Apfelträume - Morten Hering - E-Book

Apfelträume E-Book

Morten Hering

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Beschreibung

Nachdem sich Anne mit ihren Eltern zerstritt, zog sie mit ihrem Freund Thomas nach Kassel. Doch auch dort kehrte keine Normalität ein. Thomas fand keine Arbeit und verfiel dem Alkohol. Schließlich kommt es zu einer Auseinandersetzung in der Thomas sie schwer misshandelt. Während sie im Koma liegt, hat sie einen seltsamen Traum von einer Insel und Apfelbäumen. Nachdem sie wieder aufgewacht ist, beginnt endlich, ein wenig Normalität in ihr Leben einzukehren. Erst als sie, nach Jahren, eine scheinbar verwirrte Patientin bekommt, die 16. Jahre verschwunden war und dabei nicht einen Tag gealtert ist, beginnt es wieder, seltsam zu werden. Kurz darauf trifft Anne auf den Bruder ihres Ex-Ehemanns, Leon. Er erzählt ihr, dass Thomas aus der Haft entlassen wurde und das Haus seiner Eltern nicht verlassen darf. Bald darauf bildet sich Anne jedoch ein, Thomas im Bergpark zu sehen. Die Vorfälle häufen sich und auch ein Gang zur Polizei hilft ihr nicht weiter. Zudem häufen sich die Träume immer weiter. Was ist nun mit Thomas? Ist er wirklich an das Haus seiner Eltern gefesselt oder hat er es irgendwie geschafft nach Kassel zu kommen? Was hat es mit den Träumen auf sich? Und ist ihre neue Patientin verrückt oder ist doch etwas Wahres an ihrer unglaublichen Geschichte?

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Und für alle Frauen denen Gewalt von Männern angetan wird.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

1.

Also die Decke könnte auf jeden Fall einen neuen Anstrich vertragen… Eigentlich der ganze Raum. Und wenn ich schon dabei bin dann könnte ich auch gleich diese hässliche alte Couch rausschmeißen und eine neue kaufen.

Ich musste innerlich lachen. Normalerweise waren das doch angeblich die Gedanken die sich eine Frau machte, wenn sie gerade Sex hatte und ihn nicht allzu gut fand. Bei mir war es in dem Fall aber anders. Ich war gerade in meiner Praxis in der ich schon seit fast zehn Jahren als Psychiaterin arbeitete.

Auf der Couch lag ein Dauerpatient der eigentlich immer das gleiche erzählte sodass ich schon wusste was ich ihm am Ende der Sitzung raten würde. Zwar ließ ich auch immer ein Diktiergerät mitlaufen aber da er wie immer mit dem selben leidigen Thema angefangen hatte, war mir klar, worauf es hinaus laufen würde. Zum Glück war er mein letzter Patient für diesen Tag und bald war endlich das Ende seiner Sitzung gekommen.

Ich verabschiedete mich schnell von ihm und nachdem ich die Tür abgeschlossen hatte, konnte ich mich endlich in den Sessel hinter meinem Schreibtisch fallen lassen.

Der Tag war schon viel zu lang und trotzdem musste ich noch ein paar Akten durchgehen, weil ich sie morgen mit in die Psychiatrie nehmen musste. Ich hatte mich dazu entschlossen zwei Tage in der Woche dort zu arbeiten da sie recht gut bezahlten. Besser als die Krankenkassen meiner Patienten. Bevor ich mich aber daran machte, legte ich kurz den Kopf auf die Tischplatte und atmete tief durch. Der Job war viel stressiger geworden als ich am Anfang gedacht hatte.

Meine Eltern waren damals nicht begeistert davon gewesen, das ich unbedingt Psychiaterin werden wollte. Weil mein Vater Vorstandsvorsitzender eines großen Krankenhauses war, erwarteten sie irgendwie, dass ich ebenfalls dieses Ziel anstreben würde. Während eines Abendessens teilte ich ihnen dann mit, dass ich einen anderen weg einschlagen wollte. Davon war mein Vater alles andere als begeistert. Das Gespräch ging so hin und her und irgendwann erwiderte ich dann, dass es mein eigenes Leben sei und ich gut selber entscheiden konnte. Seiner Meinung nach war es nicht zuviel von ihnen verlangt.

„Schließlich haben wir dich hier bei uns auch fünfundzwanzig Jahre durchgefüttert und sonst auch alles ermöglicht.

Vielleicht hatte er es nicht so gemeint doch in diesem Moment schmerzte es so das ich aufstand und meinte:

„Wenn ihr so darüber denkt dann wird es wohl das Beste sein, wenn wir uns nicht mehr sehen. Ich werde meine Praxis auch in einer anderen Stadt eröffnen dann falle ich euch auch nicht mehr zur Last!“

Nachdem ich ein paar Sachen zusammen gepackt hatte, fuhr ich zu meinem Freund und angehendem Lebenspartner Thomas. Er war entsetzt, als er die Neuigkeiten hörte. Für ihn war es selbstverständlich, dass ich erst einmal bei ihm unterkam, bis ich etwas Eigenes gefunden hatte. Thomas hatte damals gerade seine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker beendet und da er von seinem Chef übernommen worden war, konnte er uns mit seinem Festgehalt nun ohne Probleme über die Runden bringen.

Eine Zeit lang lebten wir so vor uns hin und ich nahm mir jetzt nach meinem Studium einfach mal die Zeit, um ein wenig zu entspannen, bevor ich wieder voll ins Berufsleben und vor allem in mein neues und völlig eigenständiges Berufsleben startete.

Nach etwa einem viertel Jahr hatte ich das Nichtstun aber ziemlich satt. Nun war es also an der Zeit sich zu entscheiden. Merkwürdigerweise merkte ich nach einer Weile das es nicht nur leeres Gerede gewesen war als ich meinem Vater sagte ich würde einfach in eine andere Stadt ziehen. Das verwirrte mich derart, dass ich noch am gleichen Abend mit Thomas darüber redete. Ein wenig tat er mir schon leid, wie er verschwitzt und völlig fertig von der Arbeit kam. Ich ließ ihm nicht einmal Zeit zu duschen, sondern fing ihn gleich an der Tür ab.

„Schatz kann ich mal mit dir reden?“

„Hm? Ja, also ich würde gerne erst einmal duschen, wenn es dir recht ist.“

„Es ist aber wirklich dringend.“

Mit einem Seufzen legte er eine Decke auf die Couch da er sich nicht direkt mit der ölverschmierten Hose darauf setzen wollte und schaute mich erwartungsvoll an.

Ohne ihn in irgendeiner Weise schonend darauf vorzubereiten, kam ich sofort zum Punkt.

„Ich werde mir eine Praxis in einer anderen Stadt einrichten.“

Erst einmal schien Thomas nicht zu verstehen was ich damit sagen wollte, doch als er verstand oder wenigstens glaubte zu verstehen, fiel seine Kinnlade nach unten.

„Was soll das heißen? Du willst hier weg?“

„Ja.“

„Oh.“

Er schien tief betroffen zu sein.

„Aber es lief doch echt gut zwischen uns, oder?“

Nun wusste ich nicht so ganz wovon er redete.

„Ja. Natürlich. Ich liebe dich doch auch!“

„Aber warum machst du denn dann jetzt Schluss mit mir?“

Jetzt wusste ich was er meinte. Er dachte, dass ich nun ein neues Leben beginnen wollte und er keinen Platz mehr darin fand.

Ich werde wohl nie seine Miene vergessen, wie auch das, was danach passierte.

„Ach mein Schatz ich wollte damit doch nicht sagen das ich dich verlassen will. Damit wollte ich fragen, ob du mit mir kommst!“

Wahrscheinlich hatte ich ihn vorher und auch später nie wieder so erleichtert gesehen.

Anhand dessen wie er mich nun ansah und an seinem verlegenen Lächeln konnte ich sehen, dass es ihm auch ein wenig peinlich war, dass er so über mich gedacht hatte.

„Kommst du mit mir?“ fragte ich.

„Oh mein Gott, ich habe schon gedacht das du… ich kann es nicht einmal aussprechen. Ja, natürlich komme ich mit.“ Er fiel mir um den Hals und drückte mich so fest das ich ihm auf den Rücken klopfen musste, weil er mir die Luft abschnürte. Thomas ließ auch gleich etwas locker und nachdem er mich ganz losgelassen hatte, schaute er mir tief in die Augen und küsste mich mehrmals. Erst auf die Stirn und dann auf beide Wangen und schließlich auf den Mund.

„Meine Liebe. Mein Leben.“ Dann wurde er ernst.

„Eine Bedingung habe ich allerdings!“

Mir war selber bis zu diesem Moment nicht klar, wie sehr ich ihn eigentlich liebte doch nun wusste ich, dass ich ihn immer an meiner Seite haben wollte und ihm keine Bitte abschlagen konnte.

„Heirate mich!“

Noch während ich sprachlos da saß, zauberte er ein kleines Kästchen aus seiner Tasche und hielt es mir direkt vor die Nase. Als Thomas es öffnete, befand sich der schönste Verlobungsring darin, den ich je gesehen hatte – auch wenn es der Erste war den ich sah.

Es hätte mich wohl von den Beinen gerissen, doch zum Glück saß ich ja bereits.

Wir beschlossen, uns mit der Hochzeit noch Zeit zu lassen. Erst einmal wollten wir entscheiden, in welche Stadt wir ziehen wollten und uns dort einrichten. Wir nutzten die Wochenenden, um uns einen Eindruck von verschiedenen Städten zu verschaffen.

Da ich eher ein Kleinstadtmädchen war, kamen für mich Städte wie Berlin, Bremen, Hamburg, München und so weiter nicht in Frage. Also besuchten wir unter anderem Göttingen, Marburg und Kassel.

Marburg ist eine schöne kleine Stadt mit vielen Studenten doch bei dem Gedanken daran, dass ich immer wieder diese Berge hinauf kraxeln und herunter laufen musste, verlor ich die Lust. Göttingen wäre meine erste Wahl gewesen denn hier konnte man alles bequem zu Fuß erreichen und auch die Menschen waren sehr freundlich.

Außerdem konnte man immer etwas unternehmen.

Obwohl es kleiner war als Kassel hatte man das Gefühl, das hier mehr Leben war. Meine Entscheidung war aber sowieso gefallen nachdem wir das erste Mal in Kassel waren.

Wir checkten in einem Hotel an der Stadthalle ein. Über das Internet hatte ich mich schon ein wenig über die Stadt und seine Geschichte informiert. Mit den vielen Parks und den Grünflächen reizte es mich von vornherein. Neben der Documenta, die hier alle paar Jahre stattfand, bot sie noch viele weitere Angebote was Kultur und Kunst anging. Am ersten Tag wollte ich mir auf jeden Fall den Bergpark und den Herkules anschauen und am nächsten dann das Shoppingangebot der Stadt testen. Am Sonntag wollten wir dann schließlich, wenn möglich den Rest besichtigen.

Die Sonne schien schon den ganzen Tag und es war wirklich heiß auf der Straße. Wir beschlossen, das Auto stehen zu lassen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. An diesem Tag fuhr ich zum ersten Mal Straßenbahn. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Am Bahnhof im Stadtteil Wilhelmshöhe, der einer der beiden Bahnhöfe der Stadt war und an dem die Schnellzüge wie der ICE hielten, mussten wir umsteigen. Er war ein interessantes Gebäude. Der gesamte Vorplatz auf dem Bahnen und Busse hielten war überdacht und auf dem Dach eines Hotels gleich nebenan war ein Bett montiert. Auch den Herkules konnte man sehen und ich freute mich schon darauf wenn ich ihn mir aus der Nähe betrachten konnte. Bei meinen Recherchen hatte ich gelesen das irgendein reicher Chinese, ihn vor einiger Zeit hatte kaufen wollen, um ihn dann in mitten eines Freizeitparks in China als Touristenattraktion aufzustellen.

Mit der Straßenbahn konnten wir nur bis kurz vor das Schloss fahren und mussten den Rest zu Fuß gehen. Zwar fuhr wohl auch ein Bus in den Park, doch den hatten wir natürlich gerade verpasst. Scheinbar war die Anbindung des Nahverkehrs doch nicht so gut wie sie hätte sein Können.

Doch wir ließen uns die Laune nicht verderben und machten uns auf den Weg.

Es war sehr grün um das Schloss herum. Es lag auf einem kleinen Hügel und die Wege, die um es herum führten, sahen sehr ordentlich und gepflegt aus. Weil wir nicht ganz wussten wie herum wir nun am besten laufen sollten, folgten wir einfach ein paar anderen Leuten die sich hier sehr viel besser auszukennen schienen als wir. Hinter dem Schloss erstreckte sich eine große Wiese und dahinter begannen die Kaskaden. Jedenfalls hatte ich gelesen, dass sie so hießen. Die Kaskaden waren ein Gebilde aus Basaltgestein, das wie eine große Treppe hinauf zum Herkules führte. Auf ihnen laufen, durfte man allerdings nicht. An der Seite der gigantischen Treppe waren allerdings auch kleinere Stufen, sodass man als Zuschauer der Wasserspiele den hinabfließenden Wassermassen folgen, oder einfach nur vom Schloss zum Herkules hinaufsteigen konnte.

Nachdem wir ungefähr die Hälfte geschafft hatten, mussten wir eine Pause einlegen. Zwar hatten wir dies unterwegs auch immer wieder getan um uns die vielen Bauten anzuschauen die noch errichtet worden waren – unter anderem gab es dort sogar ein kleines Aquädukt – aber die Steigung war dann doch heftiger als wir dachten. Kurz vor dem letzten heftigen Anstieg befand sich ein kleines Restaurant mit einer großen Terrasse in das wir einkehrten um etwas Kaltes zu trinken. Schon hier konnte ich mir ausmalen welch fantastische Aussicht man vom Herkules über ganz Kassel haben würde und ich freute mich richtig darauf.

„Schatz bitte versprich mir eins!“ hatte Thomas gesagt.

„Bitte lass uns nie wieder vom Schloss hinauflaufen. Dieser Berg bringt mich um.“

Mit einem Lächeln hatte ich zugestimmt und nachdem wir bezahlt hatten, gingen wir weiter.

Während des restlichen Weges drehte ich mich nicht um. Ich wollte mir die Vorfreude noch ein wenig erhalten.

Und es lohnte sich wirklich. Erst bestaunte ich zwar den Herkules der hoch oben auf seiner Pyramide stand und mit seiner Keule über die Stadt wachte und dann drehte ich mich um. WOW!

Vor mir erstreckten sich die Kaskaden in einer geraden Linie bis hinunter zum Schloss.

Doch dort endete diese gerade Linie nicht, sondern ging in die Wilhelmshöher Allee über die auch in einer völlig geraden Linie in die Stadt verlief. Ja und dann war da Kassel selber. Wenn man selbst durch die Straßen lief, sah es zwar nicht immer so aus doch Kassel war eine ziemlich grüne Stadt. Überall zwischen den Häusern waren grüne Flächen und Bäume.

Wir blieben damals noch eine ganze Weile, bis wir ein älteres Ehepaar hörten das sich über ein Restaurant unterhielt das ganz in der Nähe sein sollte. Wir sprachen sie an und erklärten ihnen das wir fremd hier wären und ob sie uns wohl zeigen könnten wo dieses Restaurant lag. Sie willigten ein und weil wir uns ja nicht auskannten, baten sie uns an das wir uns zu ihnen an den Tisch setzen sollten.

Dann erzählten sie uns allerhand interessante Sachen über die Stadt und ihre Bewohner. Die alte Dame schwärmte davon wie Kassel bei Nacht aussah und das sie selber es schon so lange nicht mehr habe sehen können, da sie zu alt war um zu fahren und so spät kein Bus mehr dorthin fuhr.

Da die Beiden so freundlich und hilfsbereit gewesen waren, boten wir ihnen an sie am Abend abzuholen und mit ihnen noch einmal hinauf zu fahren. Sie bedankten sich vielmals doch für mich war es eine Selbstverständlichkeit und ich selber wollte ja auch sehen, was an der Aussage der Dame dran war.

Wir vergaßen völlig die Zeit und unseren Plan, den Rest des Parks zu besichtigen. Das machte uns aber nichts aus.

Als wir schließlich wieder im Hotel ankamen, schafften wir es gerade noch beide zu duschen und uns umzuziehen, bevor wir zu unserer abendlichen Verabredung aufbrechen mussten.

Das alte Paar wartete auch bereits an der Straße darauf, dass wir sie abholten. Sie freuten sich beide sehr uns zu sehen, und versprachen uns fortlaufend, dass wir es nicht bereuen würden noch einmal an diesem Tag den Weg auf uns zu nehmen. Mit dem Auto fuhren wir einen anderen Weg als den, den wir von der Fahrt mit der Straßenbahn kannten. Schließlich kamen wir auf einen Parkplatz auf dem wir unser Fahrzeug abstellten und zu Fuß weiter gingen.

Obgleich ich auch schon am Nachmittag über die fantastische Aussicht gestaunt hatte, so war das nichts im Vergleich zu dem, was wir jetzt sahen.

„Na haben wir zuviel versprochen?“

Ich war nur im Stande gewesen den Kopf zu schütteln.

Die alte Dame hatte nicht zuviel versprochen. Es war wunderschön die ganzen Lichter zu sehen. Die ganze Stadt war in orange, weiße, blaue, rote und viele andere Lichter gehüllt. Ebenso wie die Autobahn, die am anderen Ende der Stadt verlief. Durch die Lichter der fahrenden Autos hatte es den Anschein, als ob sie sich wie eine Schlange in die angrenzenden Berge schlängelte. Ein wirklich phänomenaler Anblick.

Leider konnten wir nicht so lange bleiben wie ich gerne wollte, denn erstens wurde es langsam aber sicher recht frisch und zweitens war das alte Paar auch nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte und musste langsam wieder nach Hause. Als wir sie abgesetzt hatten bedankten wir uns für die Tipps und den schönen Abend und tauschten die Telefonnummern aus.

Wieder im Hotel angekommen, fielen wir völlig erschöpft in unser Bett. Dort unterhielten wir uns noch einen Moment über das erlebte. Auch wenn Thomas zu diesem Zeitpunkt noch nicht davon überzeugt war, dass es die richtige Stadt für uns war so stand es für mich schon fest.

Und nun wohne ich hier bereits so lange Zeit.

Mit Thomas bin ich ja nun nicht mehr zusammen.

Nachdem wir hierhergezogen waren, fand er nicht gleich einen neuen Job und während ich mit meiner eigenen Praxis ziemlich erfolgreich war, saß er die meiste Zeit zuhause und war deprimiert. Leider fing er dann auch noch irgendwann an zu trinken und ließ dies leider auch nicht sein, nachdem er wieder einen Job gefunden hatte.

Dass wirklich schlimme war aber das er sich nicht eingestand, dass er Probleme hatte und weil ich versuchte ihm dabei zu helfen, bekamen wir regelmäßig Streit miteinander. Irgendwann einmal war ich nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag nach Hause gekommen und traf ihn wieder an seinem gewohnten Platz an.

Er lag ausgestreckt auf der Couch und aufgrund der leeren Flaschen, die auf dem Boden verstreut lagen, wusste ich, dass diese die er in der Hand hielt nicht seine erste war.

Weil er so fixiert auf das Fußballspiel im Fernseher war, nahm er mich erst gar nicht wahr. Als ich dann direkt durchs Bild lief, um ins Schlafzimmer zu kommen, schreckte er auf.

„Hey Süße. Was gibt’s denn heute zu Essen?“

Mir waren augenblicklich die Tränen in die Augen.

Wahrscheinlich hatte ich bis zu diesem Moment nicht wahrhaben wollen, das er sich derart verändert hatte. Nun traf mich die Erkenntnis aber wie ein Blitz. Ich konnte nicht länger mit ihm zusammen leben.

Es war einfach nicht mehr mit ihm auszuhalten.

Während ich noch darüber nachdachte wohin ich jetzt am besten gehen sollte und vor allem wie ich es Thomas begreiflich machen konnte, hatte ich unbewusst schon meine Sachen gepackt. Noch konnte ich mich nicht ganz von meinem Leben lossagen. Das merkte ich daran, dass ich zwar wusste dass ich gehen musste aber meine Beine sich nicht einen Zentimeter bewegten.

„Was machst du hier?“

Der Schreck lief mir durch den ganzen Körper. Das war Thomas Stimme. Während ich mit mir selbst noch gerungen hatte, war er von mir unbemerkt ins Schlafzimmer getreten.

Da stand er vor mir, hatte leicht Schlagseite und als er jetzt die Koffer sah, wechselte sein Gesichtsausdruck von leicht verwirrt zu ernüchternder Erkenntnis. Dann lief er rot an.

Er nahm den Koffer und warf ihn quer durchs Zimmer.

Ich musste mich ducken, damit mich das schwere Stück nicht traf.

„Du willst mich verlassen?“ er schrie nicht einmal, sondern zischte es mehr durch seine fast geschlossenen Zähne. So wütend hatte ich ihn bis dato nicht erlebt. „Du willst mich echt verlassen? Nach allem was ich für dich getan habe?“

Mir war völlig klar, dass man zu diesem Zeitpunkt kein vernünftiges Wort mit ihm reden konnte. Deshalb wollte ich so schnell wie nur möglich aus der Wohnung. Leider versperrte er mir den Weg und ich wusste nicht ob es klug war jetzt in seine Reichweite zu kommen.

„Ich habe alles zurückgelassen und bin mit dir hierher gezogen, wo ich nichts mehr hatte…“

Natürlich kamen jetzt die ganzen Vorwürfe, aber da hörte ich gar nicht erst zu. Es war mir gleich klar gewesen, dass es irgendwann soweit kommen würde. Man musste nicht einmal Psychologie studiert haben um soweit denken zu können. Also ließ ich alles über mich ergehen und als er sich dann irgendwann auf das Bett fallen ließ und nur noch böse vor sich hin starrte sagte ich kühler als es eigentlich gewollt war: „Bist du jetzt fertig? Dann kann ich ja jetzt gehen. Du kannst dich bei mir melden wenn du dich dazu entschlossen hast dein Leben zu ändern!“

Mit diesen Worten ging ich auf ihn zu und schaffte es sogar an ihm vorbei und in den Flur, doch kurz vor der Tür zum Hausflur holt er mich ein. Thomas war ein recht stämmiger Mann und seine Hände waren durch seinen Beruf recht groß. Zudem besaß er eine unheimliche Kraft in Armen und Fingern. Deshalb kostete es ihn nicht viel Mühe, mich festzuhalten. Ich wehrte mich nach Leibeskräften und schrie ihn an er solle mich loslassen, doch er hörte nicht auf mich und als es ihm zu bunt wurde, schüttelte er mich so kräftig durch, dass ich kurz die Besinnung verlor. Während ich mich zu sammeln versuchte, zog er mich heran und küsste mich einfach. Mir liefen vor Angst und Wut die Tränen über die Wangen.

„Du bist meine Frau und ich lasse dich nicht gehen!“

Seine Stimme flößte mir noch mehr angst ein. Zum Glück holte mich diese Angst aber vollständig in die Realität zurück denn er begann grob, mir mit einer Hand die Hose aufzuknöpfen. Es war eindeutig, das er mich vergewaltigen wollte. Das Gute war, nun konnte ich mich mit einer Hand zur Wehr setzen. Also schlug ich auf ihn ein und versuchte ihn gleichzeitig zu beißen. Es schien ihm nicht wirklich viel auszumachen und nachdem er meine Hose vollständig geöffnet und sie mir samt Slip nach unten gezogen hatte, schleppte er mich ins Wohnzimmer und wollte mich dort vornüber auf den Tisch legen. Jetzt schaffte ich es, ihm mit aller Kraft eine Ohrfeige zu geben. Auf seiner Wange erschienen dicke Striemen und, dort wo ich ihn mit den Fingernägeln getroffen hatte, fing sie sogar an zu bluten.

Einen kurzen Augenblick schauten wir uns direkt in die Augen und ich sah in seinen Tränen, dann warf er mich doch über den Tisch und ich hörte das sirrende Geräusch das die Hose machte, wenn man seinen Gürtel auszog.

Natürlich fesselte er mich jetzt, so war es viel einfacher für ihn freies Spiel zu haben. Mittlerweile war ich an einem Punkt angekommen, an dem es mir egal war, was jetzt genau mit mir passieren würde. Ich fühlte mich kraft- und hilflos. Es war als würde ich meinen Körper von oben betrachten und gar nicht mehr ich selbst sein. Als Thomas statt sich nun selber auszuziehen den Raum verließ war ich aber doch etwas verwirrt. Lange dauerte es nicht bis er wiederkam. Mit einem zweiten Gürtel.

Noch bevor ich eine Idee hatte was er nun mit mir vorhatte, trat er hinter mich und holte tief Luft.

Es knallte und ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper. Mein Hintern brannte wie Feuer. Ich war so überrascht, dass ich sogar vergaß vor schmerz zu schreien.

Beim nächsten Mal vergaß ich es jedoch nicht. Und auch nicht beim übernächsten und überübernächsten Mal.

Wie lange er nun auf mein Gesäß und den Rest meines Körpers einschlug, wusste ich nicht doch es kam mir wie Stunden vor. Irgendwann ließ er dann von mir ab und beugte sich über mich.

Er hauchte mir ins Ohr und ich konnte deutlich hören, dass er weinte, während er sprach.

„Ich glaube jetzt weißt du, was passiert, wenn du mich noch mal verlassen willst, oder? Ich bin dein Mann und sage, wo es lang geht.“

Ich hatte das tiefe Bedürfnis ihm direkt in die Augen zu sehen und ihn anzuspucken. Weswegen ich es im nächsten Augenblick auch tat. Warum ich, wo ich doch schon gefesselt auf dem Tisch lag und wusste, zu was er fähig war, so handelte, kann ich bis heute nicht sagen. Wahrscheinlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt mit dem Leben bereits abgeschlossen und tat es nur aus trotz.

Reflexartig schloss er die Augen und während ich mit unglaublicher Genugtuung grinste, stellte er sich wieder hinter mich. Er riss mir nun auch den letzten Fetzen Kleidung vom Körper und begann wie wild mit dem Gürtel auf mich einzuschlagen. Nun trafen mich die Schläge mit voller Wucht und wurden nicht mehr durch meinen Pullover abgemildert. Es waren wirklich höllische Schmerzen. Immer wieder wünschte ich mir einfach das Bewusstsein zu verlieren und einfach zu sterben. Doch ich wurde nicht erhört. Währenddessen beschimpfte Thomas mich immer wieder und lautstark. Irgendwann ging sogar sein Gürtel kaputt und er lief schnell ins Schlafzimmer, um einen neuen zu holen. Dann setzte sich meine Folter fort. Irgendwann konnte ich vor Schmerz nur noch Stöhnen und als mir dann endlich langsam schwarz vor Augen wurde, erfüllte mich ein Gefühl von Glückseligkeit. Endlich war dieses Martyrium vorbei und ich würde nie wieder Schmerzen haben. Kurz bevor ich mein Bewusstsein verlor, hörte ich in meinen Ohren ein seltsam melodisches Klingeln. Das es die Türklingel war, kam mir in diesem Moment nicht in den Sinn.

Weiß. Um mich herum war alles Weiß. Nicht so wie man es sich vorstellt, wenn man gestorben ist, es war eher wie sehr dichter Nebel. Wo war ich denn hier gelandet. War dies der Himmel? Ein Blick nach unten verriet mir, dass ich nichts an mir trug als ein langes Sommerkleid. Weiter fiel mir auf das ich im Schnee saß und trotz dessen das ich Barfuß war und eben nur dieses Kleid anhatte, fror ich doch nicht im Geringsten.

Als ich versuchte aufzustehen, merkte ich wie sehr meine Gliedmaßen schmerzten.

Ich raffte mein Kleid und betrachtete meine Beine.

Überall wo mich Thomas Gürtel getroffen hatte, hatte ich rote Striemen zurückbehalten. Doch mittlerweile sahen sie so aus, als wäre es schon Wochen her das man mich misshandelt hatte. Wenn ich aber doch tot und im Himmel war dann wären sie doch bestimmt mittlerweile verschwunden. Was redete ich mir hier eigentlich für einen Schwachsinn ein? Ich selber hatte nie daran geglaubt, dass es so etwas wie den Himmel gab. Auch mit Gott hatte ich so meine Probleme. Zwar konnte ich mir gut vorstellen das es Übernatürliches gab und vielleicht auch so etwas wie einen Gott, ich weigerte mich aber strikt, an einen alten Mann zu glauben, der mit einem langen weißen Bart auf irgendeiner Wolke saß und den Menschen zusah. Mal ehrlich, bei dem Verhalten mancher Menschen, hätte selbst der geduldigste Vater die Nerven verloren und eine zweite Sinnflut oder Ähnliches geschickt.

Irgendwie war mir aber klar, dass wenn ich herausfinden wolle wo ich war, dann musste ich es wohl wagen und ein paar Schritte nach vorne machen.

Der Schnee fühlte sich wunderbar an zwischen meinen Zehen. Wenn er sonst nicht so kalt wäre dann würde ich wohl öfter barfuß auf ihm laufen.

Ein leichter Wind wehte mir in den Rücken, so als wollte er mich sanft vorantreiben. „Geh nur, geh!“ wollte er mir scheinbar sagen. Ich beschloss zu gehorchen. Zu meiner rechten Seite tauchte ein Baum auf. Es hingen wunderbar rote Äpfel an ihm. War dies vielleicht der Baum von dem Eva angeblich gegessen hatte? Dann war ich vielleicht doch im Paradies und stand gleich vor meinem Schöpfer. Ich überlegte mir schon einmal eine gute Entschuldigung warum ich nicht zu ihm gebetet hatte und auch kaum in der Kirche gewesen war.

Plötzlich stieß ich mit meinem Fuß gegen etwas Hartes.

Es war ein Stein und während ich weiter lief, wurde das Gelände zunehmend felsiger und rauer. Ich musste nun besser aufpassen wohin ich trat um nicht zu stolpern oder mir meine Haut an einer scharfen Kante aufzureißen. Zum Glück lichtete sich der Nebel aber langsam und bald konnte ich schon über zweihundert Meter geradeaus sehen. Genau in dem Moment als ich einen weiteren Apfelbaum erreichte, klärte das Wetter völlig auch und der Nebel verschwand.

Der Anblick, der sich mir bot, war noch atemberaubender als der Anblick über Kassel. Statt im Himmel befand ich mich auf einem Berg. Unter mir konnte ich weite Wiesen und große Wälder erkennen. Da ich ja nicht unter Zeitdruck stand, stibitzte ich mir einen Apfel vom Baum und setzte ich mich einfach an seine Wurzeln.

Während ich den Apfel verspeiste, beobachtete ich die Tiere, die friedlich dort unten lebten. Was es für Tiere waren, konnte ich nicht erkennen denn sie waren einfach zu weit weg. Ich tippte auf Schafe. Es war alles so wunderschön, dass ich nie mehr von hier weg wollte.

Solange mir die Äpfel nicht ausgehen würden, musste ich das ja auch eigentlich nicht. Diese Äpfel waren das Beste, dass ich je gegessen hatte. Sie schmeckten wunderbar süß und doch etwas Sauer zugleich. Sie waren saftig und doch lief einem der Saft nicht aus dem Mundwinkel und über das Kinn, wenn man in sie hinein biss. Zudem war jeder Apfel gleich lecker und das war schon etwas seltsam.

Ich wollte gerade aufstehen, um den anderen Baum zu suchen den ich gesehen hatte, um dort zu probieren, ob die Früchte dort genauso schmeckten, da bemerkte ich eine Gruppe Menschen, die ein gutes Stück von mir entfernt den Berg hinab liefen. Erst sah es so aus als würden sie schweben, weil sie völlig aufrecht und ohne die Hände zu benutzen hinab stiegen aber dann wurde mir bewusst, dass dort wohl ein Pfad oder Treppenstufen existieren mussten.

Sie waren leider zu weit weg als das ich ihnen hätte zurufen können und vielleicht hätte mein Geschrei eine Lawine ausgelöst. Also zog ich es vor zu klettern. Weil der Baum so nah am Hang wuchs, konnte ich seine Wurzeln, eine gute Strecke lang als Kletterhilfe benutzen.

Danach wurde es schwerer. Ich musste verdammt gut darauf aufpassen wohin ich trat. Oft rollten lose Steine einfach unter mir weg und fielen ins Tal. Einmal schaffte ich es gerade noch, mich festzuhalten als wieder einmal ein Stein auf den ich mich stellen wollte, wegbrach.

Mein Herz pochte heftig, während ich ihm einen Augenblick hinterher sah. Als er am Boden aufschlug zerbrach er in tausend Stücke. So hätte es mir auch ergehen können.

Endlich erreichte ich die Stelle an der ich die Menschen gesehen hatte.

Hier waren wirklich fein säuberlich Treppenstufen in den Fels eingelassen. Während ich entschied, ob ich den Stufen nach oben oder nach unten folgen wollte, rieb ich mir die Hände die wegen des Steins ganz Rau waren und eine leicht gräuliche Farbe angenommen hatten.

Schließlich entschied ich mich, nach unten zu gehen.

Erstens wusste ich ja, dass dort unten auf jeden Fall irgendwo Leute waren und zweitens hatte ich von den Bergen erst einmal die Nase voll. Vielleicht holte ich sie ja sogar noch ein, wenn ich mich ein wenig beeilte.

Auch hier stellte ich etwas seltsames Fest. Die Treppenstufen schienen beheizt zu sein.

Jedenfalls waren sie nicht so kalt wie die Felswand um sie herum. Das stellte ich fest als ich mich kurz einmal abstützte, weil ich auf einen Stein getreten war und kontrollieren wollte, ob er nicht noch in meinem Fuß steckte.

Als ich mir meinen schmerzenden Fuß rieb fiel mein Blick auch auf meine Beine, da erschrak ich sehr. Die Striemen die der Gürtel hinterlassen hatte waren verschwunden. Auch mein Rücken tat nicht mehr weh und während ich meinen Weg fortsetzte, kam ich doch ins Grübeln. Wie konnte es sein das sichtbare Schäden so einfach verschwanden. Und vor allem so schnell.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich am Fuß der Treppe an. Vor mir lag eine große Wiese die von einem Wald begrenzt war. Als ich auf das Gras trat durchströmte mich ein Gefühl der Zufriedenheit. Ich fühlte mich hier so zu Hause wie es zuvor noch nirgendwo verspürte. Die Wiese war übersäht mit den verschiedensten Blumen und in den verschiedensten Farben. Sie alle zusammen verströmten einen wirklich wundervollen Duft. Nicht weit von mir graste eine Schafherde.

Während die großen Tiere entweder grasten oder einfach nur dalagen, sprangen die kleinen Lämmer aufgeregt zwischen ihnen hin und her und freuten sich an ihrem Leben.

Es war ein rührender Anblick. Ich lief auf sie zu, denn irgendwie wollte ich an ihrem Spaß teilhaben und zu meiner Verwunderung liefen sie nicht weg, sondern kamen sogar auf mich zu. Als ich ihnen die Hände hinstreckte, schnupperten sie daran und zwei von ihnen leckten sie sogar ab.