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Beschreibung

Über den von Hitler und seinen Schergen entfesselten Ausbeutungs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zur Eroberung des „Lebensraums im Osten" sind bisher unzählige Veröffentlichungen erschienen. Auch Feldpost-Editionen von den Kämpfen an der Ostfront, insbesondere von Briefen aus Stalingrad, gibt es zahlreiche. Warum bedarf es zum Thema Russlandfeldzug also einer weiteren Veröffentlichung? – Weil neben den administrativen Dokumenten nur die Summe persönlich-subjektiv-dokumentierter Wahrnehmungen von ‚Wirklichkeit' ein Gesamtbild der Vergangenheit – und hier des Zweiten Weltkriegs im Osten – für unser kollektives historisches Gedächtnis ergeben kann. Die hier erstveröffentlichten Briefe stammen aus der Feder von Georg Lauermann (1921-1996), der mit seinen Eltern während des Krieges in Berlin wohnte und zuletzt in Bad Segeberg als Tierarzt praktizierte. Die vorliegende Feldpostbrief-Edition wird durch über 300 Abbildungen und Ablichtungen der Originaldokumente bereichert und mit weiterführenden Informationen ergänzt, auch über den Einsatz des AR 168 in den Jahren 1939-1941, also vor Beginn des Unternehmens Barbarossa. Nicht zuletzt lassen sich auf Basis der persönlichen Erinnerungen auch Aussagen über die Wehrmachts-Einheiten machen, in denen der Brief-Schreiber Dienst tat.

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

1. Prolog
2. Zur Edition der Briefe
2.1 Die Provenienz der Briefe und die Person Georg Lauermann
2.2 Georg Lauermann und seine Briefe aus dem Russlandfeldzug – warum er- haltenswert?
2.3 Die überlieferten Briefe und weitere Dokumente
3. Der ostfeldzugspezifische historische Kontext
4. Die persönliche Vorgeschichte seit 1939 im Überblick: Ausbildung, Truppenzugehörigkeit und (Kriegs-)Einsatz vor dem Beginn des Unternehmens Barbarossa
5. Die Feldpostbriefe aus dem Russlandfeldzug
5.1 Das Jahr 1941
5.2 Das Jahr 1942
5.3 Das Jahr 1943
6. Epilog
8. Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
9. Quellen- und Literaturverzeichnis
10. Dokumente

1.Prolog

„(…). Doch trotzdem sind wir alle guten Mutes, vor allen Dingen deshalb, weil ich einen ganzen Wäschebeutel Schokolade bei mir habe. Mit zwei Schützenpanzern habe ich als Spähtruppführer gewaltsame Aufklärung gegen Tazinskajagefahren, was kurz vorher noch deutsch war und mit der ‚Knochensäge‘, dem M.G. 42 haben wir am Ortseingang überraschend die russische Pak und Sicherungen zusammengeschossen, den Rest überfahren, was sich noch regte mit den Ketten und haben dann, nachdem wir wie die wilde Jagd durch den Ort gebraust sind, die Wache vor dem ehem. deutschen Verpflegungslager mit Handgranaten niedergemacht und Kisten mit Keks und Schokolade eingepackt und sind wieder so zurückgebraust, wie wir gekommen waren. (…).“

(Georg Lauermann, Feldpostbrief vom 1. Januar 1943)

Nachdem bereits dasvergangeneJahr 2014– im August 1914 hatte mit dem Ersten Weltkrieg die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“[1]begonnen –ein besonderes Jahr deseuropäischen und insbesonderedesdeutschenhistorischenErinnerns und Gedenkensgewesen ist, jährt sich auch 2015 ein bedeutsames historisches Ereignis: Im Mai 1945 endetein Europader von Nazi-Deutschland entfesselte Zweite Weltkrieg,mit dem die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ seine Vollendung fand,mit der bedingungslosen deutschen Kapitulation.In diesem Jahr jährensich also das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europaund, damit verbunden, dasEnde der NS-Herrschaft,zum 70. Mal.

Aber nicht nur aus diesem Anlassund nicht nur in diesem Jahr sollte desZeitraumsvon 1939 bis 1945nochmalsbesonders erinnert werden – es geht vor allem darum, die mit diesem Weltkrieg verbundenen Schrecken und Opfer niemals zu vergessenund Perspektiven zur Beantwortung nach wie vor offener Fragen, in welcher Hinsicht auch immer, anzubieten.

Das vorliegende Buch will hierzu in Form einer EditionderFeldpostbriefedes Artillerie-Soldaten Georg Lauermannaus den Jahren1941-1943aus demRusslandfeldzug einen Beitrag leisten– denn insbesondere derKrieg im Ostenistin unserem kollektiven Gedächtnisextremtief verankert, weil dieserVernichtungs- und Ausbeutungskriegzur Gewinnung von „Lebensraum im Osten“[2]einen Charakter aufweist, mit dem noch immer vieleFragen verbunden sind.

2.Zur Edition der Briefe

2.1DieProvenienz der Briefeund die Person Georg Lauermann

DieFeldpostbriefe und weiteren Schriftstücke, die mit dem vorliegenden Buch veröffentlicht werden,sindim Jahr 2013über eine Internet-Auktions-Plattform in meinen Besitz gelangt.[3]

Neben dieser in meinem Besitz befindlichen Sammlung, dieJahre 1941 bis 1943 aus dem Russlandfeldzugumfassend,existier(t)en noch zwei weitereFeldpost-Konvolute von Georg Lauermann. Diese ebenfalls im Jahr 2013 auf einer Internet-Auktionsplattform angebotenen Konvolute aus den Jahren 1939/40[4]und 1940/41[5]befinden sich aber nicht in meinem Besitz.Gleiches trifft auch aufzwei Urkundenaus dem Besitz Georg Lauermannszu, die ebenfallsim Internet zum Verkauf angebotenworden waren:[6]In der einenUrkunde, dieohne erkennbaresDatumist(siehe Abb.1), wirddem „Gefr. Lauermann“ von der „3. Batterie A.R.168“ die „volle Anerkennung“ für seine „zum künstlerischen und technischen Wettbewerb der Division eingereichte Arbeit“ ausgesprochen,bei der zweiten handelt es sich um eine vorläufige Besitzurkunde, datierend vom 23. September 1942, für die Medaille „Winterschlacht im Osten 1941/42 (Ostmedaille)“(siehe Abb.18), aus der darüber hinaus weitere bedeutsame Informationen über Georg Lauermann zu entnehmen sind: Diese Besitzurkunde weist Georg Lauermann als Unteroffizier und ehemaligen Angehörigen „3./A.R.168“ aus; außerdem ist ihr zu entnehmen, dass Georg Lauermann am 9. Mai 1921 geboren wurde und zum Zeitpunkt der Verleihung der Urkunde dem „Res.Art.Regt.3“ (also dem Reserve-Artillerie-Regiment 3) angehörte.

Auf Basis dieser Angaben und den Erkenntnissen, die sich aus den Feldpost-Konvoluten ergeben, lässt sich über den Verfasser der Feldpostbriefe das Folgende sagen: Die Feldpostbriefe stammen aus der Feder des Artillerie-Soldaten

Georg Lauermann,geboren am 09. Mai 1921,[7]

während des Krieges wohnhaft inBerlin-Tempelhof,

Germaniastraße 155.[8]

Seine Eltern waren Georg und Maria Lauermann (vgl.Dok. 111bisDok. 114); außerdem hatte er einen älteren Bruder: Heinz Lauermann,[9]in dessen privates Umfeld die häufig erwähnte „Helga“ einzuordnen ist. Ausschließlich mit diesen Personen wurde die mit diesem Buch veröffentlichte Front-Heimat-Korrespondenz geführt. 

2.2Georg Lauermann und seine Briefe aus demRusslandfeldzug– warum er-haltenswert?

Aus demvonNazi-DeutschlandentfesseltenZweiten Weltkriegsind bisher unzählige VeröffentlichungenvonFeldpostbriefenerschienen; auch Feldpost-Editionen von den Kämpfen an der Ostfront, insbesondere von Briefen aus Stalingrad, gibt es zahlreiche.[10]

Warum bedarf es zum ThemaRusslandfeldzugalso einer weiterenFeldpostbriefe-Edition? –In erster Linie deshalb, weil neben den administrativen Dokumenten nur die Summe persönlich-subjektiv-dokumentierter Wahrnehmungen von „Wirklichkeit“ ein Gesamtbild der Vergangenheit – und hier des Zweiten Weltkriegs im Osten – ergeben kann.Denn allgemein gesagt, ergibt sicherstaus den mosaiksteinartig zusammengesetzten persönlichen Wahrnehmungen einzelner Personen das historische Gedächtnis einer ganzen – nämlich unserer – Nation. Somit soll diese Edition vonFeldpostbriefen einen Beitrag leisten, durch die in den Briefen zum Ausdruck kommende subjektive Wahrnehmung des Kampfes an der Ostfront durch einen involvierten Soldaten die Kriegs-Wirklichkeit zu erhellen und dadurch unser historisches Gedächtnis entsprechend zu bereichern, da diesepersönlich dokumentierte Erinnerungan die Vergangenheitin Form der „nicht-intentionalen (…) Weitergabe von Geschichte“alszentralerBestandteil des historisch-sozialenGedächtnissesunsererNation zu verstehenist.[11]

Hierbei ist natürlich zu berücksichtigen, dass der normale Feldpostweg bekanntermaßen verschiedenen behördlichen Kontroll-undZensurmechanismen und, daraus resultierend,das Berichteteauchimmereiner gewissen Selbstzensur unterlag.[12]Daher sind vor allem diejenigen Briefe, die Georg Lauermann über Kameraden zu seinen Angehörigen transferiert hat, inhaltlich von besonderer Bedeutung: Sie bilden über die sonst regelmäßig zu findenden stereotyp-floskelhaften und selbstzensierenden Formulierungen – wie z.B. „bin gesund und munter“, „später mehr“ – hinausgehend einen größeren, aber natürlich stets subjektiven Realitätsbezug ab, da sie (sehr) persönliche Empfindungen und auch Informationen über das Geschehene/Erlebte beinhalten.

Von diesem Grundverständnis ausgehend, lassen sich mit konkretem Blick auf den Vernichtungskrieg im Osten durch die vorliegende Brief-Edition folgende Aspekte erhellen:

§Die noch immer vieldiskutierte Rolle der Wehrmacht im Ost-Feldzug, die sich neben denbekanntenBefehlenund Anordnungen(hierzu siehe Kap.3)nur aus der Mentalitäts- und Handlungsstruktur der einzelnen Protagonisten–und im vorliegenden Falleines zu Beginn des Russlandfeldzugs 20jährigen Artillerie-Soldaten –ergeben kann.

§Damit verbunden ist die subjektive Wahrnehmung des ideologischenAusbeutungs- undVernichtungskriegsund dieRolle einzelner Soldaten als„Vollstrecker“des Völkermordes, wobei die die Frage nach der persönlichen Verstrickung zwischen folgenden Polen pendelt: „Ohne die funktionale Mitwirkung der Wehrmacht wäre der Völkermord im Osten niemals in dieser Form möglich gewesen. VieleSoldaten haben diese Entwicklung hingenommen, manche haben sie auch dezidiert gebilligt. Doch waren die meisten dieser Soldaten – wenn überhaupt – nicht mehr als Zeugen des Holocaust. (…).“[13]

§Außerdem lassen sich auf Basis der persönlichen Erinnerungnatürlichauch Aussagen über die Wehrmachts-Einheiten machen, in denen der Brief-Schreiber Dienst tat.Anhand der überlieferten Feldpostnummern[14]und der teilweise konkreten Nennung seiner Einheiten lässt sich nachvollziehen, dass Georg Lauermannvon 1941 bis Ende 1943in chronologischer Abfolge indenauf derNebenseitegenanntenVerbänden/Einheiten eingesetzt war(Abb.2),derenEinsatz-Wirklichkeitaus der Sicht eines unmittelbar Beteiligtenüber die aktenmäßige Überlieferung hinaus ergänzt und konkretisiertwerden kann.[15]

Darüber hinauskönnen die Briefeund Postkartenauch im Kontext familiärer Bindungsowieprivater BeziehungenundGefühlebetrachtet und interpretiert werden.Und nicht zuletzt bieten sie auch die Möglichkeiteines – wenn auch freilichideologisch-subjektiv gefärbten – Einblicks in die Lebensweise und -bedingungen der von der deutschen Eroberung und Besatzung betroffenen Einheimischen.

2.3Dieüberlieferten Briefe und weitereDokumente

Über dieFeldpostbriefeund Postkarten, die mit diesem Buch veröffentlicht werden, lässt sich das Folgende sagen:

Abgesehen vonzwei persönlich handschriftlich verfasstenEinzeldokumenten (einem „Tagebuch“ von August bis November 1939 sowieeinemBrief an den Bruder Heinz vom 19. November 1940)[16]handelt es sich um einelückenlose Dokumentation des Zeitraumes vom 30. Juni 1941 bis 11. Dezember 1943; lediglich versehen mit einer eine kleineren erklärbaren Unterbrechung von März bis Juni 1943.

Die Masse der Briefe(diejenigen vom 30. Juni 1941 bis zum 23. März 1943)und weiteren Dokumente befand sich chronologisch sortiert und sauber abgeheftet–werdiese Sammlung angelegt hat, lässt sich nicht sagen–in einem „Laudo-Hefter“ aus Pappe, teilweise mit Trennblättern versehenund/oder auf solche aufgeklebt.

Zudem waren einige Briefe aus dem Jahr 1941 und zahlreiche aus dem Jahr 1943,u.a. an den Bruder Heinz,sowie weitereSchriftstückeaus den Jahren 1941-1943 am Ende unsortiert in die Mappe gelegt.Bei diesen weiteren Schriftstücken handelt es sich um:

(1)Eine mehrseitige Dokumentation mit dem Titel „Unsere Trampfahrt vom 5. bis 18.10.1935 durch Thüringen und Bayern“, die die im Rahmen dieser Überlandfahrt besuchten Orte auflistet und auch zwei grobe Skizzen zur Reiseroute enthält, hier aber nicht veröffentlicht wird.

(2)Ein undatiertes Programmheftchen des „Kleinen Theaters“ in Rostowvon der Operette „Nitusch“ (Dok. 1).

(3)12lose Din A 4-BlättermitBeschriftungen, dieeindeutigauf Erklärungen/Erläuterungenvon Fotografienhinweisen(exemplarischsind drei dieser Blätterbei den veröffentlichtenDokumentenabgedruckt,sieheDok. 2bisDok. 4),zumalGeorg Lauermannin seinen Briefenauch des Öfteren mitgeschickte Fotoserwähnt.Die Fotos, die sich nichtin derDokumenten-Mappebefanden, stammen laut den Hinweistexten aus dem Einsatz im Westen(Belgien, Frankreich)undinSüdostpolen(Debica, Dynow)– also aus der Zeit vor dem Beginn des Russlandfeldzugs.[17]

(4)Zwei Anträge auf „Fahrpreisermäßigung“, datierend vom Februar 1942 und ausgestellt für die Eltern Georg Lauermanns (Dok. 111bisDok. 114).

(5)Eine Ausgabe des Propagandablattes „Mitteilungen für die Truppe“ des OKW vom November 1942 (Dok. 305,Dok. 306).

(6)Eine Immatrikulationsbescheinigung an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin aus dem Jahr 1943 (siehe Abb.22).

(7)Ein Begleitzettel für entlauste Verwundete und Kranke vom September 1943, ausgestellt im Reserve-Lazarett Krakau(siehe Abb.23).

(8)Ein vorbereitetes Deckblatt zum Anlegen einer Briefsammlung der BriefevonGeorg Lauermann (Abb.3), das zwar nicht verwendet wurde, aus dem aber dessen Einsatz im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes auf Usedomund seine Teilnahme am Polenfeldzug ersichtlich sind.

(9)Ein Kanzlei-Bogen mit einem Din A 4-Blatt, das mit der Überschrift „Tagebuch des Soldaten Georg Lauermann, 3. Baukompagnie 13.“ versehen ist (Dok. 5,Dok. 6) und sich ausweislich deso.g.Deckblatts (Abb.3) auf die Vorbereitung und Teilnahme am Polen-Feldzug vom 26. August bis 25. November 1939 bezieht.

(10)Einemehrseitige undatierte und mit Schreibmaschine getippteAdressen-Liste von „Angehörigen, Kameraden pp.“, in der u.a. in roter Schrift vermerkt ist, dass der „Obergefr. Waldemar Lauermann (…) in Stalingradgeblieben“ sei (Dok. 307).[18]

3.DerostfeldzugspezifischehistorischeKontext

Getrieben von derrassisch-ideologischenVorstellung vom „Lebensraum im Osten“ begann Adolf Hitler am 22. Juni 1941 den deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.[19]Was an diesem Tage unter dem DecknamenBarbarossabegann, endete knapp vier Jahre später, im Mai 1945,in Berlin mit der bedingungslosen deutschen Kapitulation.

Zur Durchführung des Vernichtungskriegs wurden bereits im Vorfeld des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion Befehle erlassen, die im Osten einen rechtsfreien Raum schufen,um die dort geplante „rücksichtslose Germanisierung“, wie Hitler es formuliert hatte, durchführen zu können:[20]Unter Aufgabe des „soldatischen Kameradentums“ gegenüber den Soldaten der Roten Armee, wasderGeneralstabs-Chefdes Heeres, GeneraloberstFranzHalder, als zwingendes Erfordernis betrachtete,[21]wurde durch den„Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet‚Barbarossa‘und über besondere Maßnahmen der Truppe“ (Kriegsgerichtsbarkeitserlass) vom 13. Mai 1941angeordnet, dass „Straftaten feindlicher Zivilpersonen“ der Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit entzogen und direkt den Offizieren des Heeres-Truppen im Osten übertragen werden.[22]Gleichzeitig wurde für die Wehrmachtsangehörigen festgelegt:

„Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.“[23]

Der„Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941 wies die Ermordung der politischen Kommissare der Sowjet-Armee an und initiierte damit ebenfalls Verbrechen der Wehrmacht.[24]

Zu erwähnen ist in diesem Kriegsverbrechen Vorschub leistenden Kontextauf Befehlsebeneauch der„Reichenau-Befehl“vom 10. Oktober 1941,[25]initiiert vom Oberbefehlshaber der 6. Armee,GeneralfeldmarschallWalter von Reichenau,der das „Verhalten der Truppe im Ostraum“aufgrund der in der Praxis offensichtlich nicht rücksichtslos genug vorgehenden Wehrmachtssoldatendahingehend konkretisierte, dass der deutsche Soldat „im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbitterlichen völkischen Idee und der Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandtem Volkstum zugefügt wurden“, sei und daher „die völlige Vernichtung der bolschewistischen Irrlehre, des Sowjet-Staates und seinerWehrmacht“ sowie „die erbarmungslose Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit und damit dieSicherung des Lebens der deutschen Wehrmacht in Rußland“ zu erfüllen habe.[26]Dass es sich bei diesem Befehl freilich nicht um die Anordnung eines ideologischaußergewöhnlichvergifteten Einzelgängers handelt,auf dessen Anordnung hin–undentgegen diesbezüglicherwehrmachtsinterner Proteste–schon im August 1941 in Bila Zerkwa (ca. 80 km südlich von Kiew)auch zahlreichejüdische Kinder erschossenwurden,[27]wird deutlich bei einem Blick aufzwei weitereAnordnungen aus dem Jahr 1941: Die eine stammt vomOberbefehlshaberder 17. Armee – in diese war auch das AR 168 eingegliedert, in dem Georg Lauermann eingesetzt war[28]–, Generaloberst Hermann Hoth, vom 17. November 1941,[29]die andere vom Oberbefehlshaber der 11. Armee,General Erich v. Manstein, vom 20. November 1941.[30]Beide atmeneinen ähnlichenantibolschewistischen und antisemitischenGeistund stellten in der Folge freilich auch nicht die einzigen derartigen Anweisungen dar.[31]

In der Praxisist die ideologisch-menschenverachtende Art der Kriegführung im Ostenbeispielsweisenicht zuletztauch ander Behandlung sowjetischer Kriegsgefangenerabzulesen, die laut einer geheimen Anordnung des OKWvom 8. September 1941„jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren“ haben,[32]ebensoander deutschen Belagerung von Leningrad von Anfang September 1941 bis Ende Januar 1944, bei derwohlüber eine Million zivile Bewohner der Stadt zu Tode kamen,[33]sowieander Eroberungund Besatzungvon Charkow1941-1943,[34]wobeiin Charkow – und das mehr aus ideologischen als aus pragmatischen Gründen –die„reibungsloseZusammenarbeitzwischen Kommandobehörden, Militärverwaltung und Polizei“bei dermassenhaftenErmordung jüdischer Bevölkerungbesonders hervorsticht.[35]Zudem waren Wehrmachtseinheiten in Erschießungsaktionenanjüdischer Bevölkerung wie beispielsweise beim Massaker von Babyn Jar involviert.[36]Und vor allem der Kampf um Stalingradverdeutlicht nicht zuletzt auch die menschenverachtende Haltung Hitlers gegenüber seinen eigenen Soldaten.[37]

DieNiederlage in Stalingradim Januar/Februar 1943ist schließlichdas Menetekel des endgültigen Scheiterns des Ostfeldzugs,[38]wenn auch in der Folgezeit immer wie-

der versuche zur Stabilisierung und Ausweitung der Front unternommen wurden.[39]

In diesemideologischenundereignisgeschichtlichenGesamtkontext sind die folgen