Annas Erbe - Horst Eckert - E-Book
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Annas Erbe E-Book

Eckert Horst

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Beschreibung

Wenn deine Vergangenheit dir zum Verhängnis wird: Der düstere Polizei-Thriller »Annas Erbe« von Bestseller-Autor Horst Eckert jetzt als eBook bei dotbooks. Der erste eigene Fall für den Düsseldorfer Kommissar Thann beginnt mit einer grausigen Entdeckung: Auf einer Mülldeponie wird die verstümmelte Leiche eines Mannes gefunden, die Gliedmaßen abgetrennt, der Schädel eingeschlagen. Bei seinen Ermittlungen stößt Thann auf die Verbindung zu einem Mord an einer Frau, der bereits 25 Jahre zurückliegt. Handelt es sich bei dem Toten womöglich um Annas Mörder? Deren mittlerweile erwachsene Tochter scheint mehr über die Sache zu wissen, weigert sich jedoch, zu kooperieren. Als der Polizeipräsident Thann plötzlich von dem Fall abziehen will, ermittelt dieser auf eigene Faust weiter – und deckt dabei eine Wahrheit auf, die vielleicht besser verborgen geblieben wäre … »Ein harter, düsterer Großstadt-Krimi, packend erzählt.« Dresdner Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Kriminalroman »Annas Erbe« von Horst Eckert ist Band 1 der fesselnden Thriller-Serie »Kripo Düsseldorf ermittelt«. Alle Romane können unabhängig voneinander gelesen werden. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 339

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Über dieses Buch:

Der erste eigene Fall für den Düsseldorfer Kommissar Thann beginnt mit einer grausigen Entdeckung: Auf einer Mülldeponie wird die verstümmelte Leiche eines Mannes gefunden, die Gliedmaßen abgetrennt, der Schädel eingeschlagen. Bei seinen Ermittlungen stößt Thann auf die Verbindung zu einem Mord an einer Frau, der bereits 25 Jahre zurückliegt. Handelt es sich bei dem Toten womöglich um Annas Mörder? Deren mittlerweile erwachsene Tochter scheint mehr über die Sache zu wissen, weigert sich jedoch, zu kooperieren. Als der Polizeipräsident Thann plötzlich von dem Fall abziehen will, ermittelt dieser auf eigene Faust weiter – und deckt dabei eine Wahrheit auf, die vielleicht besser verborgen geblieben wäre …

»Ein harter, düsterer Großstadt-Krimi, packend erzählt.« Dresdner

Über den Autor:

Horst Eckert wurde 1959 in Weiden in der Oberpfalz geboren. Er studierte Politikwissenschaften in Erlangen und Berlin. 15 Jahre lang arbeite er als Fernsehreporter für verschiedene Sendungen, unter anderem bei der Tagesschau. Heute ist Horst Eckert freiberuflicher Schriftsteller: Für »Die Zwillingsfalle« erhielt der Autor den renommierten Friedrich-Glauser Preis. Der Autor lebt heute in Düsseldorf.

Von Horst Eckert erscheinen bei dotbooks die Thriller-Reihe »Kripo Düsseldorf ermittelt« mit den Einzelbänden:

»Annas Erbe«, »Bittere Delikatessen«, »Aufgeputscht«, »Finstere Seelen«, »Die Zwillingsfalle«, »Ausgezählt«, »Purpurland«, »617 Grad Celsius« und »Königsallee«

Die Website des Autors: https://www.horsteckert.de/

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eBook-Neuausgabe Mai 2022

Copyright © der Originalausgabe 1995 Grafit Verlag, Dortmund

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von telesniuk / shutterstock.com und Evannovostro / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-197-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Horst Eckert

Annas Erbe

Thriller

dotbooks.

Vielen Dank an Kathie, Klaus, Henning und Michael für ihre Unterstützung.

Teil IEva

Kapitel 1

Er spürte den beißenden Gestank, der von draußen über den betonierten Vorplatz wehte und durch die Ritzen der Fenster in den Raum drang. Vielleicht war es auch der Arbeiter, dem der Ätzgeruch anhaftete wie das Himmelblau seiner Latzhose.

Der Mann kauerte ihm gegenüber und war so blaß, als würde er im nächsten Moment ohnmächtig werden. Der Schock saß ihm sichtbar in den Knochen. Das Grauen, das er an diesem Morgen gesehen hatte, war bei weitem schlimmer als all der Dreck und Gestank, dem der Deponiearbeiter Tag für Tag ausgesetzt war. Thann hatte Mitleid mit dem Mann.

»Setzen wir uns erst mal. Wir müssen die Befragung nicht gleich machen. Wenn Sie wollen …«

»Nein, danke, Herr Kommissar. Es geht schon.«

Thann sah aus dem Fenster des Personalraums. Ein himmelblau gestrichener Mülltransporter fuhr draußen am Pförtnerhäuschen vorbei aufs Gelände. Die Aufschrift in Großbuchstaben: A & F ENTSORGUNGSDIENST – SICHER UND SAUBER. Zwei Männer in ebenfalls himmelblauen Overalls stiegen aus und gingen zum Pförtner. Der Fahrer gab Gas und fuhr hinüber zur Deponie, eine schwarze Rußwolke zurücklassend. Hinter dem Transporter senkte sich die Schranke.

»Wann haben Sie …«, Thann zögerte, »… den Fund gemacht?«

Der Mann sah auf die Uhr über der Tür. »Vor einer dreiviertel Stunde, genau um acht. Es wurde gerade hell. Ich lief dann sofort hierher und rief die Polizei.«

Er hatte seine Planierraupe mitten auf der Deponie stehen lassen und war den ganzen Weg durch den tiefen, aufgeweichten Dreck zurückgerannt. Völlig von Sinnen. Nur allmählich war er etwas ruhiger geworden. Leise erzählte er weiter: »Ich sah ihn im Licht der Scheinwerfer. Ich war gerade beim Verdichten. So nennen wir das, wenn wir den Abfall zusammenschieben in eine Mulde. Und dabei fahren wir immer wieder hin und her, hin und her, damit das Volumen weniger wird, damit mehr auf die Deponie draufgeht.« Seine Hände arbeiteten, als wollte er die Luft verdichten.

Thann nickte. »Haben Sie eine Vorstellung, wie er auf die Deponie gekommen ist?«

Der Arbeiter schluckte. »Nein, keine Ahnung.«

Die Tür ging auf. Schneider und Dalla.

Dalla fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. »Der Pförtner will von nichts etwas wissen, die anderen, die gerade kamen, auch nicht.«

Schneider ergänzte, die Mundwinkel zynisch nach unten gezogen: »Draußen haben sie weitere Teile entdeckt. Scheinen zusammenzugehören.«

»Ist gut, dann laßt uns noch mal rausfahren.«

»Okay, Chef.«

Thanns Magen krampfte sich zusammen. »Schneider, laß das!«

Zum ersten Mal hatte der Leiter des Kl ihm, dem jüngsten Oberkommissar, die Führung einer Mordkommission übertragen. Schneider und Dalla, beide im selben Dienstgrad, waren etwa zehn Jahre älter als er. Spott in jedem Wort, in jedem Blick der beiden.

Der Himmelblaue stand plötzlich auf, murmelte eine Entschuldigung und eilte zur Toilette. Es war etwas anderes als der Gestank, was ihm zu schaffen machte.

Sie fuhren mit ihrem Zivilwagen über die Deponie. Thann fühlte leichte Stiche in der Magengegend.

Es war der 13. Dezember, ein grauer Donnerstagmorgen. Ein schlammiger Pfad führte hinein in das Meer aus den toten Resten des Stadtlebens. Schwärme von Möwen kreisten über der Halde. Am Horizont flackerte das ewige Licht der Gase, die aus dem gärenden Leib der Deponie nach oben strömten, aufgefangen in einem Netz aus Rohren und ins Freie geführt von einem Kamin, an dessen Ende die Flamme, einmal entfacht, nie erlosch, weithin sichtbar von der Autobahn aus, die das Gelände auf einer Seite begrenzte.

Der Wagen hielt neben einer Planierraupe und drei Mannschaftswagen der Schutzpolizei. Möwengekreische, das Scharren der Schaufeln und Hacken, Blitzlichter und Flüche. Dreißig Beamte der Einsatzhundertschaft arbeiteten im Morast. Einige von ihnen hatten weiße Binden vor dem Gesicht.

»Verbandszeug. Damit wollen sie den Drecksgestank abhalten«, erklärte Dalla.

»Und, hilft’s?« fragte Thann.

»Ach was. Das stinkt durch alle Poren durch. Schlimmer kann es in der Hölle auch nicht sein.«

»Dort drüben!« sagte Schneider und wies in Richtung des Polizeifotografen. Die Gruppe setzte sich in Bewegung, da ertönte weiter rechts ein Schrei.

»Hier ist das andere Bein!«

Einige der Uniformierten stapften auf den neuen Fund zu. Der Fotograf rammte sein einbeiniges Stativ in den weichen Grund. Wieder zerrissen Blitzlichter den Dämmer des Wintertages. Die anderen fuhren fort, im Müll zu graben. Nun setzte auch noch Regen ein.

Thann besah sich das, was der Müllarbeiter zuerst entdeckt hatte. Der Ort war mit einem Schild markiert. Nummer eins. Ein Kribbeln lief durch Thanns Körper. Der Regen lief ihm in den Kragen.

Blond und männlich, vermutete Thann. Sicher war er keineswegs. Die Haare und ein Teil des Gesichts waren verklebt mit schwarzem, geronnenem Blut. Das Kinn war rot angelaufen, die Haut an den Wangen und auf der Stirn mehrfach geschwollen und geplatzt. Die vorderen Zähne waren eingeschlagen, die linke Schädelseite zertrümmert. In seiner Vorstellung sah Thann eine Eisenstange oder einen Baseballschläger, mit Wucht geführt von einem Rechtshänder, der vor seinem Gegner stand, ausholte, den tödlichen Schlag gegen dessen Kopf setzte und, als dieser zu Boden ging, ein zweites Mal zuschlug und dabei die untere Gesichtshälfte traf.

In der Höhe des Kehlkopfes war der Hals abgetrennt. Wie das geschehen war, ging über Thanns Vorstellungskraft.

Um den Kopf hatte ein Kriminaltechniker die Markierung aus Kalk gestreut. Ein weißer Ring, der diesen menschlichen Überrest auf fast mystische Weise hervorhob. Thann stand wie gelähmt. Er vergaß Regen, Kälte und Gestank.

Gar nicht tot wirkten die Augen, die Thann entgegenstarrten. Das rechte war rot, blutunterlaufen und von einem roten Bluterguß umrahmt, der aussah wie ein Monokel. Das andere Auge war unversehrt. Beide fixierten ihn, als wollten sie ihn ansprechen, auf etwas aufmerksam machen. Wie ein letzter, verzweifelter Hilferuf des Opfers, persönlich an Thann gerichtet. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich bewußt wurde, daß er nur zufällig in die Blickrichtung der toten Pupillen geraten war, und auch dann schaffte er es nicht sofort, sich abzuwenden.

Es war das erste Mal, daß er als leitender Ermittler am Fundort einer Leiche stand, sein erster Mord. Thann schwor, diese Chance zu nutzen, der gesamten Kripo zu beweisen, was in ihm steckte. Der Spott sollte ihnen vergehen. Die Stiche im Magen nahmen an Heftigkeit zu.

Ein Kollege trat neben Thann. Er hatte die Hand in einer großen, transparenten Tüte, packte den Kopf bei den Haaren und stülpte beim Hochheben die Tüte über das Fundstück. Kaum mehr als eine flinke Handbewegung, ohne das Leichenteil direkt zu berühren, als hätte der Beamte Routine darin. In diesem Moment blitzte es, eine Kamera surrte kurz, es blitzte noch einmal. Thann fuhr herum. Das war nicht der Polizeifotograf. Es blitzte ein drittes Mal. Für einige Sekunden war Thann geblendet.

»WER SIND SIE? WIE KOMMEN SIE HIERHER?« schrie er ins Weiße und ballte die Fäuste.

»Presse«, antwortete der Fotograf und wedelte mit einer Art Ausweis. Sein Grinsen zeigte eine Zahnlücke. Über dem Pullover trug er eine khakifarbene Weste mit Dutzenden kleiner Taschen. Auf seiner Schirmmütze stand Blitz.

Thann hätte ihn am liebsten in den Müll gestoßen. Eine Ader begann auf seiner Stirn zu tanzen. »Blutpresse. Die Schlagzeile größer als das Hirn der Verfasser. Euch hab’ ich gern!«

Das Auto des Fotografen stand gleich neben ihrem Zivilwagen. Eine weiße Limousine mit Funktelefon und dem Namen der Zeitung auf der Tür.

Der Fotograf grinste noch immer. Thann packte ihn bei der Weste und schüttelte ihn. »Unerlaubtes Abhören des Polizeifunks und Behinderung der Ermittlungen!« Er bellte Schneider und Dalla an: »Stellt seine Personalien fest und überprüft sein Autoradio!«

Fast gleichzeitig ertönten die Rufe zweier Beamter. Nicht weit voneinander entfernt hatten sie die letzten noch fehlenden Teile der Leiche entdeckt. Der Polizeifotograf stieß weitere Schilder in den weichen Grund, die anderen Beamten beendeten ihre Grabungen. Kollegen in schwarzer Lederjacke oder grünem Parka näherten sich Thann. Sie stapften durch den weichen Morast, vermummt mit Mullbinden und Anorakkapuzen und mit Harken und Schaufeln bewaffnet.

Dalla kam vom Presseauto zurück. »Das Radio ist in Ordnung!«

»Ich glaube, wir müssen ihn laufen lassen, Chef«, sagte Schneider.

Thann ignorierte ihn und besah sich den Presseausweis. Udo Korfmacher, 30 Jahre alt. Der Fotograf ließ erneut seine Zahnlücke sehen, als Thann den Ausweis zurückgab.

Thann war machtlos. »Verschwinden Sie jetzt! Aber schnell!«

Er wandte sich an den Zugführer und die anderen umstehenden Beamten. »Die Suche wird fortgesetzt.« Murren und Flüche. »Achten Sie auf blutige Kleidungsstücke und mögliche Tatwerkzeuge sowie persönliche Gegenstände aus dem Besitz des Opfers, die der Täter möglicherweise auch hierher gebracht hat.« Thann nickte Schneider und Dalla zu. »Wir setzen die Befragung der Deponiearbeiter fort.«

Eine Windbö fegte über das Gelände, als sich die Beamten in Bewegung setzten. Der Regen war stärker geworden.

Kapitel 2

Es war eine Besprechung unter vier Augen. Thann wischte sich an der Hose die Handflächen trocken, bevor er das Büro des Kripochefs betrat. Kriminaloberrat Bollmann, der nächste Vorgesetzte des Kommissariatsleiters, hatte Thann zu sich gerufen.

»Hallo Junior.« Bollmann streckte ihm seine Pranke entgegen.

Thann ließ sich von der väterlichen Art des Vorgesetzten nicht täuschen. Bollmann galt als der härteste Bulle des Präsidiums und als eiskalter Karrierist. Der Berater des Innenministers mit besten Aussichten, nächster Polizeipräsident zu werden, so hieß es.

Bollmann, groß und massig, aber nicht dick, ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder. Seine kalten, graublauen Augen blitzten Thann an. »Mordfall Deponie – erzählen Sie mir alles!«

Thann schluckte. Er hatte nicht viel. »Der Tote ist ein männlicher Erwachsener. Er wurde erschlagen, die Leiche in sechs Teile zerlegt. Ein Deponiearbeiter fand den Kopf gegen acht Uhr heute morgen, als er mit seiner Raupe drüberfuhr. Die anderen Leichenteile konnten inzwischen aus dem Müll geborgen und vollständig sichergestellt werden.«

Das war bis jetzt alles. Eine vollständige Leiche. Bollmann nickte anerkennend, doch Thann wußte, daß er rasche Erfolge liefern mußte.

»Im Bereich des Fundortes konnten bislang keine Kleidungsstücke oder andere persönliche Gegenstände gefunden werden, die mit dem Toten in Zusammenhang stehen. Nach erster Leichenschau muß der Tod zwischen Mitternacht und höchstens fünf Uhr morgens erfolgt sein. Zu dieser Zeit arbeitete nur der Pförtner auf der Deponie. Er bewachte den Einfahrtsbereich und konnte nichts Ungewöhnliches beobachten.«

»Und was war das Gewöhnliche, was er beobachten konnte?«

»Sein Romanheft. Äh – ich meine nichts. Das erste Fahrzeug, das aufs Gelände fuhr, kam Viertel vor sechs. Auch die anderen Deponieangestellten haben nichts Ungewöhnliches festgestellt. Bis acht Uhr haben sieben Fahrzeuge Müll auf die Deponie gekippt. Die ersten vier davon zweimal. Alle brachten ihre Ladung in den Bereich des Fundortes, wo der Mann mit der Raupe arbeitete. Sein Dienstbeginn war um sieben Uhr. Auch in der Stadt hat keiner der Müllarbeiter etwas Verdächtiges bemerkt. Keine Blutspuren in irgendeinem Keller oder an einem Müllbehälter. Bis jetzt.« Thann dachte an die Augen der Leiche.

»Ich danke Ihnen.« Bollmann strich mit Daumen und Zeigefinger über seinen blonden, kurzgeschnittenen Schnauzbart. »Wie groß ist die Kommission zur Zeit?«

»Heute morgen waren wir nur zu dritt. Aber das reicht nicht aus.«

»In einer Stunde will ich Ihre Berichte auf meinem Schreibtisch sehen. Hauptkommissar Fendrich wird die Leitung übernehmen.«

Thann schluckte. »Das ist mein erster Fall! Warum wollen Sie ihn mir wegnehmen? Ich …«

Bollmann winkte ab. »Sie sind noch zu unerfahren, um einen Fall zu leiten, der so ungewöhnlich ist und auf so große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit stoßen wird. Sie sind erst sechsundzwanzig. Sie werden noch genügend Gelegenheit bekommen, sich zu beweisen. Fendrich ist älter und hat die nötige Erfahrung.«

Thann spürte sein Herz klopfen und seine Gedanken rasen. Fendrich, der Schleimer. Ein hohler Sprücheklopfer mit braungebrannter, durchtrainierter Fassade. Wie konnte sich der Kripoleiter von dessen aalglattem Getue blenden lassen? Thann geriet in Fahrt.

»Herr Bollmann, ich mag noch jung sein, aber ich bin jetzt seit vier Jahren bei der Kripo. Ich habe Erfahrung, und in welcher Dienstvorschrift steht, daß Jugend ein Fehler ist? Sie waren auch erst sechsundzwanzig, als Sie Ihren ersten Mordfall aufklärten.«

Bollmann lachte. »Mein erster Fall war einfach, die Fakten waren nach drei Tagen klar. Hier haben wir nur eine Leiche, die keiner kennt und die nur durch einen dummen Zufall überhaupt entdeckt wurde. Junior, das ist eine Nummer zu groß für Sie.«

»Geben Sie mir wenigstens drei Tage, so lange wie Sie damals brauchten.«

Bollmann beugte sich vor und musterte Thann. »Sie sind ehrgeizig, das mag ich. Aus Ihnen wird noch was. Es gibt nicht viele, die mit Ihrem Eifer Polizeidienst tun. Der Kl-Leiter mag Sie auch, stimmt’s?«

Kalte, stahlblaue Blitze. Thann wußte nicht, was er sagen sollte.

»Also gut. Drei Tage.«

Thann atmete auf. Seine Hände waren längst wieder feucht geworden.

»Aber passen Sie auf. Verrennen Sie sich nicht in vage Ideen. Bewahren Sie kühlen Verstand. Kein Wort zur Presse. Sie berichten mir täglich. In drei Tagen können Sie etwas vorweisen. Wenn nicht, dann treten Sie wieder ins zweite Glied zurück. Oder Sie nehmen Ihren Weihnachtsurlaub. Verstanden?«

»Ja, Herr Bollmann.«

»Was haben Sie als nächstes vor?«

»Schneider und Dalla überprüfen die Vermißtenliste. Ich spreche mit dem Gerichtsmediziner.«

»Wer macht die Obduktion?«

»Rosenbaum.«

»Gut, der Alte hat Erfahrung. Und weiter?«

»Ich brauche zwanzig Beamte, die die Routen der Müllabfuhr abklappern, Anwohner befragen und die Müllbehälter nach Spuren absuchen, besser dreißig.«

Die blauen Blitze stachen hart. »Schwachsinn! Den Aufwand können wir uns nicht leisten. Das würde viel zu lange dauern. So viele Beamte haben wir gar nicht. Konzentrieren Sie sich lieber auf die Vermißten. Befragen Sie noch einmal den Pförtner und die anderen auf dem Gelände. Vielleicht geschah der Mord vor Ort. Überprüfen Sie die Umzäunung. Befragen Sie Nachbarn der Deponie und den Geschäftsführer der Betreiberfirma. Und noch einmal: Vorsicht im Umgang mit der Presse. Hätten Sie den Fundort ordnungsgemäß absperren lassen, wäre Ihnen nicht diese dämliche Panne mit dem Fotografen passiert. Bis auf weiteres kann ich Ihnen neben Schneider und Dalla fünf weitere Beamte geben. Das muß genügen.«

Thann fühlte sich wie ein Schuljunge, als der Vorgesetzte ihm beim Abschied mit seiner schweren Pranke auf die Schulter klopfte. Die Panne mit dem Fotografen. Der Kripochef mußte einen Geheimdienst haben.

Thanns Magen schmerzte schon wieder.

Kapitel 3

Im fensterlosen Obduktionssaal des rechtsmedizinischen Instituts war fast alles weiß. Bodenfliesen, Wände, Einrichtungsgegenstände, der Kittel des Gerichtsmediziners und auch dessen Haare. Die sterblichen Überreste des jüngsten Falls hoben sich blutigrot ab. Sie benötigten gleich zwei der blankgeputzten Stahltische. Sechs grob vom Deponieschmutz gereinigte Leichenteile, die nur entfernt an einen gesunden menschlichen Körper erinnerten, den das Opfer zu Lebzeiten besessen haben mochte.

Der Mediziner, rundlich, klein und dem Pensionsalter nahe, musterte Thann über seine runden Brillengläser hinweg. »Sie führen die Ermittlung?«

»Ja, wieso?«

»Viel Erfolg. Ein so bestialischer Fall ist mir noch nie begegnet.«

Stumm drehte der Arzt eine Runde um beide Tische, dann baute er sich neben dem einen auf, Thann den Rücken zuwendend.

Medizinerfloskeln zur Einleitung: »Natürlich stehe ich erst am Anfang der Untersuchung. Der Abschlußbericht wird Ihnen nicht vor morgen mittag vorliegen.«

Thann versuchte, seine Ungeduld zu zügeln. In diesem Fall war er völlig auf die Hilfe des Mediziners angewiesen. Alles was er hatte, war diese Leiche.

»Was ich Ihnen jetzt schon sagen kann, ist nicht viel.« Rosenbaum drehte sich um. Er verschränkte die Hände hinter seinem Kreuz, der Bauch spannte den weißen Kittel noch mehr als zuvor.

Ein Gockel, der sich aufplustert, dachte Thann.

»Kopf, Gliedmaßen und Rumpf gehören zu derselben Person. Das Opfer ist männlich, von schlankem Körperbau, etwa 1,75 groß, blond, bartlos und rund 50 Jahre alt, plus/ minus fünf. Wir können dreierlei Verletzungen unterscheiden. Die, die dem Opfer vor dem Tod zugefügt wurden, die, welche zum Tode führten, und die, die dem Opfer nach dem Exitus zugefügt wurden.« Vorlesungston.

Rosenbaum wippte auf und ab. »Todesursache scheint eine Schädel-Hirnverletzung zu sein, bewirkt durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf die linke Kopfseite. An dieser Stelle finden sich keine Hämatome im Wundbereich. Um ein abschließendes Urteil abzugeben, bedarf es noch weiterer Untersuchungen. Inwieweit Drogen oder Gifte eine Rolle spielen, konnte ich bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht überprüfen.«

Der Gerichtsmediziner setzte seine Wanderung um die Tische fort. Weit ausholende Gesten unterstützten seinen Vortrag. Thann lief hinterher, machte Notizen in seinen Ringblock.

»Der Tod ist zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens eingetreten. An den Gliedmaßen beginnt sich jetzt allmählich die Totenstarre auszubilden. Post mortem wurde das Opfer zerstückelt. Nach erster Ansicht der Schnittstellen vermutlich durch eine Art Hacke. Das Gewebe ist zerrissen. Es finden sich zahlreiche Knochensplitter darin. Eine Säge beispielsweise hätte präzisere Kanten geformt.«

Rosenbaum bewegte ein Leichenteil. Thann konzentrierte sich auf den Ringblock.

»Ebenfalls post mortem wurden dem Opfer zahlreiche schwerste Quetschungen und Knochenbrüche zugefügt. Besser gesagt, den einzelnen Teilen. Stimmt es, daß eine Planierraupe über die Leiche gefahren ist?«

»Ja.« Mach schon weiter, Doktor!

Rosenbaum räusperte sich und verschränkte die Hände erneut im Kreuz. Ein Gockel in Weiß.

»Dem ersten Anschein nach«, er räusperte sich noch einmal und wippte weiter auf den Zehenspitzen, »scheinen die Leichenteile mit Gewalt in einen oder mehrere Behälter gezwängt worden zu sein. Arme und Beine wurden in unnatürlicher Weise angewinkelt. Zudem sind Oberschenkelknochen und Rippen zum Teil mehrfach gebrochen. Dies kann beim Transport der Leichenteile geschehen sein wie auch später durch die Behandlung mit der Planierraupe im Bereich des Fundortes. Die Wunden sind zum Teil stark verunreinigt gewesen. Diesen Konservendeckel habe ich zu Demonstrationszwecken im Oberschenkel belassen.«

Ein Sadist.

Thann schrieb in seinen Block und sah nicht hin.

»Kommen wir zu den Verletzungen, die dem Opfer vor dem Tod zugefügt wurden.«

Rosenbaum setzte seinen Rundgang um die beiden weißen Tische fort. Diesmal sah Thann hin. Diese Augen.

»Wie Sie sehen, erlitt das Opfer multiple Quetschungen und Prellungen im Gesichtsbereich. Einige der Hämatome sind fast vollständig ausgebildet. Zum größten Teil handelt es sich wahrscheinlich um Faustschläge und andere Schläge mit einem dumpfen Gegenstand. Ungewöhnlich sind diese Verletzungen: Parallele Risse oder Schnitte auf beiden Gesichtshälften. Ausgeführt mit einem Gegenstand mit zwei Klingen im Abstand von etwa einem Zentimeter.«

Als Thann den Kopf zum ersten Mal gesehen hatte, waren ihm diese Verletzungen unter all dem Blut und Dreck nicht aufgefallen. Jetzt sah er es deutlich: Sechs Schnitte auf der linken Seite, zwei zogen sich über die rechte Wange, etwa acht bis zehn Zentimeter lang.

»Die Tiefe dieser Schnitte beträgt etwa einen Zentimeter. Haut und Muskel wurden mehrfach durchtrennt.«

Rosenbaum zog die Wunde mit Daumen und Zeigefinger auseinander. Langsam, aber sicher wurde Thann übel.

»Ein Schlagring, vielleicht«, murmelte er.

»Ein ganz spezieller, vielleicht«, erwiderte der Mediziner. »Wie Sie weiterhin sehen, erlitt das Opfer beträchtliche Quetschungen im Genitalbereich. Vermutlich durch Schläge oder Tritte.«

Erneut fixierte er Thann über die Gläser seiner Brille hinweg. »Das Opfer wurde offenbar gefoltert, bevor es starb.«

»Wie lange?«

»Nach dem Blutaustritt ins Gewebe und den Schwellungen zu urteilen, wahrscheinlich mehr als eine Stunde.«

»Verdammt«, entfuhr es Thann. Die Spitze seines Bleistifts war abgebrochen. »Hat sich das Opfer gewehrt? Spuren unter den Fingernägeln?«

»Kaum. Nur einige Textilfasern. Befinden sich im Labor. Die Handgelenke weisen Scheuerspuren auf. Das Opfer scheint gefesselt worden zu sein.«

»Magen- und Darminhalt? Irgend etwas Auffälliges?«

»Der Magen enthielt Blut. Das Opfer aspirierte vor seinem Tod. Alles weitere wird gerade im Labor untersucht.«

Thann nahm sich vor, bei Gelegenheit einige medizinische Fachbegriffe nachzuschlagen. »Noch einmal zu den Schnittwunden, die Sie mir zeigten, Doktor. Haben Sie jemals eine Art Schlagring gesehen, die dafür in Frage kommt?«

Rosenbaum begann erneut zu wippen und zog eine seiner Augenbrauen in die Höhe. Er zögerte. »Nein, aber diese Art von Wunden habe ich schon einmal gesehen. Allerdings läßt es der gesunde Menschenverstand als unwahrscheinlich erscheinen, daß die beiden Fälle etwas miteinander zu tun haben.«

Ein Schauer lief über Thanns Rücken. »Welcher Fall war das?«

»Das muß jetzt etwa fünfundzwanzig Jahre her sein. Eine Frau, die von ihrem Liebhaber erschossen wurde. Kein Müll, keine Zerstückelung, schöne Leiche, klarer Fall. Man nannte den Fall nach seinem Tatort Friedrichstraßenmord. Die Leiche hatte ganz ähnliche Verletzungen. Aber, wie gesagt, lange her.«

Der Friedrichstraßenmord. Thann konnte mit dem Begriff etwas anfangen. Er nahm sich vor, die Akte zu besorgen Als er den weißen, nur durch wenige häßliche Fleischtöne verschmutzten Raum verließ, wünschte der Gerichtsmediziner ihm ein zweites Mal viel Glück.

Noch nie war ihm sein Büro so eng erschienen. Gut zehn Quadratmeter, vollgestellt mit alten Möbeln: Schreibtisch, Beistelltisch für die Olympia, Regal, ein schmaler Spind und zwei Stühle, einer auf Rollen, einer aus Holz.

Thann versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er öffnete die Rolladenfront seiner rechten Schreibtischhälfte, zog einen leeren Aktenordner heraus und griff nach dem Glas und der Weinbrandflasche, die er dahinter verbarg. Er goß sich ein, einen Finger hoch. Gegen den Ekel. Der erste Schluck des Tages. Noch während das heiße Gold die Kehle hinunterrann, spürte er den Großteil seiner Anspannung weichen. Für einen Moment schloß Thann die Augen, dann versteckte er die Flasche und das Glas. Er verwischte die Spuren.

Drei Tage hatte ihm Bollmann gegeben. Drei Tage, um zu zeigen, was er konnte. Zum ersten Mal in seiner Laufbahn witterte er eine Chance zu beweisen, daß er ein Kriminalbeamter mit Intelligenz und Spürsinn war. Andere machten ihre Karriere durch Sitzfleisch. Langsam, aber unaufhaltsam, alle fünf bis zehn Jahre einen Dienstgrad nach oben. Er wollte es durch Leistung schaffen. Und schneller.

Freunde hatte er im Polizeipräsidium keine. Die Jüngeren neideten ihm, daß er einer der letzten war, die ohne den Dienst bei der Bereitschaftspolizei direkt nach der Verwaltungshochschule in die gehobene Laufbahn eingestuft wurden. Die Älteren nahmen ihn nicht für voll. Einmal hatte Bollmann von ihm wissen wollen, warum er den Polizeidienst gewählt habe. Thann hatte etwas von »Verteidigung der demokratischen und freiheitlichen Werte« gesagt und sich gefragt, ob Bollmann diese Frage jedem stellte oder nur ihm, dem Außenseiter.

Tatsächlich war er zur Polizei gegangen, weil er nach dem Abitur nicht wußte, was er studieren sollte. Die Fächer, die ihn interessiert hatten, verbot der Numerus clausus oder sie schienen als einzige Berufsperspektive den Job des Taxifahrers zu bieten. Als die Beamten vom Werb- und Auswahldienst in der Abiturklasse auftraten, entsann sich Thann der Helden seiner Lieblingslektüre, der Cops im sonnigen Kalifornien, und wählte die Kombination aus kriminalistischer Spannung und sicherem Staatsdienst. Den Ausschlag für seine Entscheidung gab die Tatsache, daß er als Polizeianwärter keinen Militärdienst zu leisten brauchte. Nach vier Jahren im Kripo-Dienst war Thann klargeworden, wie weit sein Beruf von der Sonne Kaliforniens und dem Glanz der Helden seiner Jugend entfernt war. Krimis las er schon lange nicht mehr.

Der Weinbrand hatte seinen Magen mit Wärme gefüllt. Thann war sicher, daß er nicht vom Alkohol abhängig war. Immer, wenn er fürchtete, die Kollegen könnten von seinem regelmäßigen Konsum erfahren, setzte er ihn ab, für Tage, ja manchmal sogar für Wochen. Entzugserscheinungen hatte er dabei noch nie erlebt. Seit er dieses Büro für sich alleine hatte, stand die Flasche im Schreibtisch, mal als tatkräftige Helferin, mal nur als platonische Freundin.

Er griff ein zweites Mal zur Flasche. Ausnahmsweise. Einen Finger hoch, um den letzten Rest von Aufgeregtheit zu vertreiben. Er wollte cool sein, wenn er mit Schneider und Dalla, den beiden alten Hasen, zusammenarbeitete. Er wollte gelassen bleiben, nicht in Hektik geraten, auf keinen Fall unerfahren und lächerlich wirken. Er ärgerte sich über seinen Zusammenstoß mit dem Mann vom Blitz, als er versucht hatte, den starken Mann zu spielen, und mit einer sinnlosen Überprüfung auf die Nase gefallen war.

Bollmanns Warnung: Bewahren Sie kühlen Verstand.

Bevor er sein Büro verließ, nahm er einen frischen Kaugummi, um seinen Schnapsatem zu verdecken. Die Sorte mit dem doppelten Pfefferminz-Effekt.

Kapitel 4

»Ich habe Sie zu dieser Vorbesprechung eingeladen, da es wichtig ist, daß wir auf der anschließend stattfindenden Pressekonferenz die gleiche strategische Linie verfolgen, sozusagen mit einer Stimme sprechen. Der Polizeipräsident läßt sich entschuldigen. Er ist noch nicht so weit genesen, daß er den vollen Arbeitstag im Präsidium verbringen kann. Er hat mich gebeten, ihn zu vertreten.«

Bollmanns Stahlaugen blitzten in die Runde, sein Lächeln wirkte auf Thann künstlich. Es war eine kleine Versammlung. Thann erkannte neben dem Kripochef den Pressesprecher des Präsidiums und dessen Stellvertreter. Der Leiter des Kl fehlte. Urlaubsvorbereitungen, gerade jetzt. Stattdessen saß Hauptkommissar Fendrich in der Runde. Mit seiner Fönfrisur und der Solariumsbräune sah er aus wie ein Gigolo, nicht wie ein Bulle. Warum Fendrich? Eine kurze Verunsicherung, Thann wischte sie weg. Er hielt die Maschinerie am Laufen, setzte seit dem Morgen seine Leute ein, hatte die Fäden in der Hand. Zusätzlich zum Weinbrand brachte das regelmäßige Kauen des Pfefferminzgummis Beruhigung in seine Nerven.

»Am besten, der leitende Ermittler, Oberkommissar Thann, beginnt mit einem Bericht über den aktuellen Stand im Mordfall Deponie.«

Thann faßte zusammen, was Rosenbaum ihm am Mittag erklärt hatte. Er ließ Fotos der Leichenteile herumreichen. Das Opfer wurde offenbar gefoltert, bevor es starb. Lediglich die Schnittwunden im Gesicht und die Parallele zum Friedrichstraßenmord von 1968 erwähnte er nicht. Dann breitete er einen Plan der Deponie und ihrer Umgebung auf dem Tisch aus und schilderte, wie zur Stunde sieben Beamte beschäftigt waren, systematisch die Umzäunung der Deponie nach Spuren abzusuchen und Nachbarn zu befragen. Eine Reihenhaussiedlung reichte bis etwa dreihundert Meter an die Deponie. Etwa vierzig Familien wohnten hier. Bis zum Abend erwartete Thann die Rückmeldung der Beamten.

Die Überprüfung der Vermißtenmeldungen hatte noch nichts gebracht. Vier verschwundene Personen hatten Ähnlichkeit mit dem Toten, alle vier Meldungen stammten jedoch aus anderen Bundesländern und waren bis zu fünf Jahren alt. Thann hatte die Kollegen in den betreffenden Städten eingeschaltet. Wenig Hoffnung.

Er zog eine Zeichnung hervor. »So muß der Tote ausgesehen haben. Wenn man sich all die Verletzungen wegdenkt, meine ich. Anfang bis Mitte fünfzig, blond, etwa 1,75 Meter groß, schlank. Ich schlage vor, daß wir die Zeichnung an die Presse geben mit der Bitte um Mitarbeit. Wenn irgend jemand den Toten erkennt, sind wir ein entscheidendes Stück weiter.«

Thanns Vorschlag fand Zustimmung. Er war stolz auf seine Idee, den Polizeizeichner, beraten von Rosenbaum, die Gesichtszüge des Toten rekonstruieren zu lassen. Zwar hatte der Zeichner nur einzelne Merkmale zu einem Gesicht zusammengefügt, wie er es immer tat. Dennoch vermittelte das Bild den Eindruck, als hätte eine lebendige Person dem Zeichner Modell gesessen. Es war ein waches Gesicht, die Züge ein wenig bitter. Das Gesicht eines Menschen, der Ziele hatte, aber nur wenige davon erreichte. Ein so bestialischer Fall ist mir noch nie begegnet.

Der letzte im Kreis gab die Zeichnung zurück.

Thann startete einen zweiten Versuch, seinen Vorschlag vom Vormittag durchzubringen. »Ich neige zu der Ansicht, daß Fundort und Tatort nicht identisch sind. Möglicherweise haben der oder die Täter die Leichenteile, so makaber es klingt, einfach in die Mülltonne gesteckt. Es ist schade, daß das Präsidium nicht mehr Beamte aufbieten kann. Man sollte meiner Meinung nach alle Wohngebiete durchsuchen, deren Mülltonnen heute morgen geleert wurden. Das kann uns zum Tatort führen. Wir sollten in den betreffenden Straßen die Bevölkerung fragen.«

»Meine Herren, davon kann ich nur abraten«, meldete sich Bollmann zu Wort. »Wir müssen alles vermeiden, was die Öffentlichkeit in Unruhe versetzen könnte. Also: Keine Fotos von Leichenteilen an die Presse, kein Herumschnüffeln in Nachbars Müllbehälter.«

»Ich würde sogar sagen, wir bestätigen nur, was die Presse ohnehin weiß«, ergänzte der Pressesprecher. »Die Details, besonders die grausigen Details, behalten wir besser für uns. Das einzige, wovon wir uns einen Nutzen durch eine Presseveröffentlichung erhoffen können, sind Bild und Beschreibung des Toten.«

»Und wehe, Thann, du wiederholst vor all den Pressefritzen dein Bedauern über unsere Personalnot. Das heißt dann in der Zeitung: Die Polizei hat es nicht im Griff, Banden und Verbrecher regieren die Stadt. Der Innenminister kastriert uns höchstpersönlich, wenn wir unser Image beschmutzen. Uns alle, wie wir hier sitzen.« Fendrich. Die Übrigen lachten, die Runde begann sich aufzulösen.

Thann haßte Fendrich für seine Art, sich auf Kosten seiner Kollegen bei den Chefs beliebt zu machen. Die Männer schoben sich durch die Tür aus dem kleinen Besprechungsraum ins Konferenzzimmer.

Die Pressevertreter verstummten, als die Polizisten eintraten und Platz nahmen. Rund ein Dutzend Mikrofone in der Mitte des Tisches, der die Barriere bildete zwischen den Hütern der Ordnung und den Vertretern der öffentlichen Sensationslust. Der Stellvertreter des Polizeisprechers verteilte Kopien der Zeichnung. Eine junge Frau in engem Rollkragenpullover und mit großer Oberweite postierte ihr Aufnahmegerät auf den Tisch und trat zurück in den Hintergrund. Für einen Moment war es so still, daß Thann glaubte, den Motor des kleinen Rekorders hören zu können. Dann eröffnete der Pressesprecher die Sitzung.

Die Kompetenzen waren klar verteilt. Der Sprecher des Präsidiums schilderte kurz den Mordfall, Kripochef Bollmann sprach einige Worte zur Organisation der Ermittlungen, und Thann als Leiter der Kommission erklärte die gegenwärtigen Ermittlungsschritte und wies auf die Zeichnung hin. Nervenkribbeln, Kloß im Hals.

Die Neugier der Presse äußerte sich ebenfalls arbeitsteilig. Die leichten Fragen stellten die Schreiber der lokalen Medien. Sie waren in der Mehrzahl. Die heiklen Fragen stellte der Reporter einer überregionalen Zeitung. Thann bewunderte die Routine des Polizeisprechers, der es schaffte, bei jeder Antwort das Eingeständnis zu vermeiden, daß sie nichts wußten und kaum etwas hm konnten.

Nur selten machte einer der Pressemenschen ein Foto. Die Zahnlücke Udo Korfmachers war nicht im Raum. Einer seiner Blitz-Kollegen schien fürs freche Nachfragen zuständig. Er meldete sich als letzter Frager. »Stimmt es, daß das Opfer mißhandelt und zerstückelt aufgefunden wurde?«

Schwer gefoltert, bevor es starb.

Der Präsidiumssprecher antwortete ausweichend.

»Der etwa Fünfzigjährige, dessen Porträtzeichnung Ihnen vorliegt, wurde Opfer einer schweren Gewalttat, wie es Mord nun einmal leider ist. Die Spuren der Gewaltanwendung haben wir in der Zeichnung nicht berücksichtigt, denn es kommt uns in erster Linie darauf an, daß sich Leser Ihrer Zeitungen bei uns melden, die uns Hinweise auf die Tat geben können. Für die Veröffentlichung der Zeichnung möchte ich Ihnen jetzt schon danken.«

Der Bursche vom Blitz ließ nicht locker.

»In wieviele Teile wurde das Opfer zerstückelt?«

»Kein Kommentar. Und jetzt bitte ich Sie um Verständnis, daß wir die Pressekonferenz für heute beenden. Wir haben noch viel zu tun. Ich danke Ihnen.«

Mit seiner Bewunderung über die souveräne Reaktion des Pressesprechers schien Thann allein dazustehen. Bollmann versprühte schlechteste Laune, als sie auseinandergingen.

»Die Schlagzeile seh’ ich schon vor mir. ›Leiche zerstückelt, Polizei ratlos‹. In großen Lettern über die ganze Titelseite!«

Auch der Sprecher schien unzufrieden. Mürrisch sagte er: »Ich tu’, was ich kann. Jetzt tun Sie bitte das Ihre.«

Bollmann bohrte seinen Zeigefinger in Thanns Brust. »Morgen um halb eins erstatten Sie mir Bericht, Junior.«

Diesmal klang es gar nicht väterlich.

Kapitel 5

»Was wollen Sie eigentlich noch? Ich habe Ihnen doch heute vormittag schon alles gesagt!«

Zweiunddreißig Deponieangestellte hatten Thann und seine Kollegen bereits befragt. So viele hatten an diesem Morgen auf der Deponie gearbeitet.

Es war die letzte Vernehmung an diesem Tag. Seit Stunden war es dunkel. Eine blanke Neonröhre und eine Schreibtischlampe Marke Ikea tauchten Thanns Büro in trostloses Licht. Er hatte Hunger und Magenschmerzen zugleich.

Thann erklärte seinem Gegenüber die Bedeutung des Falls. Er log, die Polizei würde diesen Fall mit höchster Priorität und noch nie dagewesenem Einsatz verfolgen.

»Aber ich habe doch schon alles erzählt!«

Keiner der Arbeiter hatte sich bisher darüber beschwert, daß er sie ins Präsidium bestellt hatte. Thann spannte ein frisches Blatt in die Maschine und sah in seine Notizen.

»Sie heißen Herbert Kaminski, sind 46 Jahre alt und arbeiten seit sieben Jahren bei A & F Entsorgungsdienst als Pförtner auf der Deponie.«

»Ich weiß.« Kaminski rutschte auf dem Holzstuhl hin und her. Er trug wie am Vormittag einen himmelblauen Overall mit der Aufschrift »A & F«. Thann fragte sich, ob der Mann auch private Kleidung besaß. Wenigstens schien dieser Blaumann frisch zu sein. Thann roch nur den üblichen Polizeimief seines Zimmers. Und die Nervosität seines Gegenübers.

»Was sind Ihre Dienstzeiten?«

»Die Pförtner arbeiten in Schichten. Drei Tage von 22 bis 10 Uhr, dann vier Tage frei, dann drei Tage von 10 bis 22 Uhr.«

Thann hackte in die Mechanik seiner Olympia. »Ich kann mir vorstellen, daß man während einer Nachtschicht schon mal etwas die Konzentration verliert oder einnickt, stimmt’s?«

»Und wenn schon. Wir haben ein zwei Meter hohes Tor und einen Zaun mit Stacheldraht rundherum. Da müßte schon ein Panzer kommen und durchbrechen. Und spätestens dann wär’ ich wach.«

»Also keine Chance, etwas auf die Deponie zu bringen?«

Kaminski wich Thanns Blick aus. Da war was.

»Nur mit regulär angelieferten Reststoffen.«

»Und das geht nur über Sie?«

»Ja.«

»Ich habe heute morgen bemerkt, wie zwei Männer eines Transports zu Ihnen in Ihr Häuschen kamen. Ich nehme an, da plaudert man ein bißchen, und im Lauf eines Tages kommt eine Menge an Klatsch und Neuigkeiten zusammen, stimmt’s?«

»Eigentlich nein. Nur hallo, wie geht’s. Immer der gleiche Scheiß.«

»Bitte versuchen Sie sich zu erinnern. War heute irgend etwas anders als sonst?«

Der Müllpförtner schüttelte den Kopf.

»Irgendwelche Bemerkungen über eine Tonne, die schwerer war als sonst?«

Kopfschütteln.

»Blutflecken, seltsamer Geruch? Hat einer der Arbeiter oder Fahrer sich heute irgendwie anders benommen als sonst?«

»Nein. Und riechen tut’s bei uns immer gleich.«

»Was ist mit dem Müll, den die Leute direkt zur Deponie bringen?«

»Sie meinen den Gewerbemüll? Der wird gewogen und inspiziert. Da müssen Papiere ausgefüllt werden. Und ich kuck’ auch noch nach. Zumindest stichprobenweise, damit uns keiner Sonderabfall unterjubelt, denn der darf gar nicht bei uns drauf. Von denen kann übrigens keiner in Frage kommen. Die kommen gar nicht so früh. Heute zum Beispiel kam der erste Gewerbekunde so gegen halb neun. Bauschutt.«

»Wann fangen Ihre Kollegen an?«

»Die Transportbesatzungen um fünf, dann fahren sie raus. Die anderen, die auf der Deponie arbeiten, erst später. So gegen sieben.«

Himmelblau-Kaminski spielte mit den Knöpfen seiner Hosenträger. Thann hörte auf, in die Maschine zu tippen. Er bereitete seinen Angriff vor.

»Von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens sind Sie also ganz allein. Sieben Stunden. Kommt es da nicht mal vor, daß einer bei Ihnen klingelt und schwarz etwas abladen will? Ohne Kontrolle und ohne Gebühren zu bezahlen?«

Kaminski blickte auf seine Hände, verneinte, schluckte, sah auf Thann und fuhr sich durch die Haare.

Thann verlor die Geduld. Er wurde lauter. »Ich will jetzt eine ehrliche Antwort von Ihnen! Es geht um Mord! Ihre Scheiß-Nebengeschäfte sind mir völlig egal. Mir geht es darum, einen Mord aufzuklären, den Sie nicht begangen haben, zu dessen Aufklärung Sie aber beitragen können. Ich frage Sie noch einmal. Wer hat heute nacht oder heute morgen schwarz seinen Müll zu Ihnen gebracht?«

Der Pförtner schwieg.

Thann ballte die Fäuste und schrie: »ANTWORTEN SIE!«

»So etwas ist bei uns grundsätzlich verboten. Für so etwas gibt es bei uns eine Anzeige und die Kündigung.«

»WEN HABEN SIE DURCHGELASSEN?«

»Niemand!«

Thann sprang auf, packte Kaminski am Kragen seines Overalls, riß ihn hoch und knallte seinen Kopf gegen die Wand. Ein kleiner Blutfleck zeichnete sich auf der Rauhfasertapete ab. Kaminski wimmerte.

Thann schrie: »WER WAR’S? RAUS MIT DEM NAMEN!«

Er stieß Kaminski noch einmal gegen die Wand. Der Müllwärter wehrte sich nicht und heulte. Der rote Fleck war größer geworden. Thann ließ Kaminski zurück in den Stuhl fallen.

Die Gangart gewechselt. Jetzt ruhig, fast freundschaftlich: »Herr Kaminski, wenn Sie mir den Namen sagen, will ich weiter nichts mehr von Ihnen. Keine Anzeige, keine Kündigung, ich werde nichts verraten.«

Herbert Kaminski heulte weiter vor sich hin. Erst als Thann kurz vor einem neuen Gewaltausbruch stand, begann er zu reden.

»Kaminski. Ralf Kaminski. Mein Bruder. Er hat einen Betrieb. Teppichböden, Fußbodenbeläge und so. Er kommt fast jede Nacht, wenn ich Dienst hab’. Sie wissen gar nicht, wie hoch die Müllgebühren sind. Und der Wettbewerb in der Branche von meinem Bruder ist hart. Wenn ich ihn nicht schwarz durchlassen würde, hätte er längst Pleite gemacht, sagt er immer. Aber ich schwöre: kein Sonderabfall, nur Reste und alte Teppichböden.«

Der Mann im blauen Overall redete noch eine Weile weiter, unterbrochen von seinem eigenen Schniefen und Schneuzen. Immer wieder beteuerte er, daß er niemals Sonderabfall auf die Deponie ließe. Thann überlegte, ob zu dieser Kategorie auch Leichen zählten.

Als sich Kaminski beruhigt hatte, bugsierte ihn Thann aus dem Raum. Dann hängte er die Zeichnung des Opfers über den roten Fleck an der Wand und genehmigte sich einen letzten Schluck Weinbrand.

Kapitel 6

Thann fror, als er in seinem alten Golf durch Nacht und Regen nach Hause fuhr, und er fror, als er seine kalte Wohnung betrat. Während er sich aus den Resten, die der Kühlschrank hergab, ein Abendessen bereitete, rechnete er die Stunden zusammen, die er heute gearbeitet hatte, und kam auf vierzehn.

Er zog sich eine Strickjacke an und öffnete ein Bier. Auf der Suche nach Ablenkung schaltete er durch alle Fernsehprogramme, doch er fand nichts, was ihn interessierte. Er legte eine Platte auf. Jazz. Tony Williams. Es war seine Lieblingsmusik, doch an diesem Abend wirkte sie nicht. Sein Fall ging ihm nicht aus dem Kopf. Die Augen. Und Bollmann. Junior, das ist eine Nummer zu groß für Sie.

Das Telefon riß ihn aus der Grübelei. Es war Corinna. Corinna-Maus, der er kurz, aber heftig hinterhergetrauert hatte. Sie meldete sich zum ersten Mal seit ihrer Trennung vor einem halben Jahr.

»Wie geht’s meinem Kater Carlo?«

»Ich bin nicht mehr dein Kater. Was gibt es?«

»Ich wollte nur hören, wie es dir geht.«

»Gut, wieso?«

»Ich mußte neulich an unseren Urlaub denken. Sag mal, du hast doch noch die Fotos. Eigentlich stehen sie mir genauso zu, oder?«

»Ich werde Abzüge machen lassen und dir zuschicken. Du wohnst noch bei Holger?«

»Ja.« Bedrücktheit in ihrer Stimme.

»Wie geht’s dir, Corinna?«

»Geht so. Muß.«

»Nicht mehr glücklich mit Holger?«

»Holger ist ein Arsch.«

»Selber schuld. Du hattest die Wahl.«

»Du bist auch ein Arsch.«

»Danke.« Im Vergleich zweier Ärsche war Holger der attraktivere. Er war Arzt und Sohn reicher Eltern.

»Ich bin schwanger.«

»Gratuliere.«

Der Arzt begann Thann leid zu tun.

»Meine Brüste sind schon richtig angeschwollen. Ich habe jetzt ein viel intensiveres Verhältnis zu meinem Körper.«

»Ach was.«

Noch intensiver. Thann konnte sich Corinna als Mutter nicht vorstellen.

»Wirst du Holger heiraten?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht ziehe ich mein Kind alleine auf.«

»Wie ich dich kenne, weißt du nicht einmal, wer der Vater ist.«

Es kam wie immer. Das Gespräch endete im Streit. Thann war froh, daß es vorbei war. Nun hatte ein anderer die Probleme mit ihr. Seit es mit ihnen zu Ende war, hatte Thann sich gehütet, einer Frau Liebesgeständnisse zu machen. Die Einsamkeit, unterbrochen von wenigen kurzen Affären, zog er der Wiederholung eines Beziehungsdramas vor.