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Altern als ein "profitables" Abenteuer mit Pfiff und Esprit, bei welchem der eigene Lebenstraum vom LEBEN in Erfüllung geht?! Wie könnte das – trotz aller Herausforderungen, die das Altern mit sich bringt - gelingen, sodass aus einer Sehnsucht Wirklichkeit werden kann? Ich zeige, wie die Erkenntnisse der Psychotherapeutischen Wissenschaft unkonventionelle, inspirierende und ermutigende Antworten auf die aufgeworfene Frage geben. Denn es ist unumgänglich für ein gesundes und erfülltes Leben über die gesamte Lebensspanne, das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist besser zu verstehen und mit in Betracht zu ziehen. Weil dabei das Unbewusste und seine Symbolik eine wesentliche Rolle spielen, wird auch u.a. auf die besondere Bedeutung des Traums eingegangen. Nach einer leicht verständlichen Darlegung einer "Psychologie der 2. Lebenshälfte" nach C. G. Jung kommt in der "Geheimnisvollen Sprache der weisen Alten", einem Symbol des Unbewussten, u.a. Clarissa Pinkola Estés, Autorin des Weltbestsellers "Die Wolfsfrau", zu Wort. "Die Macht des Charakters" betont James Hillman, während Leopold Rosenmayr die Bedingungen für ein "schöpferisches Altern" hervorhebt. Das Ziel, "aus seinem Leben ein Kunstwerk zu machen", zeigt Danielle Quinodoz auf, während Helen M. Luke das hohe Alter sehr gut charakterisiert. In "Ein Hauch von Leichtigkeit" kommen u.a. Ingrid Riedel und Marie-Louise von Franz mit ihren Querverbindungen zu Mystik und Quantenphysik zu Wort. In "Der LEBENS -Traum – "nur ein Traum?", "Der schöpferische Mensch", "Weg-Bewusstheit und Ver-Wand-lung" und "Dankbarkeit", zeige ich die besondere Bedeutung dieser Themen für ein "profitables" Altern als einem Abenteuer mit Pfiff und Esprit auf. Das schillernde Kaleidoskop der über viele Jahrzehnte mit Herzblut zusammen getragenen Erfahrungen und Erkenntnisse von sehr vielen Menschen möge Dir zu einem bereichernden, lustvollen, getrösteten und sinnbesetzten Altern beitragen – egal wie alt Du bist!
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Seitenzahl: 281
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Margrit Eleonore Haid
Altern -
ein „profitables“Abenteuer
mit Pfiff und Esprit
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zur Entstehung und Gestaltung des Buches beigetragen haben, insbesondere meinem Mann Florian Haid und meinen FreundInnen.
Covergestaltung: Sabine Gufler, PhD
ImpressumCopyright by Margrit Eleonore Haid
Vorwort
Eine Psychologie der 2. Lebenshälfte: C. G. Jung
Die geheimnisvolle Symbolsprache der weisen Alten:Clarissa Pinkola Estés
Die Macht des Charakters: James Hillman
Der LEBENS-Traum – „nur“ ein Traum?
Schöpferisches Altern: Leopold Rosenmayr
Aus seinem Leben ein Kunstwerk machen:Danielle Quinodoz
Das hohe Alter: Reise in die Einfachheit:Helen M. Luke
Ein Hauch von Leichtigkeit:
„In der Entwicklung jedes Menschen kommt der Augenblick, in dem er erkennt, dass Neid Unwissenheit, Nachahmung Selbstmord ist; dass er sich selbst schlecht und recht als seinen Anteil am Leben hinnehmen muss, dass, obgleich das weite Weltall des Guten voll ist, kein Körnchen Nahrung ihm zukommen kann, außer durch seine eigene Mühe auf dem Ackerfeld, das gerade ihm zum Bebauen gegeben ward. Die Kraft, die in ihm ruht, ist neu in der Natur, und nur er weiß, was er leisten kann, und auch er nicht eher, als bis er es versucht hat.“
Ralph Waldo Emerson in „Self-Reliance“- “Selbstvertrauen”
„Wer seines Lebens viele Widersinneversöhnt und dankbar in ein Sinnbild fasst,der drängt die Lärmenden aus dem Palast,wird anders festlich, und du bist der Gast,den er an sanften Abenden empfängt.
Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,die ruhige Mitte seinen Monologen;und jeder Kreis, um dich gezogen,spannt ihm den Zirkel aus der Zeit.“
Hast du als Jugendliche auch Abenteuergeschichten verschlungen oder dich als Erwachsene selbst in Abenteuer begeben? Konntest du deinen Erlebnishunger während deiner Lebensreise stillen, oder sehnst du dich nach wie vor noch nach Abenteuern? Auch jetzt mit 50, 60, 70 oder 80 plus? Und wenn, nach welchen?Konntest du deinen LEBENS-Traum verwirklichen? Hattest oder hast du überhaupt einen, oder hattest du gar mehrere? Oder wurdest du in Umstände hinein gestellt, in denen solche Fragen müßig waren, und es ging schlichtweg darum, irgendwie zurechtzukommen und das Bestmögliche aus der gegebenen Situation zu machen?
Wovon träumst du jetzt? Egal wie alt du bist! Ganz gleich wie die Dinge stehen! Was ist deine innerste Sehnsucht? Was macht deine Seele satt? Wo möchtest du am Ende deiner Lebensreise ankommen können? Wagst du überhaupt zu träumen, geschweige denn, an deine Träume zu glauben? Und was ist mit deinen Träumen der Nacht? Wolltest du nicht schon immer wissen, was sie bedeuten könnten? Fragen über Fragen! Aber nur aus der Frag-Würdigkeit entstehen neue Ideen und Antworten. Und nur, wenn wir wissen, wovon wir träumen, was wir im Innersten wollen und wovon das LEBEN in uns träumt, können wir Antwort geben, wissen wir, welchen Weg wir einschlagen müssen, um zu unserem Ziel zu kommen. Zu einem Ziel, welches nicht nur unser ganz persönliches ist, sondern auch eingebettet ist in die Gesamtheit der Welt und der Natur, in die Welt- geschichte und den Kosmos.
„Abenteuer“, welches sich vom Lateinischen „ad venire“ ableitet, bedeutet „ankommen“, nachdem man etwas Gewagtes mit unsicherem Ausgang begonnen hat. Und wenn wir unseren LEBENS-Traum verwirklichen wollen, dann wird es auf jeden Fall spannend und abenteuerlich im wahrsten Sinne des Wortes, und wir hoffen zugleich, dass es uns gelingen möge. Denn ein leichtes Unterfangen ist es sicherlich nicht, weil es einem dabei manchmal so vorkommt, als ob man die Welt von Pol zu Pol umrunden würde und den Weg finden muss durch ein endloses Labyrinth.
Natürlich wünschen wir uns alle Gesundheit, Sicherheit und Geborgenheit, Glück und Zufriedenheit. Doch bei der weiteren Frage, was genau für den Einzelnen Gesundheit, Geborgenheit, Glück und Zufriedenheit sind, unterscheiden sich die Antworten stark, und man kommt besser zum Ziel, wenn man sich fragt: „Was ist mein Traum von meinem Leben?“, „Wie fügt er sich ein in die Gesamtheit der Welt und der Menschheit?“ und „Wie kann ich meinen Traum verwirklichen?“ Denn je älter wir werden, umso mehr drängt uns das LEBEN, - manchmal gerade auch in seiner ganzen Provokation und Herausforderung, auch in Form von Krankheitssympto- men - gelebte Antworten auf diese Fragen zu geben.
Für diese Fragen und die ganz persönliche Antwort darauf sind die Erkenntnisse der Tiefenpsychologie und Psychotherapie ganz besonders wertvoll, ja unverzicht-bar. Und auch der neueste Zweig der psychosomatischen Medizin, die Psychoneuroimmunologie (PNI){1}, zeigt, wie unumgänglich es für ein gesundes und erfülltes Leben über die gesamte Lebensspanne ist, das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist besser zu verstehen und mit in Betracht zu ziehen. Dabei spielen die Symbolik und die Botschaften des Unbewussten eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grund ist es höchste Zeit, gerade auch das Altern unter diesem erweiterten Blickwinkel und von der Perspektive dieser Wissenschaften aus zu betrachten.
Heutzutage hört man von allen Seiten, „aktiv altern“ sei das Mittel der Wahl schlechthin. Was ist aber damit gemeint? Aktivität – vor allem äußere - um der Aktivität Willen, das Fieber unserer modernen Gesellschaft bis zum Tot-Umfallen? Aktivität als Lückenfüller für Leere? Oder bedeutet es, dem nicht mehr zu überhörenden Mantra der „körperlichen Bewegung“ und „gesunden Ernährung“ bedingungslos und treu zu folgen bis dass der „Tod mich scheidet“, und um geistig fit zu bleiben, Kreuzworträtsel und Sudokus zu lösen oder so lange zu arbeiten, bis es mich nicht mehr gibt? Bedeutet es, bestrebt zu sein, sich „jünger zu fühlen als man ist“ oder gar noch jünger auszusehen? Muss man sich jetzt den überall und pausenlos gepredigten „10 Gesundheits-Geboten“ als Ersatzreligion unterwerfen, da man sonst mit vorzeitigem Altern und Krankheit bestraft wird? So wie früher mit der Hölle?
Oder könnte „altern“ eventuell auch eine Verheißung sein, eine geheime Botschaft enthalten, ein Geheimnis, welches es zu entschlüsseln gilt? Den „Stein der Weisen“ finden – oder gar selbst herstellen? Könnte es eventuell gar kein Märchen sein? Und wenn, wie wäre das zu bewerkstelligen? Würden wir bei den alten Alchemisten fündig? Oder bei alten Weisheitslehren? Gibt es etwa gar Vieles zu erkunden und zu erforschen und zu entdecken? Für jeden von uns? Wer weiß? Gibt es vielleicht Spuren, denen nachzugehen es sich lohnt - jenseits von genügend Bewegung, gesunder Ernährung, sozialem Engagement und längerem Arbeiten? Was haben die Alten hinter-lassen, die uns vorangegangen sind in der Karawane der Evolution? Wovon künden jene, die selbst schon an der Schwelle des hohen Alters stehen und ihr Leben der Erforschung der Seele und des Geistes gewidmet haben?
Ich lade dich deshalb ein, sich mit mir auf eine Reise zu begeben, auf der wir uns u. a. auch bei Menschen um- sehen, die zu diesem Thema lebenslänglich geforscht und geschaffen haben, und wer weiß, vielleicht wirst du auch bei dir selbst fündig!
Denn heutzutage - mit all den Chancen und Nachteilen der persönlichen Freiheit und Individualisierung - ist jeder Einzelne aufgerufen und berufen, aktiv seine ganz persönliche Antwort auf die grundlegenden menschlichen Fragen zu geben.
Mein eigener LEBENS - Traum war und ist, - auch wenn du mich für verrückt oder zu idealistisch hältst - , dass mein Leben ein „profitables“ (im oben genannten Sinne) Abenteuer mit Pfiff und Esprit sei, sowohl für mich als auch für andere, und da ich denke, dass mein Lebenstraum dem vieler Menschen trotz aller Verschie- denheit nicht unähnlich ist, möchte ich dich an meinen Erfahrungen und Funden gerne teilhaben lassen. Denn die von mir in diesem Buch ausgesuchten Autorinnen und Autoren habe ich deshalb ausgewählt, weil gerade sie mir auf meinem eigenen Weg inspirierende und Mut machende Begleiter waren und sind.
Bei uns allen herrschte und herrscht manchmal im Leben scheinbar nichts als das handfeste körperliche „Altern“ bzw. Krankheit vor, und wir erschraken und erschrecken. Dann wieder konnten und können wir sogar das „Profitable“ daran erfahren, vielleicht zuerst nicht so offensichtlich, doch letzten Endes und trotz allem ein spürbarer Gewinn, ein innerliches Voranschreiten, eine allmähliche Zunahme von Bewusstheit und Integration der verschiedenen Persönlichkeitsanteile. Und dann wieder überwiegt das „Abenteuerliche“ des Lebens mit seiner Spannung und jähen Wendungen zwischen Angst und Lust, dem neugierigen Forscherdrang, dem „Er-fahren“ von Neuem und einem befriedigenden Ankom- men.Und immer wieder ertönt auch so etwas wie ein Pfiff im Leben, manchmal schrill und laut, und dieser Pfiff mahnt an das Fortschreiten der Zeit, die uns gegeben ist, oder ES pfeift uns – in Form eines Traumes, eines Krankheits- symptoms oder durch die Außenwelt (ob Corona, Streit oder andere Widerstände) -, zurück auf unseren ganz persönlichen Weg, wenn wir von unserem Pfad, unserer in das größere Ganze eingebetteten Urnatur, abgekom- men sind. Aber manchmal bricht dieser „Pfiff“ des LEBENS auch in seiner gerade umgekehrten und komplementären Bedeutung hervor, nämlich als jene schwer definierbare humorvolle Wachheit und Keckheit des Lebens, als ein gewisser Schalk, der uns ganz unerwartet aus dem Unbewussten hervorquillt und uns zuzwinkert. Manchmal sogar mitten aus dem Chaos, Lichtfunken sprühend. Ob Ungemach, Krankheitssymp- tom oder wunderbare Schöpferkraft und ein inneres Gefühl der Geborgenheit, immer ist ES das blitzende und leuchtende Auge der „Uralten“ in uns, jene „göttliche“ und ewig junge und neugeborene Ganzheit des LEBENS, die uns veranlasst, zu der uns vollständiger machenden Form zu kommen und/oder einer unvorher- gesehenen und „verrückten“ Idee, „unserem Vogel“, diesem geflügelten Wesen, zu folgen und dieser immer wieder neu geborenen Intelligenz und Zuversicht in uns zu vertrauen. Und „Esprit“? Das ist dieses „gewisse Etwas“, dieser Spirit, Spiritus Sanctus oder Geist, welcher spürbar wird, wenn wir in Verbindung mit dieser unbewussten Lebensquelle, unserer Urnatur sind, wenn wir auf sie vertrauen können und uns davon leiten, tragen und inspirieren lassen. ES ist jene Kraft, jener Geist, jener Esprit, jenes geheimnisvolle „Etwas“, das uns trägt, ein- und heimleuchtet, und welches uns eint und vorwärts drängt in Richtung werdendes und zu gebärendes LEBEN. Mit Deinem und meinem ganz persönlichen Stempel. Immerzu – jetzt – früher –später….
Gerade die Coronapandemie zeigt uns eindeutig: Die Natur lässt sich nicht beherrschen! Weder die äußere noch die innere, ob es ein Virus ist oder die innere seelische Wildnis, das Unbewusste. Genau das versuche ich, in diesem Buch aufzuzeigen: Denn wir alle haben auch eine freie, wilde Natur in uns, und man muss lernen, auf sie Rücksicht zu nehmen und sie einzubinden, um ein „gutes Leben“ führen zu können. Denn sie enthält, um mit Clarissa Pinkola Estés zu sprechen: El Duende, den Feuerfunken. Aber was ist schon ein „gutes Leben“? Laut den Erkenntnissen der Psychotherapeutischen Wissenschaft und Psychoneuroimmunologie (PNI) ist ein „gutes Leben“ vor allem geleitet und durchdrungen von Selbstfürsorge und Dankbarkeit {2}, und es besteht eine hohe Korrelation zwischen dem „guten Leben“ (Selbstfürsorge und Dankbarkeit) und entzündlichen Prozessen im Körper, die in weiterer Folge zu Krankheiten aller Art führen.
Doch was versteht man aus psychotherapeutischer und humanmedizinischer Sicht unter Selbstfürsorge?
Selbstfürsorge wird vor allem dadurch gefördert, dass man:
gute soziale Beziehungen pflegt und gleichzeitig
auf seine Autonomie achtet
indem man sich von seinen Interessen und seinem Wissensdurst leiten lässt, sie pflegt und offen ist für Neues
indem man sich genügend Zeiten für Stille (Achtsamkeitsübungen, Kontemplation, Besin- nung, Tai Chi, Feldenkreis, Qui Gong, Yoga…..) schenkt und
mit seinem Körper achtsam umgeht: Das bedeutet eine adäquate, persönlichkeitsbezogene körper-liche Aktivität und Ernährung
indem man seinen Gefühlen Ausdruck verleiht durch Malen, Musizieren, Singen oder Tanzen, expressivem Schreiben, Tagebuchschreiben, …. im Gestalten, im Werk, durch Austausch im Gespräch…
durch Spiritualität
durch Psychotherapie
Allerdings ist dies alles leichter gesagt als getan, da die genannten Bereiche teilweise sehr gegensätzlich sind und sich „spießen", wie z.B. das Bedürfnis nach Beziehung und Nähe und jenes nach Autonomie und Selbst- verwirklichung. Und die notwendigen Zeiten für Stille und Besinnung hatten bis jetzt in der modernen Gesellschaft kaum einen Platz! Wie soll man also das alles unter einen Hut bringen ohne dass das eine auf Kosten des anderen geht?
Und Dankbarkeit? Man kann sie doch nicht erzwingen! Wie entsteht sie also?
Einfache und schnelle Antworten auf diese Fragen, was man unter „Selbstfürsorge“ und „Dankbarkeit“ verstehen kann und wie man sie verwirklicht, gibt es nicht.
Deshalb werde ich im Folgenden immer wieder von verschiedenen Blickwinkeln und auch durch die Linse verschiedener Autorinnen und Autoren diese Themen zu umkreisen versuchen, allerdings mit gewissen Schwer- punkten. Nämlich jenen, die meistens zu wenig Beach- tung bekommen oder ganz unter den Tisch fallen, insbesondere was die gewichtige Rolle des Unbewussten in unser aller Leben betrifft, ob wir ES wahrhaben wollen oder nicht, und welche Rolle dies für die Verwirklichung unseres LEBENS-Traumes und einem „guten Leben“ spielt. Deshalb werden wir u.a. auch einen Ausflug ins Land der Träume machen.
Die Coronakrise, aber auch jede Erkrankung, gebietet uns Einhalt und birgt die Chance in sich, zur Besinnung zu kommen und uns dessen bewusst zu werden, was wirklich zählt im Leben. Sie zwingt uns zu Verzicht und Einfachheit, Begrenzung, Einschränkung und Einkehr.
Aber auch das ist die Lehre aus der Menschheitsge- schichte und der Natur: Immer wieder entsteht aus dem Chaos etwas Neues, noch nie vorher Dagewesenes, entspringt der Natur und dem Menschen ein neuer Geist, eine Art Auferstehung von den Toten, erhebt sich ein Phoenix aus der Asche, und ist imstande, neues Leben erblühen zu lassen, dort, wo man es nie vermutet hätte, und ist fähig, mit dem Feuerfunken der Begeisterung neue Schaffenskraft zu entzünden. Dieser Geist, dieser Esprit, weht wann und wo er will. Er lässt sich nicht machen, doch dessen göttlicher Funke wohnt allem Lebendigen inne. Er ist das LEBEN.
So lasst uns also, ob es die Corona-Krise ist, eine Krankheit oder das handgreifliche Altern mit seinen Beschwerden, dies zum Anlass nehmen, hinzuhorchen, was ES, dieses oft so unscheinbare, ja unsichtbare und doch so große LEBEN uns leise zuflüstert, - immerzu ohne Unterlass! Ich hoffe, Du wirst durch die folgenden Seiten dazu inspiriert, hinzuhören, was Deine Seele Dir aus Deinem Inneren zuflüstert! Deshalb, - sei still und lausche! Damit du deinen Zauberring unter all deinen unermesslichen Schätzen findest und verwenden kannst!
Alle Autorinnen und Autoren in meinem Buch sind Menschen, die sich lebenslänglich in Praxis und Theorie mit der Erforschung der gesamten Lebensspanne bis ins hohe Alter sowohl bei sich selbst als auch in ihrer therapeutischen Arbeit mit Menschen auseinandergesetzt haben und sich intensiv mit der Frage beschäftigten: „Was heilt (mich/den Menschen) ?“ und „Was ist angesichts des Todes wesentlich für (m)ein erfülltes Leben?“ Überraschenderweise sind ihre Ansichten und Schlüsse, zu denen sie gekommen sind, eng mit der Sehnsucht nach einem „Altern als einem profitablen Abenteuer mit Pfiff und Esprit“ und der realistischen Hoffnung auf Erfüllung des LEBENS - Traums verknüpft.
Nach einer kurzen und leicht verständlichen Darlegung einer „Psychologie der 2. Lebenshälfte“ nach C. G. Jung lasse ich in der „Geheimnisvollen Symbolprache der weisen Alten“, ein Ausdruck des Unbewussten, neben meinen eigenen Erklärungen Clarissa Pinkola Estés, die Autorin des Weltbestsellers „die Wolfsfrau“, zu Wort kommen. „Die Macht des Charakters“ wird besonders von James Hillman verdeutlicht, während die Bedingungen, unter welchen ein „schöpferisches Altern“ möglich ist, von Leopold Rosenmayr hervorgehoben werden. Das Ziel, „aus seinem Leben ein Kunstwerk zu machen“, zeigt Danielle Quinodoz auf, während „das hohe Alter“ sehr gut von Helen M. Luke charakterisiert wird. Im Kapitel „Ein Hauch von Leichtigkeit“ kommen u.a. Ingrid Riedel und Marie-Louise von Franz mit ihren Querverbindungen zu Mystik und Quantenphysik zu Wort. Ergänzt werden all diese Ausführungen u. a. durch meine eigenen Erläuterungen, insbesondere bei „Der LEBENS-Traum – „nur“ ein Traum?“, „Der schöpferi- sche Mensch“, „Weg-Bewusstheit und Ver-Wand-lung“, „Dankbar- keit“ und einem Nachwort.
Ich habe mich bemüht, das für unser Thema Zentrale in eine allgemein verständliche Form zu bringen und ich hoffe, durch meine subjektive Auswahl und Interpretation deine Neugier und Lust auf ein „profitables“ Altern als einem Abenteuer mit Pfiff und Esprit zu wecken, sodass dein LEBENS - Traum erfüllt werden möge!
Lass dich also davon inspirieren und bereichern bei deiner eigenen Forschungs- und Abenteuerreise durch das ewig neue Land des Alterns und Alters! Ich wünsche dir dabei viel Vergnügen!
Warum ist Carl Gustav Jung (1875 – 1961) für unser Thema „Altern – Ein „profitables“ Abenteuer mit Pfiff und Esprit: Die Hoffnung auf Erfüllung des LEBENS-Traums“ wichtig und unverzichtbar?
Jung ist der Ansicht, dass alles, was existiert, von einem schöpferischen Werden durchdrungen ist, und dass der Mensch teil hat an diesem Schöpferischen und heil ist bzw. seine Selbstheilungskräfte aktiviert werden, wenn er selbst in irgendeiner Form, und sei es noch so gering, selbst schöpferisch ist.{3} Alles, was einen Menschen innerlich tief berührt, ist für ihn bedeutsam, und gerade das Bedeutsame ist für ihn die Quelle, aus der er schöpfen kann und was ihn dann auch letzten Endes erfüllt. Denn das, was wir als „Gepäck“ bzw. Rucksack von unseren Eltern und Vorfahren, von unserer Kultur, in die wir hineingeboren wurden, mitbekommen haben, ist in uns eingeprägt, mit tiefen Gefühlen verbunden und wurde für unser Leben bedeutsam. Es ist Schicksal, Geschenk, Last, Gewicht, Bedeutung, Potential, Ressource, Schatz und Aufgabe gleichzeitig. Nur wenn wir wirklich leibhaftig und gefühlsmäßig erkennen, was wir da in unserem Gepäck haben, wenn wir uns quasi selbst erkennen, und wenn wir es voll als das Unsrige annehmen können, sind wir imstande, unser Leben in all seiner Fülle und Bedeutung zu leben, entspringt uns gerade daraus unsere Schöpferkraft, die wiederum für uns und auch andere Menschen Bedeutsames – auch wenn es noch so gering erscheinen möge - hervorbringen kann.
Für C. G. Jung, anfangs Sigmund Freuds „Ziehsohn“, stand vor allem die lebenslange Entwicklung der Persönlichkeit im Mittelpunkt seines Interesses.
„Werde ganz zu dem Menschen, zu dem du das Potential hast!“
könnte man das Lebensprogramm nennen. Doch was heißt das?
C.G. Jung beobachtete während der vielen Jahrzehnte seines Lebens bei sich selbst, bei seiner Umgebung und bei seinen Patienten eine in jedem Menschen vorhandene zentrierende, Charaktereinseitigkeiten ausgleichende und zu Ganzheit strebende seelische Kraft, die er das Selbst nannte.Den Prozess des „Werde ganz zu dem Menschen, zu dem du das Potential hast“ nannte er Individuation, da er beobachten und erfahren konnte, wie dieses im Unbe- wussten agierende innere Zentrum den Menschen einerseits immer mehr dazu drängt, dieses ganz besondere und einzigartige Individuum zu werden, und andererseits ein das Gesamte seines persönlichen Lebens, der Menschheit, der Welt und Evolution mit einbeziehender und in ihr eingebetteter menschlicher Mensch zu werden. {4}
Hierzu bedürfe es eines Ausgleichs der konflikthaften Gegensätze zwischen Geist und Natur, Bewusstem und Unbewusstem und eine Treue zu der im eigenen Selbst innewohnenden Gesetzmäßigkeit. Diesen Prozess nannte er Individuationsprozess. Neben der Tätigkeit als Psychiater beschäftigte er sich stark mit alten alchemistischen Texten und der Symbolik in Märchen, Mythen und Religionen. Er betrieb intensive ethnolo- gische Studien und machte hierfür ausgedehnte Reisen. Auf Grund all dieser Erfahrungen postulierte er neben dem persönlichen Unbewussten auch ein kollektives Unbewusstes und allen Menschen gemeinsame Urbilder, sogenannte Archetypen, welche das menschliche Ver- halten und Bewusstsein beeinflussen. Sein Gedankengut auf Grund all seiner Erfahrungen und Forschungen findet sich in 20 Bänden der Gesammelten Werke wieder, wovon etwa „Die Archetypen und das Unbewusste“, „Psychologie und Alchemie“, „Psychologie westlicher und östlicher Religionen“, „Mysterium Coniunctionis“ - für viele sein Hauptwerk -, oder seine letzten „Der Mensch und seine Symbole“ und „Erinnerungen, Träume, Gedanken“ zu nennen sind. Sein „Rotes Buch“, ein kunstvoller, prachtvoll illustrierter Erfahrungsbericht im Umgang mit seinem eigenen Unbewussten, wurde auf seinen Wunsch hin erst 50 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.
Die Entwicklung der Persönlichkeit oder der Individuationsprozess über die ganze Lebenspanne: 1.+ 2. Lebenshälfte mit einander entgegengesetzten Aufgaben.
Es geht dabei um
Die Ausgleichung der Gegensätze + Die Erfüllung der Individualität innerhalb ihrer Einordnung in ein den Menschen übersteigendes und ihn umfassendes Ganzes
4 Bewusstseinsfunktionen – Denken, Fühlen, Sinnesemempfindung, Intuition
Introversion – Extraversion
Persona - Schatten
Animus – Anima
Das Selbst – ein dem Menschen innewohnendes offensichtlich zielgerichtetes, zu Vollständigkeit hin drängendes Zentrum – höchste Subjektivität verbunden mit der Objektivität bzw. den Naturgesetzen der Weltseele/Kosmos; ein „spiritus rector“
Subjektstufe – Objektstufe
Kausal – final
Die erste Aufgabe dieses lebenslangen Prozesses ist es, ein starkes „Ich“ zu entwickeln und sich in der äußeren Welt privat und beruflich zu „beheimaten“ und zu bewähren. Erst nachdem dieses „Ich“ sich genügend von der elterlichen Matrix gelöst hat und genügend autonom geworden ist, und somit einen bestimmten Grad von Individualität und Selbstidentität erreicht hat, kann es sich relativieren und allmählich erkennen, dass sein „Ich“ nur ein Teil seiner Selbst ist. Dieses Erkennen, dass „das doch noch nicht alles vom Leben gewesen sein kann!“ beginnt im Allgemeinen so um die Lebensmitte, und ist als „midlife crisis“ bekannt. Es ist die Zeit, wo der Mensch „noch etwas anderes will“, wo ihm eine größere Vision seiner selbst bewusst wird, und wo er oft beginnt, sein Leben umzukrempeln und noch einmal „neu anzufangen“. Meist kommt es dann wieder im späteren Erwachsenen- alter zum nächsten Umbruch und Aufbruch, was oft mit der Pensionierung einhergeht oder/ und mit einer mehr oder weniger schweren Erkrankung oder anderweitigen Schicksalsschlägen. Denn durch die einseitige Sozialisation, die für eine Ich-Entwicklung notwendig ist, kommt es zu ausgeprägten Charakterzügen, aber auch Einseitigkeiten, welche, wie alle Einseitigkeiten über einen längeren Zeitraum, ihr Gegenteil nach sich ziehen.
Die Aufgabe der 1. Lebenshälfte ist, eine „Person“ zu werden und sich in der Welt zu verwurzeln. Hierher gehören die Berufs- und Partnerwahl, eventuell die Gründung einer Familie, Festlegungen und Spezialisierungen jeglicher Art. So sind meistens von den 4 Bewusstseinsfunktionen Denken, Fühlen, Empfinden/Sinnlichkeit, Intuition nur zwei dominant, z.B. hauptsächlich das Denken und Sinnesempfindung, während der Gefühls- und der intuitive Teil verdrängt und zum Teil nur gering ausgebildet sind. Des weiteren wird man in seiner Geschlechterrolle sozialisiert, d.h. als Mann werden vornehmlich männ- liche Eigenschaften wie Zielstrebigkeit, das Kämpferi- sche, das Sich-Durchsetzen, das vehement vorwärts Strebende … gefördert, während weibliche Eigenschaf- ten wie das Rezeptive, das Weiche und Gefühlsbetonte, das Beziehungsfördernde, das Abwarten-Können …entweder ganz unter den Tisch fallen oder nur rudimentär zum Leben zugelassen werden (können). Bei den Frauen ist es umgekehrt. C. G. Jung hat heraus- gefunden, dass die Faszination, die vom anderen Geschlecht ausgeht, viel mit den eigenen unterentwickel- ten gegengeschlechtlichen Eigenschaften zu tun hat. Ab der 2. Lebenshälfte geht es also beim Mann um die Integration seiner weiblichen Anteile, der Anima, und bei der Frau um die Integration ihrer männlichen Anteile, dem Animus.
Hier möchte ich Emma Jung zitieren, Jungs Frau, ebenfalls im weiteren Verlauf ihres Lebens als Forscherin und Analytikerin tätig:
„Wenn der Mann seine Anima entdeckt und sich mit ihr auseinanderzusetzen hat, so hat er damit etwas anzunehmen, das ihm bisher als minderwertig galt…. Hat der Mann… gleichsam von einer Höhe herab-zusteigen, einen Widerstand, nämlich seinen Stolz zu überwinden, indem (er)… „She-that-must-be-obeyed“ … als solche anerkennt. … Was wir (Frauen) dem Animus gegenüber zu überwinden haben, ist nicht der Stolz, sondern der Mangel an Selbstvertrauen und der Trägheitswiderstand. Für uns ist es nicht, als ob wir hinabsteigen müssten (außer wenn man mit dem Animus identisch war), sondern als ob wir uns zu erheben hätten, wozu es oft an Mut oder an Willens- stärke gebricht. Es kommt uns vor wie Überhebung, wenn wir unsere eigene unmaßgebliche Überzeugung den allgemeine Gültigkeit beanspruchenden Urteilen des Animus oder des Mannes entgegensetzen; und sich zu einer solchen scheinbar vermessenen geistigen Selbständigkeit aufzuraffen, kostet oft nicht wenig, besonders, weil man darin leicht missverstanden oder falsch beurteilt wird. Aber ohne einen solchen Akt der Empörung … wird die Frau nie aus der Gewalt des Tyrannen befreit werden.“.{5}
Aber auch im geschlechtsspezifischen Bereich werden laut Jung hauptsächlich nur zwei der vier Archetypen gelebt. Das Weibliche wird durch die Archetypen der Mutter, der Geliebten, der Amazone/Managerin und der Alten Weisen/ Mystikerin/Zauberin/Hexe verkörpert, das Männliche durch die Archetypen des Vaters, des Helden, des Puer Aeternus/ewigen Jüng- lings/Playboys und des Alten Weisen. Dies wird zusätzlich durch gesellschaftliche Normen gefördert, welche sehr einseitig nur bestimmte weibliche und männliche Rollenbilder belohnen, während andere weniger geschätzt werden. Bei der Frau wird vor allem die Mutter und die Amazone (Frau, die alles schaukelt und managet, ob Haushalt, Beziehungen oder beruflich: Multitasking!) gesellschaftlich gefordert, gefördert und belohnt, wohingegen die Geliebte und Muse (die sinnliche Frau), und die Mystikerin/Hexe/Zauberin/weise Alte (jene Frau, die auch „zu anderen Welten“ – sprich zum Unbewussten), Zugang hat, gesellschaftlich eher tabuisiert werden. Beim Mann hingegen wird vor allem der Held (Krieger und Abenteurer) und der Ewige Jüngling und Playboy, der sich nicht binden mag, als Idealbild vermittelt, wohingegen der Vater und fürsorgliche Mann und der Weise nicht gerade „in“ sind.
Durch die Sozialisation und Ich-Entwicklung kommt es zu einer Charakterprägung, d.h. gewisse Eigenschaften und Talente werden ausgeprägt, andere weniger, manche gar nicht. Manche Menschen sind sehr nach außen hin orientiert, sie sind extravertiert. Andere wiederum ziehen sich eher in sich zurück, für sie ist ihre Innenwelt besonders bedeutsam. Sie sind introvertiert. Um sich zu einer gewissen Vollständigkeit und Ausgeglichenheit seiner selbst zu entwickeln, geht es auch hier darum, mit der Zeit das Gegenteil dessen, was man nicht so gut gelernt hat, einigermaßen nachreifen zu lassen.
Denn die nach Ausgleich und Vollständigkeit strebende Kraft erzeugt, werden ihre ins Bewusstsein drängenden Impulse und Botschaften allzu lange vom dominierenden Tagesbewusstseins-Ich ignoriert und überhört, Krisen oder Symptome körperlicher, seelischer oder sozialer Art oder/und eine undefinierbare Unzufriedenheit mit sich und der Welt. Sehr häufig wird dann die eigene Lebensunzufriedenheit auf die Außenwelt projiziert, was man am allerbesten am Schwarz-Weiß-Denken und am Freund-Feind-Schema erkennen kann, und was bedeutet, dass hauptsächlich oder immer „die anderen“, vornehmlich die Politik, die Wirtschaft, die Ausländer und alles Fremde, der Partner, die Nachbarn, die ArbeitskollegInnen, …. Schuld an der Misere sind.
C. G. Jung sieht Krisen und Krankheit als Motor für die Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Er fragt also nicht so sehr, woher kommt die Erkrankung und was die kausale Ursache ist, sondern welches Ziel dahinter steckt und was ihr finaler Zweck ist, d.h. welche unbewusste Intention des nach Ganzheitlichkeit und Vollständigkeit strebenden Selbst darin enthalten sein könnte. So schreibt er über die Neurose /Krankheitssymptome physischer und psychischer Art:
„Nicht, wie man eine Neurose los wird, hat der Kranke zu lernen, sondern wie man sie trägt. Denn die Krankheit ist keine überflüssige und darum sinnlose Last, sondern sie ist er selber; er selber als der ‚andere‘, den man immer auszuschließen versuchte. (…) Man sollte nicht suchen, wie man die Neurose erledigen kann, sondern man sollte in Erfahrung bringen, was sie meint, was sie lehrt und was ihr Sinn und Zweck ist. (…) Nicht sie wird geheilt, sondern sie heilt uns. Der Mensch ist krank, Krankheit aber ist der Versuch der Natur, ihn zu heilen.“ {6}
Für C. G. Jung ist eine Erkrankung stets auch eine Art Bewusstseinserweiterung und ein Motor für die Ent- wicklung der Persönlichkeit. Will man eine Gleich- gewichtsstörung im Leben eines Menschen beheben, so muss man nach Jung stets einen Weg finden, wie bestimmte Inhalte des Unbewussten aktiviert, er- schlossen, assimiliert und in die bewusste Gesamt- persönlichkeit integriert werden können:
„Denn in dem Maße, in dem wir verdrängen und unser Gleichgewicht ins Wanken kommt, steigt mit wachsenden Jahren die Gefährlichkeit des Unbe- wussten.“ {7}
Was ist das Unbewusste?
Das ist alles, was uns nicht bewusst ist und alles, was wir nicht „wissen“ oder direkt wahrnehmen können, obwohl ES existiert und wirksam ist (z.B. elektromagnetische Wellen, Viren,…). {8}, {9}.
Hierher gehören all jene Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens vom Moment der Zeugung an gemacht haben, und die uns nicht beziehungsweise nicht mehr bewusst sind. So ist uns auch ein Großteil des Körpers nicht bewusst, denn viele Prozesse geschehen, ohne dass wir sie bewusst spüren. Oder sind dir deine ganzen Verdauungsprozesse, deine inneren Organe, die Adern und Sehnen, die Zellen usw. bewusst? Wahrscheinlich erst dann, wenn etwas weh tut und nicht mehr ganz funktioniert. Das Unbewusste eines Menschen erfasst auch alles Atmosphärische der Umgebung und seiner Mitmenschen, d.h. das, was „in der Luft liegt“, somit also auch die intuitive Seite. Gleichzeitig gibt es im Menschen auch noch eine tiefere unbewusste Schicht, die aus dem Erfahrungsraum der ganzen Evolution besteht und wirkt. C. G. Jung nennt es das Kollektive Unbewusste. Er schreibt:
„Könnte man das Unbewusste personifizieren, so wäre es ein kollektiver Mensch, jenseits der geschlechtlichen Besonderheit, jenseits von Jugend und Alter, von Geburt und Tod, und würde über die annähernd unsterbliche menschliche Erfahrung von ein bis zwei Millionen Jahren verfügen. Dieser Mensch wäre schlechthin erhaben über den Wechsel der Zeiten. Gegenwart würde ihm ebenso viel bedeuten wie irgendein Jahr im hundertsten Jahrtausend vor Christi Geburt, er wäre ein Träumer säkularer Träume, und er wäre ein unvergleichlicher Prognosensteller auf Grund seiner unermesslichen Erfahrung. Denn er hätte das Leben des einzelnen, der Familien, der Stämme und Völker unzählige Male erlebt und besäße den Rhythmus des Werdens, Blühens und Vergehens im lebendigsten inneren Gefühl. … Es wäre geradezu grotesk, wenn wir dieses immense Erfahrungssystem der unbewussten Psyche als Illusion bezeichnen sollten, denn unser sicht- und tastbarer Körper ist ein ganz ähnliches Erfahrungs- system, das immer noch die Spuren urältester Ent- wicklungen sichtbar an sich trägt und unzweifelhaft ein zweckmäßig funktionierendes Ganzes ist, sonst könnten wir ja gar nicht leben. Niemandem würde es einfallen, die vergleichende Anatomie oder die Physiologie für Unsinn zu halten, darum kann auch die Erforschung des kollektiven Unbewussten oder die Wertschätzung desselben als Erkenntnisquelle nicht als Illusion gelten.“ {10}
Wie sind die Gegensätze zu vereinen? Wie entwickelt man seine Persönlichkeit? Indem man innerlich in einen Dialog mit dem Unbewussten tritt und sich darum bemüht, dessen oft symbolische Äußerungen zu erahnen, zu verstehen und in sein Alltagsleben zu integrieren. Unser persönliches Unbewusstes äußert sich in Anmutungen und Körperreaktionen, indem, was uns besonders berührt, in Träumen und Visionen, in spontanen Einfällen und freien Assoziationen, im kreativen Gestalten jeglicher Art, sei es in Wissenschaft, Kunst, Handwerk oder in Freizeitbeschäftigungen. ES zeigt sich in Äußerungen jeglicher Art, in der Tonart eines Menschen, seinem Habitus, seiner Art zu kommunizieren, sei es im Gespräch, durch Schreiben, Malen, Weben, Töpfern, Tanzen, Musizieren, Handwerk … und auch, wie schon erwähnt, durch Krankheiten, Symptome und Unfälle, aber auch durch Zufälle, Synchronizitäten und in Fehlleistungen und Vergessen.Das kollektive Unbewusste äußert sich neben Wissenschaft, Kunst, Politik und Medien in Träumen, Geschichten, Märchen, Mythen, Bräuchen, Riten und Religionen.
Um in einen lebendigen, fruchtbringenden Dialog mit seinem Unbewussten, d.h. dem „Anderen“ in uns, kommen zu können, ist es notwendig, sich regelmäßig und so oft als möglich, genügend zweckfreien Zeitraum zu verschaffen für Rückzugs- und Besinnungsmög- lichkeiten, um seinen Alltagserfahrungen und Reaktio- nen, seinen Träumen und Einfällen nachspüren zu können, darüber nachzudenken, und um dann auch dementsprechend handeln zu können.
Im Roten Buch, welches erst 50 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht wurde, hat sich C. G. Jung in seiner größten Umbruchsphase und Lebenskrise intensiv mit seinem eigenen Unbewussten schreibend und künst- lerisch auseinandergesetzt.
Der Psychoanalytiker, Philosoph und Theologe Gert Sauer schreibt in „Das Unbewusste als Gesprächspartner für Heute: Angeregt durch das Rote Buch“:
„Das Rote Buch zeigt, was Jung darunter verstanden hat, sich von seinem Ich her mit dem Unbewussten zu konfrontieren bzw. in den Dialog zu gehen: Er schreibt und malt seine Erfahrungen. Er nimmt sich oder gibt sich sehr viel Zeit. Er überlässt sich dem Prozess, steuert ihn nicht, setzt sich aber mit seiner ganzen leidenschaftlichen Kraft und seinem Denken damit auseinander…“ {11}
C. G. Jung rät auch seinen Patienten, ihre Eindrücke, Gedanken, Gefühle, Visionen und Träume in Worte zu fassen oder sie zu malen, und zwar nicht auf irgendwelche Zettel, sondern schön gebunden in ein Heft oder Buch. Denn so kann man immer wieder darauf zurückgreifen und darin blättern
„… und es wird Ihre Kirche sein – ihre Kathedrale – die stillen Orte Ihres Geistes, an denen Sie Erneuerung finden.“ {12}
Jegliches expressive Schreiben, sei es in ein Tagebuch, in Emails, Blogs, Briefen oder in irgendeiner literarischen Form, ist von großem therapeutischem Wert und nicht zu unterschätzen. Hier sind sich alle ExpertInnen in der psychotherapeutischen Wissenschaft einig. So unter- streicht dies z.B. auch Christian Schubert, federführender Arzt und Psychotherapeut im Bereich der Psychoneuro- immunologie (PNI), in seinem Buch „Was uns krank macht, was uns heilt“. {13} Im Anhang führt er sogar eine Kurzanleitung zum expressiven Schreiben an. {14}
Meiner Ansicht nach gehört aber auch jegliches andere kreative Gestalten wie z.B. Fotobücher von für einen bedeutsamen Ereignissen hierher. Der Phantasie sind letzten Endes keine Grenzen gesetzt, sei es nun Schnitzen, Musizieren, Tanz, Handarbeit und Handwerk oder Gartengestaltung, um nur einige zu nennen. Geht es dabei doch vornehmlich um den subjektiven und gestaltenden Ausdruck von Erlebnissen, die einen stark berührt haben und die deshalb für einen selbst von besonderer Bedeutung sind.
So war z.B. für einen Buben, den ich vor vielen Jahren in psychologischer Betreuung hatte, und dessen Mutter in der Psychose den jüngeren Bruder mit einem Messer getötet hatte, sein „Heilmittel“ das Messer, mit dem er mit Leib und Seele geschnitzt hat. Dieser Bub war sehr introvertiert und gehemmt, doch indem wir zusammen während der Betreuungsstunden im Werkraum der Schule über lange Zeit Holz geschnitzt haben, taute er allmählich auf. Später erfuhr ich, dass er eine Ausbildung im Schnitzen gemacht hat.