Am Ufer des Varmo - Ippolito Nievo - E-Book

Am Ufer des Varmo E-Book

Ippolito Nievo

4,8

Beschreibung

Die Wiederentdeckung des bedeutendsten italienischen Romantikers In seinen Dorfgeschichten, den Novelle paesane, beschreibt Ippolito Nievo die herbe Schönheit Friauls und stellt dem idyllischen Leben auf dem Lande die Dekadenz des Adels gegenüber. Er erzählt von der Lebensgeschichte zweier Müllerskinder und ihren wilden Spielen am Flussufer des Varmo; von einem beherzten Mädchen auf der Reise zu ihrem cholerakranken Bruder nach Brescia oder von zwei Liebenden, die am Hochmut eines italienischen Felix Krull fast zerbrechen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 292

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
14
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ippolito NievoAm Ufer des

Varmo

Dorfgeschichten

 

 

 

Ippolito NievoAm Ufer des

Varmo

Dorfgeschichten

Aus dem Italienischen von

Karin Fleischanderl

Folio VerlagWien · Bozen

Der Verlag dankt der Fondazione Ippolito e Stanislao Nievo, Rom, für dieUnterstützung der Übersetzung dieses Bandes.

Ein besonderer Dank geht an Dottoressa Mariarosa Santiloni, Generalsekretärin der Fondazione Ippolito e Stanislao Nievo, für die Anregung und Hinweise zu diesem Band.

© Folio Verlag Wien • Bozen 2015

Alle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dall’O & Freunde

Druckvorbereitung: Typoplus, Frangart

Printed in Europe

ISBN 978-3-85256-578-1

www.folioverlag.com

e-Book

ISBN 978-3-99037-042-1

Am Ufer des Varmo

Für Francesco Verzegnassi

Die Bilder, die vom Gefühl vervielfacht werden und sich der Seele in Stunden des Friedens und der Güte einprägen, bevölkern mit ihren verschiedenen Phantasmen den Schrein des Herzens. Diese Erzählung, die sich an den Erinnerungen eines Spaziergangs inspiriert, den wir, die wir in Bezug auf unsere Werke und auf unsere Bildung so verschieden sind, gemeinsam unternahmen, bleibe bestehen: als Pfand der Freundschaft und der geistigen Übereinstimmung.

I.

Jedes noch so schlichte und spröde natürliche Gebilde vermittelt dem kundigen Betrachter eine einzigartige Poesie, und seine flüchtigen und zarten Schönheiten offenbaren sich umso mehr, je weniger offenkundig und augenscheinlich sie sind. Wenn ein Reisender den üppigen Landstrich um Treviso verlässt und nach dem Ponte della Delizia abbiegt und mit dem Trugbild des Reichtums vor Augen durch die karge Ebene, die vom Flussbett des Tagliamento ausgefüllt wird, nach Camino weiterwandert, sehnt er sich sofort nach den schwarzen Äckern von Oderzo und den laubreichen Hügeln um Conegliano zurück und würde die Kieswüste gern dem Pfeifen der Bora und den Wolkenbrüchen überlassen. Der Maler auf Schusters Rappen jedoch mit dem Ranzen auf dem Rücken und der Kunst im Herzen fühlte sich, selbst wenn er gerade aus Neapel oder der Schweiz käme, versucht, weiterzugehen; und tatsächlich würde er alsbald beinahe unwillkürlich stehen bleiben; umsonst allerdings, denn keine Palette wäre imstande, diese ursprüngliche Einfachheit, die mit keiner künstlichen zu vergleichen ist, wiederzugeben. Das sind die Landschaften, wo die Natur sich karg und majestätisch, stumm und erhaben, verschlossen und unendlich darstellt, wie die griechische Göttin Diana, die sich auf ihrem Weg vom Olymp in die Grotte einer Quelle nicht weniger stolz und göttlich zeigt. Nichts auf dieser Welt wird von diesem schimmernden Horizont übertroffen, der sich am Ufer des Tagliamento in tausend verschiedenen Schattierungen in der Unendlichkeit verliert, von den vielen Rinnsalen, die das breite Kiesbett wie ein Netz durchziehen und sich bei Sonnenuntergang in bebendes Silber verwandeln, wobei jedes Steinchen und jede sich kräuselnde Welle ein eigenes Licht verströmt, so wie jeder Stern im Blau der Nacht sein eigenes Licht entzündet, und die Wiesen ringsherum sich in gleicher Weise ausbreiten wie der Himmel sich in die Höhe wölbt; und die Türme der spärlichen Dörfer sich im Licht des Sonnenuntergangs hintereinander aufreihen, während ein Glockengebimmel herüberdringt, das aufgrund der Weite der Ebene und der Entfernung derart leise ist, dass man einen Chor von weder irdischen noch himmlischen Stimmen zu vernehmen glaubt, in dem sich die Gebete der Menschen auf geheimnisvolle Weise mit den Segenssprüchen der Engel vermischen. So erstirbt die ruhige Sonne, und die schneebedeckten Gipfel der fernen Alpenkette tauchen deren Kuss in ein jungfräuliches Licht, während die tiefer liegenden Hänge, die Ebene und die Luft dazwischen in einem Licht erstrahlen, das nur der Pinsel Gottes jemals wahrhaftig wird darstellen können. Dennoch hält dieser Landstrich nur Unfruchtbarkeit und Mühsal bereit, die Bäume sind krumm und zerzaust, bescheiden und baufällig sind die Häuser, schmucklos die Kirchen, armselig und wie zufällig zusammengewürfelt die Dörfer; aber über der offenkundigen Hässlichkeit liegt unsichtbar eine gewisse Atmosphäre des Friedens und der Heiterkeit, die üppigeren und fruchtbareren Landschaften oft fehlt und direkt zum Geist spricht, ohne den Umweg über die Augen zu nehmen. Denn bei jedem Schritt offenbaren sich im hellen Kies klare und ewige Quellen und hinter der schütteren Hecke dringt ein umso köstlicherer Veilchenduft hervor, und in der gesunden und klaren Luft liegt von morgens bis abends der fröhliche Gesang der Nachtigallen; hier grasen Herden mit kurzen und zarten Gliedern, die vor den vollen Futterkrippen der Ebene muhend zugrunde gehen würden; hier leben kräftige, einfache, ruhige Menschen, die in der harten und undankbaren Erde Wurzeln geschlagen haben und ihr zärtlich verbunden sind; hier gedeiht zwischen den Furchen die knotige, kümmerliche Ulme, und der Weinstock, dessen Trauben jahrelang den großzügigsten Wein des Friaul gegeben haben, rankt sich langsam an ihr empor; und jetzt stehen die beiden da wie zwei alte Eltern, die sich in stummer Trauer um den Verlust des einzigen Sohnes umarmen; und hier schließlich ist der üppige Maulbeerbaum tief in der Erde verwurzelt, allem zum Trotz, und wie durch ein Wunder steht er gerade und strahlend da und schmückt sich im Frühling mit den zarten, geäderten, glatten Blättern, aus denen Natur und Kunst die schönste Seide der Welt spinnen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!