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M.G. Scultetus

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Beschreibung

Das germanische Mädchen Velida gerät unmittelbar aus einer scheußlichen Ehe-Hölle heraus unter die gefürchteten Berserker, welche sich – so der Römer Tacitus – nachts mit schwarz gefärbtem Körper – nackt – über den Feind stürzen und schon aufgrund des Schreckens siegen: Velida überfällt so mit anderen Berserkern mordend eine römische Patrouille, wird überwältigt und zur Kreuzigung verurteilt, bevor sie der »gnädige« Kommandeur an eine Gladiatorenschule verkauft; und jetzt beginnt ihre zweite Karriere als gefürchtete Kämpferin, die nach Siegen über Frauen erneut gegen Männer zum Einsatz kommt, bis sich der junge Senator Leukippos in sie verliebt... Leukippos hat aber die Rechnung ohne »Pankrates« (seinen Studienkollegen) gemacht, jetzt Isispriester Roms, der ebenfalls der Gladiatorin verfallen ist, und es beginnt ein »unterirdisches« mörderisches Ringen dieser – oberflächlich gesehen – aller-allerbesten Freunde… Den Showdown erlebt der Leser, erwartungsfroh neben Kaiser Commodus sitzend, im Kolosseum.

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Seitenzahl: 371

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Auctor librum Marco Junkelmanno

munerum gladiatorum peritissimo d. d.

Zum Umschlagbild

Das dem Umschlagbild zugrundeliegende stark verwitterte Relief zweier Gladiatorinnen aus dem 1. / 2. Jh. n. Chr. stammt aus Halikarnassos (Kleinasien; heute: Bodrum, Türkei), es befindet sich jetzt im Britischen Museum zu London (Foto hier: gemeinfrei). Die farbige Nachzeichnung durch M. E. SCHUPP (Heppenheim) übernimmt deren Ausgangsstellung: geduckt und in die Wölbung des Schildes gepresst; das Schwert am herunterhängenden Arm ist zum sofortigen Zustechen bereit.

Links kämpft ΑΜΑΖΩΝ - AMAZON; rechts ΑΧΙΛΛΙΑ - ACHILLIA: Sie »wiederholen« den sagenhaften Kampf des Achilleus gegen die Amazone Penthesilea: Beide tragen einen mittelgroßen Schild und das leichte Gladiatorenschwert; das Gesicht bleibt frei, weil man sonst die Frauen, denen der Stein gesetzt wurde, unter dem umhüllenden Helm mit seinem Sicht-Gitter nicht erkennen könnte; der Schlagarm ist schützend von dick gestepptem Textil samt drapierenden Leder-Riemen umwikkelt: Bekleidet sind sie wie die männlichen Kollegen nur mit einem Lendenschurz, der an dem breiten, reich geschmückten Gürtel hängt.

Inhalt

1 Prologus: Auf der Heiligen Straße in Rom

2 Pankrates berichtet über seinen Donaufeldzug

3 Überraschung im Heerlager

4 Velidas Bericht; die Untat des Blaesus

5 Tag der Kreuzigung

6 Abenteuer auf dem Heimweg

7 Zu Gast bei Gajus Pomponius Niger

8 Vergnügen im Amphitheater

9 Nächtliche Ereignisse am Strand bei Ostia

10 Im Theater

11 Geschichte einer Mörderin

12 Penthesilea gegen Achilleus

13 Neues von der Bande des Schreckens

14 Josephus bei Leukippos zu Besuch

15 Im Tempel der Isis

16 Auf den Saturnalien

17 Der große Tag im Kolosseum (Vormittag)

18 Der große Tag im Amphitheater (Nachmittag)

19 Wie Leukippos Gladiator wurde

20 Melissa

21 In den schwarzen Schluchten der Stadt

22 Plötzliches Erwachen

23 Der vermeintlich letzte Besuch des Amphitheaters

24 Reise nach Capua

25 Das Schicksal des Thumelicus

26 Neue Alpträume

27 Der große Brand

28 Ein besonderer Morgen

29 Ursa und Candidus im Kolosseum

30 Melissa und Aspasia

31 Aspasia berichtet über ihr Schicksal

32 Aspasias Plan und seine Folgen

33 Amphion und Dirke

34 Begebenheiten in der Mittagspause

35 Epilogus: Abschied von der Arena

Zum Verfasser M. G. Scultetus

1 Prologus: Auf der Heiligen Straße in Rom

Zufällig ging ich die Heilige Straße entlang, unter den im Marmor schimmernden Kolonnaden vor den sengenden Strahlen der Sommersonne geschützt, und betrachtete mir das bunte Treiben, als es plötzlich rief: »Marcus, Marcus! Warte doch!«

Erstaunt drehte ich mich um und gedachte, irgendeinen Bekannten zu sehen, aber hinter mir her hastete nur ein groß gewachsener, athletisch wirkender breitschultriger ägyptischer Priester: Seine Füße steckten in Palmschuhen; gekleidet war er in ein wallendes safrangelbes Gewand, aus dem heraus er seinen kürbiskahl rasierten Kopf mit zwei grünlich stechenden Katzenaugen streckte. Befremdet musterte ich ihn von oben bis unten, während er die letzten Schritte auf mich zu eilte:

»Marce! Mi fratercule (Marcus, mein Brüderchen)! Wie süß, dich nach so langer Zeit endlich wiederzusehen! Beim Hercules, wie habe ich dich vermisst! Mögen die Götter dich schützen und erhalten, den liebsten Schulfreund und Kameraden aus Rhodos, meinen innig geliebtes Brüderchen, den göttergleichen Olympiasieger Marcus Junius Brutus Leukippos!«

Das sprudelte er hervor, fiel mir um den Hals und küsste mich ab: »Bist du das, Lucius Antonius? Bist du es wirklich, Lucius, einst mein liebster Freund, der zuletzt mit mir zusammen auf Rhodos den Rhetorikstudien oblag? Wie hast du dich verändert? Oder bist du es nicht?«

Er strahlte vor Freude darüber, dass ich ihn erkannt hatte und ergriff meine beiden Hände: »Ja, ja! Einst war ich Lucius, dein lieber Bruder; das habe ich nicht vergessen; aber jetzt bin ich hier in der schönsten Stadt aller Zeiten der Isis- und Osiris-Priester; meine bescheidene, aber ständig wachsende Gemeinde nennt mich gerne Pankrates.«

»Pankrates«? fragte ich erstaunt, »das bedeutet Alleskönner. Ist das nicht übertrieben? Molon, unser Rhetorik-Professor, hätte sich darüber gewundert. Vielleicht solltest du dich Polykrates, Vieleskönner, nennen«, meinte ich schmunzelnd; er aber erwiderte lachend: »Gewiss, gewiss! Aber du kennst ja die alte Geschichte von Polykrates aus Samos, der immer Glück hatte und, weil er den Neid der Götter fürchtete, seinen wertvollsten Ring ins Meer warf, um sich unglücklich zu stellen; natürlich haben ihm die Unsterblichen das nicht durchgehen lassen, und schon schlang ein Fisch das Schmuckstück herunter; ein Fischer angelte den Burschen und schenkte ihn dem Herrscher, der ihn genüsslich verspeisen wollte, aber ach! Da entdeckte man den Ring, und Polykrates ahnte, dass es mit ihn übel zu Ende gehen sollte: Die Perser haben ihn dann ja auch gekreuzigt«, endete mein Freund:

Pankrates, wie ich ihn nun des Öfteren nennen will, war so geschwätzig wie eh und je, die beste Voraussetzung für eine priesterliche Laufbahn, aber warum war er nicht wenigstens Vertreter meiner griechischen Götter geworden? Ich sah ihn zweifelnd an, und er durchschaute mich auf der Stelle, so, wie er mich früher schon meistens durchschaut hatte:

»Natürlich willst du wissen, warum ich, um es im Stile unseres Molon auszudrücken, einerseits überhaupt diesen Beruf ergriffen habe, andererseits ausgerechnet Isispriester geworden bin. Die Antwort ist nicht einfach; komm‘ mit mir in meine Kneipe; der Tag geht zur Neige; der Sonnengott lenkt seine schnaubenden Rösser schon zum westlichen Ozean, um sie dort unterzutauchen; ich lade dich zur cena ein und schildere dann, was ich in der Zeit unserer schmerzlichen Trennung erlebt habe.«

Er legte mir seine rechte Hand, breit wie eine Schaufel, über die Schulter und zog mich fort. Ich ließ es mir gefallen. Schon ging es auf das Forum Romanum; mir blieb kaum Zeit, mich nach den vielen Frauen umzusehen, die ihre Gesichter mit der umbrella vor den sengenden Strahlen der Sonne schützten. Gekleidet waren viele nur in hauchfeine Seide, die den Körper umschmeichelte oder keck an schweißnassen Stellen kleben blieb:

Oh, wäre ich doch, wie sonst im August, aus dem römischen Backofen geflohen und hätte meine Tage zu Baiae bei Neapolis verbracht, eben dort, wo die Asche des Vulcanus, unter der ganze Städte begraben sein sollen, die himmlischen Strände schwarz färbt. So aber war ich Lucius Antonius in die Fänge geraten, und das Schicksal nahm seinen Lauf…

An der nächsten Straßenkreuzung steuerte er eine mit Marmorplatten verkleidete Theke an; Kunden lehnten sich lässig an, hielten den Becher in der rechten Hand und stützten sich mit dem linken Ellenbogen auf. Hinter dem Tresen huschte ein Mann mit weißem Zylinder hin und her, schenkte Getränke ein und bot Speisen an. Über ihm an der rückwärtigen Wand stand in Blockschrift: »CAVPONARIA LVPI – Gaststätte zum Wolf«; darunter das Bild eines wilden Wolfes; vor der Wirtschaft war ein doppelseitiges Plakat aufgestellt:

HEUTE IM ANGEBOT:

PFAUENBRATEN; HÄHNCHEN;

SCHWEINESCHINKEN;

LUKANISCHE WÜRSTCHEN; GEGRILLTER AAL.

Schon rötete Zorn meine Wangen, weil man mich, einen der erlauchten Junier und ehrenvolles Mitglied des Senates, in einen Steh-Imbiss zu entführen trachtete, doch Pankrates lächelte nur, weil er meinen Gedanken erneut auf die Schliche gekommen war: Schon waren wir angekommen; der Duft von Braten und frisch gebackenem Brot stieg mir in die Nase.

Als der Koch meinen Begleiter gewahrte, rief er: »Salutem tibi, magne pontifex, sei gegrüßt edler Priester, salve, magne domine, mögen die Götter dich und die Deinen schützen; mögest du gesund bleiben; welch‘ Ehre, dich begrüßen zu dürfen! Wie immer kannst du nach Belieben über deine Sklaven verfügen. Sei auch du gegrüßt, edler Herr, der du mit dem Priester lustwandeln darfst! Wie ich sehe, stammst du aus Hellas.«

»Aus Hellas?! Woher weißt du das«, fragte ich erstaunt.

»Oh, edler Herr! Du bist glatt rasiert und hast deinen blonden Haarschopf in kleine Zöpfe gebunden, die mit einem Seidenband vereinigt sind; das erblickt man nur noch bei Hellenen; unsere Jugend zeigt sich mit gekräuseltem Bart und trägt das Haar in kurzen Locken, ganz wie unser erlauchter Caesar Augustus Aurelius Commodus.«

Das sagte er und führte uns an den raunenden Gästen vorbei und durch eine eherne Pforte ins Herz des Hauses: Zunächst kamen wir ins Atrium, dessen Dach von vier Säulen getragen wurde; durch die Lücke sickerte von oben angenehmes Licht herein. Wir schritten über den Mosaikfußboden, auf dem der Giganten-Kampf abgebildet war, dann um den plätschernden Brunnen in der Mitte der Halle herum ins Triklinium: Um einen gemauerten Pfosten, der für das Aufstellen des Speisebretts vorgesehen war, standen im Halbrund drei bequeme Liegen.

Zunächst nahmen wir Platz, während ein Sklave ihm die ägyptischen Sandalen und mir die feuerroten Calceï1 auszog, uns die Füße wusch und dann warmes Wasser über die Hände goss; eine silberne Schüssel hielt er jedes Mal unter, um die gebrauchte Flüssigkeit aufzufangen; dann streckten wir uns aus, legten den linken Arm über die gepolsterte Lehne am Kopf-Ende der Liege, und der Wirt nahm die Bestellungen entgegen:

Pankrates entschied sich für Pfauenbraten; nacheinander wurden ihm dann folgendes aufgetischt: Ein in vier Teile zerschnittenes Ei samt einem Stück Melone sowie einigen Oliven; dann Auflauf aus einem Brei von gekochten Birnen, zu Schaum geschlagenem Ei sowie darüber gestreuten Pfefferkörnern, in einer Tonform erhitzt; anschließend der Pfauenbraten, von knusprig brauner Honigkruste umhüllt, samt geröstetem Weißbrot; ganz zum Schluss ein rotbäckiger, mundgerecht zerkleinerter und seines Kerngehäuses beraubter Apfel; dazu mulsum, heißen, süffigen, mit Pfeffer und Lorbeerblättern aromatisierten, goldgelben Honigwein.

Ich war zweiundzwanzig Jahre alt, groß und schlank, einer der besten Athleten der Stadt und musste auf meine Ernährung achten; außerdem empfand ich damals Abscheu vor Fleisch-Speisen; ich sagte: »Draußen konnte ich es nicht entdecken; aber dennoch äße ich gerne eine Portion pulmentum; Pulmentum ist meine Lieblingsspeise.«

»Was?« schrie mein Antonius mit gespielten Entsetzen, »schlichten Getreidebrei auf altrömisch willst du dir einverleiben? Gaius«, sagte er laut zum Koch, »der Gast ist Kaiser. Erfüll ihm seinen Willen, aber gib dir Mühe, so wahr du mich als Kunden behalten willst!«

Der Koch nickte und sagte, er habe das Pulmentum stets für schwer arbeitenden Sklaven im Angebot; heute werde es nach folgendem Rezept gekocht: Man nehme klein gemahlenen gerösteten Dinkel; dazu etwas Milch; gekochte Kicher-Erbsen und Bohnen sowie Liebstöckel, in der Reibeschale mit dem hölzernen Mörser zu Brei zerstampft: Dies alles werde in einer Tonform durcheinander gerührt, mit Kümmel, Salz und Pfeffer abgeschmeckt und dann in den vorgeheizten Stein-Ofen geschoben; zuletzt überbacke man das brodelnde Gericht mit Käse. Der Wirt entfernte sich mit »junger Mann, das wird ihnen Kraft spenden«, und zu sich selbst: »Es mundet unseren Kanalarbeitern; außerdem müssen es die Gladiatoren fressen, wie man hört; oh, wie sagt doch der Dichterfürst aus Germanien: Essen ist ein Bedürfnis, speisen eine Kunst.«

Als wir – unterhalten von einer Kithara-Spielerin – schließlich alles vertilgt und Sklaven das Speisebrett fortgetragen hatten, bestellte Pankrates Falerner Wein und begann, mir von seiner Laufbahn als tribunus des Kaiser Marcus Aurelius und seines Sohnes Commodus zu berichten:

1 Federleichte, butterweiche rote Schaftstiefel, die an der Innen-und Außenseite mit einer durch Ösen gezogenen Lederschnur der Wade angepasst wurden: Senatoren-Schuhe.

2 Pankrates berichtet über seinen Donaufeldzug

Kaum waren wir Molon los, da fragte ich mich, was ich unternehmen sollte. Ich bin kein reicher Erbe wie du, mein Brüderchen, den ein gewisser Senator Marcus Junius Brutus kurz vor seinem Tode adoptierte, und schon gar nicht wollte ich als Schmarotzer in deinen Palast ziehen

Ja, ich erinnere mich noch an deine gekonnte Freundschaft mit Gajus Junius Brutus: Ihr wart scheinbar unzertrennlich; manchmal war ich eifersüchtig und versuchte, euch auseinander zu bringen: Weißt du noch, Brüderchen, wie ich dich eines Abends mit einer Molligen bei Kerzenschein alleine ließ, einer, die dich heimlich bewunderte, wenn du in der Palaestra, wie Zeus dich schuf, den olympischen Übungen oblagst: Sie lud dich zum Liebesspiel ein, doch ohne den geringsten Erfolg!

In meinen Armen tröstete sie sich und erhielt, was du ihr verweigert hattest, denn du übertriffst noch die Germanen, über die Julius Caesar schreibt, bei ihnen sei es die größte Schande, es vor dem zwanzigsten Geburtstag mit einer Frau gehabt zu haben; solcher Verzicht gebe dem Mann jede Menge Kraft. Wie immer, du bist inzwischen zweiundzwanzig und immer noch unbedarft, wenn ich nicht irre. Glaube mir, Brüderchen, es ist eine der schönsten Göttergaben, so ein lieb‘ Ding im Arm zu haben…

Als dein Gajus erkrankte, schicktest du mit Vorbedacht einen Brief nach Rom, und der alte Junius kam immerhin rechtzeitig, seinen einzigen Sohn noch einmal in die Arme zu schließen; und dann hat er naturgemäß dich adoptiert, um schon bald darauf zu sterben und dir alles zu hinterlassen: So viel Glück möchte ich auch einmal haben, Brüderchen!

Unser Studium war vorüber; ich jedenfalls musste mein Leben selbst in die Hände nehmen; also stellte ich mich dem Kaiser zur Verfügung, ging zur Armee und brachte es bis zum tribunus, und ob du’s glaubst oder nicht: Bist du nicht an der Front, gibt es keinen schöneren Beruf als den des Offiziers: Du hast deine Sklaven, die dich bedienen, und wenn dir gewisse Gelüste aufkommen, erhältst du die allerliebste Ware frei Haus, ohne in den Hafen der Ehe einlaufen zu müssen.

Wenn der Kaiser also die Absicht gehabt hätte, mich an der afrikanischen Grenze zu lassen, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, aus dem Dienst auszuscheiden, aber unser zu den Göttern gegangener Marcus Aurelius beschloss, mich an die Donau zu versetzten, genau gesagt nach Carnuntum bei Vindobona (Wien), mit freiem Blick über die Donau ins freie Germanien. Dort hockte ich nun Aug‘ in Aug‘ mit den wildesten der Wilden: Germanen nennen wir Römer sie, aber unsere Feinde nannten sich selbst nur Marcomannen (Grenzmänner).

Sie waren aus Boihaemum (Böhmen) zur Donau marschiert und verwüsteten alles, indem sie nachts irgendwo über den Fluss paddelten, allerhand Massaker anrichteten und unseren Frauen Bastarde einpflanzten: Was sie wollten, erklärten sie oft genug: Land südlich der Donau und Römer werden: Unser Kaiser hätte dafür Sorge tragen sollen, dass sie Menschen wurden; doch dieser alte Philosoph erklärte ihnen lieber den Krieg:

Meine Legion wurde an die Donau geworfen: Über die Schlachten, eine sogar auf dem zugefrorenen Fluss, will ich nichts berichten; ich möchte dir nur von einer unbedeutenden Begebenheit erzählen:

Unser Legatus (General), der mit deinem Vater verwandte Gajus Junius Blaesus, konnte mich nicht leiden; immer hatte er etwas an meiner Führung auszusetzen: Kurz bevor Marcus Aurelius zu den Göttern erhoben wurde, geschah es, an den Kalenden des Juli (1. Juli), als mich Blaesus samt einer Hundertschaft zu einer nächtlichen Patrouille, den Auenwäldern der Donau entlang, abordnete; ich brach zur dritten Nachtwache (Mitternacht) auf, um den Grenzpfad abzugehen. Zuvor hielt ich eine Ansprache:

»Männer! Der Kaiser und euer General schicken uns hinaus in die Finsternis. Keiner kann wissen, ob die Hunde nicht einen Angriff auf uns planen. Disziplin ist oberstes Gebot. Marschiert in eng gefügter Kolonne! Helme auf dem Kopf. Wenn ein Angriff erfolgt, bildet die Schildkröte. Hört auf meine Befehle. Solltet ihr euch aber auf einer grünen Wiese wiederfinden, am Ufer einer kristallklaren Quelle und die Sonne im Gesicht, so wisset denn, dass ihr tot seid und Rom eures Ruhmes in aller Ewigkeit gedenken wird. Bildet eine Zweierreihe! Schilde nach außen! Helm auf! Losmarschiert! Folgt mir im Namen des göttlichen Marcus Aurelius!« Als wir aufbrachen, schien ein verschleierter Vollmond, und der Weg entlang dem Forst war noch erkennbar. Dann zogen dichtere Wolken auf; Wind erhob sich säuselnd und winselnd; Gräser und Buschwerk raschelten und schwankten wie Geister hin und her, während das Aufseufzen der Urwaldriesen zu uns herüber wehte. Dann verfinsterte sich der Himmel derart, dass man die Hand vor

Augen nicht mehr sehen konnte.

Aus dem Dickicht quoll schauriges Heulen hervor, schauriger als das Heulen der Wölfe, und meine Männer erstarrten vor Entsetzen. Mein Hirn aber durchzuckte der Bericht des Tacitus: Es gebe drüben Krieger, die sich von Kopf bis Fuß mit Ruß bestrichen, um sich nachts als Heer von Gespenstern über den Feind zu stürzen. Sie seien unempfindlich gegen jeden Schmerz, während der Feind vor Furcht gelähmt unterliegen müsse:

Meine Truppe schlotterte dermaßen, dass die Panzer klirrten. Wieder erscholl das grausige Heulen, noch lauter, noch näher; mir sträubten sich die Haare; dann zum dritten Male, und wie von unsichtbarer Hand erschlagen stürzte ein Dutzend meiner Männer zu Boden. Hatte Tacitus nicht betont, die Germanen schleuderten Speere in die Unendlichkeit?

»Schildkröte bilden«, schrie ich, und meine Truppe drängte sich zu einem Klumpen zusammen; die Schilde bildeten ein lückenhaftes Dach, wie eine zweite und dritte Salve zeigte. Dann brachen sie aus dem Dickicht hervor, wie das näher kommende Auf und Ab ihres Schreiens zeigte: Unsere Furcht steigerte sich so sehr, dass einige den Schild fallen ließen und flüchteten. Mir blieben noch etwa siebzig Soldaten, die im hervor sickernden Mondenschein zwanzig Gestalten auf sich zu rennen sahen:

»Bildet eine Front! Werft die Pilen!«, brüllte ich, aber ich brüllte vergebens, denn man verharrte dicht gedrängt in der elenden Schildkröte. Die Germanen rammten ihre Speere hindurch und spießten einige von uns auf. Doch jetzt war meine Stunde gekommen; wiederum musste ich an Tacitus denken, der geschildert hatte, warum Arminius, sein Befreier Germaniens, dem Sohn des Kaisers Tiberius unterlegen war: Sie waren zwar ebenso tapfer wie unsere Leute, aber im Nahkampf hatten sie mit ihren überlangen Lanzen keine Chance: Man kämpfte Brust an Brust, und die nackten Speerkämpfer wurden mit Dolchen niedergemetzelt:

»Bildet die Front!«, brüllte ich mehrfach, bis meine Männer endlich eine Kampflinie zustande brachten:

»Fahrt die Hörner aus!«, kommandierte ich, und zu beiden Seiten stürmten die Legionäre zangenförmig im Gegenstoß hervor und fielen ihnen in den Rücken: »Schwerter in die Scheide; Dolche heraus; stecht sie ab!«, schrie ich, als sich der Kessel geschlossen hatte, und tatsächlich war der Feind jetzt so gut wie hilflos: Mann für Mann wurde er abgestochen und der Boden füllte sich mit zukkenden Gestalten, die sich im eigenen Blut wälzten: Schließlich fochten nur noch drei, als ich rief:

»Lasst sie am Leben! Schlagt sie zusammen! Fesselt sie!«

Während dessen brach der Mond verschleiert aus den düsteren Wolken hervor; ich konnte die Krieger betrachten: Zwei waren von riesenhaftem Wuchs, von oben bis unten schwarz gefärbt; die Haare seitwärts zu einem Knoten aufgebunden. Der dritte war kleiner, aber von katzenhafter Gewandtheit und hatte gerade einem Legionär das Schwert aus der Scheide gerissen und zwei meiner Kameraden die Kehle aufgeschlitzt.

Schild und Schwert fallen lassend, stürzte ich mich auf ihn. Er wand sich glühend vor Hitze in meinen Armen, glitschig wie ein Aal, stark wie die hirschverschlingende indische Riesenschlange, und, ob du es glaubst oder nicht, Brüderchen, mich durchraste ein erotisches Gefühl, wie beim ersten Mal, wenn ein Jüngling mit der Geliebten…

Schließlich rief ich: »So helft mir doch! Warum, beim Hercules, bindet ihm keiner die Arme auf den Rücken?«

Jetzt kam Leben in meine Männer, die längst die beiden bärtigen Riesen zu Boden geschlagen und gefesselt hatten; man griff nach den Händen des Feindes, drehte sie ihm auf den Rücken und schnürte sie zusammen; das Gefecht war beendet: »Bergt die Gefallenen«, befahl ich, »und lasst die Germanen den Wölfen und Raben zur Atzung liegen!«

Im Kommen und Gehen des flimmernden Mondscheins tappten wir zum Lager zurück. Fast dreißig meiner Kameraden waren gefallen und wurden jetzt, auf die Schilde gebettet, ins Quartier getragen; einige der Überlebenden waren verletzt, manche so schwer, dass sie die nächsten Tage nicht überstehen würden.

Dafür hatten wir drei dieser Bestien gefangen genommen: Meine Legionäre führten einen Strick um ihre Hälse; den Jüngling zwängten sie zwischen die beiden Hünen. Alle drei ließen sich widerstandslos abführen: Im Lager angekommen, stieß man sie in den Arrestraum. Die Verwundeten ließ ich auf die Krankenstation bringen; dann ging ich zu Blaesus hinüber, um Meldung zu machen:

Er kochte vor Wut und ließ noch in derselben Nacht die fünf Soldaten, welche geflohen waren, enthaupten. Mir warf er Versagen vor: Über so viel Dummheit geriet nun auch ich in Wut und brüllte, dass man es weit aus seinem Zelt heraus vernehmen konnte, er hätte es wissen müssen, wie gefährlich diese nächtlichen Kämpfer seien; dazu zitierte ich meinen Publius Cornelius Tacitus, der einst geschrieben hatte:

»DIESE GRAUSIGEN KRIEGER STEIGERN IHRE ENTSETZLICHE WILDHEIT ÜBER DIE MAßEN: SCHWARZ GEFÄRBT SIND IHRE SCHILDE; SCHWARZ ANGEMALT IHRE KÖRPER; SCHWARZE NÄCHTE WÄHLEN SIE AUS FÜR IHRE GEFECHTE; DAS BLANKE ENTSETZEN FLÖßEN SIE SCHON AUFGRUND DER GRAUENERREGENDEN FINSTERNIS EIN, WENN SIE WIE GEISTER DER UNTERWELT KREISCHEND ALS GESPENSTERHEER ANGREIFEN; KEIN FEIND DER WELT KANN IHREM ABSCHEULICHEN ANBLICK STANDHALTEN, DENN ALS ERSTES WERDEN IN SOLCHEN SCHLACHTEN JA DIE AUGEN BESIEGT.«

Zornig verließ ich die Behausung des Generals und hatte mir seinen ewigen Hass eingefangen: Noch wusste ich nicht, was kommen würde; aber auch er ahnte nichts, denn mein ewiges Motto lautet:

NEMO ME IMPVNE LACESSIT

(Niemand provoziert mich straflos)

Pankrates tat einen tiefen Schluck; dann fuhr er fort:

3 Überraschung im Heerlager

Als ich mich, dem heißen Bad entstiegen, auf die Liege hatte fallen lassen, zogen wirre Gedanken durch meinen Kopf: Der Marsch durch die Finsternis, das Grauen der Schlacht, das lustvolle Ringen mit dem nackten Jüngling und der Streit mit Blaesus ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Hin und her warf ich mich und konnte keinen Schlaf finden: Bald schon müsste die rosenfingrige Aurora den germanischen Himmel purpurn färben; bald schon sollten wir die Gefallenen auf einem Scheiterhaufen verbrennen; dann wäre die Kreuzigung der Gefangenen angesagt; zuvor aber dürfte sie der Henker noch seine Geißel schmecken lassen.

»Arminius!«, rief ich, »Arminius, komm her!«

Mein germanischer Sklave kam herein. Ich befahl ihm, den kleineren der drei Gefangenen zu holen; zuvor solle er ihn waschen: »Nimm Rubbeltücher und Salböl mit«, rief ich ihm hinterher, »und lass dir von Britannus und Afer helfen; alleine wirst du mit der Bestie nicht fertig«:

Einige Zeit mochte vergangen sein; das Morgengrauen stahl sich leichenblass durch die Wipfel der knorrigen Eichen am Ufer der Donau, da kam er herein gestürmt: »Bei unserem Allherrschenden Gott!«

Britannus und Afer führten den sich Sträubenden herein. Er steckte in einer kurzen Tunika: wildes, ovales Gesicht; Sommersprossen; feine Nase; hohe Stirn; blitzend blaue Augen; kirschroter Mund: Die Haut glänzte rosig im Schimmer des Olivenöles; man hatte den Haarknoten aufgelöst, um den Schopf zu waschen: Rotblonde Strähnen fielen breit über Schultern und Brust herab. Oben war das Gewand in Form zweier Kegel nach vorne gewölbt; eine schlanke Taille und ein flacher Bauch darunter:

Meine Sklaven drehten sie um; ich sah ihren Rücken durchschimmern; er war von Narben entstellt: Voller Mitleid, aber auch über die Maßen verliebt, sagte ich: »Britannus, löse der Entzükkenden die Fesseln!«

Zögerlich gehorchte er; Arminius und Afer waren sprungbereit, falls sich die Katze zur Wehr setzten sollte; sie streckte sich aber nur seufzend und nahm dann neben mir Platz: Britannus und Afer schickte ich hinaus; Arminius blieb als Dolmetscher bei mir: Ich legte ihr den Arm um die Hüfte, zog sie an mich, streichelte ihr übers Haar und gab ihr zu essen und zu trinken; dann forderte ich sie auf, über ihr Schicksal zu berichten:

4 Velidas Bericht; die Untat des Blaesus

Ich, Velida, bin zwanzig Jahre alt und stamme aus dem Adel der Semnonen, die sich für den Ursprungs-Stamm der Germanen halten und jedes Jahr bei Frühlingserwachen im heiligen Hain über dem Altar des Allherrschenden Gottes eine Jungfrau schlachten.

An meinen Vater habe ich keine gute Erinnerung; er war nur selten zu Hause, und wenn er es war, misshandelte er mich, sooft er konnte; zum Glück kämpfte er meistens für irgend einen Kriegsherrn: Er ist dann mit seinen Gefolgsleuten gefallen, vom Speer durchbohrt; seine Männer hätten fliehen können, wollten sich aber nicht mit dieser Schande bedecken und harrten um seine Leiche herum aus, bis auch der letzte tot war:

Feiglinge werden bei uns nämlich an einem dürren Baum erhängt und zum nächsten Moor geschleppt; mitten im Moor, wo wie ein Auge die Wasserfläche blinkt, wird die Leiche dann versenkt; damit der Tote nicht wiederkehre, treibt man Pflöcke durch ihn in den Morast hinein:

Vaters Tod war mir gleichgültig. Manchmal wird seiner noch in Liedern gedacht. Mutter starb kurz darauf; sie war groß, hager, enttäuscht, gefühllos, abgestumpft. Als sie verbrannt wurde, regte sich in mir nichts: Nun musste ich leider bei meinem Onkel bleiben

Doch dann verliebte sich ein Junge in mich und ich in ihn. Wir trafen uns im Wald oder badeten im abgelegenen Weiher. Es war die schönste Zeit meines Lebens, doch bald kam mir der Oheim auf die Schliche:

Mein Freund wurde einem Führer zugeteilt, mit dem er fremde Länder aufsuchen sollte; mich prügelte man, bis ich halbtot am Boden lag; dann sah sich der Onkel nach einem passenden Mann für mich um, damit ich nicht noch einmal auf dumme Gedanken käme und fand ihn auch: ein Krieger von über vierzig Jahren, Spießgeselle meines Vaters, mit dem er oft genug mordend und sengend unterwegs gewesen war: Töten war sein Leben, seine Freude. Weil er von altem Adel war, hatte ich das Glück, nur eine seiner fünf Gemahlinnen zu sein: An mir fand er zum Glück nichts, was ihn reizte.

Zu dieser Zeit stellte sich mein Freund wieder ein; langer Friede hatte seinen Führer gezwungen, das Gefolge aufzulösen. Wir trafen uns auf einer Lichtung, wo ein uraltes Götter-Paar über uns Liebende hinweg in die Ferne blickte: Doch bald war ich schwanger und starr vor Angst: Mein Freund hatte einen verrückten Einfall: »Ich bin Reiter; also gehe ich zur römischen Armee: Du kannst im Dorf beim Lager leben; ich kenne einige, die es so zu Reichtum gebracht haben; sie leben jetzt in Häusern, die man bei uns für Paläste hielte.«

Ich begrüßte den Vorschlag, da geschah das Grässliche: Blutend verröchelte er in meinen Armen die Seele: Speere hatten sich in seinen Körper gebohrt. Nun kam mein Mann samt Gefolge hohnlachend aus dem Dickicht hervor, ließ mich fesseln und abführen; zu Hause angekommen, vor der Verwandtschaft, brüllte er, ich hätte seine Ehre beschmutzt und sei es nicht mehr wert, seine Gattin zu heißen, fetzte meine Haare mit einem rostigen Messer herunter, riss mir die Kleider vom Leib und stieß mich hinaus ins Freie, wo schon Alt und Jung zusammengeströmt war:

»Gib es ihr, der Hure! Zeige ihr, wer Herr im Hause ist!«, brüllte es von allen Seiten; dann klatschte die Peitsche auf meinem Rükken: Ich schrie und rannte davon, ohne ihn abschütteln zu können; hageldicht sausten die Hiebe hernieder, bis ich endlich in den Wald geraten war. Dort überließ er mich mir selbst und rief nur noch, ich sei jetzt frei für eine neue Ehe; ich sei ja so jung und so schön; da werde sich gewiss ein Mann finden lassen:

Immer tiefer lief ich in den Wald hinein und verlor das winzige Wesen, das ich in mir trug. Schon schwebte der Sonnengott über dem Horizont; schon überlegte ich, wie ich mein Leben beenden könnte, da stieg mir der Geruch von Rauch und Fleisch in die Nase; bald hatte ich einen Lagerplatz ausgemacht; es war ein aus dem Wald gehauener Platz mit einem kleinen Hügel in der Mitte, auf dem ein hölzernes Götterbild aufgestellt war. Dort lungerte eine wüste Gesellschaft um ein Feuer herum und briet einen Auerochsen. Aus großen Hörnern kippten sich die bärtigen Gesellen Bier in den Schlund und grölten dazu wilde Lieder: Wie gerne wäre ich zu ihnen hinüber gegangen und hätte um Mitleid gefleht, aber ich schämte mich meiner Nacktheit. Da ergriff mich plötzlich einer von ihnen und zerrte mich zur Mitte: Brüllendes Gelächter empfing mich; doch als er mich umdrehte, trat betretenes Schweigen ein: Meine zerrissener Rücken muss schrecklich ausgesehen haben.

Einer stand nun auf und kraulte meine Haarstoppeln; ein zweiter, der sich auf die Heilkunst verstand, hieß mich bäuchlings auf eine Strohmatte niederlegen, gab mir Kräuter auf die Wunden und umwickelte dann meinen Oberkörper mit einer Binde; ein dritter brachte mir eine Art Sack, in den drei Löcher geschnitten waren, und ich schlüpfte hinein: Ich war unter die wilden Berserker geraten, die mich fürsorglich pflegten.

Als die Wunden verheilt waren, beriet man, was zu tun sei. Da kein Germane eine derart gezeichnete Frau mehr heirate, kam man zu folgendem Beschluss: Weil ich von guter Gestalt sei, könne man mich in den Kriegerbund aufnehmen, vorausgesetzt, ich eignete mich zur Kämpferin und sei bereit, mir den Körper mit Ruß einzureiben, um so zum nächtlichen Überfall aufzubrechen; dort müsse ich mich durch das Töten eines Feindes bewähren: Erst dann könne ich Berserkerin werden:

Bald zeigte es sich, dass ich eine gute Speerkämpferin war und mich vor nichts fürchtete: Schon beim ersten Überfall auf eine römische Abteilung brachte ich zwei Legionäre um, obwohl ich eine breite Verwundung erlitt, die mir aber unser Heilkundiger wieder zusammenflickte.

***

Glaube es mir, mein Brüderchen, sie hob dann die Tunika hoch bis zur Achselhöhle und zeigte mir eine gezackte Narbe oberhalb der Hüfte, die von links nach rechts bis über die Brust hinauf reichte:

Damit endete ihr Bericht; der Rest war mir ja schon bekannt. Ich aber dachte an Publius Cornelius Tacitus, der einst folgendes geschrieben hatte:

SELTEN IST BEI DEN GERMANEN DER EHEBRUCH. SEINE BESTRAFUNG ERFOLGT AUF DEM FUßE UND IST DEM EHEMANN ÜBERLASSEN: ER HACKT IHR DIE HAARE VOM KOPF, ZIEHT SIE AUS, TREIBT SIE VOR DEN AUGEN DER VERWANDTEN AUS DEM HAUS UND JAGT SIE MIT DER PEITSCHE DURCH DAS DORF: NICHT DURCH SCHÖNHEIT, NICHT DURCH JUGEND, NICHT DURCH REICHTÜMER KÖNNTE SIE JEMALS WIEDER EINEN MANN FINDEN.

Ich sagte, sie in Armen haltend: »Das Schicksal deiner Kameraden ist besiegelt; aber für dich besteht Hoffnung: Ich war es, der dich überwältigte; demnach gehörst du mir und wirst sehen, dass ich dein Freund bin: Schwöre beim Allherrschenden Gott deiner Semnonen, dass du immer meine Wünsche, ohne zu murren und ohne zu klagen, erfüllen wirst!«

Kaum hatte sie das geschworen, wurde die Tür aufgerissen: Herein trat zackig General Blaesus, begleitet von seinen Prätorianern, und brüllte: »Im Namen unseres Caesar Augustus Marcus Aurelius! Das Raubtier ist beschlagnahmt. Wache, führt ihn, äh, sie ab in mein Prätorium!«

Die Wachsoldaten entrissen sie mir; empört sprang ich auf: »Sie gehört mir! Sie ist meine Beute. Sie ist meine Sklavin. Hände weg, ihr Hurensöhne!«

»Dir gehört, was der Hund macht«, schrie Blaesus mit hochrotem Kopf, und dann: »Wache! Lumpen runter!«

Zwei der Schufte zogen mir die Tunika über den Kopf, drehten mir die Arme auf den Rücken und hielten mich fest; nur im Lendenschurz stand ich da und erbleichte: Ein Centurio löste nämlich seinen Schlagstock vom Gürtel, holte aus und sah fragend auf Blaesus; der grinste breit:

»Lass‘ es für diesmal gut sein, Decimus! Aber wenn er wieder einmal einen meiner Befehle missachtet, kannst du dein Mütchen an ihm so gründlich kühlen, dass er es nie wieder vergisst. Jetzt aber, Leute! Packt die Sklavin! Links dreht, Marsch!«

Ich rief ihnen hinterher: »Sie hat meine zweite Tunika an!«

»Beim Hercules«, dröhnte Blaesus mit seiner tiefen Stimme, »bei Hercules und Pollux! Gebt meinem armen Tribunus die Tunika wieder!«

Einer der Prätorianer schleuderte sie mir ins Gesicht; dann flog die Tür zu, und ich blieb kochend vor Wut zurück: Wie weiland Achilleus, dem Agamemnon die reizende Briseis weggenommen hatte, kam ich mir vor und dachte nur noch an blutige Rache.

Inzwischen verkündete Trompeten- und Hörnergeschmetter, dass die erste Stunde gekommen und der Sonnengott strahlend über dem östlichen Germanien aufgestiegen war. Ein Herold lief herum und verkündete, Blaesus habe die Kreuzigung auf den nächsten Tag verschoben; den heutigen gebe er frei; man müsse ja auch noch die Kameraden beisetzen, die dank der Unfähigkeit des Lucius Antonius gefallen seien. Außerdem erhalte jeder einen Krug Wein und Weißbrot samt Käse:

»Hoch lebe der Kaiser, hoch lebe Blaesus«, schallte es durch die leinenen Wände meines Zeltes, und: »Tod den germanischen Bestien!«

Ich ahnte, warum Blaesus die Kreuzigung verschoben hatte; bald hatte ich Gewissheit und starb fast vor Wut: Arminius berichtete mir nämlich, er habe sich mit seiner Beute zurückgezogen, um…

Ich verlor die Nerven, legte meine Rüstung an, steckte Schwert und Dolch in die Scheide und eilte zum Zelt des Generals, um mit ihm abzurechnen, ging aber in die Falle: Die Prätorianer nahmen mich in Empfang; ich zog das Schwert, steckte es aber wieder fort. Sie lachten und nahmen mir Waffen und Rüstung, ja sogar die seidene Tunika weg. Dann fesselten sie mir die Hände auf den Rükken, führten mich ins Arrestlokal, ketteten mich so fest an, dass ich weder sitzen noch liegen konnte und machten sich dann mit Hohngelächter aus dem Staub:

Ich hörte das Stroh rauschen und zwei Männer in einer kehligen Sprache miteinander sprechen: Man hatte mich zu den Germanen gesteckt. Aus einem schmalen Loch quoll ein Hauch von Tageslicht ins Verlies; allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit: Ja, es waren die bärtigen Riesen; das verfilzte Haar hing ihnen in schmierigen Strähnen über die Schultern. Ein Gestank, schlimmer als aus einem Schweinestall, entströmte den fettig schwarz gefärbten Leibern:

Außerdem stieg mir der Geruch von Urin und Kot in die Nase: Ich würgte und musste mich übergeben; da man mich aber zu eng an einer rostigen Säule befestigt hatte, lief das Erbrochene an mir herunter: Ich schrie um Hilfe; ich rief nach Arminius: Niemand hörte mich.

So hing ich hilflos in Ketten, hatte den Mageninhalt vor und unter mir und bald darauf etwas ebenso Scheußliches hinter mir, als sich auch mein Gedärm nicht mehr bändigen ließ.

***

Dies alles und noch viel mehr erzählte mir mein guter alter Antonius; ich hingegen konnte, als er mich danach fragte, über mein unbeschwertes, sinnloses, langweiliges und eintöniges Leben, das ich seit unserer Trennung geführt hatte, nur sagen, ein Tag sei so eintönig wie der andere dahin geschlichen; nichts Nennenswertes habe sich jemals ereignet:

Antonius berichtete also in eigener Sache weiter:

5 Tag der Kreuzigung

Bei Tagesanbruch holte man uns aus dem Kerker. Ich fragte, was man mit mir vorhätte, und die Sklaven schnatterten, man wisse das nicht; aber man munkele, dass ich getötet würde; dann fügte einer hinzu, dass es niemandem zumutbar sei, bei der Hinrichtung solch stinkender Wesen anwesend zu sein:

»Wir haben daher den Auftrag, euch zuvor durchs Bad zu schleifen, mit Bürsten und Rubbeltüchern zuleibe zu rücken und anschließend mit Öl zu salben«, meinte einer von ihnen treuherzig.

Mir wurde heiß und kalt: Hatte mich Blaesus zum Tode verurteilt? Kreuzigung für mich, einen Römer? Einen Offizier? Undenkbar! Noch grübelte ich, da hatten wir schon die Thermen erreicht. Angewidert riss mir ein Sklave den Lendenschurz vom Leib. Dann steckten sie mich in ein Wasser so heiß, dass ich vor Schmerzen aufschrie; als die Kruste aufgeweicht war, rieben sie mir fast die Haut vom Leibe: Frisch gebadet steckten sie mich in eine schlichte Tunika; dann fesselten sie mir die Hände; diesmal aber nicht mehr hinter dem Rücken. – Ich tat, als ob ich freiwillig neben ihnen ging und schlenderte hinaus zum zentralen Platz des Lagers. Dort hatte man eine Tribüne errichtet, deren unterste Sitzreihe für die Offiziere mit Kissen gepolstert war: In der Mitte thronten Blaesus und sein Generalstab in Uniform samt militärischen Abzeichen und Ehrenplaketten; ein Platz neben dem Befehlshaber war noch frei; dort hin bugsierten mich seine Sklaven. Ich nahm Platz, während mein Vorgesetzter süßlich flötete: »Grüße dich, lieber Tribunus! Hoffe, du hattest eine angenehme Nacht.«

Dann lehnt er seinen Mund an mein Ohr und flüsterte spitzmäulig weitere Unverschämtheiten hinein: »Ein süßes Mädchen! Faucht wie ein Tiger. Wir mussten die Wildkatze festbinden: Wärest du nicht so widerborstig gewesen und hättest sie für dich alleine beansprucht…«

Ich spuckte vor ihm zu Boden; er übersah das grünliche Zeug zu seinen Füßen und deutete auf die Mitte des Platzes: Dort hatte man einen Pfahl eingepflanzt; Blaesus sah mich triumphierend an; dann ertönte das Trompetensignal: Von jeweils zwei Soldaten flankiert kamen die Germanen, einer nach dem anderen, jeder in eine feuerrote Tunika gehüllt. Allen hatte der tonsor den Kopf so kahl rasiert, dass er in der Sonne glänzte und schimmerte; auch sie waren frisch gebadet und gesalbt:

»Blondes Germanenhaar wird von Roms Perückenmachern mit Gold aufgewogen«, flüsterte mir Blaesus ins Ohr; er rieb sich die Hände.

Dann stellte man alle drei auf ein Podest. Velida sah zu mir herüber. Die beiden anderen blickten in die Unendlichkeit. Nun stellte sich der Herold daneben und rief: »Im Namen des Marcus Aurelius und im Namen unseres Generals Blaesus: Diese drei Germanen haben durch einen nächtlichen Überfall vielen unserer Kameraden das Leben genommen. Daher sind sie zum Tod am Kreuz verurteilt.«

»Und was ist mit mir?«, fragte ich Blaesus.

»Du bist zum Zuschauen verurteilt«, sagte er grinsend.

»Und dann?«

»Das wirst du noch sehen; Geduld! Nec sol omnium dierum occidit.«

Dem größeren lösten sie nun die Fesseln, zogen ihm die Tunika aus und banden beide Hände mit einem Seil zusammen. Das lose Ende führten sie oben am Pfahl durch eine Öse und zogen ihn in die Höhe, Brust zur Säule, Rücken zur Tribüne, bis die Zehenspitzen den Boden kaum noch berührten. Jetzt trat der Henker vor. Er hatte einen Stock in der Hand, an dessen Ende fünf Lederriemen befestigt waren, welche in die taschenartige Schlaufe auslaufen, in der stets ein Kieselstein eingenäht ist.

Er schlug zu. Man hörte das Pfeifen fast gleichzeitig mit dem Schrei des Aufgehängten. Dann schlug er noch einmal zu. Zehn blutige Striemen zeichneten den Rücken des Opfers, das bewusstlos am Strick hing. Man ließ das Seil fahren; er plumpste auf ein Tuch: Ein Gehilfe eilte mit einer Amphore herbei und schüttete ihm kaltes Wasser über:

Mühsam rappelte er sich auf, wimmerte und stöhnte; man streifte ihm die Tunika wieder über und führte ihn an den Rand des Platzes. Dann kam sein Genosse an die Reihe, und schon zerrten sie Velida zum Pfahl. Flehentlich sah ich auf Blaesus und murmelte: »Das könnt ihr doch nicht tun; sie ist eine Frau! Sie ist doch noch so jung!«

Er gab keine Antwort, während sie unter grölenden Beifall zur Mitte geführt wurde: »Zeig es ihr! Mach‘ Hackfleisch aus ihr!«, riefen die Soldaten dem Henker zu. Dann wurde sie mit dem Rücken zum Publikum aufgehängt: Man sah jetzt, dass sie schon einmal ausgepeitscht worden war: Der Henker blickte auf Blaesus. Für einen Augenblick herrschte Schweigen; einige hatten Mitleid; doch dann rief man in anschwellendem Sprechchor: »Verbera, verbera – schlag zu, schlag zu!«

Blaesus nickte. Der Henker ließ die Riemen auf ihr niedergehen, und es war mir, als hätten sie meine eigene Haut zerfetzt: Der Schrei blieb aus. Sie hing leblos am Pfahl: Erst bei der zweiten Amphore kam sie wieder zu sich; sie schluchzte; ihr Körper bebte; Tränen strömten über die Wangen; alles sah auf den General: Blaesus schüttelte den Kopf. Man steckte sie wieder in die Tunika. Dann brachte man dicke Latten herbei, und die drei wurden mit ausgestreckten Armen daran festgebunden; so führte man sie durch die porta decumana hinaus in die Donau-Auen. Die Legionäre bildeten eine Wand zu beiden Seiten; unsere Blaskapelle spielte und saß dabei auf einem Wagen, der von sechs Pferden gezogen wurde:

Mich zwang Blaesus, Seite an Seite mit Velida gehen: Ich sah die feuchten Stellen ihrer Tunika; ich sah die Verzweiflung, mit der sie die hölzerne Last schleppte; ich sah, wie grausam ihre Arme festgezurrt waren; ich sah, wie ihr der Schweiß herab lief; ich hörte sie keuchen, stöhnen und mit den Zähnen knirschen: Mit irrem Blick schritt sie barfuß hinter Legionären her, die sie an Stricken zogen und mit Stöcken schlugen: Zweimal stolperte sie und stürzte; doch man stellte sie sofort wieder auf die Beine.

Schließlich näherten wir uns dem Ufer der majestätisch vorüber strömenden Donau, wo man schon vor geraumer Zeit einen Hügel aufgeworfen hatte, auf dem Eichen-Stämme empor ragten; an seinem Fuße lösten einige Soldaten die Stricke und entkleideten die Germanen, während schon der Henker erschien: Sie wurden zu Boden gebracht; man spannten ihnen die Arme auseinander und zerrte sie über den feinen Balken: Der Henker hieb ihnen Stahlnägel mit übergroßen Kappen unmittelbar vor dem Handgelenk durchs Fleisch und ins Holz hinein, worauf sich die Hände verkrampften und der Daumen in den Handteller bohrte:

Dann nötigte man sie, die Treppe zu den Pfählen hinauf zu wanken. Dort packten Helfer das Holz am jeweiligen Ende, hoben die daran Befestigten in die Höhe und stemmten es in eine Kerbe am oberen Ende des Pfahles; Velida mussten sie in der Mitte aufhängen. Dann kam der Henker und nagelte ihnen auch noch die Füße ans Holz; dabei achtete er darauf, dass die Knie leicht angewinkelt und die Beine versetzt waren, damit sie sich aufrichten konnten, wenn sie glaubten, ersticken zu müssen: Es sickerte nur wenig Blut aus den Wunden.

Mein Brüderchen, ich weiß nicht, ob du es einem Gekreuzigten nachfühlen kannst, was er zu leiden hat. Ich sehe, dass du den Kopf schüttelst; so wisse denn, dass ich es, bevor ich noch Tribunus der römischen Armee wurde, einst am eigenen Leib ausprobiert habe:

Kurz nach unserem Studium kam ich nämlich nach Rom zurück, in diese »Jauchegrube«, wie sie unsere Schriftsteller Sallustius und Cicero bei jeder Gelegenheit nennen, »in der aller Unrat der Welt zusammen strömt«, und ich ekelte mich über den Pöbel so sehr, dass ich in meinem Inneren schon damals zur ägyptischen Religion übertrat.

Nun hatte sich aber gerade in diesen Tagen folgendes ereignet: Titus Caecilius Metellus, ein Mann von ältestem Adel, war von einem seiner Sklaven erstochen worden. Warum er ihn getötet hatte, ließ sich nicht mehr ermitteln; darauf verschleppten die Wachen alle übrigen Sklaven dieses Metellus in den Kerker: Nach der Tradition sind nämlich sämtliche Diener des Todes, wenn auch nur einer von ihnen den Herrn umgebracht hat: Unser Herr Senator hatte aber über dreihundert von ihnen

Als sich dies in der subura, wo sich Metellus inmitten der Armeleutehäuser eine Luxusvilla hatte errichten lassen, herumsprach, gab es einen Volksaufstand: Man rottete sich zusammen und forderten die Freilassung der unschuldigen Sklaven. Doch da hättest du unseren Kaiser sehen sollen, Marcus Aurelius, den Philosophen, Marcus Aurelius den Heuchler, den Schwätzer: In seiner Feigheit übertrug er die Angelegenheit dem römischen Senat, um sich die Hände in Unschuld zu waschen.

Viele Reden wurden gehalten; alles entschied aber die Ansprache des Porcius Cato. Er war ein Mann, so er selbst, von altrömischer Strenge und plädierte dafür, sich nach den »Sitten der Alten« zu richten: »Unsere Vorfahren haben einst, als in Rom noch der Senat regierte, beschlossen, dass alle Sklaven eines Hausstandes sofort zu töten sind, wenn einer von ihnen den Herrn ermordet hat: Ihr, meine Herren Väter und Beigeordnete, seid dieser Tradition verpflichtet: Wer von euch für Begnadigung stimmt, hat kein Recht mehr, in dieser altehrwürdigen Kammer zu sitzen:

Warum hat denn keiner dieser dreihundert Angeklagten seinem Herrn beigestanden? Wenn nur einer dieser dreihundert seine Pflicht getan hätte, lebte unser Kollege noch: Sie alle haben ihn im Stich gelassen. Daher beantrage ich, die Sklaven des Metellus seien zu kreuzigen.«

Mit großer Mehrheit wurde der Antrag angenommen; unser Kaiser legte keinen Widerspruch ein; die Prätorianer wurden ausgesandt, die Verurteilten abzuholen und auf dem Marsfeld hinrichten zu lassen: Wie ein Mann erhob sich jetzt die Subura: Zehntausende waren es, die sich anschickten, das Gefängnis zu stürmen. Doch unser kluger Kaiser hatte dies vorhergesehen und zahlreiche bis an die Zähne bewaffnete Prätorianer aufgeboten, die den Weg vom Kerker hinaus aus der Stadt mit einen Spalier aus Speeren freihielten. So zerstreuten sich die Demonstranten allmählich; nur eine kleine Menge begleitete den Zug; ich war dabei: Angekommen, riss man ihnen die Kleider vom Leibe, Männern wie Frauen, Greisen wie Kindern, geißelte sie und hängte sie auf.

Betroffen schlich ich nach Hause und rief meine Sklaven zusammen; es waren damals nur fünf an der Zahl. Ich erzählte ihnen, was ich erlebt hatte und bat sie, mit ihnen gemeinsam einen kleinen Versuch machen zu dürfen; ich wollte wenigstens für kurze Zeit an ein Kreuz gefesselt hängen und versuchen, die Schmerzen auszuhalten. Sie gaben sich alle Mühe, mir das Vorhaben auszureden. Schließlich machten sie mit, aber nur unter der Bedingung, dass ich ihnen sofort den Befehl geben müsste, mich herunter zu holen, wenn ich es nicht mehr ertragen könnte. Ich erklärte, dass es sich nur um ein Spiel handele und sie meine Mitspieler seien: Wir richteten das Peristylium (Säulenhalle) her:

Zunächst fesselte mir, nachdem ich die Tunika abgelegt hatte, mein Lieblingssklave die Hände, und zwei weitere zogen mich mit Hilfe eines durch einen Ring geführten Seiles in die Höhe: Glaube es mir, lieber Markus, der Schmerz raste mir durch die Schultern, dass ich am liebsten wie verrückt geschrien hätte und es mir vorkommen wollte, als ob mir die Arme ausgerissen würden; aber ich biss die Zähne zusammen, obwohl mir schwarz getüpfelt vor Augen wurde, und wartete ab, wie es weiter ging:

Arminius nahm den Stock mit den fünf Lederschnüren zur Hand, holte ein Wenig aus und schlug sanft zu, so sanft, dass man nur fünf blass rote Striemen sah; dann schlug er wieder zu, diesmal noch vorsichtiger: Mir war es dennoch, mein guter Freund, als fetzte man mich in Stücke: