Altersarmut in der Kein-Respekt-Rente - Sandra Weiss - E-Book

Altersarmut in der Kein-Respekt-Rente E-Book

Sandra Weiß

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Beschreibung

Was läuft in Deutschland mit der Rente falsch? Eine Frau, die über 45 Jahre gearbeitet und zwei Kinder alleine großgezogen hat, beschreibt, wie sie in Altersarmut landet und deshalb beschließt, Deutschland zu verlassen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 37

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Dieses Buch ist allen Menschen gewidmet,

die im reichen Deutschland

darauf angewiesen sind,

Pfandflaschen zu sammeln,

weil sie sich sonst nichts zu essen kaufen können

Heute war ich zum letzten Mal in meinem Leben beim Friseur. In sechs Wochen gehe ich in Rente und kann mir einen Besuch beim Friseur dann nicht mehr leisten. Ein neuer Haarschnitt und Strähnchen kosten 70 Euro. Meine Rente wird 715 Euro betragen. Bei 500 Euro Festkosten für eine Einzimmerwohnung, Strom und Telefon bleiben mir 215 Euro für Essen und Leben. Ein Friseurbesuch ist finanziell nicht mehr drin.

Ich bin eine Frau. Ich bin 65 Jahre und ein paar Monate alt. Ich habe zwei medizinische Frauenberufe gelernt und über 45 Jahre in diesen Berufen selbständig gearbeitet. Ich habe zwei Kinder alleine großgezogen. Beide Kinder sind Akademiker. Als allein erziehende Mutter stand ich vor der Frage, ob ich meinen Kindern etwas zum Essen kaufe oder in meine persönliche Rentenvorsorge investiere. Die Unterbezahlung der Frauenberufe ließ mir keine Wahl. Ich musste mich 25 Jahre lang für Ersteres entscheiden. Das Ergebnis sind die 715 Euro Rente.

Ich bin eine Frau und ich bin wütend. Soll ich mich in Zukunft am Altglascontainer mit weiteren fünf Millionen Armutsrentnern um Pfandflaschen streiten? Soll ich mich bei der Tafel anstellen? Soll das die Anerkennung meiner Lebensleistung sein? Ich bin sehr wütend.

Nein, ich werde keine Pfandflaschen sammeln. Ich werde mich nicht bei der Tafel anstellen. Ich werde auch nicht zum Sozialamt schleichen und um Grundsicherung betteln. Da mir meine Wut und mein Stolz aber auch nicht mehr Rente bringen und ich nicht neben einem dreckigen Altglascontainer enden will, habe ich mich entschieden, Deutschland zu verlassen.

Bevor ich diesem Land aber den Rücken kehre, weil ich mir als Deutsche in Deutschland nach 45 Jahren Arbeit mit meiner Rente keinen Friseurbesuch mehr leisten kann, werde ich, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, aufschreiben, was ich davon halte. Was ich davon halte, dass tüchtige und fleißige Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet und Kinder großgezogen haben und die in sozialen Berufen ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nachgegangen sind, von diesem Land in Altersarmut abgeschoben werden. Ohne ein Wort des Bedauerns. Und ohne die geringste Scham.

Ich weiß, dass ich nicht der einzige Mensch bin, die einzige Frau, die mit so einer mickrigen Rente abgespeist wird. Die nach einem Leben voller Arbeit mit leeren Händen da steht. Ich weiß, dass es vielen so geht. Ich weiß auch, dass es zukünftigen Generationen im Alter finanziell noch schlechter gehen wird. Dass sie mit ihrer zu erwartenden Rente keinen netten Lebensabend mehr erwarten können. Alle Statistiken zur Entwicklung der Rente weisen heute schon darauf hin. Ich begreife nur nicht, mit welchem Langmut die jetzigen und zukünftigen Rentner diesen Umstand hinnehmen.

Ich war heute beim Friseur. Natürlich nicht zum letzten Mal in meinem Leben. Aber zum letzten Mal in Deutschland. Mein Haar wird in einem anderen Land weiter wachsen und von Zeit zu Zeit eines neuen Haarschnitts bedürfen.

Ich will nämlich weder neben einem dreckigen Altglascontainer noch mit zotteligen ungepflegten Haaren enden. Das verbietet mir meine Menschenwürde. Und genau die, diese Würde, lasse ich mir auch im Alter nicht nehmen.

Letztes Jahr im Sommer, mitten in der Hitze von 2018, habe ich mein Zelt, einen Schlafsack und Proviant eingepackt und bin an kleinen Fluss hier in der Nähe auf einen Campingplatz gefahren. Mein Sommerurlaub. Sieben Tage wollte ich, besser gesagt: konnte ich bleiben. Mehr gab mein Portemonnaie nicht her.