»Am Anfang steht der Größenwahn, am Ende die Demut« - Sven Michaelsen - E-Book

»Am Anfang steht der Größenwahn, am Ende die Demut« E-Book

Sven Michaelsen

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Beschreibung

Martin Walser freut sich über Schmerz, Diane Kruger beschreibt den Fluch dauernder Selbstbeobachtung, Tom Ford hat eine Therapie gegen Einsamkeit erfunden, Penélope Cruz ergründet die Sexfantasien in Männerköpfen, und Woody Allen erklärt, wie die Liebe vom Meer zur Pfütze wird: Der Journalist Sven Michaelsen entlockt den prägenden Figuren der Gegenwart, was uns im Innersten ausmacht. In diesem Buch hat Michaelsen die Essenz aus hunderten Gesprächen zusammengetragen und führt uns die Reflexionen, Katastrophen und Glücksmomente großer Frauen und Männer vor. Die Lektüre wird zum ebenso gehaltvollen wie vergnüglichen Lehrstück. Am Ende sieht man sich und seine Nächsten mit neuen, klügeren Augen. Zu Wort kommen u.a.: Elfriede Jelinek, Steven Spielberg, Vivienne Westwood, Peter Handke, Robbie Williams, Tom Ford, Rupert Everett, John Updike, Ulrich Tukur, Helmut Newton, Walter Kempowski, Woody Allen, Alexander Kluge, Robert De Niro, Margarete Mitscherlich, André Heller, Anjelica Huston, Gregor Gysi, Tomi Ungerer, Julian Schnabel, Anna Netrebko, Kirk Douglas, Karl Lagerfeld, Arthur Miller, Christoph Schlingensief, Mario Vargas Llosa, Gunter Sachs, Daniel Kehlmann, Donatella Versace, Friedrich Dürrenmatt, George Tabori, Günter Grass, Jean Paul Gaultier, Jonathan Meese, Jorge Semprún, Martin Walser, Michael Caine, Michel Houellebecq, Naomi Campbell, Jurek Becker, Peter Ustinov, Salman Rushdie, Stevie Wonder, Wolf Wondratschek, Einar Schleef, Frank Gehry, Rem Koolhaas, Siegfried Unseld, Heiner Müller, Michael Ballhaus  »Wer meint, seine Pubertät liege hinter ihm, der interessiert mich nicht. Für mich ist Pubertät lebenslänglich. Ich werde nicht reif.«Martin Walser

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Inhalt

Cover & Impressum

Motto

Über Gefühle, Körper und Beziehungen

»Man kann seinem Herzen nicht befehlen, mit dem Hoffen aufzuhören«

Über Kindheit und Charakter

»Wer meint, seine Pubertät liege hinter ihm, der interessiert mich nicht«

Über Zündsekunden und Wendepunkte

»Was die Welt verändert, kommt immer aus der Verzweiflung«

Über Freundschaft und Einsamkeit

»Gegner tauschen Eigenschaften aus«

Über Witz und Schadenfreude

»Verbitterte Künstler sind das Schäbigste, nur Nulpen leiden an der Kunst«

Über Arbeit, Karriere und Geld

»Unter Haifischen sollte man nicht bluten«

Über Krankheit, Tod und Gott

»Wenn einer verzweifelt stirbt, war sein ganzes Leben umsonst«

Über das Unglück der Glückssuche

»Das Glück ist entweder stumm oder es schreibt mit weißer Tinte«

Motto

»In einer Welt ohne Melancholie würden die Nachtigallen anfangen zu rülpsen.«

Emil Cioran

»Bewundert und bewundernd kommt man in die Welt, verachtet und verachtend verlässt man sie. Wenn alles normal verläuft.«

Martin Walser

»Zitate kann ich mir leichter merken als Menschen.«

Heiner Müller

Über Gefühle, Körper und Beziehungen

»Man kann seinem Herzen nicht befehlen, mit dem Hoffen aufzuhören«

Anjelica Huston

Rupert Everett, Schauspieler: Mein verstorbener Labrador Mo hat es mal geschafft, Madonna zu bespringen. Mo war ohnehin schon sexsüchtig, aber bei Madonna war er nicht mehr zu halten. Er schnüffelte zwischen ihren Oberschenkeln herum und bumste ihr Bein, bis es nass war. Madonna ließ den kleinen Rammler gewähren. Schließlich huldigte er ihrem Sex. Mo war die konstanteste Liebesbeziehung meines Lebens. Die Liebe eines Hundes ist einzigartig und unwiderstehlich, weil sie bedingungslos ist. Bei den mir bekannten Menschen ist das leider anders. Erst wollen sie dich ändern, und wenn sie dich dann geändert haben, mögen sie dich auf einmal nicht mehr.

Mario Adorf, Schauspieler: Unbedingte Ehrlichkeit in Beziehungen ist katastrophal. Ich halte sexuelle Treue für nicht lebbar. Monogamie hat es nie gegeben und wird es nie geben. Eifersucht ist kein Liebesbeweis, sondern eine Gefühlsverschwendung. Ich vergrabe sie an einem Ort in mir, den ich nicht sehr häufig aufsuche. Ich habe lange gebraucht zu begreifen, dass Frauen die gleichen Bedürfnisse nach Abwechslung haben. Wir alle haben eine Wunschecke im Kopf, die mit unserem Partner nichts zu tun hat. Aus diesem Bereich unserer Fantasie kommen unsere Antriebe und unser Geheimnis.

Martin Walser, Schriftsteller: Die Leserbriefe, die ich bekomme, sind in der Mehrzahl von Frauen. Das hat mich dazu gebracht zu glauben, dass Frauen mehr lesen. Leute, die sich im Sattel glauben, lesen nicht. Frauen sind problemanfälliger. Sie sind durch ihre Erfahrungen problematisierter, weil sie weniger an der Machtausübung teilhaben. Nichts hindert das Lesen so sehr, wie zu glauben, an der Macht zu sein. Zum Glück macht Machtausübung hässlich, innen und außen. Zum Glück für die durch Machtausübung Hässlichen gibt es genug Männer und Frauen, die diese Hässlichkeit reizvoll finden, diese Blickstarre, Kinnhaltung, kehlig karg knirschende Syntax und etwas weniger Fantasie als ein VW-Motor. Ich finde Leidende schöner als Täter. Von einem Leidenden hat man einfach mehr. Es ist etwas Schönes, wenn du merkst, wie lebendig du wirst, wenn du ausdrückst, was dir wehtut.

Woody Allen, Filmregisseur: Meine Frau Soon-Yi hält mich für einen verdüsterten und sauertöpfischen Übertreibungskünstler. Ein Freund von uns hat ihre Meinung über mich einmal so zusammengefasst: »Für die meisten Menschen ist der Sarg halb leer. Für Woody dagegen ist der Sarg halb voll.« Dabei nehme ich mir jeden Morgen vor zu denken, das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll – nur bin ich in Wahrheit fest davon überzeugt, dass es gleich runterfällt. In meiner ersten Ehe führte jeder Streit zu einer grausamen Katastrophe, und hinterher liebten wir uns jedes Mal ein bisschen weniger. So wurde ein Meer zu einer Pfütze.

Alexander Kluge, Schriftsteller und Filmemacher: Liebe und Freundschaft erkennen Sie überhaupt nur dadurch, dass Sie Ihre Schwächen ohne Schaden zeigen dürfen. Ich bin ein treuer Freund von Adornos Satz: »Geliebt wirst du dort, wo du Schwäche zeigen kannst, ohne Stärke zu provozieren.«

Jean Paul Gaultier, Modedesigner: Wenn man mich fragt, ob ich einsam bin, sage ich immer, ich habe meinen Beruf, und ich habe Linda. Linda ist meine Siamesische Katze. Sie hat wunderschöne blaue Augen, und ihr Fell hat die Farbe von Cappuccino. Ich mag Katzen, weil sie nicht wie Kinder sind. Sie geben dir Raum, allein zu sein. Als Einzelkind war ich ans Alleinsein gewöhnt, inzwischen brauche ich es. Niemanden um mich zu haben gibt mir die Möglichkeit zu zeichnen, wann ich will – und eine Katze hat die Fähigkeit, ein Niemand zu sein. Linda kommt und geht, wann sie will, und geht ihre eigenen Wege. Ihre Art zu lieben ist genauso egoistisch wie meine. Mit ihrer Art erinnert sie mich an Francis, meine Lebensliebe. Mit ihm war ich fünfzehn Jahre zusammen. 1990 starb er an den Folgen von Aids. Francis kam, wenn er glücklich war, und wenn er nicht kam, wollte er nicht nach dem Grund gefragt werden. Seine Unabhängigkeit von mir machte mich glücklich.

Anjelica Huston, Schauspielerin, Tochter des Regisseurs John Huston: Ich hatte siebzehn Jahre lang eine On-off-Beziehung mit Jack Nicholson. Was mich an ihm am meisten überraschte, war, dass er auch äußerst schlichte Seiten hat. Samstags saß er mit seinen Kumpeln den ganzen Tag mit Bier und Hotdogs vorm Fernseher und guckte Baseball und Basketball. Und wehe, man störte ihn, dann konnte er cholerisch werden. Ich habe ihm zwei Mal vorgeschlagen, zu heiraten und Kinder zu haben, aber meine Mädchenträume waren schnell dahin. Jack gab sich nicht mal besondere Mühe zu verheimlichen, dass er mit anderen Frauen schlief. Auch meine Freundinnen waren nicht tabu für ihn. Wenn ich ihn weinend zur Rede stellte, hieß es: »Ach, das war doch nur ein Mitleidsfick.« Manchmal fand ich bei uns ein Schmuckstück, das eine seiner Affären vergessen hatte. Wenn wir ausgingen, trug ich es, um zu sehen, ob jemand Anspruch darauf erheben würde. Ich habe Jack aber nie zu fragen gewagt, wie oft er fremdgeht, denn wer keine Fragen stellt, bekommt auch keine unliebsamen Antworten. Man kann seinem Herz nicht befehlen, mit dem Hoffen aufzuhören – vor allem, wenn man noch in den Zwanzigern ist. Als ich meinem Vater von Jacks Affären erzählte, sagte er mit entnervtem Blick: »Hör auf zu heulen. Das ist doch völlig unwichtig. Männer machen so was, das bedeutet rein gar nichts. Warum nimmst du dir das so zu Herzen?« Für ihn gehörte Fremdgehen zur Natur des Mannes. Er fand, was in den Genen liege, verlange keine Entschuldigung. Unsere Beziehung endete, als Rebecca Broussard ein Kind von Jack erwartete. Zum Abschied bekam ich von ihm ein mit Perlen und Diamanten besetztes Armband, das Frank Sinatra einst Ava Gardner geschenkt hatte. Auf der Karte stand: »Dies sind Perlen von deinem Schwein.«

Peter Maffay, Musiker: Ich war vier Mal verheiratet, meine derzeitige Freundin ist achtunddreißig Jahre jünger als ich. Die Intensität einer Liebe ist wichtiger als ihre Haltbarkeit. Liebe ist, wenn einer sagt: »Ich liebe dich so sehr, dass ich auch dann mit dir zusammen sein wollte, wenn ich wüsste, es ist nur für einen Tag!«

Udo Jürgens, Musiker: Was sind schon alle möglichen Verwicklungen der Liebe gegen ein neues Lied? Ich habe akzeptieren müssen, dass ich die Musik ernster nehme als irgendetwas anderes auf dieser Welt. Die Liebe ist eine wunderbare Verblendung, aber sie lässt nach. Die Sehnsucht stirbt an der Schwelle der Erfüllung. Und ein Mensch, der keine Sehnsucht mehr hat, verliert seine Kreativität. Aus diesem Grund ist mir eine endgültige Bindung unheimlich.

Robbie Williams, Musiker: Ich war nie mit Frauen zusammen, weil ich sie mochte, sondern weil ich mich einsam fühlte. Ich selbst zu sein und mich hinzugeben war undenkbar. Dazu fehlte mir die Selbstachtung. Insgeheim dachte ich, wenn eine Frau sich in einen wie mich verliebt, kann sie nichts taugen. Also lief ich einfach weg, bevor eine Beziehung drohte.

Tom Ford, Modedesigner: Mein Ratschlag bei Liebeskummer: mitten in den Schmerz hineingehen und den Punkt finden, wo es am schlimmsten wehtut. Und dann das Daodejing lesen. Dieses Buch gilt als Gründungsdokument des chinesischen Daoismus. Ich bin als presbyterianischer Protestant aufgewachsen, aber diese Religion hat mich nie berührt. Der Daoismus dagegen berührt mich. Er lehrt, dass es Glück nicht ohne Traurigkeit geben kann und Traurigkeit nicht ohne Glück. Nur eins dieser Gefühle haben zu wollen sei unmöglich. Wenn Sie das mal wirklich begriffen haben, lernen Sie ein völlig neuartiges Gefühl kennen: Gleichmut. Sie wissen, egal wie großartig ein Gefühl gerade ist, bald wird es in sein Gegenteil umschlagen. Nehmen Sie zum Beispiel Paris. Paris ist eine Stadt, die um das Gefühl der Traurigkeit herum gebaut wurde. Es ist wirklich die allerbeste Stadt der Welt, um sich bodenlos traurig zu fühlen. Wenn Sie jetzt einwenden: »Aber Paris ist doch auch die Stadt der Liebe!«, haben Sie begriffen, was Daoismus ist.

Wolfgang Joop, Modedesigner: Ich habe mich nur selten verliebt. Ich sehne mich zwar nach Liebe, aber sobald Nähe da ist, habe ich Angst vor ihr und haue wieder ab, weil ich fürchte, von dieser Nähe verletzt zu werden. Die Liebe ist ein Geschenk, das in hartes Papier gewickelt ist. Man zerschneidet sich die Finger, wenn man es verkehrt auspackt.

Margarete Mitscherlich, Psychoanalytikerin: Ich war siebenundzwanzig Jahre lang mit Alexander Mitscherlich verheiratet. Viele meinten, dass da zwei Spezialisten der Seelenerforschung sich dauernd gegenseitig analysieren würden. Wenn wir auf Partys darauf angesprochen wurden, sagten wir immer: »Wir tun das nur für Geld.« Mein Mann war unfähig zu lügen. Er konnte sehr verletzend sein, weil er eben immer die Wahrheit sagte. Das war seine naive Seite. Ich war da vorsichtiger. Das ist die Klugheit der weiblichen Natur. Ich hatte auch die bessere Menschenkenntnis. Alexander war ein Frauentyp, und ich weiß, dass er mir nicht immer treu war. Der Augenschein sagt einem, dass der Sexualtrieb der Männer stärker ist, aber vielleicht ist das kein biologisches Phänomen, sondern ein kulturelles. Da Frauen muskelschwächer sind, können sie von jedem Mann bezwungen werden. Aus Angst vor dem Stärkeren lernen Frauen von früh an, ihren Aggressionen und Triebgelüsten einen Stopper vorzusetzen. Vielleicht ist so der Anschein entstanden, sie hätten einen schwächeren Sexdrang. Ich habe lange unter meinen furchtbaren Eifersuchtsanfällen gelitten, weil ich es unwürdig fand, eifersüchtig zu sein. Wenn ich einen Ausbruch hatte, fühlte ich mich tief beleidigt. Mein Verhalten kränkte mein eigenes Ich-Ideal.

Hellmuth Karasek, Journalist: Beim Urteilen über Bücher geht man sich in Wahrheit mehr an die Pelle, als wenn man über sich selbst diskutiert. Wenn ich mit meiner Frau Krach habe, dann nicht, weil ich meine Socken im Bad liegen gelassen habe. Das läuft eher so, dass sie sagt: »Was, diesen Roman findest du wirklich gut?« Damit stellt man die ganze Person infrage – und die Beziehung gleich mit.

Charlotte Roche, Autorin: Frauen verlieben sich in einen Mann, und dann fangen sie an, an ihm herumzubasteln. Ist er dann so geworden, wie sie wollen, denken sie: Ich will den gar nicht mehr! Der Mann wirkt schwach und verachtenswert, weil er alles mit sich hat machen lassen. Weil das keine bewusste Handlung von Frauen ist, kommen sie so schwer von dieser Nummer runter.

Thomas Brasch, Schriftsteller: In einer lauen Sommernacht ging ich in Berlin die Knesebeckstraße auf und ab und stellte etwa hundert Flaneuren dieselbe Frage: »Angenommen, Sie haben eine Tötung frei, für die Sie juristisch nicht belangt werden: Wüssten Sie, wen Sie umbringen würden?« Nur zwanzig Prozent der Männer fiel spontan ein Opfer ein. Bei den Frauen dagegen waren es achtzig Prozent. Seither weiß ich, dass Männer weniger hassen.

John Updike, Schriftsteller: Frauen sind viel aufmerksamer für die Details, die ein Schriftsteller zum Schreiben benötigt. Wenn ich nach einem Abendessen mit Freunden versuche, mich an Kleider und Möbel zu erinnern, muss ich jedes Mal meine Frau fragen.

Elfriede Jelinek, Literaturnobelpreisträgerin: Das größte Missverständnis ist, dass ich eine Männerhasserin bin. Ich mag Männer wirklich nicht – aber ich mag auch sonst nichts.

Heiner Lauterbach, Schauspieler: Der sicherste Weg, einer Frau begehrenswert zu erscheinen, ist, von ihr wegzugehen. Das ist wie bei Katzen: Eine einigermaßen normale Katze will nicht auf den Schoß und gestreichelt werden. Wenn man aber weggeht und sie in Ruhe lässt, kommt sie auf einmal ganz von allein an. Nur bei völlig degenerierten Hauskatzen ist das anders.

Gregor Gysi, Politiker: Als früherer Scheidungsanwalt sage ich Ihnen eins: Wenn man jung und verliebt ist, achtet man überhaupt nicht darauf, ob der eine ein Frühzeit- und der andere ein Spätzeitmensch ist. Und das hat gravierende Folgen, da liegen Welten dazwischen. Ein Frühzeitmensch redet gerne morgens. Da ist er hellwach, das ist seine kreativste Zeit, da kann er alles. Mittags, nachmittags geht es, aber abends ist er völlig flau, am Ende seiner Kräfte. Ein Spätzeitmensch wie ich ist exakt umgekehrt gestrickt. Der wird erst abends richtig agil. Wenn beide berufstätig sind, passiert Folgendes: Der eine ist immer dann lebendig, wenn der andere noch schläft. Wenn sie beide miteinander reden könnten, sind sie in ihrem Job. Und abends, wenn der Spätzeitmensch reden kann, kann es der Frühzeitmensch nicht mehr. Da kommt keine Kommunikation zustande. Und wenn das Monat für Monat so geht, können Sie sich ausrechnen, wann die Scheidung kommt.

Kirk Douglas, Schauspieler: Ich hatte außereheliche Affären mit Stars wie Marlene Dietrich und Joan Crawford. Meine Frau Anne wusste das. Sie sagt, ich bin der schlechteste Schauspieler der Welt, weil ich noch nicht mal ein Pokerface hinkriege.

Frauengeschichten gehören nun mal zu meinem Leben. Sie vor Anne zu verheimlichen wäre so, wie von einem farbigen Ölgemälde ein Schwarz-Weiß-Foto machen zu wollen.

Else Buschheuer, Schriftstellerin: Selbstbefriedigung ist für mich ein Hausmittel gegen Gedankenschwere, Schlaflosigkeit und kalte Füße wie für andere Yoga. In meinem Debütroman Ruf! Mich! An! gibt es die Wendung »Schamlippen prall wie Rennradschläuche«. Das ist ein Originalzitat aus der Kantine des Deutschen Theaters in Ostberlin, das ich gehört habe, als ich dort Kartenabreißerin war. Später bin ich da rausgeflogen, weil ich am Einlass zu Margot Honecker sagte: »Ihre Karte, bitte!« Woher hätte ich die Alte denn auch kennen sollen?

Hans Werner Henze, Opernkomponist: Ich habe jahrelang mit Ingeborg Bachmann zusammengelebt. Sie hätte es gerngehabt, wenn ich sie geheiratet und Kinder mit ihr gezeugt hätte, aber wegen meiner Homosexualität fühlte ich mich von solcher Art Glück ausgeschlossen. Die Bachmann war dann mit Max Frisch zusammen. Ich fand, dass dieser Schweizer kaum den richtigen Partner abgab für so eine elegante, elfenhafte Erscheinung wie Frau Dr. Bachmann. Für den Frisch war doch die miese Snackbar im Café de Paris in der Via Veneto in Rom schon der Gipfel des Mondänen. Ich erlebte ihn als einen rechten Widerling, der sich dann auch noch erlaubt hat, meine geliebte Freundin mit einer Jüngeren zu hintergehen. Immerfort musste er der Welt beweisen, dass er der Don Juan Nummer eins war – ein Beweis, der einfach nicht gelingen wollte. Wenn die Bachmann im Nachtzug von Rom nach Wien einen fremden Mann kennenlernte, hat sie sich oft eine falsche Identität ausgedacht. Mal war sie eine züchtige Krankenschwester, dann wieder eine Lebedame, bei der es nicht ausgeschlossen wirkte, einen schnellen One-Night-Stand zu haben.

Ina Müller, Sängerin und Talkshowmoderatorin: Frauen stellen ihren Partnern gern Fragen wie: »Wenn es mich nicht gäbe, mit welcher meiner Freundinnen würdest du schlafen?« Manchmal denke ich, ich bin vielleicht gar keine richtige Frau, weil ich meinem Freund nie so eine Frage stellen würde. Da kann man ja auch gleich noch fragen, an wen er denn beim Onanieren so denkt. Da kannst du doch als Mann nur lügen und wie aus der Pistole geschossen sagen: »Ich? Onanieren? Ich onaniere nie, Liebling, denn ich habe doch dich!« Das Elend in Beziehungen beginnt, wenn man zusammenzieht. Wie soll ich denn mit jemand noch Sex haben wollen, dessen Unterhose ich wasche? Ein Lied von mir heißt Ich ziehe aus, weil ich dich liebe. Wenn mein Freund und ich Streit haben, kann jeder in seine Wohnung verschwinden und den Ärger ein paar Stunden runteratmen. Es gibt dann nicht diesen falschen Moment, wo man unüberlegt fiese Dinge sagt, die man lieber nicht hätte sagen sollen. Ich brauche asoziale Tage ohne Reden und Verständnis, aber mit Chips und Horrorfilme gucken bis in die Nacht in meinem Frottee-Nachthemd mit dem Bärchen drauf. Ich möchte mir nie wieder wünschen, dass der andere doch bitte einfach mal weggeht.

Hannelore Hoger, Schauspielerin: Alexander Kluge und ich waren sieben Jahre lang ein Paar. Er ist der loyalste und humanste Mann, den ich kenne. Einmal nahm er mich zu Theodor Adorno mit, dem Philosophen. Adorno war freundlich, sprach leise, hatte zarte Hände und sah aus wie sein Spitzname: Teddie. Er erinnerte mich an den Riesenteddy, mit dem ich als kleines Mädchen in meiner Höhle unter dem Wohnzimmertisch gespielt habe. Meine Mutter hatte ihn mir aus einer Wolldecke genäht und zu Weihnachten geschenkt. Er war größer als ich. Ich habe den beiden Herren eher zugeschaut als zugehört. Adorno wirkte sanft und anrührend und war durch und durch Geist. Es gibt ein Foto, das ihn im Badeanzug im Strandkorb zeigt. Sie denken, da sitzt ein ältliches Kind und erschreckt sich vor der Kälte der Wellen. Nach Adornos Beerdigung 1969 war ich mit Alexander auf der Totenfeier in der Frankfurter Villa des Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld. Zum Befremden vieler Gäste stellte sich Alexander an den Herd und kochte Bier. Er war über den Tod Adornos tief erschüttert, aber er zeigt ja ungern Gefühle. Das Bierkochen sollte ihn beruhigen. Er meinte, er müsse etwas Warmes im Bauch haben. Das verstand ich, denn von kaltem Bier kriege ich sofort Magenkrämpfe. Als wir in der Nacht nach München zurückfuhren, gab es auf der Autobahn einen Stau. Alexander stieg aus und lief einfach los. Hätte ich ihn nicht im letzten Moment festgehalten, wäre er überfahren worden. Wir waren oft auf Sylt, ich am Strand, er immer schreibend in einem Gasthaus. Im Sand sitzen und in die Sonne blinzeln kann er nicht, er muss immer formulieren. Er ist ein Wissens- und Geisteselefant, und ich bin ein ungebildetes Huhn ohne große Geistesblitze. Das hat ihn aber nie gestört. Er hat irgendetwas in mir gesehen und gebraucht. Ich war das, was er nicht war.

Markus Lüpertz, Maler: Der Partner einer Lichtgestalt wird schnell zum Schattengewächs. Die enorme Egozentrik, die ein Künstler haben muss, macht ihn für ein bürgerliches Beziehungsleben ungeeignet. Wenn die Frau von Johann Sebastian Bach gesagt hätte: »Du Johann, bring mal den Müll runter«, hätte er sicher manche Kantate nicht geschrieben.

Ulrich Tukur, Schauspieler: Ich bin seit 2003 mit der vierzehn Jahre jüngeren Fotografin Katharina John verheiratet. Am Anfang unserer Beziehung war ihre Eifersucht rasend. Das knallte wahnsinnig. Es gab Auftritte von uns, die man in keinem Film zeigen könnte, weil die Leute sagen würden, das ist ja völlig an den Haaren herbeigezogen. Uns beide aufzuräumen ging nicht ganz ohne die Hilfe von Fachleuten ab. Wir verstanden schließlich, dass gewisse Dinge im Haus einer Beziehung tabu sind und man sagen darf: »In dieses Zimmer steckst du deine Nase gefälligst nicht rein!« Wir wären einander auch langweilig, wüssten wir alles vom anderen. Katharina gefällt es, dass ich wegen meines Berufs oft wochenlang nicht zu Hause bin. Sie sagt, so bliebe zwischen uns eine natürliche Fremdheit. Distanz schafft Nähe. Ich bin dieser Frau enorm nah, trotzdem ist sie für mich immer noch ein Rätsel, und diese Fremdheit ist spannend. Was ich sehr schätze, ist ihr unweiblicher Hang zum Exzess. Ich kann manchmal nicht aufhören, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen, weil man durchs Feiern in herrlich abgedrehte Paradiese gerät, in denen die Zeit stehen bleibt. Frauen bleiben da eher auf dem Teppich. Meine Frau ist mutig und kompromisslos und geht in ihren Gefühlen und in ihrer Verbindungsfähigkeit sehr weit. Ihre Härte und Schärfe hat schon fast etwas Männliches.

Robbie Williams, Musiker: Ich will endlich mal wissen, wie sich Sex für eine Frau anfühlt. Und ich möchte einen weiblichen Orgasmus spüren. Die Frauen sehen dabei so großartig aus, und sie können einen Orgasmus nach dem anderen haben. Das hat mich schon immer neidisch gemacht. Ich fürchte, ein Mann sieht beim Orgasmus eher aus wie ein Gewichtheber, der unter Verstopfung leidet.

Tom Ford, Modedesigner: Manchmal denke ich, dass der Sex vor hundertfünfzig Jahren viel besser gewesen sein muss, weil es noch keine Bilder gab, die einem gezeigt haben, wie Sex auszusehen hat. Stellen Sie sich doch mal für ein paar Sekunden das Abenteuer vor, wenn zwei Menschen auf eigene Faust entdecken müssten, was Sex für einen selbst und den anderen ist. Vielleicht würden da herrlich perverse Szenarien entstehen, die wir uns gar nicht vorstellen können.

Penélope Cruz, Schauspielerin: Ein Kritiker der Washington Post hat mich als »sprechendes Sexualorgan« bezeichnet. Ich musste laut loslachen. Der Mann hätte mich in meiner Pubertät sehen sollen. Ich war beängstigend dünn, schmal wie ein kleiner Finger. Die ständigen Witze über mich machten mich für mein Alter viel zu hart und pessimistisch. Ein Lehrer sagte: »Ich würde nicht sagen, dass Penélope dünn ist. Ich würde sagen, sie ist klapperdürr wie eine Suppenkelle.« Vierzig Kinder lachten. Ich rannte heulend zu meiner Mutter. Sie knöpfte sich den Lehrer vor: »Ich würde nicht sagen, dass Sie wenig Haare auf dem Kopf haben. Ich würde sagen, Ihr Glatzkopf ist so kahl wie die Wüste Gobi!« Als ich mit siebzehn in Jamón, Jamón eine Lolita spielte, wurde ich für spanische Männer eine Sexfantasie. Ich bemühte mich, mir nicht vorzustellen, was da in Männerköpfen so alles ablief, und ließ mir die Haare sehr, sehr kurz schneiden. In den Praxen spanischer Schönheitschirurgen hingen jahrelang Fotos von mir. Es war ein unheimlicher Gedanke, die Blaupause für Tausende Frauen zu sein, die ihr Aussehen ändern wollten.

Elfie Semotan, Fotografin: Schönheit ohne Intelligenz gibt es nur von vierzehn bis neunzehn. Dann zerbrechen Dummheit und Unverständnis die Schönheit.

Cyrille Vigneron, CEO von Cartier: Viele Männer tragen eine Uhr, die schon lange nicht mehr zu ihnen passt. Mit der eigenen Uhr ist es oft wie mit dem eigenen Parfüm: Nach ein paar Wochen nimmt man beides kaum noch wahr. Deshalb tragen so viele fünfzigjährige Männer Uhren, die ihnen gestanden haben, als sie fünfundzwanzig waren.

Peter Ustinov, Schauspieler: Ich musste drei Mal heiraten, um zum ersten Mal keine Komplexe mehr zu haben. Hélène hat aus mir in etwa den Mann gemacht, der ich einmal werden wollte. Sie erlaubt mir Makel zu haben. Man bewundert Menschen wegen ihrer guten Eigenschaften, aber man liebt sie wegen ihrer Fehler – wenn diese Liebe echt ist. Hélène respektiert, dass ich zum Arbeiten Einsamkeit brauche. Es ist ein Paradox: Weil wir sehr unabhängig voneinander sind, kann uns nichts und niemand trennen. Besitzergreifend zu sein ist eine tödliche Untugend. Wenn die Menschen schon einsam sind, darf man ihnen nicht die wenigen Vorteile vorenthalten, die mit ihrer Einsamkeit verbunden sind.

Luc Bondy, Theaterregisseur: Auch mit schönen Männern empfinde ich erotische Spannung. Jeder Künstler hat etwas Feminines an sich. Das Einzige, was an mir nicht homosexuell ist, ist meine Sexualität. Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie meine Schauspieler mit dem gleichen Enthusiasmus mit einem anderen Regisseur arbeiten. Das ist wie Untreue in einer Ehe: Man muss sich zwanghaft vorstellen, dass die eigene Frau die besten Orgasmen und die lautesten Liebesschreie mit einem anderen hat. Ich versuche aber diese Eifersuchtsneurose nicht auszuleben, denn Botho Strauß hat recht, wenn er in Unerwartete Rückkehr eine Figur sagen lässt: »Man liebt in der Ehe nur eine Frau, die auch zum Ehebruch fähig ist.« Treue Schauspieler sind oft nur mittelmäßig begabte Streber.

Oswalt Kolle, Sexualaufklärer: Meine Frau wusste, dass ich meine Bisexualität auslebe. Einmal geriet unsere offene Ehe in Gefahr. Die Frau, um die es ging, war Romy Schneider. 1964 schlug ich ihr eine Serie für die Quick über ihr Leben vor. Wir haben uns dann unter den Namen Rosie Albach und Oswin Knollinger im Hirzinger Hof in Kitzbühel eingemietet. Eines Abends legte sie die Arme um meinen Hals und kam mit auf mein Zimmer. Sie war umwerfend unbefangen und leidenschaftlich. Wir konnten keine Nacht mehr voneinander lassen.

Richard David Precht, Philosoph: Die Sehnsucht nach einem Leben larger than life ist von Romanen und Filmen in unseren Alltag eingesickert. Die Liebe hat eine ähnliche Geschichte hinter sich. Bis ins achtzehnte Jahrhundert gab es sie nur in Romanen, im wirklichen Leben spielte sie so gut wie keine Rolle. Liebesromane waren etwas für abgespeiste Fräuleins. Belletristik wurde auch früher schon zu über achtzig Prozent von Frauen gelesen. Goethe schrieb nicht für Männer, sondern für Frauen und ein paar Kollegen. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde es durch Zeit und Geld erstmals möglich, die Liebe ins Zentrum des Lebens zu stellen. Der kapitalistische Anspruch an die Liebe lautet seither: Was ich in sie investiert habe, will ich mindestens auch wieder rausbekommen. Bloß nichts vergeuden. Der Kult des Optimierens und effizienten Lebens hat unser Bewusstsein heute vollständig im Griff.

Karl Lagerfeld, Modedesigner: Am erotischsten finde ich bei Frauen die Stelle, wo der Rücken endet und der Po beginnt. Für ein Parfüm habe ich mal eine Studie in Auftrag gegeben. Da kam heraus, dass Frauen bei Männern die zwei Grübchen am Po am erotischsten finden.

Wolfgang Joop, Modedesigner: Der heutige Orgasmus-Terror ist mir zuwider. Sexualität wird wie eine Verpflichtung zum Sport betrachtet: »Was, Sie haben schon wieder keine Rumpfbeugen gemacht?« Zum Sex gehören bei mir Sehnsucht und Inszenierung. Wer mir seine Sexualität wie Hundefutter hinwirft, erinnert mich an jene Hamburger, die in ihren Einkaufspassagen Chablis und Austern im Stehen zu sich nehmen. Früher war ich aus Unsicherheit ein primitiver Sklave der Eifersucht. Wenn ich mich als Liebesobjekt nicht adoriert fühlte, habe ich den anderen terrorisiert. Heute bin ich eifersüchtig, wenn mein Partner Edwin mich aus der Kollektion seiner Sorgen aussortiert.

Vivienne Westwood, Modedesignerin: Die Menschen sollten sich mehr anstrengen, weniger dumm zu sein – das kleidet sie am besten. Das empfehlenswerteste Accessoire ist ein Buch, denn sexuelle Attraktivität ohne Bildung gibt es nicht.

Helmut Newton, Fotograf: Meine Frau June weiß, dass Models auf mich so aufreizend wirken wie Kartoffeln auf einen Bauern. Für die Mädchen bin ich heute mehr der Beichtvater. Die allerschönsten von ihnen sind auch gar nicht so scharf auf Sex. Früher habe ich oft mit Gunilla Bergström gearbeitet. Die war nun wirklich ein erotischer Traum. Sie selbst hatte auch einen Traum, und der ging so: »Ich möchte so gern ein Häuschen in Kopenhagen haben mit Spitzengardinen und einer Stereoanlage von Bang & Olufsen.«

Peter Lindbergh, Fotograf: Natürlich überlege ich, ob es mich irgendwann nicht mehr antörnt, jeden Tag nackte Frauen vor der Kamera zu haben. Meine Angst ist, eines Tages eine Frau so anzugucken, wie du einen Ascheimer anschaust.

Chris O’Dell, Band-Betreuerin:Exile on Main Street

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