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Anselm und Neslin sind mitsamt ihren Bremer Freunden aus der mittelalterlichen Welt auf jenen fortschrittlichen fernen Planeten namens Golgon umgesiedelt, der sich zudem in einem anderen Universum befindet. Hier eröffnen sie zunächst gemeinsam in der Stadt Freedom City eine neue Goldschmiede und gehen ihrem erlernten Beruf nach. Dann jedoch ergibt sich für Anselm und Neslin eine neue Möglichkeit. Sie sollen in offiziellem Auftrag Zeitreisen in die Zukunft unternehmen. Dass sich daraus zahlreiche Abenteuer ergeben, versteht sich von selbst. So geraten sie in Kontakt mit den sogenannten Warlords, die einst die Menschheit bedrohten und die sich selbst Tribaten nennen. Es gelingt Anselm und Neslin, dauerhaften Frieden zu stiften und die technische Überlegenheit der Tribaten zu nutzen. In der Zukunft des neuen Planeten Superior erleben sie die Gefahr einer fehlgeleitete künstlichen Intelligenz. Ihre heimatliche Erde wird von einer zukünftigen schrecklichen Naturkatastrophe heimgesucht. Sie lernen fiese krokodilähnliche Außerirdische kennen, entgehen knapp einer über sie verhängten Todesstrafe und schlittern in ihr nächstes Abenteuer mit ungnädigen Unsichtbaren. Zu allem Überfluss erfahren sie bei einer Zeitreise in die 10.000-jährige Zukunft von Golgon, dass intelligente Außerirdische auch künstliche Eiszeiten erzeugen können. Zwischenzeitlich reisen sie hin und wieder in ihr mittelalterliches Dorf und kümmern sich dort um ihre Familien. Dann verstirbt Anselms Vater und auch die Familien von Anselm und Neslin entschließen sich, ihren Kindern in die neue Welt zu folgen. Viele Berichte in den Medien begleiten Anselm und Neslin auf ihren Wegen durch Raum und Zeit und so werden sie schließlich zu Personen des öffentlichen Interesses. Am Ende erleben beide trotz ihrer jungen Jahre eine erstaunliche Karriere. Anselm und Neslin, die einst im Mittelalter zuhause waren, sind erfolgreiche Kinder der Zukunft geworden.
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Seitenzahl: 694
Veröffentlichungsjahr: 2022
ANSELM UND NESLIN
in kosmischer Zukunft
Rolf Esser
Impressum
Autor: Rolf Esser © 2022
Umschlaggestaltung, Layout, Grafik: Rolf Esser © 2022
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN Paperback: 978-3-347-70104-5
ISBN Hardcover: 978-3-347-70105-2
ISBN eBook: 978-3-347-70106-9
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Rolf Esser
ANSELM UND NESLIN
in kosmischer Zukunft
Roman
Inhalt
Einleitende Betrachtungen
Vorgeschichte
Die wichtigsten Personen der Geschichte
Kapitel 1 – Der Umzug
Kapitel 2 – Die Ankunft
Kapitel 3 – Experimente
Kapitel 4 – Die geschundene Erde
Kapitel 5 – Die Rückkehr der Warlords
Kapitel 6 – Der historische Vertrag
Kapitel 7 – Die Macht des Superhirns
Kapitel 8 – Der extreme Planet
Kapitel 9 – Wieder Daheim
Kapitel 10 – Das Raumschiff
Kapitel 11 – Die globale Katastrophe
Kapitel 12 – Galaktische Abenteuer
Kapitel 13 – Die Unsichtbaren
Kapitel 14 – Die Eiszeit und der Angriff
Kapitel 15 – Die Wahl
Bildquellennachweis
Bücher von Rolf Esser
Einleitende Betrachtungen
Wer dieses Buch liest, möge nichts von dem glauben, was sich irgendwie wissenschaftlich anhört. Zwar geht die Wissenschaft heute davon aus, dass bisher Undenkbares in der Zukunft möglich sein könnte. Theorien dazu gibt es unendlich viele. Es bleiben jedoch Zweifel, ob tatsächlich alles eintritt, was man auf höchst komplizierten Wegen errechnen kann.
Beispiel Zeitreisen
Zeitreisen werden prinzipiell für möglich gehalten. Verlässt man mit einem fast lichtschnellen Raumschiff die Erde und kehrt nach Ablauf einer Reisedauer wieder zurück, so ist auf der Erde ein längerer Zeitraum verstrichen als an Bord des Raumschiffes. Man kehrt also in der Zukunft der Erde zurück. Die Ursache dafür ist eine Zeitverschiebung, die nach der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein bei derartig hohen Geschwindigkeiten auftritt.
Für Zeitreisen in die Vergangenheit gibt es Theorien, die sehr umstritten sind. Unbestritten ist jedenfalls, dass die praktische Umsetzung derartiger Theorien in absehbarer Zeit unmöglich ist. 1949 entdeckte Kurt Gödel, dass eine Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie, bei der das Universum rotiert, das Zurückkehren eines Objekts in seine eigene Vergangenheit ermöglicht. In diesem Zusammenhang wird auch immer das Großvater-Paradoxon angeführt. Man kann nicht in die Vergangenheit zurückkehren, um den Fortgang der Geschichte zu ändern.
Ein Beispiel dazu: Ein Mann erfährt, dass sein Großvater ein Massenmörder war. Er entschließt sich, in die Vergangenheit zu reisen, den Großvater zu töten und so den Massenmord zu verhindern. Tötet er aber den Großvater, bevor dieser den eigenen Vater oder die Mutter gezeugt hat, so gibt es diesen Mann gar nicht. Er kann also auch nicht in die Vergangenheit reisen.
Sollten Zeitreisen also tatsächlich möglich sein, so müsste es einer weit fortgeschrittenen Menschheit der Zukunft gelingen, diese auch in die Tat umzusetzen. Es sei allerdings die Frage erlaubt, warum wir bisher keine Besucher aus der Zukunft begrüßen durften. Aber womöglich sind sie längst unter uns – gut getarnt und klammheimlich.
Beispiel Lichtgeschwindigkeit
Das Licht bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern pro Sekunde durch den Raum. In einem Jahr legt es etwa 9,5 Billionen Kilometer zurück. Man spricht daher auch vom Lichtjahr. Das Lichtjahr ist im astronomischen Sinn vor allem eine Zeitangabe. Wenn wir einen Stern in einer Entfernung von 100 Millionen Lichtjahren entdecken, dann blicken wir 100 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit. Das Licht des Sterns, das wir heute sehen, wurde vor einer derart langen Zeit losgeschickt. Gut möglich, dass es diesen Stern gar nicht mehr gibt. Und wir können nur bis zu einer gewissen Grenze in den Weltraum hinausblicken. Alles Licht, das außerhalb dieser Grenze entsteht, bleibt uns ewig verborgen (siehe Universum).
Nach Einstein können sich Objekte im Raum nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Für den Raum selbst gilt das nicht. Wissenschaftler haben nun errechnet, dass man innerhalb einer sogenannten Warp-Blase, in der sich ein Raumschiff befindet und quasi im Ruhezustand ist, sogar mit Überlichtgeschwindigkeit reisen kann. Die Raumzeit vor und hinter der Blase muss »nur« gebeugt werden. Wie das gehen soll, weiß kein Mensch.
Beispiel Wurmloch
Erstmals wurden Wurmlöcher im Jahre 1935 von Albert Einstein und Nathan Rosen beschrieben. Der Name Wurmloch stammt anschaulich vom Vergleich mit einem Wurm, der sich durch einen Apfel hindurchfrisst. Er verbindet damit zwei Seiten des Apfels durch einen Tunnel. Ein Wurmloch verbindet demnach zwei entfernte Orte im Universum (oder zwei Universen) miteinander.
Es gibt bislang keine experimentellen Beweise für Wurmlöcher. Wurmlöcher sollen sogar, wenn es sie denn gibt, schnell zerfallen. Der Zerfall einer Wurmlochverbindung könne nur, so die Wissenschaft, durch sogenannte exotische Materie verhindert werden. Bisher ist keine Möglichkeit bekannt, wie man exotische Materie herstellen, geschweige denn, wie man damit Wurmlöcher bauen kann. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass man für ein Wurmloch mit einem Meter Durchmesser exotische Materie in etwa der Masse des Jupiter brauchen würde. Eventuell sind auch nur mikroskopische Wurmlöcher in atomarer Größenordnung möglich.
Beispiel Elementarteilchen
Schon die alten Griechen erkannten, dass die Welt aus Atomen (Unteilbaren) besteht. Die moderne Wissenschaft jedoch hat gezeigt, dass auch die Unteilbaren weiter zerlegbar sind, in subatomare1 Elementarteilchen. Mit der Zeit ist daraus ein wahrer Teilchenzoo entstanden. Es gibt sechs Arten Quarks, die jeweils dreifach gezählt werden, sechs Arten Leptonen, zwölf Arten Austauschteilchen für die Kraftfelder wie etwa Photonen, mittels derer je zwei der vorstehend genannten Teilchen aufeinander einwirken, und das Higgs-Boson2. Alle diese Teilchen sind sehr klein. Zwei Beispiele: Ein Stecknadelkopf besteht aus 1022 Elektronen und 1023 Quarks. Wenn ein Teelicht leuchtet, entstehen in der Flamme jede Sekunde etwa 1020 Photonen.
In der Theorie werden noch weitere, bisher nicht nachgewiesene Elementarteilchen vorhergesagt, etwa Gravitonen, die für die Gravitation, die Massenanziehung, verantwortlich sein sollen. Ein großer Erfolg war jedoch der Nachweis des Higgs-Bosons am europäischen Kernforschungszentrum CERN im Jahre 2012. Es ist Bestandteil des allgegenwärtigen Higgs-Felds, das allen anderen Teilchen erst ihre Masse verleihen soll. Dass es das Higgs-Boson möglicherweise gibt, hatte ein gewisser Peter Higgs bereits 1964 in einer wissenschaftlichen Studie formuliert.
Beispiel Universum
Mit Universum bezeichnet man in der Physik den uns umgebenden Weltraum und die darin vorgefundene Anordnung aller nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten organisierten Materie und Energie, angefangen bei den elementaren Teilchen bis hin zu den großräumigen Strukturen wie Galaxien und Galaxienhaufen.
In den letzten Jahrzehnte hat es dazu viele bahnbrechende Erkenntnisse gegeben, nicht zuletzt durch den Einsatz vieler Satelliten. Tatsächlich weiß man aber über das Universum immer noch recht wenig. So streitet man über seine Entstehung, etwa über den Urknall (Big Bang). Kann etwas aus dem Nichts entstehen? Fest steht aber, dass das Universum etwa 13,8 Milliarden Jahre alt ist.
Dann fand man heraus, dass das Universum erheblich mehr Masse enthält als sein Anblick hergibt. Nur etwa vier Prozent aller vorhandenen Masse ist bekannte Masse. Der Rest soll dunkle Materie und dunkle Energie sein, wobei niemand weiß, was das ist. Die bekannte Masse aber besteht zu 99 Prozent aus Wasserstoff und Helium.
Während Einstein noch davon ausging, dass das Universum statisch, also unbeweglich ist, fand die neuere Forschung heraus, dass sich das Universum mit wachsender Geschwindigkeit ausdehnt. Zwangsläufig wird es daher, wenn es sich nicht wieder verlangsamt, in ferner Zukunft einmal völlig leer sein.
Es ist aber nicht so, dass sich die Galaxien mit ihren Sternen von uns entfernen, sondern der Raum dazwischen dehnt sich aus. Die wachsende Ausdehnungsgeschwindigkeit erzeugt einen Ereignishorizont, hinter dem alle Galaxien irgendwann verschwinden. Licht aus fernen Gebieten des Alls ist dann im Vergleich zur Ausdehnungsgeschwindigkeit zu langsam und kann nicht mehr bis zu uns durchdringen.
Aber auch sonst ist viel Bewegung im All. Die Sterne bewegen sich und die Galaxien auch. So streben unsere Milchstraße und der Andromedarnebel (der kein Nebel, sondern eine Sternenansammlung ist) mit 130 km pro Sekunde aufeinander zu und werden sich dereinst zu einer Supergalaxie vermengen.
Auch über die Form des Universums ist man uneins. Vieles deutet auf ein flaches unendliches Universum hin. Aber was soll ein flaches Universum sein? Ist es nicht räumlich? Flach muss man sich in diesem Zusammenhang anders vorstellen. Ein kleiner aufgeblasener Luftballon hat eine stark gekrümmte Oberfläche, die aber ohne Grenzen ist. Bläst man ihn weiter auf, so wird die Oberfläche immer flacher. Bläst man ihn auf eine gedachte unendliche Größe auf, so wird seine Oberfläche gänzlich flach. So muss man sich das beim Universum vorstellen. Das Universum ist unendlich, flach und ohne Grenzen.
Wie verträgt sich aber ein unendliches Universum mit dem Gedanken an ein Multiversum? Der Begriff Parallelwelt oder Paralleluniversum bezeichnet eine angenommene Welt oder ein Universum, das außerhalb des uns bekannten Universums existiert. Die Gesamtheit aller Parallelwelten wird als Multiversum bezeichnet. Es gibt Theorien, in denen solchen Welten eine wirkliche Existenz zugeschrieben wird. Es wird aber auch der Gedanke vertreten, dass sich unser Universum in viele von einander unabhängige Bereiche aufteilt.
Die Viele-Welten-Theorie ist eine Interpretation der Quantenmechanik. Sie basiert auf dem Gedanken, das beobachtbare Universum sei nur ein Teil der gesamten Wirklichkeit, die aus vielen nebeneinander existierenden Welten besteht, in denen quantenmechanische Einzelmessungen jeweils andere Resultate ergeben. Traut man den Angaben von Astrophysikern, so soll es 10500 Möglichkeiten für andere Welten geben. Solche Berechnungen lassen sich überhaupt nur anstellen, wenn man davon ausgeht, dass es neben den bekannten drei Raumdimensionen und der Zeit noch weitere 10 Raumdimensionen gibt, wobei sich die Frage ergibt, ob das überhaupt möglich ist. Denn wenn wir uns umsehen oder in den Weltraum blicken, dann sehen wir immer nur drei Dimensionen. Nie hat jemand eine weitere entdeckt. Die Physiker erklären das damit, dass zusätzliche Dimensionen aufgerollt sind und sich in subatomarer Größe verstecken. Wer will das verstehen?
Der Gedanke an ein Multiversum zeitigt noch andere Absonderlichkeiten.
So soll es uns in parallelen Welten als Doppelgänger geben, jeweils mit einem eigenen Lebensweg. Es kann daher gut sein, dass in einem fernen Universum Elvis Presley noch lebt, dort aber Zahnarzt ist und gerne Volksmusik hört. Der Kosmologe Max Tegmark hat sogar berechnet, wie weit man im Universum reisen muss, um auf den eigenen Doppelgänger zu treffen. Es handelt sich um die schlappe Entfernung von 10 hoch 1029 Metern, eine irrwitzige Zahl. Im Vergleich dazu ist der Durchmesser des beobachtbaren Universums mit 1026 Metern ein Katzensprung. Wie muss man mit derart abnormen Maßangaben umgehen, wenn es sogar unendlich viele Doppelgänger von uns geben soll?
Die Naturgesetze, die wir für fast unumstößlich halten, könnten in jedem einzelnen Universum eines Multiversums eine andere Gestalt haben. Das allerdings würde dazu führen, dass vielerorts Leben nicht möglich wäre. Denn alle Eigenschaften unseres Universums sind so fein aufeinander abgestimmt, dass dadurch Leben erst ermöglicht wird, jedenfalls so, wie wir es kennen.
Was aber, wenn unsere Welt nur eine Simulation ist? So, wie wir es von den Matrix-Filmen kennen? Wir alle sind selbst nur das Ergebnis einer Computersimulation, die von einer weit fortgeschrittenen Zivilisation veranstaltet wird. Die Welt um uns herum, die wir ständig wahrzunehmen glauben, ist der pure Schwindel.
Man könnte das als großen Quatsch abtun, wenn es nicht bedeutende Naturwissenschaftler und Philosophen gäbe, die diese Idee tatsächlich ernst nehmen. Jeder Gedanke, den jeder einzelne Mensch auf der Erde hat, wird demnach von einem gigantischen Computer ausgebrütet. Liebe, Leid, Geburt, Schmerz, Tod – alles nur virtuelle Vorgänge? Eine Horrorvorstellung! Und wie abartig muss ein Computer programmiert sein, um Auschwitz und den Holocaust zu errechnen? Auch Naturwissenschaftler und Philosophen können irren. Hier haben sie sich gewiss verrannt.
Beim Nachdenken über das Universum ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob das alles nun Zufall ist oder ob ein Plan dahinter steckt. Im Prinzip kann man die Darwin´sche Evolutionstheorie auch auf das Universum anwenden, wenn man den Faktor Selektion außer Acht lässt. Eins ergibt sich aus dem anderen über lange Zeiträume, aber es gibt nicht den steten Kampf ums Dasein, wie er etwa bei der Entstehung des Lebens zu beobachten ist. Die Vertreter des intelligenten Designs (ID), die vor allem in den USA das Wort erheben, lehnen eine solche Sichtweise ab. Für sie steht hinter allem ein Designer, ein Schöpfer, also Gott.
Ein Designer, der eine so geniale Konstruktion wie das Universum schaffen kann, muss außerhalb von Raum und Zeit existieren. Wo Raum und Zeit fehlen, ist aber das Nichts. Wo nichts ist, kann nicht etwas anderes sein. Wo also ist der Designer?
Design ist etwas, das eine Projektion auf ein zukünftiges Ergebnis beinhaltet. Design macht nur Sinn innerhalb der Zeit, obwohl es auch zeitlosen Design gibt, aber das ist eine andere Sache.
Und warum hat der Schöpfer ausgerechnet dieses lebensfreundliche Universum gewählt. Er hätte auch jedes andere entwerfen können. Hatte er keine Wahl? Dann ist er kein Designer. Die Christen sagen, dass alles der Natur Gottes entsprang. Woher kommt diese Natur? Wer ist der Designer des Designers? Wer hat Gott geschaffen? Mit der Beantwortung dieser Frage mühen sich die Theologen seit Jahrhunderten. Für sie wurde Gott nicht erschaffen, er ist ein notwendiges Wesen. Für die Existenz dieses Wesens fehlt nach wie vor der wissenschaftliche Beweis. Allerdings kann die Wissenschaft auch nicht beweisen, dass es dieses Wesen nicht gibt.
Beispiel Materie
Jedes Elementarteilchen hat ein Antiteilchen. So ist das Positron das Antiteilchen des Elektrons. Wissenschaftler hegen die Vermutung, dass während der Entstehung des Universums daher auch gleiche Mengen an Materie3 und Antimaterie entstanden sein müssen. Allerdings lässt sich Antimaterie im All kaum feststellen. Sie muss im Entstehungsprozess der Welt den Kürzeren gezogen haben.
Unser beobachtbares Universum besteht im Wesentlichen aus Materie in der Größenordnung von 1050 Tonnen.
Antimaterie lässt sich in Teilchenbeschleunigern in äußerst geringen Mengen im Nano-Bereich künstlich erzeugen. Trifft Antimaterie auf Materie, so vernichten sie sich gegenseitig.
Beispiel Leben
Früher glaubte man, dass Leben nur auf der Erde möglich ist, ja, dass sie sogar wie eigens für den Menschen geschaffen scheint. Übersehen hat man dabei, dass es Leben schon Jahrmillion vor dem Menschen gab.
In der Tat ist es durchaus so, dass alle Eigenschaften der Erde (und des Universums) so sind, dass sich dadurch erst Leben entwickeln konnte. So könnte eine anders geneigte Erdachse, ein anderer Abstand zur Sonne oder eine veränderte Atmosphäre weitgehende Folgen für das Leben haben.
Andererseits hat die Weltraumforschung gezeigt, dass lebensstiftende Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor überall im Kosmos vorhanden sind. Flüssiges Wasser wird auch als Voraussetzung für Leben angesehen, ebenso wie eine Energiequelle und ein stabile Umgebung.
Das alles bietet die Erde gewiss. Aber im Gesamtzusammenhang unseres Universums gesehen, ist sie nur ein unendlich kleiner Punkt in einer durchschnittlichen Galaxie. Warum also sollte die Erde so einzigartig sein und Leben, zumal intelligentes Leben, nur dort möglich sein?
Unsere Milchstraße besteht geschätzt aus mehr als 100 Milliarden Sonnen. In dem von uns beobachtbaren Teil des Universums gibt es weitere 100 Milliarden Galaxien, die oft erheblich größer sind als die Milchstraße. Rechnet man einmal hoch, wie viele Planeten sich aus einer so gewaltigen Anzahl von Sonnen ergeben können, dann wird man ebenfalls eine astronomische Summe erhalten. Allein in der Milchstraße soll es drei Milliarden Planeten geben. Unter all diesen Planeten werden millionenfach welche sein, die für Leben geeignet sind oder die gar unserer Erde gleichen. Warum sollte es da draußen nicht irgendwo auch intelligentes Leben geben oder eine Zivilisation, die der unseren womöglich schon weit voraus ist?
Wir werden es vermutlich nie erfahren, weil die astronomischen Entfernungen für eine Kontaktaufnahme viel zu gewaltig sind. Wem nützt es, wenn wir eine Nachricht empfangen, die vor 100.000 Jahren abgeschickt wurde, und unsere Antwort ebenso lange braucht?
Ohnehin ist die Lebenszeit der Menschheit auf der Erde begrenzt. Unsere Sonne wird sich in etwa fünf Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen aufblähen. Dann wird es auf der Erde sehr, sehr heiß. Die Erdkruste wird zu einem einzigen Lava-Ozean aufgeschmolzen. Das war´s dann. Die Menschheit, wenn es sie in dieser fernen Zeit überhaupt noch geben sollte, wird sich rechtzeitig ein anderes Plätzchen im Universum suchen müssen.
Fazit
Der geneigte Leser sieht: Vieles, was man über unsere Welt zu wissen glaubt, steckt noch sehr im Ungewissen. Anderes, das man bisher nicht wusste, erscheint einem so fremdartig, dass man sich weigert, es zu glauben. Die wissenschaftliche Zukunft wird noch viele Überraschungen bereithalten. So definierte das Physik-Genie Stephen Hawking das Wesen eines Schwarzen Loches gänzlich anders als bisher angenommen. Man darf vermuten, dass es in der Wissenschaft immer so weitergeht.
Der Leser kann aber sicher sein, dass man auf Golgon, dem fortschrittlichen Planeten in jenem parallelen Universum, alles im Griff hat, was bei uns noch als unmöglich gilt oder gar den Stempel der Fantasterei bekommen hat. Sogar die Annahme von menschlichen Doppelgängern bestätigt sich dort. Anselm und Neslin und ihre Freunde sind in einer Welt angekommen, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.
(Abbildung: Stephen Hawking, britischer theoretischer Physiker und Astrophysiker, *8. Januar 1942 in Oxford, England; †14. März 2018 in Cambridge)
1 subatomar – kleiner als ein Atom
2 Boson – Teilchen, das Kräfte zwischen Materieteilchen vermittelt
3 Materie - Bezeichnung für den Grundstoff, aus dem alle Dinge der Welt bestehen
Vorgeschichte
Aus dem Buch »Anselm und Neslin«
Anselm und Neslin, zwei Kinder aus einem Dorf des Spätmittelalters, werden durch eine falsche Anschuldigung und ein ungerechtes Gerichtsverfahren zur Flucht gezwungen. Mit dem Fahrenden Volk finden sie den Weg in die Fremde und erleben das mittelalterliche Stadtleben einschließlich Hexenprozess. Als die Pest über die Stadt kommt, entkommen sie der Gefahr mit einem Fernhändler. Dieser kommt bei einem schlimmen Unfall in den Alpen ums Leben. Die Kinder werden von Mönchen gerettet. Sie verbringen über ein Jahr in der frommen Gemeinschaft und lernen dort Latein.
Da sie auf Dauer keine Mönche werden wollen, schließen sie sich einer Gruppe von Kaufleuten an, die auf dem Weg nach Ägypten ist, um dort Edelsteine einzukaufen. Eine abenteuerliche Seefahrt über das Mittelmeer beginnt, bis sie schließlich nach Monaten in Alexandria eintreffen. Es folgen atemberaubende Erlebnisse, die sich bei der Weiterreise nach Kairo, den Pyramiden und nach Oberägypten fortsetzen. Bei einem Bad im Nil findet einer der Kaufleute den Tod. Im Tal der Könige in Theben erleben die Reisenden die Schrecken der altägyptischen Mythologie. In Assuan überfällt sie die ägyptische Geschichte.
In einem traumatischen Zustand wird Anselm auf der Insel Elephantine in eine andere Zeit und in ein anderes Universum befördert. Das Mädchen Neslin ereilt in jenem Assuan die Pest. Zum Glück wird sie geheilt. Es schließt sich eine stürmische Nilfahrt an und die Rückfahrt über das Mittelmeer nach Italien. Dort erleben sie einen Vulkanausbruch, die römischen Gladiatoren und den Überfall einer Söldnertruppe.
Auf dem weiteren Heimweg machen sie Halt auf einer Ritterburg in den Voralpen, wo sie Zeugen eines Ritterturniers werden. Im Zuge der Weiterreise passieren sie den Schwarzwald und lernen die Papierherstellung kennen. Schließlich gelangen die Reisenden wieder in das Dorf der Kinder, wo die Kaufleute eine Rehabilitation des verurteilten Anselm erzwingen. Die Kinder, die inzwischen Jugendliche geworden sind, waren drei Jahre unterwegs. Nun gehen sie mit den Kaufleuten nach Bremen. Die kaufmännischen Freunde geben ihnen die Möglichkeit, sich eine umfassende Bildung anzueignen. Beruflich werden sie zu Kaufleuten und Goldschmieden ausgebildet. Am Ende wird klar, dass Anselm und Neslin sich nach den jahrelangen gemeinsamen Abenteuern in Liebe zugetan sind.
Aus dem Buch »Anselm und Neslin in Raum und Zeit«
Zurück im mittelalterlichen Bremen schließen Anselm und Neslin den Bund fürs Leben. Eines nachts überkommt Anselm die Erkenntnis, dass seine Vision, die er bei Assuan auf der Insel Elephantine hatte, real war. Er war auf einem fremden Planeten in einem fernen Universum, da ist er sicher, weil ihm so viele Einzelheiten einfallen, die ein Mensch des Mittelalters gar nicht kennen kann. Zusammen mit ihrem Freund Adam reisen Anselm und Neslin wieder nach Ägypten an den Ort des damaligen Geschehens, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Unterwegs wollen sie noch Station machen bei der freundlichen Ritterfamilie in den Voralpen. Zu ihrem Entsetzen müssen sie feststellen, dass der Ritter samt seinem Gefolge von dem Grafen von Löwenhof und seiner Streitmacht ermordet und die Burg zerstört wurde. Mit diesem Grafen lag der Ritter schon lange in Fehde. Die Tochter des Ritters, Agnes, wurde von dem üblen Widersacher entführt.
Als die drei endlich in Ägypten und auf Elephantine ankommen, werden sie von dort tatsächlich auf den fernen Planeten Golgon gebeamt. Dieser Planet befindet sich in einem Paralleluniversum in einem Abbild der Milchstraße unseres Universums. Auch unser Sonnensystem und die Erde gibt es dort. Und es gibt in Gestalt von Jack und Nelly genaue Ebenbilder von Anselm und Neslin. Auf Golgon leben die Menschen im Jahre 2290 in einer weit fortgeschrittenen Zivilisation. Sie haben die Möglichkeit, sich von einem Ort zu einem anderen zu beamen und können so in die Vergangenheit reisen.
Diesen Umstand machen sich Anselm und Neslin zu nutze und unternehmen Zeitreisen in die Geschichte ihrer Erde. Dabei lernen sie viel und machen überraschende Entdeckungen. Zuweilen wird es richtig gefährlich. Mitunter greifen sie auch ein wenig in die Vergangenheit ein und verändern so den Lauf der Dinge.
Am Ende aber zieht es Anselm und Neslin doch zurück ins Mittelalter, nach Bremen, wo sie ein gemütliches Haus haben und wieder in ihrer geliebten Goldschmiede arbeiten können. Ihr Freund Adam jedoch bleibt auf Golgon. Er hat sich dort in eine Frau verliebt und diese geheiratet.
Bevor Anselm und Neslin jedoch Bremen erreichen, befreien sie noch Agnes, die Ritterstochter, aus den Fängen des Grafen von Löwenhof. Sie nehmen Agnes mit nach Bremen.
Dort verlieben sich bald Agnes und ihr Kaufmannsfreund Helfrich ineinander und heiraten ebenfalls. Am Abend nach der Hochzeitsfeier werden Anselm und Neslin von ihren Ebenbildern Jack und Nelly überrascht, die sich von Freedom City auf Golgon nach Bremen beamen ließen.
Die wichtigsten Personen der Geschichte
in der Reihenfolge ihres Erscheinens
Anselm bzw. Jack
Neslin bzw. Nelly
Eberold von Sternwald – Goldschmied
Katharina – Frau von Eberold
Petrissa – Tochter von Eberold und Katharina
Jakob Lichtenberg – Goldschmied
Christine – Frau von Jakob
Gunvald – Sohn von Jakob und Christine
Adam Wienstein – Goldschmied
Jelly Cramer – Frau von Adam, Schwester von Harold, Mutter von Nelly
Herman – Sohn von Adam und Jelly
Helfrich Miehlen – Goldschmied
Agnes – Frau von Helfrich
Harold Cramer – Erster Universonaut
Sergej Prokanow – Navigator
Lin Shi Huang – Kommunikator
Tom Johnson – Wissenschaftler/Techniker der Gleiter-Station
Anny Sjöwald – Wissenschaftlerin/Technikerin der Gleiter-Station
Takashi Nakamura – Leiter des Future Space Development Department
Walter Baumann – Schreiner in Freedom City
Professor Dr. Tao Xiu – Museumsdirektor
Dr. Camille Montiniere – stellvertr. Museumsdirektorin
Amit Khanna – Bezirksvertreter in Hamburg
Vicenzo Natale – Bezirksvertreter in Hamburg
Eldar Hakonsen – Minister für extragalaktische Angelegenheiten
Gkerk – Tribate, Außerirdischer
Glak – Tribate, Außerirdischer
Gror – Tribate, Außerirdischer
Gbir – Tribate, Außerirdischer
George Towers – Hotelwirt in Superior City
Zam – Außerirdischer
Ritter Ägidius von den Buchen – Leibherr
Hausvogt – Hausverwalter des Ritters
Ensfrid von Kreun – Dorfpfarrer
Zoe McCaughly – Präsidentin der Weltregierung
Hanss – Vater von Anselm
Irmel – Frau von Hanss, Mutter von Anselm
Cunrad –Vater von Neslin
Ella – Frau von Cunrad, Mutter von Neslin
Judith – Anselms Schwester
Peter Rensen – Katastrophenopfer
Hilde – seine Frau
Oskar – sein Sohn
Gerti – seine Tochter
Goroborogorobo – Außerirdische
Lukas – Bruder von Anselm
Murut – Sichtbarer, Außerirdischer
William Cramer – Nachfahre von Harold Cramer
Pedro Sanchez – Parteivorsitzender
Brida – Lukas´ Schwester
Kapitel 1
Der Umzug
Anselm und Neslin sind wieder in ihre mittelalterliche Welt eingetaucht. Als nach der Hochzeitsfeier von Agnes und Helfrich plötzlich Jack und Nelly wie aus dem Nichts auftauchten, waren sie sehr überrascht. Damit hatten sie nicht gerechnet, freuten sich aber umso mehr, denn diese beiden lieben sie so sehr, wie sie einander lieben. Das ist nicht verwunderlich, denn Anselm ist Jack und Neslin ist Nelly. Sie haben nur unterschiedliche Namen und leben in von einander weit entfernten Welten.
Jack und Nelly blieben gut eine Woche bei ihnen. Länger konnten sie nicht verweilen, denn auch sie müssen zurück an ihren Arbeitsplatz auf Golgon und ihren Unterhalt verdienen. Sie wurden mit Kleidung ausgestattet, die den örtlichen Gebräuchen entsprechen, sonst wären sie womöglich aufgefallen und es hätte gefährlich werden können. Die Gäste aus Freedom City sahen sich das mittelalterliche Treiben genau an und waren oft genug höchst verwundert über die Art und Weise, wie die Menschen hier ihr Leben gestalteten. Allerdings – in dieser kurzen Zeit lernten sie nur die Oberfläche der mittelalterlichen Welt und ihrer Denkweise kennen. Würden sie hier einen tieferen Einblick nehmen, es würde sie gewiss eher entsetzen.
Anselm und Neslin kennen diese Welt, denn hier sind sie aufgewachsen. Aber durch ihren langen Aufenthalt auf Golgon haben sie auch eine Welt des grenzenlosen Fortschritts kennengelernt. Und sie haben gesehen, dass Menschen ganz anders zusammenleben können als sie es in ihrem Dorf und hier in Bremen erlebt haben.
Viel Zeit ist seither ins Land vergangen. Man schreibt das Jahr 1358. Neslin und ihr Mann sind inzwischen 22 Jahre alt. Zweimal haben sie seit ihrer Rückkehr ihre Eltern im Dorf besucht. Wie immer schien es ihnen, als sei die Zeit dort stehen geblieben. Keinerlei Veränderung, keinerlei Fortschritt. Die Geschwister sind inzwischen größer geworden, die Eltern aber doch ein wenig gebrechlich. Alle jedoch müssen weiterhin hart arbeiten für ihren bescheidenen Lebensunterhalt. Der einst eigentlich recht umgängliche Ritter schien unnachgiebiger geworden zu sein. Wohl aus Verbitterung über seine missratene Tochter, vermutete Anselms Vater. Und der Pfarrer hatte zu seiner alten kinderquälenden Form zurück gefunden. Man konnte es kaum aushalten auf dem Dorf. Anselm und Neslin haben sich dann auch immer schnell wieder davon gemacht, nicht ohne den Eltern eine ordentliche Unterstützung da zu lassen. Davon konnten sie einige Zeit ein wenig besser leben.
Sie sind wieder voll in die geschäftlichen Aktivitäten der Goldschmiede eingespannt. Die Arbeit macht ihnen nach wie vor große Freude. Die Arbeitsteilung mit Eberold, Helfrich und Jakob funktioniert wunderbar. Während Eberold und Helfrich sich oft aufmachen, um frisches Gold oder Edelsteine aufzutreiben, kümmert sich Jakob um den Verkauf, Neslin entwirft neuen Schmuck und Anselm leitet die Angestellten an und besorgt das Rechnungswesen. Dazu gehört auch, dass er komplizierte Vorhaben berechnet, etwa, wie viel Gold man für einen Bischofsstab braucht oder wie man unterschiedliche Materialien am besten miteinander verbindet.
Das Erstaunlichste an ihrer Situation ist aber, dass Anselm und Neslin weiterhin guten direkten Kontakt zu ihren Freunden auf Golgon haben. Denn sie tragen immer noch den Chip hinter dem Ohr, den man ihnen im Gesundheitszentrum von Freedom City vor ihrer Reise zu den Neandertalern eingepflanzt hatte. Wenn sie »sprechen« sagen, können sie eine Nachricht übermitteln. Sie könnten auch »beamen« sagen und wären im nächsten Augenblick wieder auf Golgon. Das haben sie bisher allerdings vermieden. Oft genug erreicht sie auch eine Nachricht von den Freunden, die diese ja direkt in ihr Ohr übertragen können. Aber sie müssen sehr vorsichtig sein mit dieser Art von »Gegensprechanlage«. Hier bei ihnen würde man ihnen unterstellen, sie seien mit dem Teufel im Bunde.
So sind sie immer gut unterrichtet über das, was auf Golgon vorgeht. Sie freuen sich mit Jelly und Adam, denn Jelly hat vor drei Jahren einen gesunden Jungen geboren. Jack und Nelly überlegen, ob sie es Neslin und Anselm gleich tun und auch heiraten sollen. Aber sie können sich nicht entscheiden, obwohl sie aus Bremen ständig Ermunterungen bekommen. Von Harold hören sie, dass die golgonischen Wissenschaftler immer noch nicht weiter gekommen sind bei der Suche nach der Vierten Dimension. Da könne er ihnen leider auch nicht helfen, hat Anselm zurückgefunkt und sich anschließend darüber köstlich amüsiert.
Hin und wieder wird ihnen auch eine Geschenk »frisch auf den Tisch« gebeamt. So hat Nelly ihnen zuletzt einen großen Stapel Papier und einige gebunden Leerkladden geschickt. Papier gibt es zwar, sie haben ja selbst die Herstellung schon beobachtet. Allerdings ist es noch äußerst selten in der Verbreitung und extrem teuer. Das Papier können sie gut in der Goldschmiede gebrauchen, etwa für gezeichnete Entwürfe, die Neslin für Schmuckobjekte anfertigt. In die Kladden schreibt Anselm die Geschäftsberichte.
Eine der Kladden hat Neslin an sich genommen. Sie will künftig ein Tagebuch schreiben. Sie hat das Gefühl, dass sie all die Gedanken festhalten muss, die in ihrem Kopf herumschwirren. Insgesamt führen sie und Anselm ein angenehmes Leben, aber Neslin bemerkt bei sich, dass eine unerklärliche Last ihr eigentlich positives Lebensgefühl immer mehr beiseite drängt.
Vielleicht sind es die äußeren Umstände in Bremen. 1350 wütete in der Stadt die Pest – wie fast überall in Europa – und raffte 7.000 der 15.000 Einwohner dahin. Durch die Erzbischofsfehde kam es ab 1351 zu Krieg und Unruhen, die immer noch anhalten und als die Hoyaer Fehde bezeichnet werden, eine Fehde, die zwischen der Hansestadt Bremen und dem Grafen von Hoya, aber auch zwischen dem Erzbischof des Bistums Bremen Gottfried von Arnsberg und Graf Moritz von Oldenburg ausgetragen wird. Die Berichte von den ständigen Gemetzeln sind unerträglich.
Gerade verlor Bremen ein Gefecht an der Aller. 150 Bürger, darunter acht von zwölf Ratsherren, gerieten in Gefangenschaft. Hohe Auslösesummen soll die Stadt an den Grafen zahlen. Aber Bremen ist pleite. Hohe Vermögenssteuern werden nun erhoben. Das belas tet auch die Goldschmiede. Überhaupt merken die Freunde, dass die Geschäfte in diesen unruhigen Zeiten nicht mehr gut laufen.
Zu allem Überfluss führt die Hanse, der kaufmännische Städtebund, einen Boykott gegen Flandern durch. Bremen ist nicht mehr Mitglied der Hanse. Bremer Kaufleute witterten daher gute Geschäfte mit Flandern und durchbrachen den Boykott. Die Hanse protestierte, verlangte eine Rechtfertigung und drohte mit Sanktionen4 gegen Bremen. Die Bremer Kaufleute forderten nun vom Bremer Rat ein Einlenken. Nun sind zwei Vertreter der Kaufmannschaft unterwegs, um in Lübeck im Namen der finanziell angeschlagenen Stadt sehr demütig um die Wiederaufnahme in die Hanse zu bitten und zu versprechen, den Flandern-Boykott und Hamburg bei der Bekämpfung der Seeräuber in der Elbe zu unterstützen.
All das, denkt Neslin, wird auf den Rücken der kleinen und armen Leute ausgetragen. Die da oben bestimmen ihre Geschicke. Wer aufbegehrt, wird schnell zur Rechenschaft gezogen, verurteilt und oft genug hingerichtet. Eine kleine Oberschicht von etwa 30 Familien beherrscht die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Stadt. Sie stellen ein Drittel des Rats. Das Ratsherrenamt behalten sie lebenslänglich. Auch die anderen beiden Ratsdrittel, die Wittheit und die Meenheit sind reiche Bürger. Gegen diese Reichen sind sogar Goldschmiede arme Schlucker.
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Aus Neslins Tagebuch
Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Anselm und ich haben es gut. Wir leiden keine Not, obwohl die Geschäfte der Goldschmiede in diesen kriegerischen Zeiten schlecht gehen. Zwar haben wir erhebliche Einbußen im Vergleich zu früher, aberes reicht immer noch für ein auskömmliches Leben.
Es ist, als liege ein Schatten auf meiner Seele. Ich fühle mich schon seit längerer Zeit sehr bedrückt. Anselm habe ich davon bisher nichts gesagt. Ich sollte mit ihm reden.
Ich habe immer geglaubt, hier in Bremen sei unser Zuhause, es sei unsere Bestimmung hier zu leben und unser Glück zu finden. Anselm und ich haben ein gemütlich Haus und bessere Freunde als wir sie haben kann man kaum finden.
Unser langer Aufenthalt auf Golgon liegt nun schon ein paar Jahre zurück. Je länger ich aber auf diese mich umgebende mittelalterliche Welt blicke, umso fremder wird sie mir.Überall Feindseligkeit, Unterdrückung, Ungerechtigkeit. Die Armen müssen das ausbaden, was die Reichen anzetteln.
Wie anders leben doch die Menschen auf Golgon zusammen. Gemeinsam haben sie sich erfolgreich gegen die üblen Warlords gewehrt und sich danach einen Lebensraum geschaffen, in dem jeder Einzelne seinen Platz hat, in dem niemand benachteiligt wird, in dem alle die gleichen Rechte haben.
Und sie sind allem Neuen aufgeschlossen und bemühen sich, den unbekannten Dingen auf die Spur zu kommen. Hier jedoch ist alles Unbekannte, Neue, Andersartige des Teufels. Man weiß nicht das Geringste und glaubt doch, alles zu wissen. Der christliche Glaube ist der Maßstab allen Denkens. Wer dem nicht folgen mag, gilt als ungläubig und wird gnadenlos als Ketzer verfolgt. Die grauenhaften Strafen, die sich kranke Hirne für diese vermeintlichen Ketzer ausgedacht haben, können gewiss nicht im Sinne eines wie auch immer gearteten Gottes sein, von dem die Priester von ihren Kanzeln predigen, dass er gütig ist und jedem reuigen Sünder vergibt. Bereut allerdings vor unseren gnadenlosen kirchlichen Richtern ein Angeklagter Taten, die er zumeist überhaupt nicht begangen hat, dann wird er zur Belohnung nicht auf demScheiterhaufen verbrannt, sondern nur aufgehängt. Und das im Namen Gottes. Es ist unerträglich!
Oft denke ich, dass Adam es richtig gemacht hat, als er sich entschloss, in Freedom City zu bleiben und mit seiner Jelly glücklich zu werden. Wäre es nicht auch für Anselm und mich eine große Erleichterung, wenn wir diese dunkle Zeit des Mittelalters einfach hinter uns ließen? Ich muss Anselm fragen , wie er darüber denkt.
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Wieder ist ein langer Tag in der Goldschmiede zu Ende gegangen. Verkauft haben sie heute nicht viel. Neslin hatte ein Idee. »Wir müssen Goldenes billiger machen«, meinte sie. Wie das gehen solle, zweifelten ihre Freunde.
Sie erklärte es ihnen: »Wenn wir einen Silberlöffel herstellen, dann ist er um Einiges billiger als ein Löffel aus purem Gold. Wenn wir nun Beides verbinden? Wir müssen den Silberlöffel mit einer dünnen Goldschicht überziehen. Den Käufern wird es egal sein, denn es sieht aus wie Gold. Aber sie werden sich über den Preis freuen.«
Gesagt, getan. Anselm rechnete aus, wie dick eine solche Goldauflage sein muss. Ein Esslöffel würde einen oberflächlichen Goldanteil von 0,117 Apotheker-Unzen erfordern, so hat er ermittelt. Das wäre ein hauchdünner Überzug, der Preis gegenüber einem massiven Goldlöffel aber würde dramatisch sinken. Morgen wollen sie sich daran machen, den Plan umzusetzen. Wenn das Vergolden für Löffel funktioniert, dann kann man es auch für andere Schmuckstücke versuchen.
Nun sitzen Neslin und Anselm in ihrem gemütlichen Wohnzimmer, trinken Tee und ruhen sich aus. Neslin kommt Anselm ein wenig gehemmt vor. Im Allgemeinen hat sie immer viel zu erzählen, aber heute Abend wirkt sie recht verschlossen und nachdenklich.
»Was ist los, Liebes? Was bedrückt dich? Du hast mal gesagt, dass man darüber reden muss, wenn einen etwas bedrängt. Also?«
»Ach, Anselm! Es ist alles nicht so einfach. Heute habe ich versucht, all meine Gedanken, die mich in letzter Zeit bewegen, in meinem Tagebuch zusammen zu fassen. Am Ende musste ich erkennen, dass ich mich in dieser finsteren mittelalterlichen Zeit nicht mehr wohl fühle. Die alleinige Wahrheit hat eine engstirnige Einrichtung namens Kirche gepachtet und die Menschlichkeit bleibt dabei auf der Strecke. Alle, die dieser Wahrheit widersprechen, werden in die ewige Verdammnis geschickt. Und die Obrigkeit – Priester, Fürsten, Ratsherren – bereichert sich auf Kosten der Armen. Wir in der Goldschmiede machen zwar unsere besten Geschäfte mit dieser Obrigkeit, aber um welchen Preis? Und denk´ doch daran, wie unsere Leute auf dem Dorf behandelt werden in ihrer Leibeigenschaft. Ich kann das alles nicht mehr ertragen.«
»Ich muss zugeben, dass ich mir darüber auch schon Gedanken gemacht habe. Aber es war doch immer so. Und früher hat es dich nicht gestört.«
»Früher habe ich einfach vor mich hin gelebt und nicht groß darüber nachgedacht. Aber wir waren lange auf Golgon. Und dort haben wir gesehen, dass es auch anders geht. Dass Menschen in Würde miteinander umgehen können. Im Grunde beneide ich Adam, dass er den Mut hatte, dort zu bleiben. Ich habe immer geglaubt, unser Platz sei hier, aber nun sind die Zweifel stärker.«
»Jetzt, wo du es sagst, fällt mir auf, dass ich mich auf Golgon sehr wohl gefühlt habe. Man war aus sich selbst heraus einfach frei.«
»Siehst du, das meine ich! Eine selbstverständliche Freiheit, die jedem Menschen innewohnt. Eine Freiheit, die Geist und Körper gleichermaßen einschließt. Hier jedoch, in diesem hochverschuldeten und in immerwährende Auseinandersetzungen verstrickten Bremen schwebt das Damoklesschwert der ewigen Sünde über unseren Köpfen und lässt uns keinen Raum für unsere Freiheit. Im Mittelalter ist Freiheit nicht vorgesehen.«
»Ja, aber was machen wir denn nun, Neslin? Normalerweise kann ein Mensch seinen Lebensumständen kaum entrinnen, zumal in diesem dunklen Zeitalter. Ich möchte allerdings nicht, dass du immer unglücklicher wirst. Wir können dieser Zeit entkommen, wir können uns zurück nach Golgon beamen. Wollen wir das?«
»Ich weiß es nicht. Und was ist mit unseren lieben Freunden hier? Die wollen wir bestimmt nicht aufgeben. Briefe, die hin und her gebeamt werden, sind auf Dauer unbefriedigend.«
»Ich denke«, sagt Anselm, »wir sollten es so wie immer machen, wenn Probleme auftauchen. Wir sollten unsere Freunde um Rat fragen. Das hat uns bisher jedes Mal weiter gebracht.«
Und so beschließen Anselm und Neslin, die Freunde für das nächste Wochenende zu einem Gespräch einzuladen.
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Das Wochenende ist da und die Freunde sind es am dies sabbatinus5 auch. Eberold, seine Frau Katharina und die gar nicht mehr so kleine Petrissa. Jakob, seine Frau Christine und der dreijährige Gunvald. Helfrich mit Frau Agnes, beide noch ohne Nachwuchs. Neslin hat Kuchen gebacken und rein äußerlich sieht es nach einem gemütlichen Kaffeeklatsch aus. Aber es geht um mehr.
Nachdem alle sich am Kuchen gütlich getan haben, beginnt Anselm das Gespräch: »Wir haben euch heute hergebeten, weil wir etwas Grundsätzliches mit euch besprechen wollen. Neslin und ich haben uns in dieser Woche über ein Problem unterhalten, das vor allem Neslin sehr bedrückt. Sie fühlt sich nicht mehr wohl in dieser Stadt und in dieser Zeit. Das Mittelalter, so meint sie, ist ein Zeitalter der Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Die Armen müssen leiden, während sich die Oberen auf ihre Kosten bereichern. Ich muss ihr da beipflichten, denn wir beide haben es auf Golgon anders erlebt. Dort können die Menschen in Frieden, Eintracht und Freiheit ihr Leben selbstbestimmt gestalten. Für uns ergibt sich die Frage, ob wir zurück nach Golgon gehen sollen, wo Adam ja verblieben ist. Wir möchten dazu eure Meinung hören.«
Die Freunde sind überrascht. Damit haben sie nicht gerechnet. Zunächst herrscht Stille. Dann fasst sich Jakob.
»Ich kann Neslin durchaus verstehen. Wir leben durch unsere Goldschmiede in einer hervorgehobenen Stellung und haben es vergleichsweise gut. Aber wir sehen auch, was um uns herum passiert. Manches ist unfassbar. Allein diese Hoyaer Fehde ist der pure Irrsinn. Und die mittelalterliche Rechtsprechung hat mit Recht nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine arme Seele auf dem großen Markt am Pranger steht. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein armer Teufel aufgehängt wird. Und die Zahl der brennenden Scheiterhaufen scheint stetig anzusteigen. Im Grunde muss es jeden denkenden Menschen unglücklich machen.«
»Du hast völlig Recht«, wirft Helfrich ein, »aber auf der anderen Seite haben wir unser gutes Auskommen jener Obrigkeit zu verdanken, die für all das verantwortlich ist. Denn es sind ja gerade die Fürsten und Bischöfe, die besonders gern wertvollen Schmuck einkaufen. Wenn man deine Betrachtung auf die Spitze treibt, dann machen wir uns eigentlich mitschuldig.«
»Na, lass mal die Kirche im Dorf«, meint Eberold, der immer schon ein eher praktischer Mensch war. »Wir verdienen unseren Lebensunterhalt redlich und zufällig ist Schmuck unsere Ware. Dafür kann man niemanden verurteilen. Lasst uns mal bei Neslins Problem bleiben. Was ist, wenn die beiden auf den anderen Planeten zurückkehren? Wir verlieren zwei Freunde, aber eben auch zwei äußerst fähige Geschäftspartner, die wir nicht ersetzen können. Unsere Goldschmiede wird darunter leiden, womöglich wird das ohnehin derzeit schlechte Geschäft zusammenbrechen.«
»Nein, Eberold, das glaube ich nicht. Jeder ist ersetzbar«, ist Neslin sicher, »und ihr drei seid schon tüchtig genug.«
Jakob zweifelt: »Ich glaube, Eberold liegt da nicht so falsch. Wenn ihr euch wirklich von uns verabschiedet, dann müssen wir uns was einfallen lassen. Aber schade wäre es schon, wenn wir euch verlieren würden.«
»Noch sind wir hier«, sagt Anselm, »wir sind ja selbst noch unsicher, was wir tun sollen. Aber ich möchte auch nicht, dass Neslin hier unglücklich ist.«
»Wenn man es genau nimmt«, erklärt Eberold, »dann möchte man kaum, dass seine Kinder in diesen Zeiten aufwachsen. Wer weiß, welches Leid ihnen noch bevorsteht. Aber lasst uns doch mal ganz praktisch denken! Wie sieht es eigentlich geschäftlich auf diesem Planeten Golgon aus, Anselm?«
»Nun, da geht es etwas anders zu als ihr es euch vorstellen könnt. Auf Golgon kann jeder Geschäfte machen wie er möchte. Allerdings werden die wichtigen Geschäfte, etwa der Handel, durch riesengroße Betriebe abgewickelt. Konzerne nennt man das. Was aber erstaunlich ist: Jeder, der arbeitet, sei es, er backt Brot, sei es, er leitet so einen Riesenkonzern, verdient das Gleiche. Jeder der mit seinem Geschäft Gewinne macht, muss diese abführen. Dafür zahlt niemand auf Golgon Steuern oder Abgaben. Der Staat bestreitet alle seine Ausgaben von diesen abgeführten Gewinnen. Falls ein Geschäft Ausgaben hat, etwa für neue Anlagen oder Geräte, dann wird ein Antrag gestellt und wenn er angenommen wird, bezahlt die Sache auch der Staat. Durch dieses System – gleiche Einkünfte, durch die Allgemeinheit bestrittene Ausgaben – leben alle Menschen auf Golgon in einem maßvollen Wohlstand. Keiner fühlt sich benachteiligt.«
Eberold, Jakob und Helfrich staunen.
»Ein äußerst seltsames System«, findet Helfrich, »aber wenn es funktioniert. Reichtümer kann allerdings dort niemand anhäufen.«
»Die braucht auch niemand«, erklärt Neslin, »selbst das Wohnen ist umsonst, denn alle großen Wohnbauten gehören dem Staat.«
»Wenn ich das so höre«, stellt Eberold fest, »dann gefällt mir das immer mehr. Mir kommt da ein ganz ketzerischer Gedanke: Was, wenn wir alle nach Golgon übersiedeln? Wäre das denkbar, Anselm?«
Die Freunde sind baff. Das ist ja mal wirklich ein Gedanke! Neslin fasst sich als Erste.
»Meine Güte, Eberold, das wäre wunderbar! Daran hätte ich im Traum nicht gedacht. Wir könnten in Freedom City eine wunderbare Goldschmiede eröffnen und würden unseren Schmuck auch gut verkaufen, denn die Menschen dort haben etwas übrig für alles, was irgendwie älter aussieht. Dann würden wir zwar nicht reich werden, hätten aber ein gutes Auskommen und weiterhin Freude an unserem Beruf.«
»Ich glaube, dass es keine Probleme gibt für eine Umsiedlung«, erklärt Anselm, »in jener Galaxie, in der Golgon liegt, kann jeder leben, wo er möchte. Wer lieber auf der Erde ist, der lebt da, wer lieber auf Golgon ist, der lässt sich dort nieder. Man muss sich auch nicht an- oder abmelden. Ich meine, dass es noch andere besiedelte Planeten gibt, aber ich bin nicht ganz sicher.«
»Also, Freunde, wie steht´s? Wollen wir das tun?«, fragt Eberold nun die Runde direkt.
Jakob sieht Helfrich an, Helfrich sieht Katharina an, Katharina sieht Agnes an. Und da es selten Momente gegeben hat, in denen sie nicht einer Meinung waren, nicken sie nun gemeinsam ein kräftiges Ja. Ja, sie wollen das tun, Neues wagen, Anderes entdecken, ausscheren aus dem allgemeinen Trott. So haben sie es immer gehalten. Und die Aussicht, dem finsteren Mittelalter entfliehen zu können, mag für ihre schnelle Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Denn oft genug haben ihnen Neslin und Anselm von den offenbar paradiesischen Zuständen in jener fernen Zivilisation6 vorgeschwärmt.
Anselm und Neslin sind überwältigt. Das hätten sie nicht zu hoffen gewagt. Alle Freunde wollen mit ihnen in ein anderes Universum auf einen fremden Planeten. Sie wissen kaum, was ihnen bevorsteht, aber sie haben den Mut es zu wagen. Alle einschließlich Adam wären dann wieder vereint.
»Ihr seid tolle Freunde!« freut sich Anselm. »Ich schlage vor, Neslin und ich lassen uns nach Golgon beamen und erkunden die Lage dort. Wenn unsere Freunde dort keine Probleme sehen, kommen wir zurück und bereiten gemeinsam mit euch den Umzug vor. Umzug ist für dieses Vorhaben aber ein etwas harmloser Begriff.«
Alle lachen. Ein Umzug von mehreren Familien von einem Universum in ein anderes! Das hat es mit Sicherheit noch nie gegeben.
***
Anselm und Neslin wollen nicht lange warten. Schon am nächsten Tag, am dies dominica7, soll es in Richtung Golgon gehen. Gleich nach dem Frühstück packen sie ein paar Sachen in eine Tasche und machen sich bereit. Sie sind gespannt, ob das Beamen überhaupt noch funktioniert. Sie haben es lange nicht probiert. Damit sie auch punktgenau gemeinsam die Reise antreten, zählt Anselm bis drei. Dann sagen sie beide das entscheidende Wort: beamen.
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Tatsächlich! Es hat funktioniert! Sie sitzen in der Kabine des Transmitters und es ist, wie es immer war. Doch halt, sie haben den Transmitter wohl wieder mal umgebaut. Die Kabine ist noch größer geworden und man kann nun anscheinend ganze Mannschaften beamen. Das trifft sich gut, denkt Anselm eingedenk der Umzugspläne.
Vor der Kabine steht die komplette Technikerriege und die beiden Zeitreisenden werden begrüßt wie der sprichwörtliche verlorene Sohn. Sie freuen sich wirklich, denkt Neslin. Sie kennt sie alle und gemeinsam haben sie ja manches Abenteuer heil überstanden.
Sergej Prokanov, der Navigator, ist auch da. Auch er freut sich unbändig sie wiederzusehen.
»Zufällig bin ich gerade hier«, sagt er, »da muss ich doch gleich Harold Bescheid sagen.«
»Nein, lass mal«, sagt Anselm, »wir fahren direkt zu Jack und Nelly und überraschen sie.«
»Hoffentlich fallen sie nicht in Ohnmacht«, lacht Sergej.
Anselm und Neslin bewegen sich in dieser Umgebung, als seien sie nie weg gewesen. Wie immer geht es mit dem Aufzug von der Gleiter-Station hinunter auf die untere Ebene. Unten nehmen sie ein Air-Taxi und sind schon in kürzester Zeit bei dem Haus, in dem Jelly und Adam, aber auch Jack und Nelly wohnen.
Dann stehen sie vor Jacks und Nellys Wohnungstür. Neslin ist gespannt, was nun passiert. Die Tür ist durch ein biometrisches8 Schloss gesichert, das auf Fingerabdrücke reagiert. Ihre Fingerabdrücke und die von Anselm wurden damals einprogrammiert. Sie legt ihren Finger auf das Gerät – und schon öffnet sich die Tür.
Leise schleichen sie sich in die Wohnung und hoffen, dass auch auf Golgon dies dominica ist – oder Sunday, wie man hier sagt. Denn dann sind Jack und Nelly zuhause. In der Tat, die beiden sitzen in der Küche und nehmen augenscheinlich ein reichlich verspätetes Frühstück ein.
»Habt ihr noch einen Kaffee für uns«, fragt Neslin in die Stille hinein. Nelly und Jack fallen fast von ihren Stühlen. Sie können es kaum fassen. Da stehen doch leibhaftig ihre geliebten Ebenbilder.
»Anselm!«, schreit Nelly.
»Neslin!«, schreit Jack.
Und dann liegen sie sich in den Armen und haben Tränen der Freude in den Augen. Endlich haben sie sich beruhigt und sitzen im Wohnzimmer zusammen.
»Wo kommt ihr denn bloß nach all den Jahren so plötzlich her?«, will Nelly wissen.
»Na ja«, sagt Anselm, »das mag merkwürdig klingen, aber Neslin hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr im Mittelalter leben kann. Also haben wir uns kurzfristig entschlossen, euch zu besuchen.«
»Aber das Mittelalter, Bremen, euer Land, das ist doch eure Heimat. Das hast du doch auch immer betont, Neslin. Wieso kannst du da nicht mehr leben?«, ist Jack fassungslos.
»Ihr habt doch selbst erlebt, als ihr bei uns wart, wie wir in dieser Zeit leben. Wer einmal eure Fortschritte erfahren hat, der kann das Mittelalter kaum noch begreifen. Und was tatsächlich Tag für Tag vor sich geht, das habt ihr gar nicht gesehen. Die armen Menschen, die verfolgt und schlimm bestraft werden, nur weil sie nicht im Sinne der Kirche oder der Obrigkeit handeln und denken. Die Not, die auf dem Land herrscht, während die Ritter und Adligen sich der Völlerei hingeben. Es ist eine Welt, die man als normaler Mensch nicht ertragen kann.«
»Und jetzt wollt ihr wie Adam auf Dauer bei uns bleiben?«
»Ja, das wollen wir«, Anselm holt tief Luft, »aber es kommt noch besser. Alle unsere Freunde und ihre Familien wollen mit uns kommen und wir wollen hier eine neue Goldschmiede eröffnen.«
Jack und Nelly können es nicht glauben.
»Jakob, Eberold und Helfrich wollen auch hier leben? Und Katharina und Agnes und Christine?«
»Wir haben lange darüber geredet und schließlich haben wir alle es gemeinsam so beschlossen.«
»Das ist Wahnsinn! Und es ist supertoll!«, jubelt Nelly und fällt Neslin um den Hals. »Dann haben wir euch endlich wieder.«
»Ich rufe jetzt Harold an und dann gehen wir nach oben zu Jelly und Adam. Na, die werden staunen«, erklärt Jack.
Er ruft Harold an, benutzt aber nicht das Bildtelefon. Er sagt Harold auch nichts von Anselm und Neslin, nur so viel, dass er dringend herkommen müsse.
Dann gehen sie nach oben. Jelly kommt gerade aus dem Badezimmer und fällt aus allen Wolken, als sie ihre Tochter und Jack in doppelter Ausführung sieht. Dann begreift sie.
»Adam, komm her«, ruft sie, »schnell!«
Und auch Adam erwischt es kalt. Aber dann ist die Freude grenzenlos. Eine fröhliche Gesellschaft sitzt nun zusammen. Neslin und Anselm bestaunen den kleinen Jungen von Adam und Jelly. Er heißt Herman und ist genauso alt wie Gunvald, der Sohn von Jakob und Christine. Die werden sicher wunderbar miteinander spielen können, denkt Neslin.
Es dauert nicht lange und auch Harold trifft ein. Sein Gesichtsausdruck ist kaum zu beschreiben, als er die beiden Gäste sieht. Er hatte kaum gehofft, sie sobald wiederzusehen.
»Stell´ dir vor Harold«, sagt Nelly, »Neslin und Anselm wollen auf Dauer bei uns bleiben und mit ihnen die ganze Sippe aus Bremen.«
»Wie, die ganze Sippe?«
»Unsere Freunde und Partner, mit denen wir die Goldschmiede betreiben«, erklärt Anselm ihm. »Neslin möchte nicht mehr im Mittelalter leben und wir haben daraufhin beschlossen, dass wir das auch nicht mehr wollen.«
»Ja, meine Güte«, gibt Harold zu, »bei allem, was ich über das Mittelalter gelesen habe, kann ich Neslin gut verstehen. Ich würde mich auch unwohl fühlen inmitten von Folter und Hexenverbrennungen.«
»Würde es denn Probleme mit eurer Verwaltung geben, Harold, bei einem solchen Umzug von einem Universum ins andere?«, fragt Neslin.
»Das glaube ich kaum. Ihr kommt schließlich von der Erde. Und jeder Erdenbürger darf sich auch auf Golgon niederlassen. Unserer Verwaltung ist es herzlich egal, von welcher Erde ihr kommt. Wir müssen uns nur vorab darum kümmern, wo ihr wohnt. Wie wollt ihr denn euren Lebensunterhalt bestreiten?«
»Wir wollen hier in Freedom City eine Goldschmiede eröffnen und unserem gelernten Beruf nachgehen. Wir werden dann vorzügliche Schmuckstücke in mittelalterlicher Form herstellen und hoffen, dass sie auch jemand kauft.«
»Da braucht ihr euch keine Sorgen machen, unsere Menschen hier lieben alles, was alt ist oder auch nur so aussieht. Ich denke, euer Erfolg ist vorprogrammiert. Aber euch ist sicher klar, dass ihr auf Golgon nicht unendlich reich werden könnt, oder? Ihr werdet genauso viel verdienen wie jeder von uns. Aber das ist allemal genug zum Leben.«
»Ja, das wissen wir, Harold«, sagt Anselm, »aber es geht uns gar nicht ums Reichwerden. Wir wollen nur mit aller Kraft und Freude Goldschmiede sein.«
Bis in den späten Abend hinein sitzen sie zusammen und reden über die gemeinsame Zukunft. Harold will sich für den kommenden Tag frei nehmen und zusammen mit Anselm und Neslin nach Wohnungen für die neuen Bewohner Ausschau halten. Dann begeben sie sich zur Ruhe. Die beiden ebenbildlichen Paare verbringen eine Nacht in absoluter Nähe.
Früh am nächsten Morgen ist Harold wieder da.
»Wir fahren am besten zunächst zum Zentralen Wohnungsregister. Da alle großen Wohnblöcke von Staat errichtet wurden, wird dort genau Buch geführt über die Belegung von Wohnungen. Da haben wir einen unmittelbaren Überblick.«
Zuvor jedoch leihen sich Anselm und Neslin von Jack und Nelly, die zur Arbeit aufbrechen wollen, noch angemessene Kleidungsstücke, denn sie tragen noch ihre Bremer Kleidung, die in dieser modernen Stadt wohl für große Verwunderung sorgen würde.
Dann geht es mit dem automatisch gesteuerten Air-Taxi in die City, scharf hindurch zwischen all den unfassbar hohen Gebäudefassaden. Selbst das Haus, in dem Nelly und Jack wohnen, hat eine unglaubliche Zahl von Stockwerken. Die beiden wohnen im 38. Stockwerk, direkt darüber habe Adam und Jelly ihr Heim.
Das Zentrale Wohnungsregister erweist sich als Moloch von Verwaltungsgebäude. Anselm und Neslin würden sich heillos in dem Gängegewirr verirren, doch Harold führt sie mit großer Sicherheit in den öffentlichen Datenraum, wo man an unzähligen holografischen Computern nach Wohnraum forschen kann.
»Wir müssen schauen, ob wir auch genügend große Wohnungen finden«, erklärt Harold, »denn einige von euch haben ja Kinder. Und vielleicht werdet ihr zwei demnächst auch Eltern.« Er zwinkert ihnen zu.
»Ich glaube nicht, Harold, dass es damit sobald was wird«, sagt Neslin, »Anselm und ich haben uns darüber schon unterhalten. Aber wir finden, dass wir kaum ideale Eltern sein können. Wir sind noch zu sehr mit uns selbst beschäftigt.«
»Man wird sehen«, gibt sich Harold zuversichtlich, »jetzt lasst uns mal schauen, was der Wohnungsmarkt hergibt.«
Routiniert wühlt er in den virtuellen9 Akten. Schon bald stößt er auf Interessantes.
»Es sieht so aus, als hätten wir großes Glück. Genau in jenem Wohnblock, der dem von Jelly und Adam gegenüber liegt, sind tatsächlich auf einen Schlag vier Wohnungen frei. Das habe ich noch nie erlebt. Und sie sind alle ausreichend groß: 120 bis 150 Quadratmeter. Das dürfte doch reichen, oder? Ich werde diese Wohnungen jetzt sofort reservieren. Sie bleiben dann vier Wochen lang vorgemerkt. In dieser Zeit müsst ihr also euren Umzug bewältigen. Schafft ihr das?«
»Das müsste gelingen«, meint Anselm, »allerdings hängt es auch davon ab, was mit unserer Goldschmiede geschieht. Ein Verkauf könnte länger dauern.«
»Auch kein Problem. Wenn ihr mehr Zeit braucht, verlängere ich einfach hier die Vormerkung.«
Harold reserviert die Wohnungen und schickt sich einen Beleg auf seinen Computer.
»So, das hätten wir. Mit Wohnungen seid ihr jedenfalls versorgt. Jetzt setzen wir uns erst mal unten ins Café und ruhen uns von dem amtlichen Stress aus.«
Naja, denkt Neslin, wenn das bisschen Händewedeln in der holografischen Zone schon Stress ist…
Im Café unterhalten sie sich über den geplanten Umzug.
»Wie steht es denn eigentlich mit all unserem Besitz, unseren Möbeln, Harold. Wie bekommen wir das hierher?«, will Anselm wissen.
»Um ehrlich zu, Möbeln und Ähnliches würde ich da lassen. Mit eurem mittelalterlichen Kram würdet ihr hier derbe auffallen. Ich rate euch, alles neu anzuschaffen. Auch eure Kleidung werdet ihr auf den Stand dieses Planeten bringen müssen. Wenn euch dazu das Geld fehlt, dann kann ich euch aushelfen. Da unser allgemeiner Verdienst sehr gut ist, konnte ich über die Jahre als Alleinstehender eine hübsche Summe ansammeln.«
»An Geld wird es kaum mangeln, da wir sicher eine Menge Gold haben werden«, sagt Neslin, »aber die Einrichtung und die Gerätschaften und Werkzeuge unserer Goldschmiede würde ich schon gerne mitbringen. Ich glaube, es würde sicher großes Aufsehen erregen, wenn wir die Goldschmiede hier genauso einrichten wie im Mittelalter.«
»Das stimmt, das wäre für die Menschen von Freedom City sensationell, man würde euch den Laden einrennen. Ja, wie bekommt ihr das hierher? Ihr müsstet alles in einen Container packen, ihr erinnert euch sicher an die großen Kästen im Hamburger Hafen?«
»Container gibt es im Mittelalter leider noch nicht«, stellt Anselm fest, »aber wir könnten eine entsprechend große Kiste bauen. Und dann?«
»Dann beamen wir eure Bremer Kiste von unserem Hamburg aus in das dortige Schiffsterminal und transportieren sie mit einem Hyperraum-Gleiter hierher.«
»Ist denn das möglich? Ich dachte immer, das geht nur in das oder aus dem jeweils dort anliegenden Schiff«, wundert sich Neslin.
»Den Beamern ist das egal. Sie müssen nur entsprechend fokussiert werden. Ob der Container nun auf dem anliegenden Schiff steht oder in Bremen in einem anderen Universum – Quantenphysik ist Quantenphysik.«
»Dann musst du uns die Maße eines solchen Containers geben und wir bauen das in Holz genau nach. Ist es denn auch egal, ob Holz oder Metall?«
»Ja, es geht einzig um das Objekt.«
»Und wie kommen unsere Freunde hierher? Sie haben ja keinen Chip.«
»Das ist ganz einfach. Ihr versammelt sie einfach an der Stelle, von der ihr euch beamen lasst. Unser Transmitter hat ein Update bekommen und kann nun alles und jedes punktgenau orten. Er wird also feststellen, dass an eurer Seite noch x weitere Personen sind und diese dann, genau wie euch, beamen.«
Damit wäre alles geregelt, jetzt müssen wir nur noch umziehen, denkt Anselm. Nur!
Am Abend sitzen sie bei Nelly und Jack zusammen. Die Freunde freuen sich, dass es mit der Wohnungssuche so schnell geklappt hat und dass die Wohnungen sogar direkt nebenan sind.
»Wir werden morgen früh sofort wieder zurück ins Mittelalter verschwinden«, sagt Neslin und verzieht das Gesicht bei dem Gedanken an diese Zeit, »dann können wir uns sofort an die Vorbereitungen für den Umzug machen. Je schneller, je besser:«
»Aber was wird denn eigentlich aus euren Eltern?«, will Jelly wissen.
»Unsere Eltern wissen noch gar nichts von unserem Plan,« muss Anselm zugeben, »aber ich glaube auch, dass sie es nicht verkraften würden, wenn wir sie mitnähmen. Der Kulturschock wäre doch allzu groß. Zu überlegen wäre, ob wir später einmal unsere Geschwister hierher holen. Im Übrigen können wir sie ja weiterhin besuchen dank eurer fortschrittlichen Technik.«
Lange reden sie noch und stellen Vermutungen darüber an, wie etwa die Freunde in Bremen wie Helfrich oder Agnes die neue Lage verdauen werden. Neslin ist sicher, dass sie kaum Problem haben werden, weil sie allem Neuen gegenüber immer sehr aufgeschlossen sind.
Am nächsten Morgen machen sich Anselm und Neslin zur Gleiter-Station auf. Harold hat ihnen in der Station die Container-Maße hinterlassen und ist schon wieder mit einem Hyperraum-Gleiter zur Erde unterwegs. Also müssen sie die Dinge allein regeln. Aber sie und die Techniker kennen den Ablauf des Beamens in andere Zeiten und andere Universen mittlerweile wie im Schlaf. Der Ausbau des riesigen Apparates hat die Sache noch vereinfacht. Die Techniker pegeln ihn einfach auf den ursprünglichen Startpunkt ein, also das Wohnzimmer in Neslins und Anselms Haus, und machen diesen zum Ziel des Übertragungsvorgangs. Und schon ertönt das tieffrequente, fast schmerzhafte Summen des Transmitters, das bläulich schillernde Licht erscheint und Anselm und Neslin sind entschwunden.
***
Es ist ihnen, als seien sie nie weg gewesen. Sie stehen genau da mit ihrer Tasche, wo sie gerade noch bis drei gezählt haben, um das Beamen in Richtung Golgon einzuleiten.
Neslin lässt sich auf eine Bank fallen.
»Ich weiß nicht Anselm, aber ich hatte damals schon das Gefühl, dass das Beamen mich irgendwie schwächt. Ich fühle mich ziemlich schlapp.«
»So ganz munter fühle ich mich auch nicht. Aber es ist ja auch kein Wunder. Beamen bedeutet nichts anderes, als dass unser Körper in seine subatomaren Bestandteile aufgelöst und am Zielort wieder zusammen gesetzt wird. Obwohl das mit höchster Genauigkeit geschieht, werden Spuren dieses schwerwiegenden Vorgangs irgendwo in unserem Organismus verbleiben. Bleibt nur zu hoffen, dass daraus kein ernster dauerhafter Schaden entsteht.«
Wenn irgendein Pfaffe das jetzt gehört hätte, denkt Neslin. Subatomare Bestandteile! Sich auflösende Körper! Wir würden schon morgen auf dem Scheiterhaufen landen. Sich gruselnd bei dem Gedanken packt sie die Tasche aus.
Sie schauen kurz drüben bei Katharina vorbei, die sich freut, dass sie schon wieder da sind. Dann eilen sie in die Goldschmiede.
»Das ging aber schnell mit euch. Normalerweise bleibt ihr doch Jahre auf Golgon«, lästert Jakob.
»War diesmal nicht nötig«, erklärt Neslin, »wir haben nämlich sofort Wohnungen für uns alle gefunden, weil dort die Ämter alles im Griff haben.«
»Aber ihr werdet euch ein wenig umstellen müssen«, meint Anselm, »denn hier habt ihr eure Häuser. Dort sind es große Wohnungen, aber ihr wohnt mit womöglich mit Tausenden von Menschen in einem riesigen Gebäude.«
»Tausende von Menschen in einem einzigen Haus?«, fragt Helfrich ungläubig.
»Ja, aber es ist weniger schlimm als du denkst. Ihr werdet euch schnell daran gewöhnen, zumal das Wohnen in Freedom City mit Annehmlichkeiten verbunden ist, die ihr euch gar nicht vorstellen könnt.«
»Ich denke, wir lassen uns einfach überraschen. Schlimmer als hier kann es kaum sein. Allein der ständige Zwang, in eine Kirche rennen zu müssen, nur damit man als fromm und gottesfürchtig angesehen wird, schlägt mir ziemlich aufs Gemüt.«
Eberold hat es nicht so mit der Kirche. Die anderen auch nicht, sie tun alle nur so und gehen alle drei oder vier Wochen sonntags in den Gottesdienst, damit man ihnen nichts in dieser Hinsicht vorwerfen kann. Eine Missachtung der kirchlichen Gebote könnte tödliche Folgen haben.
»Wir müssen nun unseren Umzug vorbereiten«, sagt Neslin, »dabei gilt es, Einiges zu beachten. Außer euren ganz persönlichen Sachen nehmt ihr nichts mit. Keine Möbeln, keine Kleider außer jenen, die ihr anhabt. Wir werden in Freedom City alles neu anschaffen und das Mittelalter völlig hinter uns lassen.«
»Keine Möbeln?«, ist Helfrich entsetzt, »da wird Agnes aber traurig sein.«
Es ist noch gar nicht lange her, da haben die beiden sich ihr Haus nett eingerichtet.
»Es geht nicht, Helfrich«, sagt Anselm bestimmt, »das ganze Zeug würde auf Golgon nur Aufsehen erregen. Stellt euch vor, ihr bekommt mal Besuch, der dann sieht, dass ihr in einem uralten, weil mittelalterlichen Mobiliar haust. Aber eure Teppiche und Bilder könnt ihr natürlich mitnehmen. Ich vermute, dass sie in der Zukunftswelt von Golgon ungeheuer wertvoll sein werden.«
»Du hast Recht, unsere Möbel passen kaum in eine hochmoderne Umgebung«, gibt Helfrich zu.