Privatdetektiv Rufus III - M.G. Scultetus - E-Book

Privatdetektiv Rufus III E-Book

M.G. Scultetus

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Beschreibung

Privatdetektiv L. Aemilius Paulus, den man wegen seiner roten Haare »Rufus« (der Fuchsrote) nennt, löst verzwickte Kriminalfälle im Alten Rom zur Zeit des Kaisers Trajan. Wer ihm in den spannenden Fällen dieser mehrbändigen Reihe von Gruselkrimis folgt, erlebt gleichzeitig alle Winkel und markanten Plätze dieser Großstadt der Alten Welt, der man den Namen »Caput Mundi«, »Haupt(stadt) der Welt« gegeben hat. Auch im dritten Rufus-Band geht es munter zur Sache: Halb Rom lacht über einen Verrückten, der nichts anderes im Sinn hat als nachts alle möglichen Büsten des vor rund 150 Jahren ermordeten Diktators Caesar zu zerschmettern; als es schließlich dabei zu einem scheußlichen Mord kommt, holt Hauptmann Galba, der nicht mehr weiter weiß, Rufus zu Hilfe; dieser geht der Sache mit gewohnter Akribie nach, um zu seiner eigenen Überraschung schließlich auf eine rätselhafte Frau zu stoßen ...

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Seitenzahl: 278

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Prologus des Doktor Sokrates

Der Caesar-Hasser

1.1 Im Atrium

1.2 Das Drama des Caesar-Hassers

Der Frauenmörder in der Subura

2.1 Die Subura

2.2 Der erste Mord

2.3 Der zweite Mord

2.4 Auf dem Revier

2.5 Die dritte Nacht in der Subura

2.7 Die vierte Nacht in der Subura

2.8 Ein hektisches Intermezzo

2.9 Eine bezaubernde Frau

2.10 Wieder auf dem Revier

2.11 Überraschung nach der fünften Nacht

2.12 Gruppenspiel mit Damen

Nachwort des Doktor Sokrates

Ein Jahr später

Zu diesem Buch

Prologus des Doktor Sokrates

Liebes Lesepublikum, liebe Freunde des bedeutenden römischen Verlagshauses Atticus, bei welchem zu publizieren ich die Ehre habe, dass mein Freund Lucius Aemilius Paulus, ob seiner feurig roten Haare gewöhnlich »Rufus« (der Fuchsrote) genannt, über außergewöhnliche Gaben des Geistes verfügt, habe ich in meinen beiden ersten, ihm gewidmeten Büchern bereits hinreichend dargelegt.

Dass dieser überragenden Kombinationsgabe die gütigen Götter auch noch ein gerüttelt Maß an Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen hinzugefügt haben, sollte aus seinen von mir schon geschilderten Taten klar und deutlich hervorgehen:

Mein Freund ist keineswegs eine kühle oder kalte Verstandesmaschine, wie manch einer seines Berufsstandes, nein, er ist voller Gefühl und Leidenschaft; ein liebenswerter Mensch, obwohl er in seinem kühnen Bestreben nur den Göttern gleicht.

Umso weniger Verständnis hat er dann für das elende Mittelmaß und all die platten Niederungen der menschlichen Existenz, indem er für seine Person stets nach dem Vollkommenen, nach dem Erhabenen strebt, und immer dann, wenn er das ersehnte Ziel verfehlt oder eine seiner schwierigen Untersuchungen abgeschlossen hat, in tagelange Lethargie, manchmal sogar in Depressionen verfällt, aus denen ich ihn mit dem frisch verfassten Manuskript eines seiner Fälle zu wecken suche.

Ansonsten ist er der bescheidenste Mensch, den ich kenne; ja, er überlässt oft genug den Ruhm, welcher eigentlich ihm alleine zufiele, seinem Freund Galba, dem tüchtigen Detektiv von der Stadtwache Roms, zurzeit noch im Range eines Hauptmannes, aber nach Höherem strebend:

Dieser, so betont er dann jedes Mal, habe Erfolge nötiger als er, denn für ihn, Rufus, gehe es nur darum, der Kunst die Ehre zu geben, welche ihr zustehe; der Lohn seines Tuns sei es, der Kunst genüge getan zu haben.

So also um der Kunst willen schaffend, hat er schon manch einen spektakulären Fall anderen überlassen, da ihn das Thema nicht reizte, während er sich mit Feuereifer scheinbar unbedeutenden Affären widmete, nur weil er hier die Gelegenheit hatte, seine sprühenden Geistesgaben unter Beweis zu stellen, und für wenig Betuchte arbeitete er in der Regel, ohne das geringste Honorar einzufordern.

Und mit eben solch einer Lappalie, möchte ich diesmal beginnen; es handelt sich um einen offenbar Irren, der nachts durch die finsteren Schluchten Roms schleicht, um an allen möglichen und unmöglichen Orten die Büsten des vor rund 150 Jahren ermordeten Diktators Gaius Iulius Caesar zu zerschmettern …

1. Der Caesar-Hasser

1. 1 Im Atrium

Einige Tage, nachdem Rufus vor meinen sich weitenden Augen die marmorne Haut seiner herrliche Statue der über alles geliebten, ihm für immer verlorenen Virginia, welcher der Künstler die Gestalt einer göttlich schönen Diana oder Artemis1 verliehen hatte, von oben bis unten abgeküsst hatte, traf ich ihn in seinem Atrium wieder; es waren über zehn Tage vergangen, seit ich meine Räumlichkeiten auf seinen Wunsch hin in der ihm von Kaiser Traianus geschenkten Villa im Argiletum2 bezogen hatte, und ein Wetterumschwung hatte die Hitze des Spätsommers mit herbstlicher Kühle vertauscht; mir war das gar nicht gut bekommen:

Als ich ins Atrium eintrat, hockte Rufus, in eine baumwollene Decke gewickelt, missmutig im geliebten Korbsessel und schlürfte ein heißes Getränk; ich grüßte ihn; er antwortete mit einem Kopfnicken und kurzem Grunzen; ich ließ mich im freien Sessel an seiner Seite nieder; der Diener brachte einen Becher Mulsum,3 den ich so liebe, halb und halb mit warmem Wasser verdünnt; ich räusperte mich; Rufus sah aus glasigen Augen zu mir herüber, gähnte und sprach:

»Ich sehe die Rolle in deiner unruhigen Hand; daraus wäre zu schließen, dass du wieder einmal einen meiner unbedeutenden Fälle zu Papyrus gebracht hast; doch bevor du mit der Lektüre beginnst, verrate mir, warum du heute unser privates Schwitzbad aufgesucht hast; gewiss bist du verschnupft.«

»Ich … äh … ja, du hast recht, ich wollte mir die lästige Erkältung, welche mir das stürmische Wetter beschert hat, aus den Gliedern vertreiben; ein Rezept des alten Hippokrates, und immer noch das beste, was man bei Schnupfen, Husten, Heiserkeit tun kann; aber woher weißt du … gewiss hat es dir einer der Sklaven verraten, nicht wahr? Es ist ein Elend, mit dieser geschwätzigen Bande; man sollte es machen wie weiland Zeus mit der Nymphe4 Lara.«

»Nein, das wollen wir ihnen lieber ersparen«, sagte Rufus, »aber man sieht es dir an, dass du dir ein Heißluftbad gegönnt hast.« – »Woran?«

»An deinen Schuhen; gewiss hast du sie noch nicht lange.«

Ich hatte mir das heiße Bad selbstverständlich nackend gegönnt; was hatte das mit diesen meinen Schuhen zu tun, die ich am Vortag erstanden hatte? Ich starrte auf die Stiefel hinab, die ich heute trug und konnte nichts Verräterisches entdecken; mürrisch runzelte ich die Augenbrauen; Rufus kicherte:

»Also, mein Bester, es war so: Nachdem du dich der grausamen Prozedur des Schwitzens unterworfen hattest, war die kochende Glut deines Körpers im Nu wieder verflogen, kaum dass du den erhitzten Raum verlassen hattest; heute ist es kühl; es fröstelte dir, wie das bei solchen Erkältungskrankheiten üblich ist; daher hast du dich eilig in Schale geworfen, hocktest du dich ans wärmende Kohlebecken5 und stelltest doch tatsächlich deine nagelneuen Schuhe auf den ehernen Rand; naturgemäß hattest du kalte Füße bekommen.«

»Da könnte man ja glauben, du wärest dabei gewesen.«

»Gewiss nicht; ich habe bis vor wenigen Augenblicken noch im Bett gelegen und Jupiter einen guten Mann sein lassen, bei diesem Sauwetter …«

»Aber … aber … woher denn sonst?«

»Mein lieber Freund, die immer noch gelblichen Sohlen deiner Stiefel sind unterhalb der Spitze ein winziges Bisschen angesengt und haben ein paar schwarze Flecken; das ist alles.«

»Und ich dachte schon, wunder was für ein Hexenmeister du wärest«, maulte ich, »und dann war alles so leicht zu sehen …«

»Das hat man davon, wenn man seine Methoden dem einfachen Volk preis gibt; nun, dann lies mir jetzt dein neuestes Werk vor; wie ich dir ansehe, hast du es auf den sogenannten Caesar-Hasser abgesehen, nicht wahr?«

»Woher willst du das denn wissen?«

»Weil du gerade auf das Manuskript gestarrt hast, und sich deine Blicke dann auf die Büste unsere prächtigen Herrschers Ulpius Traianus dort drüben auf dem Sockel verirrten, meinen Freund, auf unseren ‚Neuen Caesar‘6 …

Dann blicktest du wieder auf die Schriftrolle und machtest ein zufriedenes Gesicht; gewiss findest auch du, dass es ein Glück für uns ist, unter einem so milden Kaiser zu leben; doch wie auch immer, da die Verbrecher zurzeit Ruhe geben, was man ihnen bei diesen Regenfällen gar nicht verdenken kann, will ich deinen salbungsvollen Ergüssen mit Geduld lauschen; so nimm dir denn die Schrift vor und lies!«

Das tat ich denn auch und las ihm meinen Bericht über …

1. 2 Das Drama des Caesar-Hassers

…vor: Gelegentlich leistete uns beiden Hauptmann Galba Gesellschaft, wenn wir abends im Triklinium7 lagen, um das Leben zu genießen; Rufus freute sich, wenn er uns besuchte, denn auf diese Weise war er stets über die derzeit laufenden Kriminalfälle im Bilde; umgekehrt war es für Galba von Vorteil, Meinung und Rat des Freundes einzuholen.

Eines Tages, als wir wieder einmal beisammen lagen, um zu speisen, wollte unser Gespräch nicht über so banale Dinge wie das Wetter hinaus kommen; schließlich verstummte unser Gast vollends und widmete sich nur noch dem Mahle; Rufus blickte forschend zu ihm hinüber und sagte fragend: »Gar nichts los an der Verbrecherfront?« – »Im Grunde … eigentlich … äh … nichts Besonderes.«

»Na schön, dann erzähle uns, was es gerade an nichts Besonderem gibt.«

Galba musste schallend lachen:

»Wunderschön, lieber Rufus, und ich will gerne zugeben, dass ich mir über die komische Sache schon Gedanken gemacht habe; aber die Sache ist so verrückt, ein solcher Schwachsinn, dass ich dich damit gewiss nicht behelligen wollte.

Immerhin: Auch wenn die Angelegenheit bedeutungslos erscheint, eher wie ein übler Scherz oder Dummejungenstreich, so ist sie doch von seltsamer Natur; und weil ich ja weiß, wie sehr du dich für skurrile Dinge interessierst, wollte ich dir schon davon berichten, obwohl dieser Fall eher in die Hände unseres guten alten Doktor Sokrates gehörte …«

»Ach, es geht also um eine seltene Krankheit«, ließ ich mich vernehmen.

»So könnte man das nennen; ein Geistesgestörter macht von sich reden, ein Irrsinniger, der jetzt noch, über hundertfünfzig Jahre nach seinem Tode, einen glühenden Hass auf unseren Diktator Julius Caesar hat, so dass er jede Büste unseres ersten Kaisers, die er aufspürt, in Stücke haut.«

Rufus stöhnte und seufzte und murmelte:

»Nein, da hast du recht, das ist kein Fall für einen Detektiv.«

»Höchstens in einer Hinsicht«, knurrte Galba.

»Und das wäre?«

»Dieser Wahnsinnige schreckt nicht einmal davor zurück, in Häuser oder Wohnungen einzubrechen, um sein zerstörerisches Tun fortzusetzen; und in diesem Fall ist die Stadtwache dafür zuständig und muss ihm das Handwerk legen.«

»Was!?«, schrie Rufus, zu neuem Leben erwacht, »er begeht Einbruch, um Caesarbüsten zu zerschmettern? Das gibt es doch nicht; kannst du mit Einzelheiten aufwarten?«

Galba holte umständlich eine Schriftrolle aus der ihn begleitenden Ledertasche, öffnete sie, um auf die dort verzeichneten Notizen gestützt folgendes zum Besten zu geben:

»Der erste Fall dieser Art, der auf meinem Schreibtisch landete, ereignete sich vor vier Tagen:

In der Subura8 liegt der Laden des Griechen Eukrates; er und sein Sklave sind meistens damit beschäftigt, Kopien ehemaliger Meisterwerke der Bildhauerkunst an den Mann zu bringen; am angegebenen Tag war er unterwegs, um von irgendeiner Werkstatt Nachschub zu holen, nur der genannte Diener ist im Geschäft anwesend.

Dann muss er mal und geht rüber zur öffentlichen Latrina, um sich zu erleichtern; er hat vergessen, den Laden abzuschließen; dann, als er auf dem Rückweg ist, hört er ein hässliches Krachen aus den einsamen Räumen; er rennt wie verrückt über die Straße und in den Laden hinein; ein Vermummter stürzt aus diesem hervor und rennt ihn über den Haufen, um dann in der Menge unterzutauchen; der Sklave überkugelt sich zweimal und rappelt sich wieder auf, ist aber dergestalt überrumpelt, dass er keinerlei Angaben zu dem Flüchtigen machen kann, einmal abgesehen davon, dass er über ziemliche Körperkräfte verfügen muss.

Dann betritt er den Laden und findet eine aus Gips gefertigte Caesarbüste an der hinteren Wand zerschmettert vor, eine Ware, die kaum mehr als fünf As (»Pfennige«) wert ist, während die marmornen Werke unversehrt sind; es war übrigens die letzte von mehreren bereits verkauften; er atmet erleichtert auf, denn der Schaden ist gering.

Schließlich kommt sein Chef zurück und besieht sich den Scherbenhaufen; da der finanzielle Verlust von lächerlich geringem Ausmaß und sonst alles unversehrt ist, verzeiht er dem Sklaven und meldet diesen vermeintlichen Bubenstreich nicht einmal bei uns auf der Stadtwache oder erstattet irgendeine Anzeige.«

Rufus rieb sich vergnügt die Hände und kicherte verhalten; Galba fuhr fort:

»Lieber Doktor Sokrates, kennst du deinen Kollegen Hippias,9 welcher in der Subura seine Praxis betreibt, kaum hundert Doppelschritt von genanntem Laden entfernt?« – »Gewiss kenne ich ihn; wir sind uns schon mehrfach begegnet; ein tüchtiger Mann; er betreibt dort eine gut gehende Praxis für Chirurgie,10 nicht mein Fach; im Erdgeschoss hat er das Sprechzimmer, oben den Operationsraum.«

»Genau«, sagte Galba, »und es geht bei ihm so munter zu wie in einem Bienenkorb, so viele Patienten hat er; er wohnt abseits auf dem Palatinus; unten in der stickigen Subura hat er nur sein Sprechzimmer und die kleine Chirurgie liegen.

Wie immer, dieser Arzt ist ein Bewunderer das guten alten Caesar und sammelt alle möglichen Schriften und Bildnisse des einstigen Diktators.

Vor fünf Tagen, also kurz vor dem ersten zerstörerischen Wüten des Unbekannten, erstand er im nahe gelegenen Laden des Eukrates drei Gipsabgüsse des Kaisers; die eine Büste stellte er im Sprechzimmer auf; die anderen beiden links und rechts im Operationsraum.

Als er nun heute Morgen aus seiner Kutsche stieg, um die Praxis aufzuschließen, erwartete ihn eine saftige Überraschung: Jemand hatte in der verwichenen Nacht die Tür aufgebrochen und war in die heiligen Räume des Doktors eingedrungen:

Wie verrückt rannte er im Sprechzimmer und den zugehörigen Nebenräumen herum, um zu sehen, was gestohlen war, aber nichts, rein gar nichts, fehlte; der genannte Caesar-Kopf freilich war an die hintere Wand geschmettert worden und lag in Trümmern auf dem Estrich.«

Rufus strahlte jetzt über das ganze Gesicht und rieb sich erneut die Hände, bevor er die Fingerspitzen aufeinander legte; dazu meinte er vergnügt:

»Köstlich, einfach köstlich, und dieser Wahnsinn hat Methode! Göttlich!«

»Ich dachte es mir, dass dir die Sache gefallen würde, aber es geht noch weiter; ich bin längst nicht am Ende:

Als der gute Doktor dann die Treppe hinauf in seine Chirurgie bewältigt hatte, fand er auch seine zweite und dritte Caesar-Büste in Scherben vor, während seine ziemlich wertvolle marmorne Augustus-Statuette unversehrt war; ein Beweis dafür, dass der Täter den Hass nicht vom Vater auf den Sohn überträgt.

So, lieber Rufus, liegen die Dinge, und wir von der Stadtwache besitzen nicht die geringsten Hinweise auf den Verrückten.«

»Waren die zerstörten Büsten des Doktors identisch mit derjenigen, die der Unhold im Laden des Eukrates zerstörte?«, fragte Rufus den Hauptmann jetzt und sah zu ihm hinüber:

»Gewiss! Es waren jedes Mal, wie es scheint, billige Abgüsse derselben Form.«

»Und das spräche dann dagegen, dass der Täter einen ganz allgemeinen Caesar-Hass verspürte, denn wenn man bedenkt, wie viele marmorne Statuen des großen Mannes, der mein geliebtes Gallien eroberte, in und um Rom herum in der Gegend stehen, hätte es ja keines Einbruches bedurft.

Also gilt es herauszufinden, warum er ausgerechnet vier der wertlosesten Exemplare vernichtet hat, jedes Mal das gleiche Modell, und dabei sogar einen Einbruch riskierte, für den man ihn den Bestien der Arena vorwerfen könnte.«

»Daran hatte ich auch schon gedacht«, sagte Galba gedehnt und nahm einen tiefen Schluck Wein, der mit warmem Wasser verdünnt war, »aber es ist schon komisch, dass drunten im Tal der Subura, wo Caesar einst wohnte, zurzeit keine einzige Statue des berühmten Mannes aufgestellt ist; die drei Exemplare des Eukrates wären also die einzigen; und das deutet auf einen Täter aus eben diesem Stadtviertel hin, in dem sich ohnehin viel zu viel Ungeziefer herum treibt und die Gegend unsicher macht.

Ich tippe daher auf einen ortsansässigen Verrückten, den es dingfest zu machen gilt, bevor er noch mehr Unheil anrichtet; bist du da nicht einer Meinung mit mir, lieber Doktor?«

»Gewiss, gewiss«, sagte ich, »dem Wahnsinn, der sich stets an ein und derselben Person oder Sache austobt, sind keine Grenzen gesetzt; beim berüchtigten Frauenmörder von Praeneste (heute: Palestrina) brachte eben dies unseren Rufus auf die Fährte des entsetzlichen Täters: Immer waren es jüngere mollige Frauen mit rötlichem Haar, die da umgebracht wurden; jemand hatte ihnen die Kehle abgeschnitten, als sie es wagten, nachts das Haus zu verlassen, und man fand sie anderen Tages im Blute schwimmend vor.

Als wir dann unter Begleitung der örtlichen Wache von Haus zu Haus gingen, war der Täter bald gestellt; seine mollige rötliche Frau verriet ihn, ohne es zu wollen; sie war eine durch und durch üble Xanthippe und unterdrückte den Mann nach Strich und Faden; weil er sich aber vor ihr fürchtete, rächte er sich an unschuldigen Dritten; das war aber auch schon alles.«11

»Mein lieber Doktor«, sagte Rufus jetzt, »das mag ja gut und schön sein, aber damit kommen wir keinen Schritt von der Stelle, denn auch der allergrößte Hass auf den vor Zeiten ermordeten Diktator könnte nicht dazu führen, in wildfremde Häuser einzubrechen, um dort ausgerechnet die billigsten Skulpturen, die es zurzeit von ihm gibt, zu zertrümmern; alleine die Mühe, die sich der Unhold gemacht hat, den Ort herauszufinden, wo sie anzutreffen waren, ist bemerkenswert.«

»Einverstanden«, sagte ich seufzend, »aber mit welch besserer Erklärung hättest du denn aufzuwarten?«

»Mit gar keiner«, sagte Rufus, »soweit bin ich noch nicht, das Unerklärliche zu erklären; mir fällt nur auf, dass der Täter systematisch vorgeht; vorerst sind mir freilich die Hände gebunden; aber, mein lieber Galba, es wäre doch verwunderlich, wenn er sein irres Tun nicht in Kürze fortsetzen sollte und es zu Taten kommt, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können:

Noch lächeln oder grinsen wir vergnügt über die zerschmetterten Gipsköpfe; aber es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine Tragödie daraus entwickelte; guter Freund, ich wäre dir dankbar, wenn du mich über den Fortgang der Komödie auf dem Laufenden hieltest und stehe sozusagen in den Startrillen12 des Stadions, bereit zum sofortigen Los-Stürmen …«

Galba sicherte uns das zu; die übrige Zeit des Abends verbrachten wir dann damit, einen prächtig brodelnden Auflauf in der Tonform zu vertilgen, welchen der Koch aus gekochten Birnen und hinein gerührtem Ei bereitet hatte, fein gepfeffert und gesalzen, mit frischen Lorbeerblättern verfeinert; dazu gab es köstlichen Falernerwein, mit warmem Wasser abgeschmeckt; zuletzt ein Stück Käse; gegen Mitternacht erst trennten wir uns, und das in ausgelassener Stimmung; der Herr Hauptmann lallte im Gehen etwas von lächerlichen Schädeln, die es bald einzuschlagen gelte …

***

Am nächsten Morgen rüsselte ich noch im Halbschlaf vor mich hin, als Rufus wie verrückt an meine Türe hämmerte und dann herein stürmte; ich stand sozusagen senkrecht im Bett:

»Auf, du altes Faultier! Nichts wie aus den Federn, du Schlafmütze; wir müssen uns sputen!«

Er wedelte mit einem Blatt Papyrus in der Luft herum; ich gähnte und murmelte, er solle mir den Wisch bitte vorlesen; er tat es, gnädig, wie er war und sagte:

»Hauptmann Galba hat uns benachrichtigt, über einen Eilboten; hier steht: „Lieber Rufus, komme bitte, so schnell wie möglich, in die Via Triumphalis!13 Es ist etwas Furchtbares geschehen; bis dann: Galba.“«

»Und genauer schreibt er nicht, was dort los ist?«

»Nein, aber alles deutet darauf hin, dass wir auf unsere Kosten kommen; ein wüster Einbruch wäre das Mindeste. Ich denke, unser Bilderstürmer hat weiter gemacht und seine Aktivitäten in ein anderes Stadtviertel verlegt; komm ins Triklinium; das Frühstück steht bereit; aber beeile dich! Mein Stallbursche ist schon dabei, das Rösslein einzuspannen.«

Ich fraß ein belegtes Brötchen in mich hinein und stürzte einen Becher warmen Wassers hinterher, dann machten wir uns schon auf und davon; mir war nicht wohl in der ungepflegten Haut, aber Rufus duldete keinen Aufschub, und die knappe halbe Meile von seinem Palast im Argiletum bis dort hin war im Nu zurückgelegt; obwohl das sonst so praktische Rom keine Hausnummern kennt, blieb uns das Ziel der Reise nicht lange verborgen; eine Menschentraube auf der Gasse wies auf das Haus hin, vor dem Galba unser harrte; Rufus rieb sich die Hände:

»Ein kleiner Mord, mein Bester, ist uns so gut wie sicher; schau nur, wie sie mit den Armen fuchteln und immer wieder auf ein bestimmtes Gebäude deuten, ein schmales, hoch aufgeschossenes typisches Stadthaus übrigens; ach! Und auf der obersten Stufe vor dem Eingang steht Galba und winkt uns zu.«

Der Hauptmann, eskortiert von vier Wachsoldaten, nahm uns mit Leichenbittermiene in Empfang und führte uns durch den Eingangsbereich ins Atrium, wo uns ein ziemlich schmierig wirkender älterer Mann empfing; er stellte sich als Marcus Hircus14 vor, Hauseigentümer und zugleich schreibender Mitarbeiter bei den Acta Diurna15 und in dieser Stellung kein Unbekannter:

»Der Caesar-Hasser hat wieder einmal zugeschlagen«, sagte Galba grimmig, »und da du, mein lieber Rufus, Interesse an diesem Fall bekundet hast, will ich dich jetzt, wo die Sache solch eine üble Wendung genommen hat, meinen Bemühungen gerne hinzuziehen.«

»Was ist geschehen?«, fragte ich.

»Mord; glatter Mord; lieber Hircus, würdest du meinen Mitarbeitern noch einmal berichten, was hier geschehen ist?«

Der widerliche Kerl mimte ein verschrecktes Gesicht, zögerte ein Weilchen und hub dann wichtigtuerisch an:

»Als Zeitungsmann kenne ich dich natürlich, lieber Herr Aemilius Paulus, Rufus genannt; und es ist mir eine Ehre, dir über mein grausiges Erlebnis berichten zu dürfen, bevor ich mich hin setze, um für die Acta einen Bericht zu schreiben:

Die Sache muss irgendetwas mit meiner Caesarbüste zu tun haben, die ich vor ungefähr einem Monat erstanden habe, als ich die Subura zu einem Einkaufsbummel aufsuchte …

Hier auf diesem Sims brachte ich sie unter, und da stand sie in Frieden bis letzte Nacht: Ich hockte im rückwärtigen Zimmer, wo mich der Lärm der Fuhrwerke16 nicht stört und schrieb an einem Artikel; gegen Mitternacht vernahm ich unheimliche Geräusche aus der Vorderseite meines Hauses kommen; ich lauschte angespannt, aber es war nun nichts mehr zu hören; schon dachte ich, mich getäuscht zu haben, doch da …«

Meister Hircus schüttelte sich theatralisch im nachträglichen Grauen und klapperte mit den Zähnen; Rufus sah ihm erwartungsfroh ins Gesicht; Hircus riss sich zusammen und sagte:

»Plötzlich drang nämlich ein grässliches Heulen in meine Ohren, wie das Kreischen eines auf ewig in den finsteren Orcus Verdammten; nie zuvor hatte ich entsetzlicheres Schreien vernommen; nie wieder werde ich dieses gellende Brüllen loswerden; während das Grauen seine Dolche eisig in meiner Seele versenkte, verharrte ich wie gebannt auf der Stelle. Doch dann nahm ich ein großes Küchenmesser zur Hand und stürmte durch den Korridor nach vorne:

Als ich hier in meinem Wohnzimmer ankam, wehte mir die Zugluft energisch entgegen; das Fenster zur Straße stand sperrangelweit offen; der Vollmond leuchtete beinahe waagerecht herein; ich sah, dass der Sims, auf welchem die Caesarbüste gestanden hatte, leer war; eine Zeitlang schüttelte ich den Kopf und musste über den Dieb lachen, der solch einen wertlosen Gegenstand gestohlen hatte.

Dann trat ich ans Fenster und starrte auf die unmittelbar daneben zur Straße hinab führende Treppe des Hauses; irgendein sackartiger Gegenstand lag schlaff über den Stufen; ich ging in den Korridor zurück, eilte zur Haustür und schob den Riegel beiseite, um hinaus zu treten; der Mond war jetzt hinter den Wolken verschwunden und man sah kaum die Hand vor Augen.17

Als ich nur einen einzigen Schritt nach vorne tat, stieß ich mit den Füßen gegen einen weichen Gegenstand; ich tastete mich ins Arbeitszimmer zurück, mein Öllämpchen zu holen, um in seinem Flackerschein zu sehen, was da lag:

Es war ein Mensch, ein Mann; er lag mit dem Kopf treppab; jemand hatte ihm die Kehle abgetrennt, bis hin zur offen daliegenden Wirbelsäule; aus dem klaffenden Spalt war das Blut ausgeströmt und in trägem Fluss die Treppe hinunter geronnen; die ersten Fliegen machten sich darüber her.

Ich wusste nicht, was ich tat, als ich eine Kette wildester Schreie ausstieß; etliche Nachbarn riss das aus dem Schlaf, und einer von ihnen holte dann die Männer von der Wache herbei, kommandiert vom stadtbekannten Hauptmann Galba, und ich legte die Sache aufatmend in seine starken Hände.«

»Aha, soso«, sagte Rufus, »und hast du schon herausgefunden, lieber Galba, wer der Ermordete war?«

»Nein; keine Ahnung; niemand scheint ihn zu kennen; aber du wirst ihn bald zu sehen bekommen, wenn du willst; ich habe ihn in den Keller unseres Reviers schaffen und zwischen Eis legen lassen; aber wenn es nicht bald Winter18 wird und das mit dem Morden so weiter geht, haben wir bald ein Problem …

Doch fürs Erste will ich dir den Mann beschreiben: Es ist ein verdammt groß gewachsener Mann von bräunlicher Gesichtsfarbe und krausem Haar; er hat die Gestalt eines Riesenaffen und dürfte so um die dreißig Jahre alt sein; ich halte ihn für einen Nachkommen von aus Africa importierten Sklaven, freilich nicht mehr von schwarzer Hautfarbe; er steckte in einer geflickten Tunika mit seitlich angebrachten Taschen; die Füße stinkend in uralten abgebrauchten Sandalen.

Neben ihm, im Blute schwimmend, fanden wir eine Sica, diesen mörderischen doppelschneidigen Dolch der Armee; ob er dem Ermordeten oder dem Mörder gehörte und somit die Tatwaffe ist, lässt sich nicht mehr sagen. In den links und rechts auf die Tunika aufgenähten Taschen fand sich nicht der geringste Hinweis auf seine Identität; ich zauberte nur einen Bindfaden sowie eine Birne hervor; dazu ein Bildchen, wie es unsere Straßenmaler in kürzester Zeit anzufertigen verstehen; hier ist es.«

Galba hielt uns ein kleines buntes Portrait unter die Nase; Rufus nahm es an sich, um es zu studieren; es zeigte das Gesicht einer jungen Frau, einer, wenn ich das als anerkannter Schwerenöter so sagen darf, hinreißend schönen Person: Hohe Stirn; mandelförmige blaue Augen unter harmonisch gebogenen Augenbrauen; gerade Nase; sinnlich roter Mund; dann noch ein feiner aber muskulös wirkender Hals, der in bloße Schultern überging; Rufus kicherte, als er mir die Begeisterung ansah:

»Eine hübsche Freundin hatte der arme Kerl«, sagte ich.

»Vielleicht«, entgegnete Rufus, »vielleicht aber auch nicht; wenn sie keine Sommersprossen19 hätte, könnte ich deine Auffassung teilen; möglicherweise seine Schwester oder Frau, wer weiß? Vorerst können wir nur Vermutungen anstellen, und da wäre es besser, nur die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen.«

Rufus gab Galba das Bildchen zurück: »Und was geschah mit dem gipsernen Caesar?«

Galba schüttelte bedauernd den Kopf, als einer seiner Männer atemlos herbei geeilt kam; er nahm Haltung an, salutierte und sagte dann:

»Herr Hauptmann, wir haben sie; zwei Häuser weiter, das Gebäude ist unbewohnt, habe ich die Trümmer entdeckt; der Täter hat den Caesar gegen die Hauswand geworfen.«

»Dann nichts wie hin«, rief Galba.

»Immer mit der Ruhe; in der Ruhe liegt die Kraft«, entgegnete Rufus: »Zuvor will ich mich hier erst einmal umschauen; wer weiß, was du alles übersehen hast.«

Galba zuckte merklich zusammen, petzte die Lippen aufeinander und schwieg, während Rufus wie ein Spürhund auf allen Vieren durchs Zimmer kroch, um sich schließlich am nach wie vor offen stehenden Fenster aufzurichten:

»Hm«, sagte er, »der Unbekannte hat lange Beine und ist auch sonst ein geschickter Klettermaxe: Er hat von der Straße aus zuerst den Sims oben in der Mauer gewonnen; dabei wurde der Bewuchs mit Algen sichtlich beschädigt; dann hebelte er das Fenster aus den Angeln, und das mit großem Geschick; der Rückweg war recht simpel; er ließ die Skulptur einfach auf den Rasen hinunter fallen; da es die Nacht zuvor geregnet hatte, war der Boden feucht und weich; dort erkennt man die Aufschlagstelle; ich denke, er hat sich dabei so weit wie möglich hinab gebeugt; wie der auf breiter Fläche vom Sims gefegte Staub zeigt, lag er bäuchlings darüber, um sie vorsichtig aus den nach unten gerichteten Händen gleiten zu lassen; dann hangelte er sich hinterher und wurde mit dem Getöteten handgemein; wenn ich die Kratzspuren auf der Treppe und die Fußabdrücke neben ihr im Schlamm richtig einordnete, war es ein Kampf nach dem Motto der oder ich.«

Rufus eilte über den Korridor hinaus und die Treppe hinunter, besah sich die Fußabdrücke aus der Nähe und legte ein leinenes Maßband darüber; indem er es wieder aufrollte und einsteckte meinte er:

»Wenn unser Unhold über normale Proportionen verfügt, so lässt sich seine Größe aus der Länge der Füße bestimmen, und dann ist der Bursche ungefähr sechseinhalb Fuß groß (195 cm.); ich gelte mit meinen sechs Fuß Länge schon als groß; es sollte sich also um einen jungen Riesen handeln; er trug übrigens die genagelten Sandalen der Armee.«

»Wieso jung?«, entfuhr es mir.

»Langer energischer Schritt über den Rasen; geschickt und kräftig; ein akrobatischer Kletterer und exzellent in der Handhabe des Dolches; der Umgebrachte ist körperlich nicht von schlechten Eltern und hatte dennoch keine Chance; suchen wir also nach einer auffällig großen20 Person! Ach und was ist denn das da auf der Treppe?«

Rufus hielt triumphierend ein blondes Haar in die Höhe; es war ungefähr einen Fuß lang und gewellt:

»Aha«, sagte ich, »er trägt die Haarpracht schulterlang und ist ein langer blonder Athlet.«

»Natürlich nicht«, sagte Rufus und hielt mir das Haar vor die Augen; ich sah nichts:

»Ausgerissen oder von alleine ausgefallen?«

»Keine Ahnung«, sagte ich.

»Keine Ahnung«, sagte Galba, der jetzt auch darauf starrte.

»Und was ist das da?«, fragte Rufus triumphierend, indem er auf das eine Ende des Haars deutete.

»Hehe«, grunzte Galba, »man erkennt die Zwiebel, aus der es einst heraus gewachsen war; sie ist vertrocknet; es ist also von alleine ausgefallen oder liegt schon länger hier in der Gegend herum.«

»Und mehr seht ihr nicht?«, fragte Rufus.

»Nein«, antworteten wir unisono.

»Bin ich denn unter die Blinden geraten?«, jammerte Rufus und zeigte auf die Stelle unmittelbar oberhalb der trockenen Zwiebel; ich beugte mich darüber und petzte die Augen zu einem Schlitz zusammen:

»Ein winziges Stück lang ist das Ding schwarz, dann geht es in Blond über«, sagte ich und sah Rufus erstaunt ins Gesicht:

»Und was ist daraus zu schließen?«

»Der Mörder färbt sich das Haar blond oder bleicht21 es«, sagte Galba an meiner Stelle, »aber das tun zurzeit zig Tausende in Rom, sowohl Männlein wie Weiblein; blond ist groß in Mode; immerhin könnte uns das bei der Identifizierung des Täters weiter helfen.«

»Und wenn das Haar nur rein zufällig dort lag?«, wagte ich einzuwenden.

»Gut möglich«, sagte Rufus, »man muss alle Details in Betracht ziehen; doch jetzt wollen wir uns den armen in Stücke geschlagenen Diktator einmal zu Gemüte führen.«

Wir ließen den Journalisten zurück; im Gehen hörte ich seinen zugespitzten Schilfstängel eilig über Papyrus kratzen; wir gingen zum Nachbarhaus hinüber, einer baufälligen Bude, in welcher schon lange kein Bewohner mehr zu finden war; ihr Abriss, so Galba, stehe unmittelbar bevor:

Rufus beugte sich prüfend über den wirren Scherbenhaufen; konnte es wirklich der unversöhnliche Hass auf Caesar, den Zerstörer der Römischen Republik sein, der solch hirnrissiges Tun veranlasste? Mein Freund hob einige Bruchstücke auf und drehte sie in Händen hin und her; sein Gesicht nahm dabei einen durch und durch fuchsigen Ausdruck an; aus Erfahrung wusste ich, dass er einer ersten Fährte nachspürte und der Lösung auf der Spur war:

»Hast du etwas herausgefunden?«, fragte Galba.

»Ich weiß nicht; vielleicht; aber es ist noch zu früh; es wäre reine Spekulation; ich brauche weitere Anhaltspunkte; und doch können wir einige Dinge als abgehakt gelten lassen:

Dem großen blondierten Unbekannten oder einem anderen Täter ist der Erwerb dieser lachhaften Skulptur so viel wert, dass er über Leichen geht; freilich nur, um das vermeintliche Kunstwerk dann zu zerstören; ferner legte er größten Wert darauf, diesmal den Gipskopf nicht an Ort und Stelle zu zerschlagen.«

»Wahrscheinlich wollte er nicht vom Hausbesitzer erwischt werden«, wandte ich ein, »während er ja wusste, dass die Arztpraxis nachts leer stand.«

»Das denke ich auch«, sagte Galba.

»Habt ihr denn auch den Ort bedacht, an dem die Zerstörung stattfand?«

»Gewiss«, sagte Galba, »ein leer stehendes Haus, in dessen Hof ihm niemand in die Quere kommen konnte.«

»Schräg gegenüber befindet sich aber noch ein zweites leer stehendes; warum nicht dieses?«

»Zufall«, murmelte ich; Galba nickte zustimmend.

»Ich glaube grundsätzlich nicht an Zufall oder Zufälle«, sagte Rufus spitz, »und vielleicht erinnert ihr euch ja noch an die letzte Nacht?«

»Natürlich«, sagte Galba, »es war Vollmond, nur gelegentlich durch Wolken getrübt; diesem Umstand verdankten wir von der Stadtwache es, den Weg so rasch gefunden zu haben.«

»Gut«, sagte Rufus, »und auf welcher Straßenseite stand der Mond, als ihr am Ort des Schreckens eintraft?«

»Im rechten Winkel auf der linken Seite.«

»Und unser Haus hier, an dessen Wand der Caesar in Stücke gehauen wurde, steht, aus diesem Blickwinkel gesehen, auf der rechten Seite, was für die vergangene Nacht bedeutet: auf der vom Mondschein erhellten, während die Front des anderen leer stehenden Gebäudes im tiefen Schatten lag:

Unser Caesar-Hasser gehört also nicht zum lichtscheuen Gesindel und suchte für sein zerstörerisches Werk einen möglichst hellen Platz aus; ebenda zerschlug er die Skulptur, obwohl hier viel größere Gefahr bestand, beobachtet zu werden; er tat es also, weil er an dieser Stelle, wo wir stehen, besser sehen konnte.«

»Ihr gütigen Götter«, schrie Galba, »das ist richtig; es erinnert mich daran, dass die drei Gipsköpfe in der Praxis des Hippias jeweils unmittelbar neben einer Öllampe zerschlagen worden waren; der Doktor sagte mir, er ließe in jedem der beiden Stockwerke nachts ein Lämpchen brennen, für alle Fälle; nur habe ich keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.«

»Ich denke«, wandte ich ein, »für mich als Arzt ist so etwas typisch bei Wahnsinnigen dieser Art: Sie wollen sehen, was sie tun; erst wenn sie ihr Werk in Augenschein genommen haben, sind sie zufrieden; freilich hält diese Zufriedenheit nicht allzu lange an; es geht ihnen wie den Rauschgiftsüchtigen; sie müssen die Tat bald wiederholen.«

»Daran vermag ich nicht zu glauben; warum denn immer der gleiche Gipsabguss? Ich denke, wir sollten uns davor hüten, voreiligen Schlüssen zu erliegen; wir müssen die ermittelten Tatsachen im Auge behalten und sie gegebenenfalls heran ziehen; was wirst du als nächstes unternehmen, lieber Galba?«

»Ich denke, wir haben zuerst einmal herauszufinden, wer der Tote ist; das sollte sich machen lassen; wenn wir dann wissen, mit wem wir es zu tun haben, dann ergibt sich das Weitere; insbesondere werden wir auf diese Weise erfahren, was er in der Via Triumphalis zu suchen hatte und wen er hier treffen wollte; denn von dem, mit welchem er sich anscheinend verabredet hatte, wurde er dann ja umgebracht, dort drüben auf der Treppe von Meister Hircus‘ Haus.«

»Vieles spricht für deine These, lieber Galba, aber ich persönlich würde der Sache auf andere Weise nachgehen.«

»Und auf welche?«

»Das zu erklären, brauchte zu viel Zeit; besser, jeder von uns gehe seinen eigenen Weg; du hast deine Methoden, ich die meinigen; getrennt marschieren, vereint schlagen, heißt die Devise, und es wird reizvoll sein, einander zu ergänzen und zum Schluss die Ergebnisse zu vergleichen.«

»Einverstanden«, sagte Galba, »aber bevor ich aufs Revier gehe, dem Tribunus22 Marcellus Bericht zu erstatten, muss ich noch einmal hinüber zum Zeitungsfritzen, äh, Hircus; wie kann ein Mensch aber auch Hircus heißen …«