lächeln.
»Sicherlich habt ihr im ›Adler‹ wieder zu lange über die Niederottinger Burschen hergezogen«, vermutete das Mädchen.
»Schon auf dem Kirchplatz«, gab Valentin zu, der sich inzwischen auf seinem Stuhl niedergelassen hatte. »Wenigstens hat dieses Mal keiner ein Wort darüber verloren, dass du abtrünnig geworden bist.«
»Das ist doch schon ein Fortschritt«, lachte Gerlinde.
Seine Schwester hatte sich in einen jungen Mann aus Niederottingen verliebt, und auch noch ausgerechnet in den Rädelsführer der Gruppe, die damals versucht hatte, den Maibaum zu stehlen. Sie ließ nicht von ihm ab, auch wenn Valentins Spezln ihr ordentlich ins Gewissen geredet hatten. Wenn Valentin jedoch ehrlich gegenüber sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass er den zukünftigen Schwager eigentlich ganz gut leiden konnte.
Jedenfalls würde er seine Schwester sehr vermissen.
Gerlinde war nicht das, was man eine ländliche Schönheit nannte, dazu waren ihre Züge zu unregelmäßig und ihre Gestalt zu üppig. Aber sie war warmherzig und strahlte eine ungebrochene Lebensfreude aus, was jeden sofort für sie einnahm. Außerdem war sie ein aufrichtiger und zuverlässiger Mensch, eine Lebensgefährtin, wie sie sich ein Mann, der nicht nur auf Äußerlichkeiten bedacht war, nur wünschen konnte.
Nach einem kurzen Dankesgebet, das von jeher Brauch auf dem Hochstetterhof war, begann man mit dem Mittagsmahl. Einer duftenden Gemüsesuppe mit Kräutern aus dem Garten folgte ein Braten, der lange in einer würzigen Marinade gelegen hatte, dazu Speckknödel mit Kraut.
»Du hast dich wieder selbst übertroffen, Johanna. Sogar die Adlerwirtin bekommt den Braten nicht so zart und saftig hin«, ließ sich Franz Hochstetter vernehmen.
Valentins Vater knauserte gewöhnlich mit seinem Lob, überhaupt war er seit seiner Erkrankung ziemlich wortkarg geworden.
Johanna errötete daher erfreut.
»Wenn du meinst …«
»Der Vater hat ganz recht«, bestätigte Valentin. »Wenn die Gerlinde ihrem Anderl immer so ein Essen vorsetzt, wird er ihr bald völlig verfallen sein.«
»Ich hoff, das ist der Anderl schon«, ließ sich Gerlinde vernehmen und senkte verlegen den Kopf.
»Die Gerlinde kocht noch besser als ich«, kam Johanna ihrer Tochter schnell zu Hilfe, »sie kennt allerhand neumodische Gerichte.«
Franz schnaubte, und seine Frau verkniff sich ein Lächeln.
Valentin war immer wieder erstaunt darüber, wie gut seine Eltern miteinander lebten. Er hatte nie erfahren, ob sie einst aus Liebe geheiratet hatten, darüber ließen sie nie etwas verlauten. Jedenfalls hatte alles gepasst, und offensichtlich passten sie auch zueinander. Nie gab es ein lautes Wort, und wenn sie verschiedener Meinung waren, dann sprachen sie sich aus. Selbst wenn es nicht die große Liebe gewesen war, wurde ihre Ehe von großem gegenseitigem Respekt geprägt, was einer Beziehung oft größere Beständigkeit verleiht als eine überwältigende Leidenschaft, die rasch verglühen kann.
Valentin Hochstetter hatte durch seine Eltern immer ein Beispiel für eine glückliche Beziehung vor Augen gehabt. Daher war es umso unverständlicher, dass er eine derartige Abwehr gegen eine Ehe und eine Familiengründung empfand. Er war kein Schürzenjäger im üblichen Sinne. Es fiel ihm leicht, eine Frau für sich zu gewinnen, aber er ließ sich auf keine feste Bindung ein. Vielleicht träumte er von etwas, das ihn ganz erfüllen würde und sich nicht mit der gängigen Vorstellung von Ehe verbinden ließ.
Seine Eltern hatten ihm bereits Vorhaltungen gemacht, weil er sich keine Bäuerin suchte und für Nachkommenschaft sorgte, so wie sie es von ihm erwarteten. Es lag ihnen sehr daran, dass der Hof in der Familie blieb, denn darin sahen sie den Sinn der bäuerlichen Tradition.
Darüber war es neulich zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen ihm und seinen Eltern gekommen, der ersten, an die er sich erinnern konnte. Er beharrte darauf, noch nicht zu heiraten und erst einmal seine Jugend zu genießen.
»Und dann sind die ordentlichen Madeln weg«, hatte seine Mutter in bitterer Enttäuschung gesagt.
»Ich überschreib dir den Hof erst, wenn du heiratest«, erklärte der Vater, und dabei war es dann geblieben.
Heute jedoch verlief alles in friedlicher Stimmung.
»Triffst du dich heut mit der Wiesinger Jutta?«, fragte seine Mutter schließlich beiläufig.
Diese Frage verdarb Valentin die Laune. Er zuckte mit den Schultern.
»Ich glaub net. Wir bereiten grad die Aufstellung des Maibaums vor …«
»Sicher wird die Jutta dieses Mal Maikönigin. Sie ist wirklich ein hübsches Madel, dazu freundlich und tüchtig«, meinte seine Mutter, die sich nicht entmutigen ließ.
»Und sie bringt sogar etwas mit«, fügte Valentin hinzu, doch sein Tonfall war so, dass seine Mutter verärgert die Brauen zusammenzog und schwieg.
»Die Merzbacher Vera ist wieder zurück«, sagte Gerlinde. »Sie soll eine richtige Schönheit geworden sein.«