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In ihrem dritten Buch geht Sabine Eich der Frage nach, was Sportler erfolgreich macht und welchen Einfluss Sport auf die Persönlichkeitsentwicklung hat. Auf der Suche nach Antworten hat die Autorin diejenigen gefragt, die es wissen müssen: Bekannte Sportlerpersönlichkeiten verschiedener Mannschafts- und Einzelsportarten, die auf eine Vielzahl individueller Erfahrungen zurückblicken können. Die Aussagen der Befragten sowie die wissenschaftlichen Ergänzungen machen deutlich, dass Erfolg alles andere als Zufall ist, sondern von vielen Prozessen gesteuert wird. 'An die Spitze! Wie Sportlerpersönlichkeiten nach oben kommen und dort bleiben' wirft einen Blick auf diese unsichtbaren Faktoren und Prozesse, zeigt, wie sie von Sportlern erlebt und nach dem Karriereende eingeordnet werden, und weist damit Wege auf, wie Sportler zum Erfolg gelangen können. Die Beiträge von Dr. Gregor Nimz und Holger Obermann runden dieses Buch ab und machen es zu einer spannenden Lektüre für Trainer, Sportler, Teams und Nichtsportler.
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Seitenzahl: 168
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Vorwort von Sebastian Rieth
Einleitung
Prägende Ereignisse
Gewusst wie: Ressourcen gezielt einsetzen
Auf dem Weg zur Spitze: Das soziale Umfeld
Erfolgsfaktor Trainer: Ein Leitfaden
Wie man erfolgreiche Athleten und Teams formt: Shaping
Ohne Team geht nix: Seine Rolle für den Erfolg und die Persönlichkeitsentwicklung
Das Quäntchen mehr: Was erfolgreiche Sportler auszeichnet
Vereine und Verbände: Was Sportler sich wünschen und brauchen
Dr. Gregor Nimz: Einflussfaktoren auf die Leistungsentwicklung von Sportlern – Die Trainer-Athleten-Beziehung als Schlüssel zum Erfolg
NACHSPIELZEIT
Erfolgreiche Integration im und durch Sport
Werte, die der Sport vermittelt
Holger Obermann
:
Deutsche Fußballtrainer im Ausland sind gefragt
.
Gesellschaftliche Strukturen beachten – Motivation vermitteln
.
Dank
Meine Interviewpartner
Über die Autoren
Fotonachweis
Literatur
Als ich Sabine Eich kennenlernte, war ich noch lange kein Fernsehmoderator, sondern Fußballschiedsrichter. Ich ließ mich auf Dorfsportplätzen beschimpfen – und fand das nicht schlimm. Ich musste in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen treffen – und fand das herausfordernd. Ich hatte Spaß an dem, was ich da tat – und trotzdem auch permanenten Druck. Damals hat Sabine Eich als Mentaltrainerin meine Schiedsrichterkollegen und mich gecoacht. Wie hält ein Schiedsrichter diesen Druck aus? Wie legt man die Angst vor falschen Entscheidungen ab? Wie schafft man es, objektiv zu bleiben, obwohl die Rentner-crew der Heimmannschaft nun schon zum zwanzigsten Mal laut brüllt? Die Übungen, die wir damals machten, haben mich beeindruckt. Da war eine Mentaltrainerin am Start, die genau weiß, was sie tut, weil sie sich in die Sportler hineinversetzt.
Genau das ist auch die Stärke dieses Buches, es beginnt seine Analysen auf den Berichten des Erlebten. Große Sportpersönlichkeiten schildern ihren Weg an die Spitze, und Sabine Eich zieht daraus ihre Schlüsse. Es sind wichtige Anregungen für uns alle, schließlich geht es doch oft genug im Leben um Leistung. Diese zum richtigen Zeitpunkt abzurufen, ist nicht zwingend eine Kunst, sondern erlernbar. Es sind Mechanismen, die einen Menschen prägen und ihn besonders machen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß mit diesem außergewöhnlichen Buch von Sabine Eich und den großen Sportpersönlichkeiten, die darin zu Wort kommen.
Als ehemaliger Fußballschiedsrichter würde ich sagen: Los geht’s. Anpfiff!
Sebastian Rieth ist Sportmoderator im Hessischen Rundfunk.
Wie erreichen Sportler und Teams die Spitze? Wer oder was macht sie erfolgreich?
Mit diesen Fragen – auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung – habe ich mich in den letzten Jahren intensiv auseinandergesetzt. Mir war klar, dass ich eine Antwort nur erhalten konnte, wenn ich diejenigen fragte, die es wissen müssen: Die Sportler selbst. So führte ich Interviews mit Persönlichkeiten aus verschiedenen Sportarten, Einzel- und Mannschaftssport.
Um ein möglichst vielfältiges Bild zu erhalten, waren mir verschiedene Sichtweisen wichtig: die des Athleten, Funktionärs, Beraters und Trainers.
Erfolg besteht aus Leidenschaft, harter Arbeit und dem unbedingten Wunsch sein Ziel zu erreichen. Erfolg ist daher kein Zufall, sondern ist abhängig von Ausdauer, Durchhaltevermögen, Lernen und vor allem der Begeisterung für das, was man tut. Er erfordert viel Willen, Mut sowie konsequente Umsetzung.
Anhand des Eisbergmodells (siehe Grafik Seite 9) wird sehr gut erkennbar, dass der sichtbare Erfolg (Zeiten, Ergebnisse, Medaillen usw.) mit 20 Prozent nur einen kleinen Teil des Ganzen ausmacht. Die Erfolge sind nur die Spitze des Eisbergs.
Der größte Teil einer erfolgreichen Sportlerlaufbahn liegt mit 80 Prozent in der Beziehungsebene, sozusagen unter Wasser. Hier wird der Erfolg von unzähligen Prozessen gesteuert und bildet die Grundlage für die sichtbare Eisbergspitze.
Leider bleibt die Beziehungsebene noch sehr oft unberücksichtigt. Welche Rolle diese Ebene für die Sportler spielt, zeigen die Aussagen der Befragten und Beiträge in der Nachspielzeit in diesem Buch sehr deutlich auf.
Gleich nach dem ersten Interview stellte sich mir die Frage: „Welche Chancen bietet der Sport Menschen, die aus keinem sozial kompetenten Umfeld kommen?“ Auf der Suche nach der Antwort wurde ich auch hier fündig. Die Welle gGmbH führt in Kooperation mit einem Fußballverein seit einigen Jahren erfolgreich ein Integrationsprojekt durch.
Die Beiträge meines geschätzten Kollegen Dr. Gregor Nimz sowie des ehemaligen – aber immer noch sehr aktiven – Sportjournalisten Holger Obermann machen dieses Buch erst zu dem, was es sein soll: Zu einer Sammlung spannender Information und Unterhaltung für alle, die (intensiv) Sport treiben, aber auch für Nichtsportler.
Ich habe die Kapitel in vier Teile aufgeteilt. Der einleitende und erste Teil enthält die Fragestellung und leitet den zweiten Teil ein, der die Antworten der Befragten wiedergibt. Der dritte Teil fasst die Kernaussagen in einem Quick Check zusammen. Der vierte und abschließende Teil ist ein zusätzlicher Wissensteil zum jeweiligen Thema.
Alle Informationen zu den Befragten finden sich im hinteren Teil des Buches.
KAPITEL 1
Prägende Ereignisse
Welches Ereignis hat Sportler verschiedenen Alters und verschiedener Sportarten im Hinblick auf ihre persönliche Entwicklung am meisten geprägt? Welche Ereignisse haben vielleicht sogar Weichen gestellt?
Auf diese Fragen haben die Interviewten sehr unterschiedliche Antworten gegeben. Aber alle haben sich schnell an ein prägendes Ereignis erinnert und davon erzählt.
PASCAL ROLLER
Die ersten Jahre in den Auswahlmannschaften und die ersten Trainer brachten mich entscheidend nach vorne. Ich bin überzeugt, dass ich durch den Sport der Mensch geworden bin, der ich heute bin. Insbesondere die ersten Jahre haben mich sehr geprägt. Im Alter von neun Jahren fing ich mit Basketball an, mit 13 war ich bereits in der Auswahlmannschaft.
Einer meiner Trainer legte viel Wert darauf, dass wir als Mannschaft funktionierten. Wir waren talentiert, spielten viel und er vermittelte uns Spaß. Wenn wir in einem Spiel einen großen Vorsprung hatten, spielten wir einen der schwächeren Spieler frei und positionierten ihn so, dass er zum Wurf kommen konnte. So wurde das schwächste Glied in der Kette gestärkt und es entstand ein „Wir-Gefühl“.
Später ging es in den Auswahllehrgängen vermehrt um Disziplin: „Wer hart arbeitet, wird auch dafür belohnt.“ Solche Werte hingen viel höher als das eigentliche Training. Rückblickend muss ich sagen, dass mich das sehr geformt und geprägt hat. Später machte es den Unterschied aus zu meinen Mitspielern, die das offensichtlich nicht so vermittelt bekommen hatten.
Die letzten drei, vier Jahre meiner Karriere hatte ich teilweise Probleme, mich zu motivieren. Ich ging aber immer noch mit einem guten Gefühl raus. Das waren Phasen, in denen ich merkte, ich kann unheimlich gut verdrängen, auf die Zähne beißen und mich durchkämpfen. Meine Konzentration kann ich unheimlich gut hochhal- ten, Sachen komplett ausblenden. Viel besser als andere Spieler konnte ich mich in einer Play-Off-Serie, die zwei Wochen dauern kann, voll konzentrieren, was auch mental unheimlich viel Kraft kostet. Auch wenn ich körperlich und spielerisch noch durchaus hätte mithalten können, wollte ich nicht länger spielen.
Ich verlangte sehr viel von mir.
Vielleicht wäre es manchmal besser gewesen, sich in den Zeiten zwischen Training und Spiel auch mal ‚gehen zu lassen‘. Ich verlangte sehr viel von mir. Durch die starke Fokussierung auf den Sport vernachlässigte ich im Hinblick auf die Familie viel und war in dieser Zeit schwer zu handeln. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen ist das schon belastend für den Lebenspartner, der irgendwie akzeptieren muss, dass man in seinem Tunnel drin ist. Da hätte ich das eine oder andere auch mal lockerer sehen können. Damals hatte ich das Gefühl, das wäre der richtige Weg.
UWE BINDEWALD
Sei es ein Abstieg aus der ersten in die zweite Bundesliga, sei es der Wiederaufstieg, die Rettung des Klassenerhalts oder eine verlorene Meisterschaft. All das sind Ereignisse, die einem sehr viel mit auf den Weg geben.
Die Abstiege waren wirklich bitter. Besonders die Erfahrungen mit den Menschen im Fußballumfeld und mit den Medien prägen einen sehr. Es ist erstaunlich, was teilweise hineininterpretiert und geschrieben wird, wenn die Mannschaft oder ein Spieler nicht die Leistung erbracht hat, die erwartet wurde. Es ist teilweise schon respektlos, wie über Menschen hergezogen wird.
Auch wenn es Mitspieler gibt, mit denen man ein engeres Verhältnis hat und die in der gleichen Situation sind, muss letztlich jeder für sich selbst herausfinden, welcher Weg für ihn der richtige ist. Diesen Weg muss man sich erarbeiten, um dann wieder Leistung abrufen zu können. In solchen Situationen versucht man sich seine Burg aufzubauen, in die man sich zurückziehen und wieder Kräfte sammeln kann. Meine Burg war meine Familie, mein Bruder und gute Freunde. Sie haben mir den Rückhalt gegeben, den man in solchen schwierigen Situationen braucht. Auch meine Kinder haben mir gezeigt, welche Dinge wirklich wichtig im Leben sind.
Im Laufe meiner 15-jährigen sportlichen Karriere haben mich positive wie negative Dinge sehr geprägt.
BERND REISIG
Sehr nachhaltig prägte mich ein sportliches Ereignis, an dem ich selbst beteiligt war: Der Aufstieg des FSV von der Oberliga in die zweite Liga innerhalb von zwei Jahren. Zwei fantastische, sehr schnelle, aber unglaublich schöne und faszinierende Jahre. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt im Leben schon einiges erlebt und erreicht hatte, berührte mich diese Zeit sehr. Aus einem kleinen, von vielen Experten totgesagten Oberligaverein, der noch ca. 200 Zuschauer hatte und vom Aussterben bedroht war, einen Bundesligaclub zu machen und es allen zu zeigen und zu beweisen – das hatte was.
Einen Verein führt man in die zweite Liga, indem man versucht bei Mitstreitern, Fußballern, Trainern, Sponsoren und Zuschauern, Begeisterung für dieses Projekt zu wecken. Man muss vorleben, dass das, was man sagt, Hand und Fuß hat und auch in die Tat umsetzt. Mit großer Glaubwürdigkeit kann man die Leute begeistern, die man braucht, denn alleine kann man es nicht schaffen.
Ich denke, mir gelang damals ganz gut, den Sponsoren zu erklären, warum sie ausgerechnet in einen verstaubten und in die Jahre gekommenen Verein investieren sollen und warum das für ihre Marke eine gute Werbefläche darstellen kann. Von Anfang an versuchte ich, die Geschichte des Aufstiegs aufzuzeigen. Am Ende erreichten die Firmen, was sie erreichen wollten.
OLIVER ROTH
Ein Ereignis, das mich im Alter von 18 Jahren bei den Senioren-fußballern des FSV Frankfurt persönlich prägte, war, als mich ein Spieler der gegnerischen Mannschaft auf dem Platz bewusst verletzen wollte. Und das in einer Art und Weise, die das Ende meiner Karriere hätte bedeuten können, wäre ich nicht so gut gebaut gewesen. Der Gegenspieler grätschte in einer Höhe in meine Beine rein, wo kein Ball sein konnte und auch keiner war. Da hatte ich sehr großes Glück. Das Foul brachte nur eine ‚leichte‘ Verletzung und sechs Wochen Pause. Daraufhin machte ich mir sehr viele Gedanken, ob ich das alles überhaupt will.
Wenn man das Glück hat, dass einem die Gesundheit erhalten bleibt, kann der Geist viel in die richtige Richtung lenken und man kann – und ich glaube, das ist das Yin und Yang des Sports – auch Erfolge feiern. Je tiefer die Einschnitte sind, die man auf dem Weg zum Erfolg zu erleben hatte, desto größer können die Erfolge werden.
Ich glaube,es trägt ganz wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung bei, wenn man im Leben lernt, mit Niederlagen und Rückschlägen möglichst positiv umzugehen.
Das zweite Ereignis ist eigentlich wieder eine ‚Niederlage‘. Als Jungprofi, der ich 1988 in Dortmund wurde, lernte ich relativ schnell, dass man auch ein bisschen Unterstützung von außen benötigt und es nicht ganz alleine schaffen kann. Das zeigte mir, dass ich keinen Grund habe, in irgendeiner Form überheblich zu werden, sondern immer eine grundlegende Demut gegenüber all dem habe, was mir geschenkt wird. Man sagt so schön, dass man vom Leben beschenkt wird, aber eigentlich wird das Grundrüstzeug vom lieben Gott gegeben, den Rest musst du dir von Menschen geben lassen. Menschen schenken dir Aufmerksamkeit, Zeit, Unterstützung und Kraft durch ihren Glauben.
Ich ging unter der Voraussetzung nach Dortmund, dass der Trainer und der Manager mich als Jungtalent unterstützen würden. Der Trainer war nach vier Wochen weg und ich bekam einen neuen, auch der Manager konnte mir damals nicht die notwendige Rückendeckung und Unterstützung geben. Wenn man als Frankfurter nach Dortmund geht, steht man den Dortmunder Talenten im Weg und wird nicht mit offenen Armen empfangen. Das war für mich als 18- oder 19-jähriger eine starke Zäsur, dass man fast nur Feinde um sich herum hat. Ich wollte einfach nur Fußball spielen und konnte mich nicht so entwickeln, wie ich das gerne gehabt hätte.
Beide Ereignisse sind eigentlich negativ, bildeten für mich aber die Grundlage, so zu werden, wie ich bin. Sie trugen zu meiner Entscheidung bei, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, sondern auf mehrere. Wenn man es beherrscht, mehrere Pferde zu reiten, kann einem ein Pferd unter den Beinen weggeschossen werden, und man hat nimmer noch zwei, auf denen man reiten kann.
In schwierigeren Zeiten lernte ich, mit immer weniger Unterstützung klar zu kommen. Einfach, indem man sich nicht von seinem Weg abbringen lässt.
Ich stellte mir damals die Frage, ob Fußball wirklich das einzige Pferd ist, auf das ich setzen möchte. Nach einem knappen halben Jahr verneinte ich das für mich völlig. Der nächste konsequente Schritt war dann zu schauen, was das nächste Pferd sein könnte. Das hieß für mich, einen neuen Beruf zu erlernen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits gelernter Industriekaufmann. Mein Interesse ging zunächst in Richtung Werbung, daher war die erste Tendenz, noch eine Lehre als Werbekaufmann zu machen. Als ich erkannte, dass das weitere drei Jahre Ausbildung bedeutet hätte, nahm ich ein Angebot im Bereich Börse an und blieb dort hängen.
Wenn man emotional und beruflich dieses Tal durchschritten hat, geht man gestärkt daraus hervor. Ich brauchte niemanden mehr, denn ich wusste, ich setze auf alle Fälle auf ein zweites Pferd: Ich spiele Fußball und übe parallel einen weiteren Beruf aus. Sich nicht auf eine Sache zu versteifen, erhält mir die Lockerheit für das andere, auch weil ich wirtschaftlich nicht abhängig bin von einem Arbeitgeber. Das bringt ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und führt zu mehr Selbstbewusstsein. Ich versuche meinen Job gut zu machen. Wenn mir jemand substantiell erklären kann, warum es nicht gut ist, kann ich das annehmen. Aber wenn mir das jemand nicht erklären kann, liegt es nicht an mir.
ALEXANDER SCHUR
Das Ereignis, das mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung am meisten beeinflusst hat, waren mein Kreuzbandriss mit Anfang 20 und die zwei, drei Rückschläge während der Reha. Als junger Mensch ist das eine sehr, sehr schwierige Situation. Fußball war gefühlsmäßig mein Ein und Alles und nahm einen sehr großen Platz in meinem Leben ein
Während dieser Verletzungsphase war ich ein Jahr komplett weg vom Fenster. In dieser Zeit habe ich mich eigentlich erst richtig kennengelernt, und mir stellten sich Fragen wie, „Ist man der Kämpfer, ist man diszipliniert, kommt man auch aus den psychologischen Tälern wieder raus?“
Es war immer ein internes Zusammenspiel zwischen dem ‚Drecksack‘ und dem ‚Guten‘ in mir. Dieses Hin und Her hat mir gezeigt, was ich für ein Typ bin. Es hat mich kämpferisch werden lassen. Als ich aus dem Tal raus war, habe ich als ‚Belohnung‘ ein Engagement beim FSV Frankfurt bekommen, der zu diesem Zeitpunkt ohne mein Zutun in die zweite Liga aufgestiegen war. Ein Glück, das ich mir auch ‚verdient‘ hatte. Aber auch ein ganz kurioses Ding, nach einem Jahr Verletzungspause von der dritten in die zweite Liga zu rutschen.
Deswegen kann ich meinen Spielern heute aber sagen, „man kann sich das Glück auch verdienen“. Ich hatte während meiner Reha so gut an mir gearbeitet, dass ich in der zweiten Liga mit 23 Jahren einer der Jüngsten im Team war – was heute natürlich nicht mehr so wäre – und leistungsmäßig mithalten konnte. Sogar so gut, dass ich ein Leistungsträger geworden bin – das war ein tolles Gefühl.
Ab da ging meine Karriere als Profi-Fußballer eigentlich los.
Die Erfahrungen, die man aus vielen Verletzungen herauszieht, sind unschätzbar und ermöglichen eine hohe körperliche und mentale Wahrnehmung.
Insgesamt hatte ich vier schwerwiegende Verletzungen – einmal mit 15 Jahren einen Knorpelschaden im Knöchel. Damals war der Arzt der Meinung, dass ich Leistungssport vergessen könne. Glücklicherweise ist dann aber doch wieder alles vollständig verheilt.
Nach der erwähnten Kreuzbandverletzung hatte ich ein Jahr lang kleinere Verletzungen. Eine weitere schwierigere Verletzung war ein Überlastungssyndrom in der Leiste, das sehr schwierig und langwierig war. Dabei gab es noch mehr Rückschläge als beim Kreuzbandriss. Bei dieser Verletzung gibt es unklare Verläufe, die auch Ärzte teilweise nicht erklären können. Da benötigt man viel Geduld. Aber die Verletzungen davor haben mir geholfen, auch das zu überstehen.
Zum Ende meiner Karriere hatte ich noch mal einen hinteren Kreuzbandriss. Das dauerte wieder ein Jahr. Mit 34 Jahren wollte der Körper einfach nicht mehr so wie früher, und es war schwieriger, wieder fit zu werden. Das Krafttraining setzt nicht mehr so an, die Reha dauert länger. Je älter man ist, desto größer werden die Probleme, den Körper zur alten Leistungsstärke zurückzuführen. Meinen Ärzten und meiner Physiotherapeutin habe ich es zu verdanken, dass ich keinerlei Schmerzen, Arthrose oder ähnliche Nachwirkungen habe. Ich kann normal Fußball spielen, während andere riesige Probleme haben.
Mein Ziel war, noch einmal auf den Platz zurückzukehren und meine Karriere dort zu beenden. Das habe ich auch geschafft, und dies zeigt, dass ich meine Reha erfolgreich bestritten habe, auch wenn sie länger gedauert hat. Mit 35 habe ich meine Karriere dann beendet. Und weil ich nicht einfach aufhören, sondern nach der langen Reha-Phase ein bisschen Fußball spielen wollte, habe ich noch mal in Seligenstadt gespielt.
MIKE FUHRIG
Potentielle Talente wurden für die Sportinternate gesichtet. Zu diesem Zeitpunkt nahmen sie mich allerdings nicht, da ich noch nicht gut genug war. Ich war zwar damals schon relativ groß, aber technisch habe ich erst später aufgeholt. In den Jahren bis zur B-Jugend machte ich einen riesigen Entwicklungssprung. Zu diesem Zeitpunkt spielte ich in meinem Heimatverein, und wir konnten uns gegen alle anderen Vereine und Mannschaften durchsetzen. Da ‚bombte‘ ich mehr oder weniger alles weg. Wir wurden Meister, was damals eine riesige Überraschung war. Es prägte mich sehr, dass ich in diesem Alter schon erfolgreich war, und bewog mich, dabei zu bleiben. Dieser Erfolg war in meiner Jugend richtungsweisend.
In der DDR begann die Förderung der Sportler bereits in der 8. Klasse.
In der 10. Klasse, mit 15 Jahren, war ich dann gut genug für das Sportinternat und zog nach Leipzig. Von den 16 Kindern, die zwei Jahre zuvor aus 120 Kindern gesichtet und angenommen wurden, war zu diesem Zeitpunkt nur noch eines da.
Die Selektion war groß, und ich bin froh, dass ich erst mit 15 Jahren in die Sportschule kam. Auch, weil das Training in dem Alter schon sehr hart ist. Das müssen die Knochen erstmal aushalten. Vormittags und nachmittags trainierten wir, zwischendurch war Schule.
Da ich vor der Internatszeit bereits immer viel in Ferienlager fuhr und schon immer raus und weg wollte, war es für mich als 15-jährigen nicht schwierig, im Internat auf mich alleine gestellt zu sein. Klar hat man auch ein bisschen Heimweh, aber meine Eltern kamen immer zu den Spielen aus meinem 100 Kilometer entfernten Heimatort Schlema.
Im Sportinternat musste man sich um nichts zu kümmern, man hatte dort großartige Unterstützung und konnte sich wirklich voll und ganz auf den Sport konzentrieren. Das war wie eine Familie. Wir hatten dort alles: eigene Physiotherapie, sogar Bananen. Die Sportmedizin war für diese Zeit top, auch schon im Kindesalter.
Da Sport ein Aushängeschild der DDR war, wurde dieser auch extrem gefördert. Die Möglichkeit durch den Sport aus der DDR rauszukommen, war durchaus eine Motivation für mich, den Sport so intensiv zu betreiben.
Bereits in der Schule wurde viel Sport getrieben. Ich habe fast alles gemacht: Handball, Fußball, Skifahren, Skispringen. Erfolge wurden immer entsprechend anerkannt und geehrt, was mich sehr förderte und motivierte.
Ein weiteres prägendes Ereignis waren natürlich die Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Das war wirklich überragend. 1996 wäre ich noch mal gerne in Atlanta dabei gewesen, verletzte mich aber ein halbes Jahr davor. Für mich rückte Markus Baur ins Team.
THOMAS BURKERT
Der Umzug von Frankfurt nach Stuttgart mit 22 Jahren war für mich einer der ganz entscheidenden Momente, da ich dort das erste Mal ein absolut professionelles Umfeld vorfand. Es war einfach alles da, von physiotherapeutischer Betreuung über Trainer, Co-Trainer, Manager für die Mannschaft. Man musste sich, außer um das Hockeyspielen, um nichts kümmern.