Anderes Leben - Neues Ich - Henry Oliver Jakobs - E-Book

Anderes Leben - Neues Ich E-Book

Henry Oliver Jakobs

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Beschreibung

Dies ist die Geschichte einer liebevollen Kindheit, eines Sohnes, der behütet im Kreise seiner Familie aufwächst. Als Hamburger Jung war Oliver aber bereits mit sieben Jahren auf der Reeperbahn unterwegs und kam so schon sehr früh mit Drogen und Alkohol in Berührung - sein Leben begann sich zu ändern. So entwickelt er schnell einen eigenmächtigen Geschäftssinn und baut sich ein kleines Unternehmen aus kriminellen Geschäften auf. Er wusste, dass das, was er tat, nicht richtig war, aber er tat es trotzdem. Konsequenzen hat er nie in irgendeiner Weise erfahren.

Bis zu jenem Tag, an dem es zu einem üblen Streit mit zwei Geschäftspartnern kam. Für Oliver war in diesem Moment sofort klar: Diese Beleidigungen und Demütigungen müssen bestraft werden. Und so entwickelte er einen Plan, sie zu töten.

Heute kann er diese Gedanken nicht mehr nachvollziehen. Aber damals war er ein völlig anderer Mensch. Beim nächsten Treffen schoss er auf die beiden, tötete einen und verletzte den anderen schwer.

Nach der Verurteilung zu lebenslänglicher Haft begann im Gefängnis sein Wandel. Er konnte und wollte so nicht weitermachen. Nach 19 Jahren Gefängnis wurde er schließlich entlassen.

Heute geht er an Schulen und andere pädagogische Einrichtungen, erzählt aus seinem Leben, thematisiert Mobbing, klärt über Drogen und andere kriminelle Taten auf. Diese Arbeit ist seine Berufung, hier kann er etwas tun und den einen oder anderen auf einen besseren Weg führen, denn Kriminalität lohnt sich nicht, sie führt für die meisten ins Gefängnis oder auf den Friedhof!

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Seitenzahl: 155

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Henry Oliver Jakobs

Anderes Leben - Neues Ich

Wie ich vom Täter zum Helfer wurde

 

über den Autor

Henry Oliver Jakobs, 52 Jahre alt, hat eine 19-jährige Freiheitsstrafe verbüßt. Bereits in Haft hat er sich für Gewaltprävention engagiert und arbeite heute im Verein Gefangene helfen e.V. in verschiedenen pädagogischen Einrichtungen um Jugendliche zu sensibilisieren.

 

IMPRESSUM

1. Auflage 2023

© 2023 by hansanord Verlag

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages nicht zulässig und strafbar. Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrofilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN Print 978-3-947145-73-7

ISBN E-Book 978-3-947145-74-4

Cover | Umschlag: Tobias Prießner

Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de

Bildnachweis: Cover , S. 171 © by Christian Piel; S. 128, S. 137, S. 150, S. 153, S. 157, S. 158 © by Henry Oliver Jakobs

Für Fragen und Anregungen: [email protected]

Fordern Sie unser Verlagsprogramm an: [email protected]

hansanord Verlag

Johann-Biersack-Str. 9

D 82340 Feldafing

Tel. +49 (0) 8157 9266 280

FAX +49 (0) 8157 9266 282

[email protected]

www.hansanord-verlag.de

 

Inhalt

Vorwort
Einleitung
Kapitel 1:  
Kindheit 1970–1983
Kapitel 2:
Jugendzeit 1983–1990
Kapitel 3:
Selbstständigkeit 1990–1995
Kapitel 4:
Tat und Verurteilung 1995–1996
Kapitel 5:
Haftzeit Santa Fu 1996–2000
Kapitel 6:
Der Wandel in Haft 2000–2007
Kapitel 7:
Verlegung in die sozial-therapeutische Anstalt 2007–2010
Kapitel 8:
Erste Ausgänge 2010 und die Festsetzung
Kapitel 9:
Offener Vollzug 2011–2014
Kapitel 10:
Bewährungszeit 2014–2019
Kapitel 11:
Wie sieht der Präventionsunterricht im Verein aus

Vorwort

Dieses Buch soll weder eine Rechtfertigung für meine Taten sein, noch eine Schuldzuweisung durch meine Sozialisierung seitens der eigenen Familie. 
Denn ich war mir sehr im Klaren darüber, was Straftaten sind und was richtig oder falsch ist. 
Ich kann die Zeit leider nicht zurückdrehen oder meine Taten revidieren, so gern ich es auch möchte. Dieses Buch soll auch nicht als Versuch einer Wiedergutmachung dienen.
Das Wort Wiedergutmachung finde ich ohnehin schwierig, denn man kann meiner Meinung nach nichts wiedergutmachen. Man kann sich entschuldigen und Reue zeigen oder durch die eigenen Erfahrungen andere Personen darüber aufklären, was es bedeutet, Straftaten zu begehen, aber was geschehen ist, ist geschehen. 
Ich hoffe nur, dass ich mit meiner Biografie Menschen dazu anregen kann, vorher über ihre Entscheidungen nachzudenken. Denn alles, was wir tun oder sagen, hat Konsequenzen im eigenen sowie im Leben unserer Mitmenschen. Es kann positive wie auch negative Folgen haben. Auch glaube ich daran, dass ich keine anderen Personen verändern, sondern ihnen Impulse geben kann. Ein Mensch kann sich nur selbst ändern und so neue Wege bestreiten. Dies vor allem, wenn er die Hinweise, Anregungen und Möglichkeiten, die das Leben und andere Mitmenschen ihm geben, annehmen und reflektieren kann. Ich habe in meinem Leben viele Entscheidungen getroffen, die ich heute sehr bereue. Die ich anders treffen würde. Ich habe häufig nicht die Impulse angenommen und auch nicht über die weiteren Konsequenzen nachgedacht. Es ging mir lediglich um meine eigenen Bedürfnisse. 

Einleitung

Es gibt verschiedene Untersuchungen, warum Menschen zum Mörder werden. Einige Forschungen besagen, dass es mit den Genen zu tun hat, wiederum andere besagen, dass es mit der Sozialisierung zu tun hat. Wie bereits im Vorwort erwähnt, bin ich der Meinung, wir selber entscheiden über unser Handeln. Denn in unserem Kulturkreis wird einem schon in der Kindheit beigebracht, dass wir unseren Mitmenschen nicht schaden sollen. Wir bekommen früh diese Information, auch ich bin damit aufgewachsen und es wurde mir beigebracht, dass ich nicht stehlen soll. Kindergarten, Schule und Co. sozialisierten mich. Jedoch wurden in meinem Umfeld auch Gründe gefunden, warum man das eine oder andere doch machen sollte, obwohl es eine Straftat war. Auch ich habe diese Gründe gesucht und Rechtfertigungen zur Hand gehabt. 
Sicherlich hat meine Sozialisierung dazu beigetragen, wie ich in den ersten Lebensjahren gehandelt habe und wie sich meine Wertevorstellungen entwickelt haben.
Ich wurde sicherlich von meiner Familie geliebt und sie wollten nur das Beste für mich, aber wir hatten alle verschiedene Lebenserfahrungen, nach denen handelten und bewerteten wir. So war es auch mit meiner Familie.
Opa hatte studiert und als er aus dem Krieg kam, war unwichtig, welche Schulbildung er hatte, es gab keine Arbeit, um die Familie zu ernähren. Deshalb fing mein Opa an, auf dem Schwarzmarkt Handel zu betreiben. Diese Erfahrung veränderte seine Einstellung auf die Schulbildung und er setzte dies bei seinen Kindern um. Die höhere Schulbildung wurde unwichtig, um Erfolg zu haben, brachte sie rein gar nichts.
Mein Vater war sehr begabt und hatte ein enormes Auffassungsvermögen. Laut Oma konnte er mit vier Jahren schon rechnen. Leider hat er keine Ausbildung absolviert, da er schon früh im Geschäft mitarbeiten musste. Mein Opa holte ihn sogar aus der Schule, damit er bei der Arbeit half. Wir hatten diverse An- und Verkauf-Läden mit besonderen Waren.
Papa handelte mit alten Münzen und Geldnoten und war in diesem Bereich weltweit eine Kapazität. Museen und Professoren baten ihn um Rat und er schrieb diverse Bücher zu diesen Themen. 
Mein persönliches Gefühl war, dass ich eine gute Kindheit hatte und von allen geliebt wurde, bis ich einen Einblick bekam, dass man auch anders aufwachsen konnte. Dass die vielen Erfahrungen, die ich in der Kindheit gesammelt hatte, nicht die Norm der Gesellschaft waren, kann ich heute nachvollziehen.
Mir ist es wichtig, hier nochmal darauf hinzuweisen, dass meine Sozialisierung sicherlich nicht optimal war, weder durch den Stadtteil, in dem aufgewachsen bin, noch durch meine Familie. 
Aber für mein Handeln und die Straftaten übernehme ich die volle Verantwortung.
Es waren meine Entscheidungen, die ich heute sehr bereue, und wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sie ungeschehen machen. Auch werde ich in diesem Buch keine Namen oder Ereignisse nennen. Mir geht es nicht darum, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Mein Ziel in diesem Buch ist es aufzuklären und was es bedeutet, Straftaten zu begehen. Durch diese enormen Erfahrungen, die ich gesammelt habe, und die Hilfe, die mir anschließend zuteilwurde, war es mir möglich zu reflektieren und eine neue Wertvorstellung zu bekommen. 
Dies alles hat mich zu dem Mann gemacht, der ich heute bin, und gibt mir die Chance, Jugendliche aufzuklären und ihnen zu helfen.

Kapitel 1:  

Kindheit 1970 - 1983

Ich bin eines Oktobermorgens um etwa 5:00 Uhr in einer Dachgeschosswohnung auf St. Pauli zur Welt gekommen.
Ich war grade mal eine Stunde geboren und befand mich schon im Peterwagen. Zurzeit um 1970 haben auch Polizeiwagen Mutter samt Baby ins Krankenhaus gefahren. Ferner war die Polizeiwache eine Straße von uns entfernt. In Hamburg heißt aus diesem Grund ein Polizeiwagen Peterwagen, da dort ein Junge zur Welt kam und den Namen Peter bekam.
Geboren wurde ich in einer Großfamilie mit vielen Onkels und Tanten. Meine Eltern waren sehr jung: Mama war vierzehn und Papa fünfzehn Jahre alt, als ich das Licht von St. Pauli erblickte. Laut meiner Familie hielt die Beziehung auch nur zwei Jahre, ich war zu jung, weshalb ich mich nicht mehr daran erinnere. Ich wuchs mal hier, mal da auf, bei den Großeltern, den Tanten, Onkels, ich fühlte mich geliebt, denn jeder wollte Klein Olly haben. So dachte ich. Ich spielte viel auf der Straße und vor den Läden meiner Familie, die Geschäfte lagen in Sichtweite des alten Elbtunnels, also direkt an der Elbe. Wir hatten An- und Verkauf-Geschäfte und handelten mit alten Büchern, Muscheln, alten Münzen, Buddelschiffen, mit ausgestopften Tieren, Holz- und Elfenbeinschnitzereien. Wir führten verschiedene Waffen wie Messer, Speere und Äxte sowie Masken und sogar echte Schrumpfköpfe. Diese Waren kamen aus der ganzen Welt und waren neu oder teilweise sehr alt. Für mich war diese Art der Arbeit völlig normal und ich war immer verwundert, dass dies für andere Menschen so ungewöhnlich war. Das eine Geschäft hatte den Namen Harry’s Hamburger Hafenbasar und war nicht nur in Norddeutschland sehr bekannt. Denn viele der Warenkäufe bezogen wir von Seeleuten aus aller Welt. Ich bin in diesem Laden aufgewachsen und für mich schien das Leben hier völlig normal. Wir hatten einen Zoo mit ausgestopften Tieren wie eine komplette Löwenfamilie, alle Arten von Vögeln aus aller Herrenländer, eine junge Giraffe, einen Wolf, auf dem wir Kinder geritten sind, und viele weitere Tiere. Dann gab es einen Raum mit alten und neuen Masken, überwiegend aus Afrika und Asien. Eine Etage war voll mit Büchern und Comics von jüngeren bis hin zu älteren Ausgaben. Es gab ein Kellergewölbe mit Muscheln, Korallen und Buddelschiffen, die uns häufig von alten Kapitänen gebracht wurden, sowie vieles Weitere aus der Seefahrt. Heute wäre der Verkauf solcher Dinge wohl kaum noch möglich. Wir vertrieben tote Käfer, Schmetterlinge und Elfenbein, davon auch alte Schnitzereien aus Japan. Die Schrumpfköpfe waren jedoch im Tresor und für eine gewisse Gebühr durfte man sie mal halten und ansehen. 
Das Geschäft ging von der Bernhard-Nocht-Straße bis zur Erichstraße unterirdisch durch die Keller und hatte etwa 2500 qm Fläche. Das war mein Spielplatz. Mir wurde jeder Wunsch erfüllt, ich fühlte mich wie ein kleiner Prinz. Ich erinnere mich daran, dass meine Tanten und Onkels sich stritten, wer mich mitnehmen durfte, bis ich Jahre später erfahren habe, dass es für die Betreuung extra Geld vom Opa gab. Dass ich für meinen Opa was Besonderes war und er mich sehr geliebt hatte, merkte ich leider sehr spät. Denn ich durfte wirklich fast alles. Wir spielten mal Fangen mit anderen Jungs am Hafen auf einem Parkplatz, natürlich war der Parkplatz kein öffentlicher. Es war ein Verladeplatz für die Verschiffung der Autos in andere Länder. Irgendeiner der Jungs kam auf die Idee, das Spiel schwieriger zu gestalten und es auf den Autos umzusetzen. Ich fand diese Art super und machte mit. Ein Hafenarbeiter fand diese Idee nicht so super und wollte uns packen. Alle entkamen, nur ich nicht. Er kannte meine Familie und sprach mit meinem Opa. Wir hatten wohl einen nicht unerheblichen Schaden verursacht. Mein Opa fragte mich, mit wem ich dies gemacht habe. Ich verriet aber niemanden, so hatte ich es gelernt, auch nicht der Familie. Opa fragte nochmals, dieses Mal ziemlich energisch, so kannte ich ihn gar nicht. Aber ich blieb bei meiner Aussage. Er schaute mich sehr zornig an, das konnte er sehr gut, nur nie bei mir, doch ich blieb bei meinem Standpunkt. Ich verpetzte niemanden. Dann plötzlich strahlten seine Augen und er bekam ein so liebevolles lächeln, und er sagte: Genau richtig, Olly, ich bin stolz auf dich. Opa bezahlte den Schaden und nie wieder wurde ein Wort darüber verloren. Meine Tante sagte später zu mir, ihnen hätte er den Arsch versohlt und uns den Schaden vom Lohn abgezogen. Ich war halt sein Liebling, ätsch, war meine Antwort. Eine Erinnerung, die ich noch habe: Ich spielte auf dem Hinterhof, als Opa kam und mir sagte, dass ich dort, wo die Glasscheiben sind, nicht sein sollte. Das war für mich wie eine Aufforderung, aber ich spielte dort natürlich trotzdem. Das Ergebnis war, ich schnitt mir die Hand auf und blutete sehr stark. Ich musste zum Arzt, weil es genäht werden sollte, Mama und Oma weinten. Opa sagte nur, das ist ein echter Junge und der weint nicht!
Ich war auch schon sehr früh in den verschiedensten Lokalen und Kneipen auf St. Pauli unterwegs. Die schönste Zeit verbrachte ich in Kneipen, ich saß auf einem Hocker und bekam meine Cola mit Strohhalm. Die Kino-Tage waren meist nicht so lustig, da ich bei den Filmen meist vor Angst die Augen schließen musste. Einmal war ich in der Safari-Bar. Ich war noch klein und freute mich auf die Tiere, es gab aber keine, es war mehr so eine Art Theater. Ich durfte nicht auf die Bühne sehen, brauchte ich auch nicht, denn da war aber ein Spiegel, der mir alles zeigte, was dort passierte. Ein Mann und eine Frau, kaum bekleidet, machten Turnübungen, wie langweilig. Später begriff ich, dass es Life-Sex war. Es gab wohl kaum ein Geschäft, wo ich nicht reindurfte. Ich hatte auch nicht grade die üblichen Bettzeiten. Ich schlief, wenn ich müde war. Auch gab es ab und zu Partys bei uns zu Hause und irgendwie war ich immer im Mittelpunkt. So kam auch der erste frühe Kontakt mit Alkohol. Ich wachte morgens auf und ging ins Wohnzimmer, Mama und der Rest schliefen noch. Der kleine Olly hatte Durst und trank halt die Gläser mit Cola aus, schmeckte etwas komisch und die Kohlensäure fehlte auch. Nach ein paar Gläsern fühlte ich mich komisch und müde. Also ging ich wieder ins Bett. Dort verbrachte ich den Rest des Tages, was zuerst zu Verwunderung bei Mama sorgte, bis sie bemerkte, was passiert war. Natürlich fing sie an, sich Sorgen und Vorwürfe zu machen. Da sie noch so jung war, wusste sie nicht weiter und die Kette der Information ging durch die Familie. Klein Olly schlief ruhig und fest. Die einzige Person, die ruhig blieb, war meine Oma. Sie sagte ganz trocken, lass den Kleinen seinen Rausch ausschlafen. Gegen Abend wachte ich mit großem Durst und Hunger auf, aber ich wollte keine Cola.
Meine Mutter hatte einen kleinen Kiosk, der ganz gut lief, aber sie war wohl überfordert in ihren jungen Jahren. Wie ich später erfuhr, verwechselte Mama Brutto mit Nettoeinnahmen, so war die Pleite vorprogrammiert. Ich kam in einen katholischen Kindergarten, dies war wirklich keine gute Idee für einen Jungen, der mit so vielen Freiheiten erzogen wurde. Am ersten Tag knallte es bereits beim Mittagessen, ich sollte etwas zu mir nehmen, was ich nicht mochte. Ich weiß dies noch, als wäre es gestern gewesen. Es gab Hühnerfrikassee und ich wollte es nicht essen. Die Nonnen meinten, man solle essen, was auf den Tisch kommt. Das galt aber nicht für jeden, erklärte ich selbstbewusst, ich esse nur das, was ich mag. Es gab ein Machtkampf zwischen uns, der so endete, dass zwei mich festhielten und eine andere mir das Essen in den Mund führte. 
Ein Fehler, denn ich war ein Dickkopf und Erwachsenen gegenüber unerzogen. So kotzte ich alle drei Nonnen von oben bis unten voll. Eine andere komische Regel war, dass Kinder Mittagsschlaf halten sollten. Ich schlafe, wenn ich es möchte. Der nächste Machtkampf begann.
Es war ein großer Schlafraum für zwei Gruppen. Natürlich sorgte ich dafür, dass gar keiner schlief, und sollte dann zur Strafe in der Ecke stehen. Ich spielte laut Ich sehe was, was du nicht siehst mit den anderen Kindern. Meine Mutter musste häufig zu Gesprächen oder mich früher abholen kommen. Aber glücklicherweise wurde ich oft schon eher von der Familie abgeholt, denn nach dem ersten Tag teilte ich allen mit, wie blöd das dort ist. Ich wollte lieber in die Bar mit dem Spiegel und der Cola. Das Witzige war, der Kindergarten in der Großen Freiheit lag in der Nähe der Safari-Bar.
Am besten war es, wenn mein Papa mich abholte, wir gingen immer was einkaufen. Einmal holte er mir ein Indianerzelt plus Ausrüstung. Mama war mal wieder nicht begeistert. Auch weil sie nicht informiert war und ich einfach weg war aus dem Kindergarten. Alle kamen zu dem Entschluss, dass der Kindergarten nichts für Klein Olly sei, und ich wurde abgemeldet. Ich war wieder mehr bei meinem Opa im Geschäft und dem tollen Spielplatz.
Dann kam der Tag der Einschulung, ich freute mich so sehr und bekam ganz viele Schultüten von meiner Familie, jeder hatte etwas für mich. Nach dem ersten Schultag ging ich zu meinem Opa in den Laden, nahm mir ein Getränk aus dem Regal, schaute meinen Opa an und verkündete, dass ich eingeschult wurde. So wartete ich auf das Geschenk meines Großvaters. Er meinte nur, dass er Geld von mir bekommen müsste, und ich verstand ihn nicht. Ich betonte nochmals, ich sei eingeschult worden. Er nickte und wiederholte, dass er 50 Pfennig bekomme für die Dose mit dem Getränk, und erklärte mir auch gleich, warum. Jetzt fing der Ernst des Lebens an und ich könne mir nicht mehr einfach etwas nehmen, sondern müsse dafür arbeiten oder bezahlen. 
Meine schöne Zeit als Prinz war vorbei. Ich musste oder durfte nach der Schule bei meinem Opa im Geschäft arbeiten. Ich war sieben Jahre alt und noch in der ersten Klasse, als ich auf die Idee kam, nicht zu bezahlen. Ich fing an zu klauen und war zuerst immer ganz aufgeregt, wurde aber nie erwischt und die Aufregung legte sich mit der Zeit. Es wurde zum Hobby und war so überraschend einfach, denn die meisten Eigentümer sowie meine Familie kannte ich. Jeder kannte jeden damals auf St. Pauli. Immer wenn ich ein Geschäft betrat, begrüßte man mich mit »Na, Butje« oder »Aha, der kleine Rosenberg«.
Opas Laden war eine Art Museum, nur dass man die ausgestellten Dinge kaufen konnte. Ich führte die Kunden durch den Laden, ich wusste schon so viel von den Dingen, die wir verkauften, aus welchem Land die Muscheln kamen und was für Tiere, Käfer und Schmetterlinge es waren. Ich beschrieb die Waffen und zu welchem Zweck der Jagd sie dienten. Die Kunden waren verwundert, dass ein so junger Knabe schon so viel Wissen hatte, und ich bekam für die Führung auch noch Trinkgeld. So ging es jeden Sonntag, wenn Fischmarkt war, war bei uns richtig was los. Wir nahmen so viel Geld ein, dass ich im Hinterzimmer die Geldscheine sortieren durfte, wenn der große Ansturm vorbei war. Auch mein eigenes Geld zählte ich voller Stolz. Ich hatte, wenn ich mich richtig erinnere, durch verschiedene Einnahmequellen mit etwa neun Jahren fast tausend Mark zusammengespart. Dann meinte mein Papa, dass ich doch besser in seinem Geschäft arbeiten sollte, er gab mir auch mehr Geld pro Stunde.
Dann einige Wochen später gab mir mein Opa mehr Geld und ich sollte wieder für ihn arbeiten. So ging das immer hin und her, ich freute mich, denn mein Lohn stieg ständig. Somit musste ich eine Entscheidung treffen und teilte meine Zeit bei beiden auf. Dies hatte aber zur Folge, dass ich eigentlich fast jeden Tag in einem der Läden meiner Familie arbeitete, ich fühlte mich wichtig und gebraucht.
Aber ich musste auch Hausaufgaben machen, was ich entweder in der Schule erledigte oder kurz davor. Hatte ja Zeit, da ich morgens sehr früh aufstand und mich alleine für die Schule fertig machte. Wenn ich frei hatte und nicht vor den Läden rumhing oder arbeitete, ging ich mir Süßigkeiten kaufen oder klauen. Ich nahm mir, was ich brauchte.