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Angst fühlt sich zwar oft negativ an, ist aber lebensnotwendig. In ihrem Buch geht Barbara Schmidt den verschiedenen Aspekten von Angst auf den Grund. Sie erklärt, woher Angst kommt, wie sie im Körper wirkt und wie man eine Angststörung klassifiziert. Außerdem zeigt sie, wie sich Angstreaktionen verändern lassen. Damit ist das Buch für Studierende aller Fachrichtungen ein wertvoller Ratgeber!
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Seitenzahl: 189
Barbara Schmidt
Angst? Frag doch einfach!
Klare Antworten aus erster Hand
UVK Verlag · München
Dr. Barbara Schmidt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie des Universitätsklinikums Jena. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen positiver Suggestionen und Hypnose auf Angst und Stress in Gehirn und Körper.
Umschlagabbildung und Kapiteleinstiegsseiten: © bgblue – iStock; Icons im Innenteil: Figur, Lupe, Glühbirne: © Die Illustrationsagentur; Abb. 1, 2, 4, 6, 8, 9, 11 : © Sophie G. Elschner, psychosophcomic.de; Abb. 3: © Blamb – shutterstock; Abb. 10: © 2021 Barbara Schmidt, Jana Schneider, Teresa Deffner, Jenny Rosendahl, Hypnotic suggestions of safety improve well-being in non-invasively ventilated patients in the intensive care unit, Intensive Care Med 47, 485–486 (2021). doi.org/10.1007/s00134-021-06364-8; Autorinnenfoto: © Anne Günther, Pressestelle Universität Jena
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838556871
© UVK Verlag 2022— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
utb-Nr. 5687
ISBN 978-3-8252-5687-6 (Print)
ISBN 978-3-8463-5687-6 (ePub)
„Gefühle sind wie kleine Kinder: Sie sollten nicht allein am Steuer sitzen,
aber wir sollten sie auch nicht in den Kofferraum sperren.“
gefunden auf Twitter
Das Thema Angst beschäftigt viele Menschen. Seit ich mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit mit Angst befasse und auch in einigen Fernsehsendungen zum Thema aufgetreten bin, bekomme ich viele Anfragen von Menschen, die diesbezüglich Hilfe suchen. Ich selbst bin jedoch keine hauptberufliche Therapeutin, sondern Wissenschaftlerin. Mich interessiert, was Angst genau ist und wie man mit ihr umgehen kann. In der Erforschung von Angst sind wir noch längst nicht so weit, dass wir alle Fragen beantworten können. Seit ich aber mit Hypnose arbeite, weiß ich, wie groß der Einfluss dieser Methode auf Angst und Stress ist. Deshalb schreibe ich dieses Buch. Ich schreibe es für die Menschen, die mich um Hilfe bitten, für meine wunderbaren Studierenden aus der Psychologie und aus der Medizin, für alle, die sich informieren wollen und bereit sind, über dieses wichtige und komplexe Thema nachzudenken.
Ich habe das Buch so konzipiert, dass Sie zunächst erfahren, welche Zahlen und Fakten es zum Thema Angst gibt und welche Theorien zur Entstehung von Angst aktuell diskutiert werden. Dann erfahren Sie, welche Rolle Angst in unserem täglichen Leben spielt und wie Sie damit umgehen können. Und am Ende beschreibe ich, wie Techniken aus der Hypnose helfen können, Angst in positive Gefühle wie Sicherheit und Geborgenheit zu verwandeln. Ich möchte Ihnen zeigen, dass Angst an sich erst einmal Energie bedeutet, die zum Überleben notwendig ist. Was Sie mit dieser Energie anfangen, können Sie selbst bestimmen. Mein Ziel ist es, dass Sie nach der Lektüre dieses Buches eine Vorstellung davon haben, welches meisterhafte Zusammenspiel von körperlichen Prozessen das Gefühl der Angst bedingt. Angst wird uns immer begleiten, jedoch sind wir diesem Gefühl nicht hilflos ausgeliefert, sondern können es für uns nutzen.
Barbara Schmidt
Ich danke meinen Kolleg:innen, die mit mir über die Inhalte dieses Buches diskutiert haben und es dadurch bereichert haben. Das sind insbesondere Marcella Woud, Jana Strahler, Matthias Sperl, Christine Blume, Angelos-Militaris Krypotos und Laura König.
Dann danke ich meiner Illustratorin Sophie G. Elschner, die mit großem Feingefühl zentrale Themen des Buches mit ihren ansprechenden Zeichnungen veranschaulicht hat. Sophie hat in Psychologie promoviert und kann wunderbar zeichnen, weshalb sie sich ideal eignet, dieses Buch zu illustrieren. In ihrem Blog „psychoSoph“ (psychosophcomic.de) illustriert sie comicartig psychologische Themen.
Gender-Hinweis | An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich in diesem Buch bei Personenbezeichnungen den Plural mit Gender-Doppelpunkt verwende. Wenn dies nicht möglich war, zum Beispiel bei der Beschreibung von Experimenten und Therapiesitzungen, in denen nur ein Therapeut bzw. eine Therapeutin und auch nur ein Patient bzw. eine Patientin anwesend sind, habe ich die weiblichen und männlichen Bezeichnungen im Wechsel gewählt. Es sind natürlich immer alle Geschlechter gemeint.
Toni verrät dir spannende Literaturtipps, Videos und Blogs im World Wide Web.
Die Glühbirne zeigt eine Schlüsselfrage an. Das ist eine der Fragen zum Thema, deren Antwort du unbedingt lessen solltest.
Die Lupe weist dich auf eine Expert:innenfrage hin. Hier geht die Antwort ziemlich in die Tiefe. Sie richtet sich an alle, die es ganz genau wissen wollen.
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Wichtige Begriffe sind mit einem Pfeil gekennzeichnet und werden im Glossar erklärt.
Jeder Mensch kennt das Gefühl von Angst. Doch wann sollte Angst behandelt werden? Und welche Ängste und Phobien gibt es? Diese Fragen werden hier geklärt und auch, warum sich die Forschung zu einseitig mit dem männlichen Geschlecht beschäftigt.
Angst zu haben ist zunächst eine gesunde Antwort auf einen bedrohlichen Reiz. In der Folge stellt der Körper Energie zur Verfügung, die dabei helfen soll, die bedrohliche Situation zu bewältigen. Wenn Angstgefühle jedoch auch auftreten, wenn es keinen angemessenen Grund dafür gibt, kann eine Angststörung entstehen. Eine AngststörungAngststörung bedeutet eine massive Einschränkung der LebensqualitätLebensqualität und einen hohen LeidensdruckLeidensdruck. Die Betroffenen vermeiden alle Situationen, in denen Ängste auftreten könnten, und bleiben schließlich ganz zu Hause. Oft verlieren sie ihre Arbeitsstelle, weil sie nicht mehr hingehen können. Dieses VermeidungsverhaltenVermeidungsverhalten ist einer der Hauptfaktoren, die eine Angststörung aufrechterhalten. Dann ist es wichtig, sich Hilfe zu suchen.
Eine weitere Folge ist häufig ein geringeres SelbstwertgefühlSelbstwertgefühl, denn die Betroffenen haben das Gefühl, sich selbst nicht mehr im Griff zu haben.
In einer TherapieTherapie kann den Betroffenen unterschiedlich geholfen werden: Ist die Angst mit einem ganz bestimmten AuslöserAuslöser verbunden wie dem Anblick einer Spinne, kann die Angststörung leicht therapiert werden. Tritt sie dagegen unsystematischer auf, dauert die Therapie länger und es wird auch mit Medikamenten gearbeitet. In jedem Fall aber kann die Lebensqualität deutlich gesteigert werden, wenn sich die Betroffenen in therapeutische Behandlung begeben.
Auch für die AngehörigenAngehörige der Betroffenen bedeutet eine Angststörung eine große Belastung.
Linktipp | Wie eine Angststörung von Betroffenen wahrgenommen wird, zeigen diese Erfahrungsberichte von Personen mit Angststörungen. Hier wird auch deutlich, was der Unterschied zwischen einem normalen AngstempfindenAngstempfinden, normales und einer Angststörung ist: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/agoraphobie-panikstoerung/leben-mit-angststoerungen.
Leider kann ich auf diese wichtige Frage keine eindeutige Antwort geben. In diesem Abschnitt möchte ich jedoch deutlich machen, woran es liegt, dass es auf diese Frage noch keine befriedigende Antwort gibt. Dabei gewinnen Sie auch einen Einblick von der Art und Weise, wie Angst in der Wissenschaft untersucht wird. Um Ihnen einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu dieser Frage zu geben, stelle ich Ihnen hier eine aktuelle Überblicksarbeit von Debra Bangasser und Amelia Cuarenta vor (Bangasser & Cuarenta, 2021). Dabei nehmen die Autorinnen nicht nur → AngststörungenAngststörung, sondern auch → DepressionDepression ins Visier, denn auch an Depression erkranken etwa doppelt so viele Frauen wie Männer. Sie fokussieren dabei auf die neurobiologischen Mechanismen, die bei Angst eine Rolle spielen. Ich werde diese Mechanismen im Verlauf des Buches genauer beschreiben. An dieser Stelle ist wichtig zu wissen, dass zur genauen Untersuchung der Abläufe im Gehirn Studien mit Nagetieren gemacht werden. Die beiden Autorinnen stellen zunächst fest, dass diese Studien nur mit männlichen Mäusen durchgeführt wurden. Weibliche Mäuse gelten als unberechenbar, man muss beispielsweise auf deren Hormonspiegel achten, der sich im Laufe des Fruchtbarkeitszyklus ändert. In einer Sendung des Deutschlandfunks aus dem Jahr 2019 berichtet die Neurobiologin Rebecca Shansky: „Ein allgemeiner Rat lautete: Achten Sie auf die Hormonspiegel, wenn Sie mit weiblichen Tieren experimentieren. In allen Nagetieren existieren erhebliche Schwankungen bei Fortpflanzungshormonen aus dem Eierstock. Am besten Sie entfernen die Eierstöcke oder verzichten ganz auf weibliche Versuchstiere. Dann sind Sie das leidige Problem mit den weiblichen Hormonen los.“ (Lange 2019, Min. 0:58–1:23, Übersetzung von Deutschlandfunk)
Laut Neurobiologin Rebecca Shansky sind aber weibliche Nagetiere für Forschungszwecke genauso gut oder eben schlecht geeignet wie männliche Nagetiere. Da Angst und Depression vor allem bei Frauen auftreten, würde sich hier die Untersuchung an weiblichen Tieren anbieten. Das wird erst seit wenigen Jahren getan laut der aktuellen Überblicksarbeit von Bangasser und Cuarenta. Für solche Versuche werden die Mäuse auf abgegrenzte Flächen oder in Labyrinthe gesetzt. Mäuse halten sich generell ungern auf offenen Flächen auf. Wenn sie Angst haben, sind sie fast nur noch am Rand der Fläche unterwegs. Gibt man den Mäusen ein Medikament, das die Angst reduziert, nimmt diese Tendenz ab.
Hier gibt es aber weitere Probleme, denn die experimentellen Aufgaben, die in den neurobiologischen Studien verwendet werden, sind für männliche Nagetiere entwickelt. Beispielsweise wird ein sogenanntes Elevated Plus Maze verwendet, also ein erhöhtes plusförmiges Labyrinth, in dem die Nagetiere untersucht werden. Dabei wird das Verhalten der männlichen Versuchstiere im Labyrinth durch Angst beeinflusst, während das Verhalten der weiblichen Versuchstiere eher durch ihr Aktivitätsniveau beeinflusst wird. Man kann also die Forschungsergebnisse, die vor allem aus Studien mit männlichen Tieren stammen, nicht ohne Weiteres auf die weiblichen Tiere übertragen. Das ist ein Problem, da Frauen ja sogar noch häufiger von → Angst und → Depression betroffen sind und wir deshalb gerade für sie die Studienergebnisse verwenden wollen.
Die beiden Autorinnen der Überblicksarbeit stellen anhand der wenigen verfügbaren Arbeiten, die sowohl männliche als auch weibliche Versuchstiere untersucht haben, die Unterschiede dar, die für die stärkere Betroffenheit von Frauen relevant sind. Ich möchte hier nur einen beispielhaften Unterschied herausgreifen.
Angst wird bei Mäusen und Ratten über ein bestimmtes Verhaltensmuster erfasst. Die Nagetiere erstarren, sie bewegen sich einfach nicht mehr. Nun stellt sich heraus, dass dieses Verhalten vor allem auf die männlichen Versuchstiere zutrifft. Weibliche Versuchstiere zeigen bei Angst weniger Erstarren, sondern eher kurze schnelle Bewegungen, die aussehen wie Fluchtbewegungen. Weibliche Tiere reagieren folglich anders auf angstauslösende Reize als männliche Tiere.
Es ist also noch viel zu tun, wenn es um die Erforschung der Unterschiede von männlichen und weiblichen Tieren geht. Dies ist wichtig, damit wir nicht nur Männern, sondern auch Frauen, die doppelt so häufig von Angst und Depression betroffen sind wie Männer, besser helfen können. Es ist durchaus möglich, dass sich herausstellen wird, dass Frauen anders behandelt werden müssen als Männer, wenn sie unter einer → Angststörung leiden. Bezüglich der Medikation ist das Problem nicht nur, dass in der Anfangsphase der Medikamentenentwicklung vor allem männliche Nagetiere untersucht werden, sondern auch, dass in späteren Phasen der Medikamentenentwicklung weniger an Frauen getestet wird. Das liegt auch daran, dass Frauen besonders schützenswert sind, denn das zu testende Medikament kann sich auch auf das Baby im Falle einer Schwangerschaft auswirken. Wenn überhaupt, werden oft nur Frauen in solche Studien eingeschlossen, die doppelt verhüten. Frauen, die einen natürlichen Menstruationszyklus haben, werden also überhaupt nicht getestet.
Linktipp | Dieses Video zeigt, wie man Angst bei Mäusen untersuchen kann: https://www.youtube.com/watch?v=gJDV2cp8w9E.
Mehr zum Thema GendermedizinGendermedizin kann man in einem Beitrag von SWR Wissen nachlesen und nachhören: https://www.swr.de/wissen/gendermedizin-klinische-studien-speziell-fuer-frauen-100.html. Bezeichnend ist hier vor allem folgendes Zitat: „Paradoxerweise führt also der gute Wille, besonders gefährdete Personengruppen zu schützen, dazu, dass sie besonders wenig Schutz erfahren: Anstatt innerhalb einer streng reglementierten und überwachten Studie werden den Patientinnen Medikamente sozusagen auf gut Glück verabreicht – ohne dass klar ist, wie diese sich auf ihren Organismus auswirken oder wie sie dosiert werden müssen.“ (Min. 2:15–2:36)
Phobie
griechischer/lateinischer Objektname
Bedeutung
Akrophobie
akros: Gipfel, Spitze, Höhe
Angst vor Höhe
Arachnophobie
arachne: Spinne
Angst vor Spinnen
Aviophobie
avis: Vogel
Flugangst
Brontophobie
bronte: Donner
Angst vor Donner
Canophobie
canis: Hund
Angst vor Hunden
Dentophobie
dens: Zahn
Angst vor Zahnbehandlung
Emetophobie
emeein: erbrechen
Angst vor Erbrechen
Hemaphobie
haima: Blut
Angst vor Blut
Klaustrophobie
claustrum: Verschluss, Riegel, Schloss
Angst vor engen Räumen
Musophobie
mus: Maus
Angst vor Mäusen
Xenophobie
xenos: Fremder
Angst vor Fremden/Unbekannten
Zoophobie
zoon: Lebewesen
Angst vor Tieren
Verschiedene Phobien und ihre sprachliche Herkunft
Spezifische Phobien kann man recht gut behandeln. In der Regel werden die Betroffenen den angstauslösenden Reizen unter Begleitung einer Therapeutin ausgesetzt. Diese Therapieform nennt sich ExpositionstherapieExposition-therapie. Ich beschreibe die Expositionstherapie später noch genauer. Nach einer bis fünf solcher Expositionssitzungen ist die Behandlung der Störung in der Regel abgeschlossen laut S3-Leitlinie für Angststörungen. Manchmal reicht sogar eine einzige Sitzung.
Unspezifische AngststörungenAngststörungunspezifische sind dagegen schwerer zu behandeln. Meist wird hier mit Medikamenten und Psychotherapie gearbeitet. Oft werden auch AntidepressivaAntidepressiva gegeben, also Medikamente, die auch bei → Depression eingesetzt werden. Welche Medikamente genau bei welcher Angststörung gegeben werden, können Sie auch in der S3-Leitlinie nachlesen, die ich unten verlinkt habe. Diese Medikamente wurden auf ihre Wirksamkeit getestet, unter anderem in Tierstudien mit Nagetieren. Da in diesen Studien vor allem männliche Nagetiere untersucht wurden, kann es sein, dass sich in Zukunft die Medikamente für Männer und Frauen mit Angststörungen unterscheiden werden.
Linktipp | Eine Liste mit allen Phobien findet sich hier: https://phobie-wissen.de/phobienliste/. Die S3-Leitlinie für Angststörungen kann man hier einsehen: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-028.html.
Hier ist spannend, dass es Objekte oder Situationen gibt, die wahrscheinlicher Angst auslösen als andere. Es gibt zum Beispiel keine bisher bekannte → Phobie vor kleinen Schafen, dafür aber Angst vor Tieren, die potenziell gefährlich sind wie Spinnen oder Schlangen. Hier geht man davon aus, dass wir genetisch dazu veranlagt sind, vor gefährlichen Dingen schneller Angst zu entwickeln als vor ungefährlichen, was an sich ja sehr sinnvoll ist. Das nennt man PreparednessPreparedness, also „Vorbereitet-Sein“. Arne Öhman, ein schwedischer Psychologe, hat sich mit der Forschung zu Preparedness einen Namen gemacht und saß sogar im Nobelpreiskomitee. In seinem meistzitierten Paper von 2001 fasst er vier Charakteristiken von Furchtlernen zusammen. Das erste Kriterium ist, dass → Furcht vor allem von Reizen ausgelöst wird, die in einem evolutionären Sinn gefährlich sind. Das zweite ist, dass die Furchtreaktion auf solche Reize automatisch abläuft. Das dritte, dass man mit bewusster Kontrolle wenig ausrichten kann gegen Furchtreaktionen, und das vierte, dass die → AmygdalaAmygdala und mit ihr verbundene Gehirnbereiche hauptverantwortlich sind für die ausgelösten Furchtreaktionen (Öhman & Mineka, 2001).
Diese Preparedness wird von Beutetieren auch als Schutz vor dem Gefressen-Werden genutzt. Die Fähigkeit bestimmter Tiere, sich zu schützen, indem sie sich der Gestalt oder Farbe solcher Tiere anpassen, die von ihren Feinden gefürchtet werden, nennt sich MimikryMimikry. Beispiele hierfür sind harmlose Schwebfliegen, die sich durch gelb-schwarze Wespenfarben als giftig ausgeben, und wehrlose Schmetterlinge, zum Beispiel das Pfauenauge, deren Flügelmuster den Augen eines gefährlichen Raubvogels ähneln.
Für viele Phobien spielen soziale Situationen eine große Rolle, vor allem Situationen, in denen die Betroffenen von anderen Personen kritisch bewertet werden könnten.
Bei den unspezifischen AngststörungenAngststörungunspezifische treten die Symptome der AngstAngstSymptome, auf die wir später nochmal genauer eingehen, nicht nur bei ganz bestimmten Objekten oder Situationen auf, sondern scheinbar zufällig. Es gibt auch Zusammenhänge zwischen Phobien und der sogenannten generalisierten Angststörung. Wenn Personen beispielsweise erleben, dass sie unvorhersehbaren Angstattacken ausgeliefert sind, also eine generalisierte Angststörung haben, dann werden sie auch öffentliche Plätze meiden, an denen Hilfe nicht so einfach zur Verfügung steht. Sie entwickeln also möglicherweise eine Agoraphobie aufgrund der generalisierten Angststörung.
Linktipp | In diesem eindrucksvollen Video „verwandelt“ sich eine Raupe in eine Schlange und schlägt den Affen, der die Raupe ansonsten gerne gefressen hätte, in die Flucht. Damit nutzt die Raupe die Angst des Affen vor Schlangen aus, um sich selbst zu schützen. Sehr clever! https://www.reddit.com/r/NatureIsFuckingLit/comments/m6vkrn/this_caterpillar_impersonating_a_snake/.
Die beiden häufigsten psychischen Störungen, → Angst und → DepressionDepression, treten oft gemeinsam auf. Das nennt man → KomorbiditätKomorbidität. Bei 60 % der Betroffenen von Angststörungen wird auch eine Depression festgestellt (Kaufman & Charney, 2000). Oft sind Angststörungen auch verbunden mit psychosomatischen Störungen wie Schmerzen. Es kann passieren, dass Betroffene wegen körperlicher Beschwerden zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Hier muss der Arzt oder die Ärztin dann genau nachfragen und hinhören, damit er oder sie die den körperlichen Beschwerden zugrunde liegende Angststörung entdeckt. Oft versuchen sich die Betroffenen auch selbst zu helfen, indem sie verschiedene Substanzen konsumieren, zum Beispiel Beruhigungsmittel oder Alkohol. Daher ist auch das gemeinsame Auftreten einer Angststörung und einer SubstanzabhängigkeitSubstanzabhängigkeit sehr häufig.
Angst kann auch zu ZwangshandlungenZwangshandlungen führen. So können zum Beispiel Personen, die Angst haben, schmutzig zu sein oder mit verschmutzten Gegenständen Kontakt zu haben, eine Zwangshandlung entwickeln, indem sie sich sehr oft die Hände waschen oder ihre Wohnung putzen.
Dabei ist wichtig zu wissen, dass ein gewisses Maß an Zwangshandlungen noch nicht als krankhaft gilt. Wenn Sie also ein zweites Mal überprüfen, ob Sie Ihre Türe abgeschlossen haben, ist das noch keine → Zwangsstörung.
Diese Frage würde allein schon Bücher füllen, deshalb hier nur eine kurze Erläuterung. Psycholog:innen sprechen von LeidensdruckLeidensdruck, der dazu führt, dass sich Patient:innen Hilfe suchen. Dann wird auch eine Diagnose vergeben. Wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, das Haus zu verlassen, weil er oder sie ständig alles kontrollieren muss, dann wird der Leidensdruck irgendwann so groß sein, dass er oder sie sich Hilfe sucht.
Linktipp | Die Stiftung Gesundheitswissen hat unter https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/angststoerung/hintergrund