Inhaltsverzeichnis
Widmung
Die Legende vom Erlöser
Vorwort
Prolog: Fragen ohne Antworten
Copyright
Für Josef Becker
08. 10. 1910 - 27. 03. 1945
Mein besonderer Dank gilt Frau Manuela Jungk für ihre wertvollen Hilfestellungen sowie für ihre Unterstützung beim Internetauftritt.
Die Legende vom Erlöser
Es gab einmal eine Ansiedlung von Geschöpfen am Grunde eines großen kristallklaren Flusses.
Die Strömung des Flusses ging ruhig über alle hinweg - einerlei, ob jung oder alt, reich oder arm, gut oder böse: Die Strömung ging ihren eigenen Weg, denn sie kannte nur ihr eigenes kristallklares Selbst.
Jedes Geschöpf klammerte sich in der ihm eigenen Weise fest an die Zweige und Steine im Flussbett, denn ihre Art zu leben bedeutete Sichfesthalten; von Geburt an hatte man ihnen beigebracht, der Strömung zu widerstehen.
Aber unter ihnen gab es ein Geschöpf, das eines Tages sagte: »Ich habe es satt, mich immer festzuhalten! Ich kann es zwar nicht mit meinen Augen sehen, aber ich vertraue trotzdem darauf, dass die Strömung weiß, wohin es geht. Ich werde loslassen, damit mich das Wasser forttragen kann, wohin es will; denn wenn ich mich weiter festhalte, werde ich vor Langeweile sterben.«
Die anderen Geschöpfe lachten und sagten: »Du Narr! Lass nur los, und du wirst sehen, wie die Strömung, die du so sehr verehrst, dich packen und auf die Felsen schmettern wird, und du wirst schneller daran sterben als vor Langeweile!«
Aber dieses eine Geschöpf hörte nicht auf sie: Es holte einmal tief Luft und ließ los und wurde sofort herumgewirbelt und von der Strömung gegen die Felsen geschmettert.
Aber noch rechtzeitig trug die Strömung das Geschöpf, das sich nicht mehr festhalten wollte, vom Grunde des Flusses frei, und es wurde nicht länger zerschunden oder verletzt.
Und all die Geschöpfe, die sich stromabwärts angesiedelt hatten und die es nicht kannten, riefen: »Sehet, ein Wunder! Ein Geschöpf wie wir, und doch fliegt es! Seht, der Messias ist gekommen, uns alle zu erlösen!«
Und der, den die Strömung getragen hatte, sagte: »Ich bin nicht mehr Messias als ihr auch. Der Fluss tut nichts lieber, als uns zu befreien, wenn wir nur den Mut aufbringen loszulassen. Unsere wahre Aufgabe ist diese Reise, ist dieses Abenteuer.«
Aber sie riefen nur um so lauter: »Erlöser!« und klammerten sich dabei an die Felsen, und ehe sie sich’s versahen, war er gegangen, und sie blieben allein zurück und spannen ihre Legenden von einem Erlöser.
Aus: Richard Bach, Illusionen. © 1978 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.1(Überschrift hinzugefügt von Volker J. Becker)
Vorwort
Was für die Raupe das Ende der Welt ist, nennt der Meister einen Schmetterling.
RICHARD BACH, AMERIKANISCHER SCHRIFTSTELLER
Warum noch ein Buch zu dieser Thematik? Der Markt bietet bereits zahlreiche Bücher zu allen Fragen der Menschheit, insbesondere aus wissenschaftlicher, theologischer und philosophischer Perspektive.
Besonders nach meinem ersten Buch Gottes geheime Gedanken war ich der Meinung, alles, was ich in den letzten Jahren recherchiert und zusammengetragen, erörtert und diskutiert hatte, in ausreichender Form dargestellt zu haben. Doch meine weitere Arbeit warf immer neue Fragen auf und provozierte immer neue Versuche, sie zu beantworten.
Mit jedem Tag wurde mir bewusster, dass dieses Thema trotz der zahlreichen Publikationen immer noch nicht ausreichend behandelt worden ist. Viele Bücher sind zu rational und wissenschaftlich und lassen keinerlei Freiraum für neue Gedanken oder Spekulationen. Daher sind sie für den Laien nicht geeignet. Andere wiederum sind zu theologisch. Sie beziehen sich nur auf religiöse Aussagen und verlangen vom Leser einen uneingeschränkten Glauben, der die Thesen nicht kritisch hinterfragt. Eine andere Gruppe von Büchern ist für eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu esoterisch, driftet ganz ins Mystische ab und verliert dabei jeglichen Bezug zur Realität. Angesichts dieser Lage ist es ein schwieriger Drahtseilakt, die Aussagen östlicher Mystiker, moderner Wissenschaftler sowie westlicher Philosophen und Theologen sinnvoll zu vereinigen.
Das vorliegende Buch versucht, sich den Fragen der Menschheit nach dem Grund unserer Existenz und der Frage nach Gott zu nähern, wobei ich verschiedene, ja, sogar gegensätzliche Thesen diskutiere. Dies ermöglicht es dem Leser, sich selbst eine Meinung zu bilden. Ich verweise deshalb darauf, weil mir dieses auch in meinem ersten Buch angewandte Vorgehen seitens einiger Leser die Kritik einbrachte, ich würde mir widersprechen beziehungsweise bestimmte Argumente an einer anderen Stelle wieder aufheben.
Hinweisen möchte ich ferner darauf, dass hier kein Abriss des aktuellen Standes der Wissenschaft wiedergegeben werden soll; das ist bereits in anderen Publikationen hinreichend oft und auch sehr gut geschehen. Mein Anliegen ist es vielmehr, überwiegend neue Gedanken zu entwickeln oder zumindest bestehende Modelle neu zu verknüpfen. Ich tue dies nicht, indem ich weit aushole, sondern indem ich einzelne zentrale Punkte direkt behandele. Dadurch wird es für den informierten Leser nicht langweilig, weil er sich nicht mit zu vielen Wiederholungen herumschlagen muss. Viele von Ihnen, liebe Leser, haben ja schon das eine oder andere Buch zum Thema gelesen und wünschen sich nicht unbedingt die soundsovielte Einführung in die Relativitätstheorie. Wer hingegen sein Wissen in einzelnen Bereichen vertiefen möchte, findet in der Bibliografie geeignete Literatur.
Das Ziel meiner Arbeit ist es, einen jahrtausendealten Konflikt zwischen Mythologie und rationalem Denken, zwischen Wissenschaft und Kirche etwas zu entschärfen. Denn letzten Endes suchen doch alle nach dem Gleichen, auch wenn sie verschiedene Wege einschlagen. Ob Bischof oder Physiker, Buddhist oder Zeuge Jehovas, Philosoph oder Mystiker: Alle wollen Antworten auf die wichtigsten Fragen der Menschheit.
Ich hoffe, mit diesem kleinen Buch einen winzigen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen geleistet zu haben, und bedanke mich bei allen Menschen, die mit auf dem Weg der Suche nach Wahrheit sind.
Prolog: Fragen ohne Antworten
Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.
ANDRÉ GIDE, FRANZÖSISCHER SCHRIFTSTELLER UND NOBELPREISTRÄGER, 1869 - 1951
Viele Leser mögen der Meinung sein, die etablierte Wissenschaft arbeite mit dem Verfahren der Verifikation. Es werden Dinge bewiesen, und es wird anerkannt, dass sie so sind, wie sie sind.
Wir haben bewiesen, dass die Gravitation den Stein zu Boden fallen lässt oder dass Antibiotika Bakterien töten. Wir haben aber einst auch bewiesen, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums ist und dass sich die Sonne um die Erde dreht. Dies wurde durch Beobachtungen eindeutig verifiziert.
Dann traten die Zweifler auf den Plan. Ohne den Zweifel in der Wissenschaft - und auch in der Philosophie oder in der Religion - würden wir heute noch glauben, Thor schleudere Feuerblitze vom Himmel. Die großen Sprünge der Menschheit wurden eben nicht durch Gläubige, sondern durch Zweifler erreicht; durch Menschen, welche die Dinge durch Falsifikation, also Widerlegung, untersuchen und anzweifeln. Kopernikus falsifizierte das damals gängige Weltbild und begründete durch seinen Zweifel das bis heute noch gültige Bild des Sonnensystems.
Weil der Zweifel, nicht der Glaube, zur Erkenntnis führt, möchte ich Sie bitten, lieber Leser, mir auf meine Reise des Zweifels zu folgen und den Mut aufzubringen, gängige Dogmen infrage zu stellen. Denn nur so sind wir in der Lage, den Erkenntnisprozess voranzutreiben.
Woher nimmt die Menschheit die Arroganz zu meinen, etwas zu wissen oder erklären zu können? Wer sagt uns denn, dass die Dinge wirklich so sind, wie wir sie wahrnehmen? Woher wollen wir wissen, dass wir uns auf unsere Beweise verlassen können und dass unsere mangelhafte Wahrnehmung und unser begrenzter Geist nicht einfach nur einen für uns subjektiv schlüssigen Beweis konstruieren?
Schließlich meinten die Menschen doch auch lange Zeit, eindeutig beobachten und feststellen zu können, dass die Erde stillsteht, denn, so argumentierten sie, sonst würden wir ja die Bewegung spüren. Auf Beobachtung stützte sich auch die lange vertretene Behauptung, dass sich die Sonne um die Erde drehe, was schließlich jeder Mensch jeden Tag beobachten könne. Also sei doch schlüssig bewiesen, das die Erde den Mittelpunkt des Kosmos, zumindest des bis dahin vorstellbaren und bekannten Kosmos, bilde. Im Verlauf der von Kopernikus eingeleiteten kopernikanischen Wende wurde dann anhand von Teleskopbeobachtungen und Berechnungen definitiv bewiesen, dass sich die Erde um die Sonne dreht.
Aber wer sagt uns, dass nicht irgendwann uns heute noch unbekannte Prozesse, Gebilde oder Energien entdeckt werden, die unser heutiges Weltbild wieder komplett revidieren? Es galt beispielsweise lange Zeit als wissenschaftlich gesichert, dass sich das Universum immer langsamer ausdehnt, bis dieser Prozess zum Stillstand kommt und es durch die Gravitation schließlich wieder in sich zusammenstürzt. Nun wurden aber mysteriöse Materie- und Energieformen entdeckt, von denen keiner so richtig weiß, was sie sind und was sie bewirken. Als gesichert gilt aber - mal wieder -, dass eine Art dieser Materie Antigravitationskräfte besitzt, weshalb unser Universum vermutlich immer weiter expandieren wird, bis es sozusagen im leeren Nichts den Kältetod stirbt.
Diese und zahlreiche weitere Beispiele machen eines deutlich: Die einzige gesicherte Erkenntnis, die wir haben können, besteht darin, dass sich aus all unseren Erkenntnissen immer nur vorläufig gültige Modelle ableiten lassen. Auch wenn sie als noch so gesichert gelten: Wir können nie voraussagen, welche neuen Fakten uns die Basis für neue Modelle liefern.
Wir leben in einem fast 14 Milliarden Jahre alten Kosmos, der Geheimnisse in sich birgt, die der Mensch noch lange nicht entschlüsselt hat. Aufgrund der Expansion des Raumes gibt es Areale im Universum, deren Licht uns nie erreichen wird. Es gibt also Teile im Kosmos, die uns für immer verborgen bleiben. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, müssten wir uns die Frage stellen, ob unser Gehirn überhaupt je in der Lage wäre, das Universum in seiner Gesamtheit mit all seinen Ursachen und Hintergründen zu begreifen.
Wenn es von einem höheren Wesen, einem Gott, erdacht wurde, dann ist das menschliche Gehirn wohl kaum in der Lage, diese Gedanken nachzuvollziehen. Die Logik und Komplexität eines göttlichen Wissens bliebe dem begrenzten menschlichen Geist wahrscheinlich für immer verschlossen. Wenn hingegen alles nur ein nicht der Logik eines konkreten Sinns folgender, wissenschaftlich erklärbarer Zufall ist, bleibt
Lotos Verlag
Lotos ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH.
eISBN : 978-3-641-04731-3
Erste Auflage 2010
Copyright © 2010 by Lotos Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH Alle Rechte sind vorbehalten. Printed in Germany. Redaktion: Dr. Anita Krätzer
Gesetzt aus der Spectrum bei Leingärtner, Nabburg
Leseprobe
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