Anatomie und Biomechanik der Hand - Bernhard Hirt - E-Book

Anatomie und Biomechanik der Hand E-Book

Bernhard Hirt

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Beschreibung

Anatomisches Fachwissen: Umfassend - anschaulich - praxisnah

Fundierte Kenntnisse der Anatomie und Biomechanik der Hand sind die Grundlage für eine gute Behandlung. Die anatomischen Verhältnisse der Hand sind jedoch sehr komplex. Oft werden sie nur unvollständig vermittelt. Vor allem das Zusammenspiel der unterschiedlichen Strukturen, wie z. B. im DRUG oder TFCC, kommt häufig zu kurz.

Das vorliegende Werk schließt genau diese Lücken! Es liefert einen umfassenden Einblick in die spezifische Anatomie der Hand und ihre Funktionsweise. Klinische Bezüge und detaillierte Bilder helfen, die komplexen Strukturen zu begreifen.

Direkten Praxisbezug gibt es dann im zweiten Teil des Buches: Mit der „Anatomie in vivo“ können Sie das Gelernte durch Ertasten vertiefen.

Ein zuverlässiges Handwerkszeug für alle, die sich professionell mit der Hand befassen. So können Ärzte und Therapeuten sicher diagnostizieren und zielgerichtet behandeln.

Neu in der 4. Auflage:

• Überarbeitung aller Beiträge
• Ergänzung neuer Abbildungen

Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.

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Anatomie und Biomechanik der Hand

Bernhard Hirt, Harun Seyhan, Michael Wagner, Rainer Zumhasch,

4. aktualisierte Auflage

134 Abbildungen

Vorwort

Die Diagnostik und Therapie von Handerkrankungen beginnt mit einer guten Kenntnis der spezifischen Anatomie, dem Verständnis der differenzierten Funktionen im Sinne der Biomechanik sowie mit dem praktischen Wissen der Lagebestimmung bzw. Palpation der mannigfaltigen Strukturen. Erst mit diesem Handwerkszeug kann jeder Arzt, jeder Ergo- und Physiotherapeut die vielen spezifischen therapeutischen Behandlungsverfahren zielgerichtet umsetzen.

Es gibt viele Bücher zu den Themen „Anatomie“, „Anatomie in vivo“ sowie zu „Kinematik der Hand“; keines allerdings, welche all diese Disziplinen zu einem Werk vereint. Gerade in der praktischen Arbeit am Patienten treten häufig Fragen hinsichtlich dieser Punkte auf. Somit musste bis dato in unterschiedlichen Büchern nach den passenden Antworten gesucht werden. Auf der einen Seite fehlte entsprechende Literatur und auf der anderen Seite konnte aufgrund des großen Umfangs keine passende Antwort in einem kurzen Zeitrahmen gefunden werden. Daher war es in unserer Planung sehr wichtig, ein handliches Buch zu konzipieren, welches alle wesentlichen Aspekte dieser Themenvielfalt abdeckt und an jedem Ort zur Verfügung stehen kann.

Wir hoffen, dass es mit unserem Werk „Anatomie und Biomechanik der Hand“ gelungen ist, nicht nur thematisch, sondern auch durch ein gutes „Handling“ zu überzeugen. Es soll helfen, die Diagnostik bzw. die Therapie der unterschiedlichen Fachdisziplinen am Patienten noch effizienter zu gestalten bzw. die interdisziplinäre Kommunikation aller beteiligten Berufsgruppen auf ein gutes Fundament zu stellen.

„Nur wer gemeinsam eine Sprache spricht, wird auch gemeinsam verstanden.“

Tübingen, Köln, Hannover und Bad Pyrmont im September 2021

Bernhard Hirt, Harun Seyhan, Michael Wagner und Rainer Zumhasch

Danksagung

Ganz herzlich möchten wir uns bei unseren Familienangehörigen bedanken und widmen ihnen das Buch „Anatomie und Biomechanik der Hand“. Stets haben sie uns den Rücken freigehalten, damit wir neben all den anderen beruflichen Verpflichtungen dieses Werk in einem angebrachten zeitlichen Rahmen fertigstellen konnten. Ein besonderes Dankeschön geht an die Ehefrau von Herrn Zumhasch. Mit viel Geduld und Verständnis führten die unzähligen Körpermalversuche der anatomischen Strukturen auf ihren Unterarmen und Händen letztlich zu einem guten Ergebnis.

Auch geht ein ganz herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiter des Thieme Verlags. Die Zusammenarbeit war stets angenehm, in einer schon bald freundschaftlichen Art und Weise. Die zahlreichen anatomischen Abbildungen wurden nach unseren Wünschen, mit viel Liebe zum Detail und passend zu den einzelnen Textpassagen, ausgewählt. Somit trägt das Verlagsteam nicht unerheblich zum Erscheinungsbild und zum gesamtinhaltlichen Wert bei.

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Vorwort

Danksagung

1 Anatomie und funktionelle Anatomie der Hand

1.1 Einleitung

1.2 Die Entwicklung des Handskeletts vom Fötus bis hin zum Erwachsenen

1.3 Aufbau und Funktion des proximalen und distalen Radioulnargelenks

1.3.1 Lig. anulare radii

1.3.2 Chorda obliqua

1.3.3 Membrana interossea antebrachii

1.3.4 Aufbau und Funktion des triangulären fibrokartilaginären Komplexes

1.3.5 Muskulatur des Radioulnargelenks – Pronation und Supination

1.4 Handgelenk und Bewegungsachsen

1.4.1 Bewegungsachsen

1.4.2 Aufbau und Funktion des Handgelenks

1.4.3 Ligamentäres System und Stabilität des Handgelenks

1.4.4 Muskulatur des Handgelenks: Extension – Flexion, Radialduktion – Ulnarduktion und Zirkumduktion

1.4.5 Arthrokinematik des Handgelenks

1.4.6 Weitere wesentliche anatomische Strukturen des Handgelenks

1.5 Daumen

1.5.1 Bewegungsmöglichkeiten und Bewegungsumfang

1.5.2 Aufbau und Funktion des Daumensattelgelenks

1.5.3 Aufbau und Funktion des Daumengrund- und endgelenks

1.6 Aufbau und Funktion der Mittelhand

1.6.1 Aufbau und Funktion der Ossa metacarpalia II–V

1.6.2 Muskulatur der Mittelhandknochen

1.6.3 Palmaraponeurose im Bereich der Mittelhandknochen

1.7 Aufbau und Funktion der Fingergelenke

1.7.1 Aufbau und Funktion der MCP-Gelenke

1.7.2 Aufbau und Funktion der PIP-Gelenke

1.7.3 Aufbau und Funktion der DIP-Gelenke

1.7.4 Bewegungsgrade der MCP-, PIP- und DIP-Gelenke

1.7.5 Extrinsische Streck- und Beugemuskulatur der Finger

2 Anatomie in vivo der Strukturen von Unterarm und Hand

2.1 Einleitung

2.2 Praktische Grundlagen für die Anatomie in vivo

2.3 Praktische Vorgehensweise der Anatomie in vivo am Unterarm

2.3.1 Anatomie in vivo des distalen Radioulnargelenks und des Handgelenks

2.3.2 Anatomie in vivo der 6 dorsalen Sehnenfächer

2.3.3 Anatomie in vivo der extrinsischen dorsalen Unterarmmuskulatur

2.3.4 Anatomie in vivo des palmaren Handgelenks, der 3 palmaren Sehnenfächer sowie der palmaren Nerven- und Gefäßstrukturen

2.3.5 Anatomie in vivo der extrinsischen palmaren Unterarmmuskulatur

2.3.6 Anatomie in vivo der Mittelhand, des Daumens und der Langfinger

2.3.7 Anatomie in vivo der intrinsischen Muskulatur der Hand von Thenar, Mittelhand und Hypothenar

3 Literatur

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum/Access Code

1 Anatomie und funktionelle Anatomie der Hand

1.1 Einleitung

Der Mensch hat seinen Status in der biologischen Systematik als „höheres Säugetier – Homo sapiens“ gegenüber dem Primaten dem Wunderwerk „Hand“ zu verdanken. Die Hand ist mit ihren 19 Freiheitsgraden und ihrem opponierbaren Daumen ein hoch entwickeltes und komplexes Greiforgan. Damit werden vielfältige Bewegungskombinationen bei gleichzeitiger Adaption von Kraft, Schnelligkeit und Leichtigkeit ermöglicht. Zudem verfügt sie über ein hoch spezifisches sensibles Tastorgan, mit dessen Hilfe der Mensch sich und die Umwelt wahrnehmen und beurteilen kann. In Form von mannigfaltigen Gebärden ist die Hand ein wesentliches Bindeglied in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Durch Schrift, Musik und bildliche Kunst wird sie zum Ausdruck des menschlichen Geistes ▶ [234]. Durch diese gleichermaßen grob- und feinmotorischen sowie sensiblen Fähigkeiten ist der Mensch in der Lage, für seinen Körper zu sorgen, ihn zu ernähren, zu kommunizieren und seine Umwelt zu gestalten. Mit all diesen Möglichkeiten trägt die Hand aber auch im Wesentlichen zur Entfaltung sowie Weiterentwicklung des menschlichen Geistes und somit zur Modifizierung all seiner motorischen Fähigkeiten bei ▶ [207]. Diese Funktionalität wird erst durch ein hervorragendes Zusammenspiel der zentralen Steuerung und der anatomischen Strukturen wie Knochen und Gelenke, Muskeln und Sehnen, Nerven und Blutgefäße ermöglicht; macht die Hand aber auch zu einem äußerst komplizierten Organ.

Der distale Bereich des Unterarms setzt sich aus dem distalen Radioulnargelenk, dem Hand- und Daumensattelgelenk, der Mittelhand und den Fingern zusammen. Daraus resultieren 27 Knochen mit 36 gelenkigen Verbindungen und 39 aktiven Muskeln. Erst im Zusammenspiel all dieser Strukturen kann die Hand ihre mannigfaltigen fein- und grobmotorischen Fähigkeiten in ihre diffizilen Bewegungsmöglichkeiten umsetzen.

1.2 Die Entwicklung des Handskeletts vom Fötus bis hin zum Erwachsenen

Das Knochenwachstum beginnt beim Fötus ab ca. dem 2. Schwangerschaftsmonat über die Dia- und Metaphysen der Röhrenknochen. Mit der Geburt verläuft die Gestaltung bzw. das Längenwachstum, parallel zur Ossifikation der Epi- und Apophysen und schließt in der Pubertät mit dem Epiphysenabschluss ab. Hiernach folgt die Prägung von Sesambeinen in individueller Anzahl- und Wachstumsgeschwindigkeit; insgesamt ist das gesamte Knochenwachstum mit ca. dem 19. Lebensjahr abgeschlossen ( ▶ Abb. 1.1) ▶ [97].

Abb. 1.1 Übersicht Skelettalter.

Abb. 1.1a Im Bereich der Handwurzel sind die Ossifikationszentren der Ossa capitatum, hamatum und triquetrum (eben sichtbar) vorhanden: Die Ossifikationskerne der Epiphysen von Metacarpalia und Phalangen sind noch nicht vollständig vorhanden, der Ossifikationskern der distalen Radiusepiphyse ist sichtbar.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1b Im Bereich der Handwurzel sind die Ossifikationskerne der Ossa capitatum, hamatum, triquetrum und lunatum vorhanden. Ossifikationskerne im Bereich der Phalangen und Metacarpalia sind (zumindest knapp) sichtbar, der Ossifikationskern der distalen Radiusepiphyse hat sich weiterentwickelt.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1c Im Bereich der Handwurzel sind jetzt bis auf das Os pisiforme alle Ossifikationskerne sichtbar. Der Ossifikationskern der Ulnarepiphyse ist noch nicht vorhanden, alle Ossifikationskerne von Metacarpalia und Phalangen sind gut sichtbar entwickelt.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1d Der Ossifikationskern der Ulna ist eben aufgetreten, die Ossifikationskerne von Metacarpalia und Phalangen haben noch nicht die Breite der Metaphysen vollständig erreicht, die Formgebung der Ossifikationskerne im Handwurzelbereich ist weiter vorangeschritten.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1e Die Formgebung der Handwurzelknochen wird jetzt zunehmend markanter. Die Formgebung der epiphysären Ossifikationszentren der Metacarpalia und Phalangen hat begonnen, ebenso wie diejenige des Radius.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1f Die Ossifikationszentren der Epiphysen von Phalangen und Metacarpalia haben nun allesamt die Breite ihrer zugehörigen Metaphysen erreicht. Die Formgebung der Gelenkpartner wird zunehmend deutlicher, die Konturen der Handwurzelknochen sind deutlich ausgeprägt, das Os pisiforme ist erkennbar, die Ulnarepiphyse zeigt eine beginnende Konkavität.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1g Die Epiphysenossifikationszentren der Metacarpalia und Phalangen sind nun breiter als die zugehörigen Metaphysen, „überdachen“ diese jedoch noch nicht. Im Bereich der Handwurzel ist jetzt der Hamulus des Os hamatum deutlich abgezeichnet, Radius und Ulna haben sich weiterentwickelt.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1h Die Epiphysen der Metacarpalia und Phalangen „überdachen“ nun die Metaphysen, das Os sesamoideum des Daumens ist nun deutlich sichtbar ossifizert, die Handwurzelknochen haben weitgehend ihre definitive Form angenommen, der Processus styloideus ulnae ist deutlich ausgeformt. Alle Epiphysenfugen sind noch offen, die distale Daumenphalanxepiphyse erscheint nur projektionsbedingt verschlossen.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1i Im Bereich der Handwurzel hat das Os pisiforme seine definitive Größe und Formgebung erreicht, die Formgebung der Epiphysenfugen von Radius, Ulna, Metacarpalia und Phalangen (alle noch offen) ist markanter geworden, alle umfassen nun deutlich ihre zugehörigen Metaphysen.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1j Die Handwurzelknochen haben Größe und Formgebung des Erwachsenenskeletts erreicht, die Fusion der Epiphysenfugen im Bereich der Fingerendphalangen und des Metacarpale 1 hat begonnen.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

Abb. 1.1k Alle Epiphysenfugen – bis auf diejenigen von Radius und Ulna – sind bereits geschlossen, Ulna und Radius fusionieren. Das Wachstum kann als praktisch abgeschlossen angesehen werden.

(Quelle der zugrundeliegenden Röntgenbilder: Exner G. Handskelettalter. In: Exner G, Hrsg. Normalwerte in Wachstum und Entwicklung. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2003)

1.3 Aufbau und Funktion des proximalen und distalen Radioulnargelenks

Das Unterarmskelett besteht aus 2 Knochen, der Ulna (Elle) und dem Radius (Speiche). Beide Knochen bilden das Radioulnargelenk über einem proximalen Teil zum Ellenbogen (Articulatio radioulnaris proximalis) und über einen distalen Teil zum Handgelenk (Articulatio radioulnaris distalis) gehörig ( ▶ Abb. 1.2). Unter Einbindung des Schultergelenks (Articulatio humeri) werden über diese beiden Gelenke die Umwendbewegungen der Pro- und Supination in einer gleichphasigen Kongruenz ausgeführt ( ▶ Abb. 1.3) ▶ [238]. Der Radius beschreibt bei dieser Bewegung einen Kegelmantel, d. h. die Umwendachse verläuft proximal vom Radiusköpfchen durch das distale Ende der Elle ▶ [3]. Hierbei rotiert das Radiusköpfchen im proximalen Radioulnargelenk innerhalb des Lig. anulare radii (breites Ringband) um sich selbst, während der Radius sich gleichzeitig im distalen Radioulnargelenk um die Ulna, bzw. das Caput ulnae (Ulnaköpfchen) bewegt. Innerhalb der Supination liegen Radius und Elle nebeneinander, während sich bei der Pronation beide überkreuzen; der Radius legt sich dabei über die Ulna. Das Ausmaß der Umwendbewegungen des Unterarms beläuft sich auf etwa 140–150° ▶ [195]. Bei der Pronation gleitet die Ulna mehr nach dorsal und bei der Supination mehr nach palmar ▶ [270], wodurch sich die Bewegung auf 180° erweitert ▶ [234]. Der Bewegungsumfang aus der Neutral-0-Stellung für die reine Pro- und Supination beträgt somit ca. 80 bis 90°–0–80 bis 90°, d. h. im Durchschnitt 85° Supination und 90° Pronation ▶ [238]. Unter Einbezug des Schultergelenks (weiterlaufende Bewegung) kann sich dieser Spielraum auf bis zu 230° erhöhen ▶ [264]. Diese Zusatz- und Ersatzmöglichkeiten können somit Bewegungen in den Radioulnargelenken mit sog. Scheinbewegungen vortäuschen ▶ [154]. Die Hand muss diesen Bewegungen folgen, da das proximale Handgelenk als Eigelenk keine ausgleichende Bewegung zulässt ▶ [154].

Abb. 1.2 Distales und proximales Radioulnargelenk.

Abb. 1.3 Pronation und Supination der Hand.

Das proximale Radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris proximalis) ist funktionell ein Zapfengelenk. Es setzt sich zusammen aus der Circumferentia articularis radii mit einer konvexen Gelenkfläche am Radius und der Incisura radialis mit einer konkaven Gelenkfläche der Ulna.

Das distale Radioulnargelenk (Articulatio radioulnaris distalis), ein sog. Radgelenk (Articulatio trochoidea; ▶ Abb. 1.4), wird gebildet aus dem vollständig mit Knorpel überzogenen Caput ulnae (dem distalen Ende der Ulna) mit einer konvexen halbzylindrischen Gelenkfläche der Circumferentia articularis ulnae und der dazugehörigen konkaven Gelenkfläche der Incisura ulnaris des distalen Radius. Umschlossen ist das Gelenk von einer dünnen bindegewebigen Kapsel ohne stabilisierende Eigenschaften ▶ [50]. Ihre lockere Struktur mit einigen tiefen Taschen (z. B. den Recessus sacciformis) kleiden die Gelenkhöhle mit einer Synovialmembran aus und geben dem Gelenk genügend Spielraum für eine Pro- und Supinationsbewegung von insgesamt 180° ▶ [165].

Abb. 1.4 Das distale Radioulnargelenk ist funktionell ein Radgelenk.

Der Rotationsvorgang im distalen Radioulnargelenk erfolgt um die Ulna als statischen Bezugspunkt, um die sich der Radius gemeinsam mit der Hand dreht ▶ [238]. Funktionell überstreicht der Radius hierbei die Oberfläche eines Kegelsegments ▶ [238]. Die größtmögliche Kongruenz der Gelenkflächen besteht in Neutral-0-Stellung, während in Pronation und Supination die Artikulationsflächen des Ulnakopfes und der Incisura ulnaris des distalen Radius nur einen geringen Kontakt aufweisen ▶ [238].

Praxis

Die Gelenkkapsel des distalen Radioulnargelenks wird sich im Falle einer Immobilisierung kaum so weit zurückentwickeln, dass sie zur Ursache einer Bewegungseinschränkung wird. Sollte sich dennoch eine Kapselschrumpfung einstellen, so wird sich dieser Zustand lediglich in einer endgradigen Bewegungseinschränkung bemerkbar machen. Daher sind Mobilisationen in diesem Gelenk in der Regel nicht notwendig ▶ [165].

Stabilisiert wird das proximale Radioulnargelenk im Bereich des Radiuskopfes durch das Lig. anulare radii, die Chorda obliqua sowie im Schaftbereich durch die Membrana interossea antebrachii. Zudem werden der Radius und die Ulna mit der Membrana interossea antebrachii fest verbunden und sie reguliert die relative Verlängerung der Ulna während der Pronation und die relative Verkürzung in Supination ▶ [54], d. h., der Radius verschiebt sich bei der Supination nach distal und während der Pronation nach proximal ▶ [165]. Die Stabilisierung im distalen Radioulnargelenk erfolgt palmarseitig durch den M. pronator quadratus▶ [103] der Sehne und Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris▶ [150] sowie im Wesentlichen durch den TFC-Komplex (triangulärer fibrokartilaginärer Komplex) ▶ [116]▶ [150].

1.3.1 Lig. anulare radii

Das Lig. anulare radii umschließt das proximale Radioulnargelenk (ligamentäre Verklammerung zwischen dem Radiusköpfchen und der Ulna ▶ [234]) und dient der Führung des Radiusköpfchens sowie der Druckresorption ( ▶ Abb. 1.5). Dieses ca. 1 cm breite, annähernd ringförmige Band setzt vor und hinter der Incisura radialis an der Ulna an. Es verläuft von proximal trichterförmig nach distal und umschließt das Collum radii ▶ [162]. Verwachsen ist das Lig. anulare radii proximal mit dem Lig. collaterale radiale▶ [205] und mit dem Lig. collaterale ulnae sowie in der Tiefe mit der Gelenkkapsel des Ellenbogengelenks ▶ [165]. Zusammen fungieren sie als funktionelle Einheit. Das Lig. anulare radii besteht aus kräftigem Bindegewebe und wird zudem im Bereich der Incisura radialis mit zusätzlichen Knorpelzellen ▶ [80] für die Druckresorption▶ [205] unterstützt. Während der Supination steht der vordere Anteil und während der Pronation der hintere Anteil des Ligaments unter Spannung ▶ [162], wobei eine mögliche Bewegungshemmung wahrscheinlich nicht gegeben ist ▶ [165]. Nach Morris 1879 ▶ [178] zählen eher die Membrana interossea, die Chorda obliqua, die Ligamente der Handwurzel sowie des distalen Radioulnargelenks und diverse Unterarmmuskeln zu den Kontrollstrukturen zwischen der Pro- und Supination.

Abb. 1.5 Lig. anulare radii. Ansicht von ventral.

(Aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 5. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018)

Praxis

Bleibt z. B. nach einer Radiusköpfchenfraktur eine Achsabweichung bestehen, dann könnte während der Pro- und Supination eine verfrühte Verformung des Lig. anulare radii entstehen, welche nach Matthijs et al. 2003 ▶ [165] für eine Bewegungseinschränkung allerdings nicht ausreichend ist. Grund für die bleibende Funktionalität könnte die rotatorische Schlupfbewegung des Radiusköpfchens sein.

1.3.2 Chorda obliqua

Diese kleine bandartige Struktur entspringt unterhalb der Incisura radialis und setzt direkt unterhalb der Tuberositas radii an ▶ [80]. Hierbei handelt es sich um einen flachen Faserzug am proximalen Ende der Membrana interossea, der als Verstärkungsband fungiert ▶ [234] mit gegensinnigem Verlauf ( ▶ Abb. 1.6). Neben dem M. extensor carpi ulnaris und dem Lig. radioulnare palmare ▶ [234] ist es eine weitere wichtige Struktur für die Bremsung der Supination▶ [205]▶ [19] und verhindert mit der Membrana interossea eine distale Verschiebung des Radius gegenüber der Ulna▶ [288]. Demgegenüber wirkt die Sehne des M. biceps brachii als Teil der Pronationsbremse, welche sich bei dieser Bewegung um den Radius wickelt ▶ [205].

Abb. 1.6 Chorda obliqua und Membrana interossea antebrachii.

(Aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 5. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018)

1.3.3 Membrana interossea antebrachii

Diese Zwischenknochenmembran entspringt ca. 1 cm unterhalb der Tuberositas radii und setzt kurz vor dem distalen Radioulnargelenk an ( ▶ Abb. 1.7), wobei einige Fasern bis in die Gelenkkapsel reichen ▶ [94]. Im Bereich der Radiusmitte erreicht sie ihre maximale Dicke von ca. 1 mm. Sie besteht aus starkem Bindegewebe, dessen Zugfestigkeit 84 % der des Lig. patellae erreicht ▶ [165]. Mit dieser Bindegewebsplatte werden Radius und Ulna aneinander befestigt ▶ [205]. Sie dient funktionell der Sicherung beider Knochen vor Längsverschiebungen und fungiert als Ursprungsfläche diverser Muskeln ▶ [205].

Zudem enthält die Membrana interossea antebrachii 2 Typen von schräg verlaufenden Kollagenfasern; nach Zancolli 1992 ▶ [292] den Fasertyp obliquus A und den Fasertyp obliquus B. Die OA-Fasern nehmen den gesamten interossalen Raum ein und verlaufen im Allgemeinen vom proximalen Radius zur distalen Ulna. Die OB-Fasern bilden 2 separate palmare Bündel (ein proximales sowie ein distales) und ziehen genau entgegengesetzt ▶ [165]. Die OA-Fasern geraten in Neutralstellung und in Supination und die OB-Fasern in Pronation unter Spannung; der entgegengesetzte Anteil ist jeweils entspannt. Des Weiteren beschreibt Gabl et al. 1998 ▶ [72] einen ca. 8 mm breiten, 30 mm langen und ca. 1 mm dicken dorsalen Verstärkungszug. Er wirkt als Kapselverstärkung des distalen Radioulnargelenks und hält bei Pronation den Ulnakopf wie eine Schlinge. Dem gegenüber wirkt ein etwa 2 mm dickes palmares Septum falciforme entgegen ▶ [233] und entspringt etwa 3 mm breit aus dem am weitesten distal gelegenen Bereich der Membran unter dem tiefen Muskelanteil des M. pronator quadratus ▶ [234].

Abb. 1.7 Membrana interossea antebrachii.

(Aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 5. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018)

Somit hat die Zwischenknochenmembran eine begrenzende bzw. bremsende Wirkung auf die Pro- und Supination. Auch finden sich in ihrem Gewebe Lücken zum Durchtritt von Gefäßen ▶ [94] und sie besitzt einen hohen Anteil an Mechanozeptoren ▶ [210].

Praxis

Da der Großteil der Membrana interossea anttebrachii in maximaler Pro- und Supination entspannt ist, wird sie im Allgemeinen nicht als mögliche Ursache von Störungen der Umwendbewegungen angesehen ▶ [165]. Bezüglich der OA- und OB-Fasern lässt sich allerdings ableiten, dass die Membrana interossea z. B. bei frakturbedingten Instabilitäten an einer solchen Einschränkung beteiligt sein kann ▶ [123]. Dies gilt insbesondere bei Instabilitäten des triangulären fibrokartilaginären Komplexes (TFCC), aufgrund dessen nur mit angulären Techniken gedehnt werden darf. Translationen könnten den pathologischen Prozess des TFCC verstärken, da diese Strukturen die Pro- und Supination im Wesentlichen stabilisieren ▶ [165]. Vor allen therapeutischen Vorgehensweisen sollte daher stets die genaue Ursache abgeklärt sein.

1.3.4 Aufbau und Funktion des triangulären fibrokartilaginären Komplexes

Der trianguläre fibrokartilaginäre Komplex ( ▶ Abb. 1.8) wird gebildet aus

dem Discus ulnocarpalis,

dem Meniscus ulnocarpalis homologue („Meniscus homologue“ ▶ [192]),

dem Lig. collaterale carpi ulnare,

dem 6. Sehnenfach,

den ulnokarpalen Bändern (Ligg. radioulnaria dorsale et palmare sowie

den Ligg. ulnolunatum et triquetrum).

Abb. 1.8 Triangulärer fibrokartilaginärer Komplex.

Abb. 1.8a Ansicht von palmar.

Abb. 1.8b Ansicht von dorsal.

Der TFCC dehnt sich somit vom distalen ulnaren Radiusende bis zur Basis von Os metacarpale V aus ▶ [95]. Präparatorisch lassen sich diese Elemente nur schwer voneinander trennen und fließen kontinuierlich ineinander über ▶ [234].

Die Aufgaben des TFCC gliedern sich in die Stabilisation des distalen Radioulnargelenks (d. h. während der Umwendbewegungen) und der ulnaren Karpusseite (mit ihrem ligamentären Halteapparat) für die Bewegungen im proximalen und distalen Handgelenk sowie als Druckregulator im Karpus ▶ [236]. Die Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris sowie der Muskel selbst bremsen die Supination und die Ligg. radioulnaria dorsale und palmare des TFCC die Pronation; bei relativ schlaff angelegter Gelenkkapsel ▶ [234]. Die Aufgabe zur Verteilung von Stoßkräften und Druck kommt dem Discus ulnocarpalis zu ▶ [22], d. h. im Verhältnis von ca. 84 % auf den Radius und von ca. 19 % auf die Ulna ▶ [88].

Gelegentlich kommt es traumatisch oder angeboren zu einer verkürzten (Ulna-Minus-Variante) oder verlängerten Ulna (Ulna-Plus-Variante) im Verhältnis zum Radius ( ▶ Abb. 1.9).

Praxis

Bei unphysiologischen Längenverhältnissen der Elle entwickeln sich gestörte Druckverhältnisse im proximalen Radiokarpalgelenk und können somit Auslöser von schwerwiegenden Pathologien sein. So führt z. B. eine Ulna-Minus-Variante zu einer Druckzunahme im Bereich der Articulatio des distalen Radius, wodurch z. B. die Ätiologie einer Lunatumnekrose (Morbus Kienböck) mitbegründet sein kann ( ▶ Abb. 1.9a) ▶ [117]▶ [124]. Eine Ulna-Plus-Variante führt zu einem ulnaren Impingement-Syndrom, d. h. degenerative Einrisse im TFCC in Kombination mit chondralen Läsionen des Os lunatum und des Os triquetrum ( ▶ Abb. 1.9b) ▶ [37]▶ [98]▶ [165]. Des Weiteren haben Längenvariationen der Ulna gegenüber dem Radius Einfluss auf die Form und die Orientierung der Gelenkflächen im distalen Radioulnargelenk▶ [68], deren Inkongruenzen (z. B. durch ein Trauma) zu degenerativen Veränderungen des Gelenks führen ▶ [218].

Abb. 1.9 Ulna-Plus- und Ulna-Minus-Varianten.

Abb. 1.9a Posttraumatische Ulna-Plus-Variante.

Abb. 1.9b Posttraumatische Ulna-Minus-Variante.

Die Stabilisation des proximalen und distalen Radiokarpalgelenks übernimmt der ligamentäre Halteapparat des TFCC. Die folgende Gliederung und Beschreibung nach Schmitt 2004 ▶ [236] zeigt den Aufbau und die Funktion der einzelnen Strukturen des TFCC.