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Oliver Haag erklärt Ihnen, was Sie für Ihr Studium über Arbeitsrecht wissen sollten. Er führt Sie in die juristische Denk- und Arbeitsweise ein und erklärt Ihnen die allgemeinen Grundlagen des Arbeitsrechts. Sie erfahren außerdem, was es mit den Details des Individualarbeitsrechts und des Kollektivarbeitsrechts auf sich hat. Zum Abschluss lernen Sie anhand von Übungsfällen, wie Sie sich mit dem Arbeitsrecht in Klausuren auseinandersetzen sollten. So ist dieses Buch unverzichtbar bei Ihren ersten Schritten in diesem wichtigen, aber manchmal auch recht komplizierten Thema.
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Seitenzahl: 457
Veröffentlichungsjahr: 2023
Arbeitsrecht für Dummies
Arbeitsrecht für Dummies
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
5. Auflage 2023
© 2023 Wiley-VCH GmbH, Weinheim
Wiley, the Wiley logo, Für Dummies, the Dummies Man logo, and related trademarks and trade dress are trademarks or registered trademarks of John Wiley & Sons, Inc. and/or its affiliates, in the United States and other countries. Used by permission.
Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für die Richtig-keit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverfoto: © laurencesoulez / stock.adobe.comKorrektur: Harriet Gehring, Köln
Print ISBN: 978-3-527-72007-1eBook ISBN: 978-3-527-84019-9
Dr. jur. Oliver Haag ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Konstanz mit den Lehr- und Tätigkeitsschwerpunkten Corporate Compliance, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Arbeitsrecht. Zuvor war er mehrere Jahre als Rechtsanwalt und Chefsyndikus in der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie vorwiegend mit nationalen und internationalen Unternehmenstransaktionen, Restrukturierungen und Beteiligungsmanagement beschäftigt. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer ist er für verschiedene Bildungsträger in der berufsbegleitenden Erwachsenenbildung sowie als Of Counsel einer auf Unternehmensrecht spezialisierten Anwaltskanzlei für nationale und internationale Unternehmen und Verbände tätig. Er verfügt über umfangreiche Praxis- und Lehrerfahrung und hat zahlreiche Beiträge zum Unternehmensrecht veröffentlicht, im Wiley-VCH Verlag unter anderem auch Arbeitsrecht - Fälle und Schemata für Dummies sowie Compliance im Unternehmen für Dummies (gemeinsam mit Maximilian Jantz).
Cover
Titelblatt
Impressum
Über den Autor
Einführung
Über dieses Buch
Was dieses Buch nicht will
Törichte Annahmen über den Leser
Wie Sie dieses Buch lesen
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Einführung in die juristische Denk- und Arbeitsweise/Falllösung
Kapitel 1: Die juristische Denk- und Arbeitsweise
Nur Mut
Über Anspruchsgrundlagen
Subsumtionstechnik und Gutachtenstil
(Nicht nur) für die Studierenden unter den Lesern
Teil II: Einführung in das Arbeitsrecht
Kapitel 2: Entstehung, systematische Einordnung und Stellung des Arbeitsrechts
So entstand das Arbeitsrecht
Systematische Einordnung und Stellung
Kapitel 3: Ein Blick auf die Rechtsquellen des Arbeitsrechts
Das sind die wichtigsten Gesetze auf dem Gebiet des Arbeitsrechts
Die Bedeutung des Richterrechts
Was tun im Konfliktfall: Die Rangordnung der Rechtsquellen im Arbeitsrecht
Kapitel 4: Internationales Arbeitsrecht und Kollisionsrecht
Was Sie über das internationale Arbeitsrecht wissen sollten
Was ist das? Arbeitskollisionsrecht
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Kapitel 5: Was Sie über die Arbeitsgerichtsbarkeit wissen sollten
Aufbau und Besetzung der Arbeitsgerichte
Zuständigkeit der Gerichte
Das Urteilsverfahren
Das Beschlussverfahren
Teil III: Das Individualarbeitsrecht
Kapitel 6: Was Sie über das Arbeitsverhältnis wissen sollten
Die Voraussetzungen – wann liegt ein Arbeitsverhältnis vor?
So schnell wird man Parteimitglied: Die Parteien des Arbeitsverhältnisses
Wenn es ein wenig anders ist: Besondere Arbeitsverhältnisse
Kapitel 7: Die Begründung des Arbeitsverhältnisses
Was Sie über den Abschluss des Arbeitsvertrags wissen sollten
Nebenpflichten bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
Kapitel 8: Die Pflichten des Arbeitnehmers
Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers: Arbeiten!
Die Nebenpflichten des Arbeitnehmers
Haftung des Arbeitnehmers bei Pflichtverletzungen
Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber
Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Kollegen
Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber betriebsfremden Dritten
Kapitel 9: Die Pflichten des Arbeitgebers
Die Hauptpflicht des Arbeitgebers: Lohnzahlung
Die Nebenpflichten des Arbeitgebers
Die Haftung des Arbeitgebers bei Pflichtverletzungen
Kapitel 10: Arbeitsausfälle
Der Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn
Ausnahmen vom Grundsatz
Kapitel 11: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung
Was unter einer Kündigung zu verstehen ist
Allgemeine Kündigungsgrundsätze
Die ordentliche Kündigung
Die außerordentliche Kündigung
Die Änderungskündigung
Sonderfälle der Kündigung
Kapitel 12: Kündigungsschutz
Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG
Die Kündigungsschutzklage
Kapitel 13: Sonstige Beendigungsgründe
Der Aufhebungsvertrag
Erreichen einer Altersgrenze
Zeitablauf bei Befristung
Eintritt einer auflösenden Bedingung
Die Anfechtung
Gerichtliche Entscheidung
Tod des Arbeitnehmers
Kapitel 14: Betriebsübergang und weitere Nichtbeendigungsgründe
Der Betriebsübergang
Tod des Arbeitgebers
Insolvenz des Arbeitgebers
Betriebsschließung
Streik und Aussperrung
Kapitel 15: Pflichten bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Pflichten des Arbeitgebers
Die Pflichten des Arbeitnehmers
Teil IV: Das kollektive Arbeitsrecht (im Überblick)
Kapitel 16: Das Koalitionsrecht
Was ist eine Koalition?
Koalition und Grundgesetz – die Koalitionsfreiheit
Organisation und Rechtsstatus der Koalitionen
Kapitel 17: Das Tarifvertragsrecht
Der Tarifvertrag
Die Bedeutung des Tarifvertrags in der Praxis
Die Parteien des Tarifvertrags
Der Inhalt des Tarifvertrags
Kapitel 18: Das Arbeitskampfrecht
Der Arbeitskampf
Die Arbeitskampfparteien
Arbeitskampfarten
Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen
Rechtsfolgen eines Arbeitskampfes
Kapitel 19: Mitbestimmungsrecht
Die Unternehmensmitbestimmung
Die betriebliche Mitbestimmung
Kapitel 20: Betriebsverfassungsrecht
Betriebsverfassungsrecht und Betriebsverfassungsgesetz
Für wen das Betriebsverfassungsgesetz gilt – der Geltungsbereich des BetrVG
Organe der Betriebsverfassung
Teil V: Jetzt sind Sie dran: Fälle mit Lösungen
Kapitel 21: Fälle mit Lösungen
Fall 1: Schöne Bescherung
Fall 2: Eine freie Mitarbeiterin?
Fall 3: Allerlei um den Urlaub
Fall 4: Körperkunst
Fall 5: Der Selbstbeurlauber
Fall 6: Der Kraftfahrer ohne Führerschein
Fall 7: Die Hilfsarbeiterin
Fall 8: Betriebsrats-Allerlei
Fall 9: Samstags nie
Fall 10: Abfindung oder nicht?
Lösungsskizze zu Fall 1: Schöne Bescherung
Lösungsskizze zu Fall 2: Eine freie Mitarbeiterin?
Lösungsskizze zu Fall 3: Allerlei um den Urlaub
Lösungsskizze zu Fall 4: Körperkunst
Lösungsskizze zu Fall 5: Der Selbstbeurlauber
Lösungsskizze zu Fall 6: Der Kraftfahrer ohne Führerschein
Lösungsskizze zu Fall 7: Die Hilfsarbeiterin
Lösungsskizze zu Fall 8: Betriebsrats-Allerlei
Lösungsskizze zu Fall 9: Samstags nie
Lösungsskizze zu Fall 10: Abfindung oder nicht?
Teil VI: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 22: Zehn wichtige Themen aus dem Individualarbeitsrecht
Arbeitnehmereigenschaft
Abschluss des Arbeitsvertrages
Probezeit
Nebentätigkeit
520-Euro-Jobs
Eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung
Urlaub und Urlaubszeitpunkt
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung
Arbeitszeugnis
Kapitel 23: Zehn Tipps zur Kündigung
Schriftform
Kündigungsberechtigung
Zugang
Anhörung des Betriebsrats
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Klagefrist
Fristlose Kündigung
Ordentliche Kündigung – Kündigungsfrist
Kündigungsschutz
Interessenabwägung
Kapitel 24: Zehn wichtige Begriffe aus dem kollektiven Arbeitsrecht
Tarifautonomie
Tarifvertrag
Gewerkschaft
Arbeitgeberverband
Streik
Aussperrung
Betriebsverfassung
Betriebsrat
Betriebsvereinbarung
Einigungsstelle
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Kapitel 11
Abbildung 11.1: Übersicht: Kündigung durch den Arbeitgeber
Cover
Titelblatt
Impressum
Über den Autor
Inhaltsverzeichnis
Einführung
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Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
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Am Arbeitsrecht kommt niemand vorbei. Entweder werden Sie als Arbeitnehmer mit einem meist vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag »versorgt« oder aber Sie sind als Selbstständiger in der Situation, andere für sich arbeiten zu lassen. Auch als »Freier Mitarbeiter«, »Minijobber« oder »Werkstudent« wirkt das Arbeitsrecht auf Ihre Tätigkeiten ein. Egal auf welcher Seite – Arbeitnehmer oder Arbeitgeber – Sie sich also heute oder künftig sehen – auch Sie kommen am Arbeitsrecht nicht vorbei. Arbeitsrecht für Dummies wird Sie dabei unterstützen und Ihnen die wesentlichen Regelungen in der Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aber auch in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vermitteln.
Die fünfte Auflage enthält zahlreiche Änderungen und Ergänzungen, unter anderem die neuen Regelungen für die geringfügige Beschäftigung, eine Aktualisierung des Befristungs- und Urlaubsrechts sowie die Anpassungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz.
Arbeitsrecht für Dummies wird Ihnen anhand der klassischen Strukturierung das Individualarbeitsrecht und das kollektive Arbeitsrecht vorstellen. Von Individualarbeitsrecht sprechen wir, wenn es um die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geht; von kollektivem Arbeitsrecht sprechen wir, wenn es um die Rechtsbeziehungen von Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften oder Betriebsräten geht. Der Schwerpunkt liegt ganz klar auf dem Individualarbeitsrecht, da Sie an diesem eben nicht vorbeikommen. Das kollektive Arbeitsrecht spielt eine umso gewichtigere Rolle, je größer und organisierter ein Unternehmen ist.
Bücher zum Arbeitsrecht gibt es viele – übrigens auch einige wirklich gute. Arbeitsrecht für Dummies wird mit diesen nicht konkurrieren und sich nicht vertieft rechtswissenschaftlich sondern praxisorientiert und unkompliziert zum Arbeitsrecht äußern. Dieses Buch wendet sich vorrangig an Studierende aber auch an Betriebspraktiker und alle Leser, die sich einen eingängigen, leichten Zugang zur spannenden Welt des Arbeitsrechts verschaffen wollen. Und dass diese Welt spannend ist, werden Ihnen die kommenden Seiten aufzeigen – denn vergessen Sie nicht: Am Arbeitsrecht kommt niemand vorbei.
Arbeitsrecht für Dummies will und kann nicht eine erschöpfende Darstellung des gesamten Arbeitsrechts sein. Und: Es kann eine individuelle Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt nicht ersetzen. Sollten Sie ergänzend eine vertiefende Anleitung zum Lösen typischer Arbeitsrechtsfälle benötigen, so empfehle ich Ihnen Arbeitsrecht – Fälle und Schemata für Dummies.
… für Dummies-Leser sind weder ungebildet noch ignorant. Dies anzunehmen wäre töricht – beweist doch Ihre Vorgehensweise gerade in diesem Moment, dass Sie sich einer praxisorientierten und unkomplizierten Darstellungsvariante eines komplexen Rechtsthemas bedienen. Besondere rechtliche Vorkenntnisse sind übrigens nicht erforderlich, ein Mindestmaß an natürlicher Intelligenz und gesundem Menschenverstand sind dagegen nicht hinderlich. Viele Leser werden Studierende der Betriebswirtschaftslehre und/oder des Wirtschaftsrechts sein – diesen mag Arbeitsrecht für Dummies unterstützender Begleiter ihrer Vorlesungen werden. Eigentlich braucht dieses Buch aber jeder – denn am Arbeitsrecht kommt niemand vorbei.
Sie können das Buch von vorn bis hinten lesen oder sich im Zickzackkurs durch die einzelnen Kapitel bewegen. Sie können sich auch auf einzelne für Sie besonders interessante Abschnitte beschränken. Wenn Sie sich aber systematisch in das Arbeitsrecht und in die juristische Denk- und Arbeitsweise einarbeiten wollen, folgen Sie der besseren Übersichtlichkeit wegen dem folgenden Aufbau. Organisieren Sie sich zudem unbedingt eine aktuelle Sammlung der wichtigsten arbeitsrechtlichen Gesetze und halten Sie diese parallel griffbereit.
Juristen denken in Ansprüchen – gerne ausgehend von der Fragestellung »wer will was von wem woraus«. Zur Beantwortung und damit zur rechtlichen Lösung eines Lebenssachverhalts (»Fall«) bedienen sie sich bestimmter Techniken. Bevor Sie sich mit dem Arbeitsrecht selbst befassen, wird im ersten Teil quasi als Vorspann Grundsätzliches zur juristischen Denk- und Arbeitsweise erklärt.
In den vier Kapiteln dieses zweiten Teils erfahren Sie Grundlegendes zum Arbeitsrecht, seiner Entstehung, zur systematischen Stellung in unserer Rechtsordnung und den Rechtsquellen, also der Ausgangsbasis, des Arbeitsrechts. Zudem werden Ihnen die Arbeitsgerichtsbarkeit, das vor den Arbeitsgerichten ablaufende arbeitsgerichtliche Verfahren sowie einige internationale arbeitsrechtliche Aspekte aufgezeigt.
Dieser insgesamt zehn Kapitel umfassende Teil stellt den Schwerpunkt des Buches dar. In den ersten beiden Kapiteln werden Sie mit den Parteien des Arbeitsvertrags und der Begründung von Arbeitsverhältnissen vertraut gemacht. Die Kapitel acht und neun befassen sich dann mit den Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, also von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Kapitel zehn widmet sich dem in der Praxis insbesondere bei Arbeitnehmern beliebten Thema Arbeitsausfälle – hier erfahren Sie, in welchen Konstellationen der Arbeitnehmer trotz Nichtleistung seinen Anspruch auf die Arbeitsvergütung behält.
Die Kapitel elf bis fünfzehn führen Sie durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Natürlich steht hier zunächst die besonders streitträchtige Beendigungsvariante der Kündigung durch den Arbeitgeber im Vordergrund. Hierzu gehören auch die möglichen »Gegenmaßnahmen« des Arbeitnehmers, insbesondere die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht. Weitere Beendigungsmöglichkeiten und die Pflichten bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schließen den dritten Teil ab.
Der vierte Teil stellt Ihnen in fünf Kapiteln die wichtigsten Inhalte des kollektiven Arbeitsrechts dar. Neben dem Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht steht das deutsche Mitbestimmungsrecht im Vordergrund. Insbesondere das Betriebsverfassungsrecht regelt die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats und damit die entscheidende Frage, wer im Betrieb eigentlich das Sagen hat: Arbeitgeber oder Betriebsrat.
Die Hauptarbeit ist erledigt – das Wissen um das Arbeitsrecht haben Sie den vorderen Teilen entnommen. Jetzt sollen Sie Ihr Wissen und Ihre Kenntnisse aber auch anwenden können. Dem dienen die im fünften Teil enthaltenen kleineren Fälle aus der Praxis, die Sie einem eigenen Lösungsversuch unterziehen sollten. Damit Sie Ihre Bearbeitung auch überprüfen können, sind Lösungen eingefügt – und sollten diese einmal von Ihrem Ergebnis abweichen, denken Sie immer daran: Der Weg ist das Ziel.
Entsprechend der Tradition der … für Dummies-Bücher enthält der Top-Ten-Teil einige besonders wichtige arbeitsrechtliche Hinweise, die Ihnen – sei es auf Arbeitgeber- oder auf Arbeitnehmerseite – das Leben erleichtern können.
Wie in jedem Dummies-Buch versuche ich Ihnen auch in diesem mit bestimmten Symbolen einige Punkte zu verdeutlichen. Die folgenden Symbole stehen für …
Hier gebe ich Ihnen Tipps, wie Sie es etwas besser verstehen oder sich leichter merken können.
Hier stelle ich Ihnen einen Punkt vor, den Sie sich unbedingt merken sollten.
Hier warne ich Sie vor Fehlern und Trugschlüssen, die häufig vorkommen.
Wenn Sie dieses Symbol sehen, dann stelle ich Ihnen einen Paragraph des Arbeitsrechts vor.
Beispiele sind das Salz in der Suppe der Juristerei und helfen auch vielen Menschen beim Lernen. An den Stellen mit diesen Symbol erkläre ich Ihnen einen vorher abstrakt vorgestellten Sachverhalt, anhand eines Beispiels.
An den Stellen mit diesem Symbol stelle ich Ihnen vor, wie ein Sachverhalt sich in der Wirklichkeit, also jenseits der juristischen Theorie, darstellt.
Wir starten mit dem ersten Teil: Einführung in die juristische Denk- und Arbeitsweise/Falllösung. Wenn Sie mit dieser bereits vertraut sind, können Sie die folgenden Seiten getrost überblättern und sogleich mit dem eigentlichen Arbeitsrecht beginnen. Aber wer weiß – vielleicht entdecken Sie im ersten Teil ja doch noch etwas Neues …
Teil I
IN DIESEM TEIL …
Juristen bedienen sich ebenso wie andere Berufszweige einer besonderen Sprache, bestimmter Fachbegriffe, spezieller Arbeits- und Lösungswege und vor allem dem Denken in Ansprüchen. Hier erfahren Sie, mit welchen Techniken rechtliche und damit auch arbeitsrechtliche Fragestellungen beantwortet und einer Lösung zugeführt werden.
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Über AnspruchsgrundlagenSubsumtionstechnik und GutachtenstilUm eine rechtliche Fragestellung zu lösen, bedient man sich der Anspruchsmethode. Eine gesetzliche Definition des Begriffes Anspruch enthält § 194 Abs.1 BGB: Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun (z.B. Zahlung) oder Unterlassen (z.B. Betreten eines Grundstücks) zu verlangen.
Ausgangspunkt ist meist ein konkreter Lebenssachverhalt – ein Fall –, der rechtliche Probleme enthält, typischerweise das Problem, ob eine Person einen bestimmten Rechtsanspruch gegenüber einer anderen Person hat.
Dies soll anhand des folgenden kurzen Beispielsfalles verdeutlicht werden: Der bei Arbeitgeber Auchter beschäftigte Arbeitnehmer Bert verursacht mit Absicht einen Schaden am Betriebs-Pkw des Arbeitgebers. Auchter stellt sich die Frage, ob er den entstandenen Schaden von Bert ersetzt bekommt.
Rechtlich denkt man in Ansprüchen, daher stellt man sich zunächst immer die Frage:
Wer will was von wem woraus?
Bei der Lösung der Fragestellung bereitet die Beantwortung des Wer von wem? in der Regel keine größeren Schwierigkeiten, da die beteiligten Personen dem Lebenssachverhalt – also dem Fall – zu entnehmen sind. In obigem Beispielsfall geht es um Ansprüche des A gegen B. A ist also der Anspruchsteller, B der Anspruchsgegner.
Auch die Beantwortung des Was ist häufig wenig problematisch: Was? bezieht sich auf die vom Anspruchsteller begehrte Rechtsfolge. In unserem Beispielsfall ist dies Schadensersatz.
Dies führt zum schwierigen Teil der Ausgangsfrage, nämlich dem Woraus? woraus ist die Frage nach der rechtlichen Anspruchsgrundlage. Konkret geht es hier um eine Rechtsnorm oder eine konkrete vertragliche Vereinbarung, aufgrund derer der Anspruchssteller vom Anspruchsgegner das Begehrte verlangen kann. Die Anspruchsgrundlage kann dabei in einem einzelnen Paragraphen zu finden sein oder aber in einer Reihe von Paragraphen, einer sogenannten Paragraphenkette.
Nun darf man sich durch diese Erkenntnis nicht entmutigen lassen. Zwar gibt es – nicht nur im Arbeitsrecht – etliche Paragraphen, aber die Zahl der Paragraphen, die zugleich Anspruchsgrundlage sind, ist einigermaßen überschaubar.
Und: Durch die Ausgangsfrage wird die Zahl der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen weiter eingeschränkt. Denn durch das was können nur die Anspruchsgrundlagen einschlägig sein, die in ihrer Rechtsfolge das vom Anspruchsteller Begehrte auch aussprechen.
Im Beispielsfall kann für A nur eine Anspruchsgrundlage hilfreich sein, die in ihrer Rechtsfolge die Schadensersatzpflicht des Anspruchsgegners anordnet. Anspruchsgrundlagen, die eine andere Rechtsfolge (z.B. Übereignung, Vertragserfüllung, Unterlassen) aussprechen, können das Begehren des Anspruchstellers nicht erfüllen und scheiden daher von vornherein aus.
Bei der Lösung eines Falles besteht also Ihre erste herausfordernde Aufgabe fast immer in der Suche nach einer geeigneten Anspruchsgrundlage, d.h. einer gesetzlichen Bestimmung, nach der ein Beteiligter von einem anderen etwas verlangen kann.
Anspruchsgrundlagen sind regelmäßig wie folgt aufgebaut: Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen 1, 2, 3 und 4 vorliegen, dann tritt die Rechtsfolge (Konsequenz) X ein (sog. Syllogismus). Unter Tatbestandsvoraussetzung verstehen wir die in der Anspruchsgrundlage genannten Merkmale, die vorhanden sein müssen, damit die angeordnete Rechtsfolge eintreten kann.
Beispielsfall: Anspruchsgrundlage § 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
Wird in einem bestehenden Schuldverhältnisdurch den Schuldner eine Pflicht verletztund hat der Schuldner diese Pflichtverletzung zu vertreten (verschuldet, vgl. § 276 BGB)und entsteht dem Gläubiger hierdurch ein SchadenRechtsfolge X: … so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen.
Die rechtliche »Kunst« besteht nun darin, nach Auffinden der Anspruchsgrundlage die Anwendbarkeit der Tatbestandsvoraussetzungen 1 bis 4 auf den vorgegebenen Sachverhalt systematisch und gründlich zu untersuchen.
Liegen alle Voraussetzungen vor, so tritt die in der Anspruchsgrundlage enthaltene Rechtsfolge ein. Fehlen dagegen eine oder gar mehrere Voraussetzungen, so kann der Anspruch nicht auf diese Anspruchsgrundlage gestützt werden.
Eine Schwierigkeit mag darin bestehen, dass sich nicht immer alle Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsgrundlage alleine durch die Lektüre des Gesetzes sofort erschließen. Dann spricht man von ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen. Es ist auch möglich, dass durch rechtliche Besonderheiten an sich gegebene Ansprüche dennoch abgelehnt werden – das muss übrigens so sein, denn sonst wäre die Juristerei zu einfach.
Bei der Prüfung von Anspruchsgrundlagen ist immer diese Reihenfolge einzuhalten:
Vertragliche Ansprüche
(z.B. aus Kaufvertrag, Pflichtverletzung etc.)
Ansprüche aus Gesetz
(z.B. aus unerlaubter Handlung, ungerechtfertigter Bereicherung etc.)
Bei dieser Reihenfolge der Untersuchung müssen Sie automatisch zuerst abklären, ob zwischen den Beteiligten ein Vertrag besteht. Dadurch lassen sich viele gravierende Fehler vermeiden.
Im obigen Beispielsfall liegen übrigens die Tatbestandsvoraussetzungen von mehreren Anspruchsgrundlagen vor. Bezogen auf das Beispiel des § 280 Abs. 1 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung – gilt dies wie folgt:
Zwischen A und B besteht ein Schuldverhältnis, nämlich ein Arbeitsvertrag. B hat eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt, nämlich mit dem Eigentum seines Arbeitgebers und Vertragspartners A am Betriebs-Pkw sorgsam umzugehen und dieses nicht zu beschädigen. Dies geschah auch schuldhaft, nämlich mit Absicht, und damit vorsätzlich (vgl. § 276 BGB). Schließlich ist dem A dadurch auch ein Schaden entstanden.
In der Rechtsfolge kann A daher von B Ersatz des entstandenen Schadens verlangen.
Zur rechtlichen Lösung des Falles hat sich in der juristischen Ausbildung der Gutachtenstil bewährt. Dieser zwingt gemeinsam mit der Subsumtionstechnik zu einem schrittweisen Abarbeiten aller Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Anspruchsgrundlage(n).
Gutachtenstil bedeutet, dass Sie die für richtig gehaltene Lösung einer rechtlichen Fragestellung nicht einfach als Ergebnis formuliert vorwegnehmen, sondern sich Schritt für Schritt von der aufgeworfenen Problematik hin zur Lösung bewegen. Dies zwingt Sie, Ihre einzelnen Schritte zu überdenken und zu begründen, sodass die spätere Lösung das quasi zwangsläufige Ergebnis Ihrer vorherigen Einzelschritte ist. Auf dem Weg prüfen Sie bei jedem einzelnen Ihrer Schritte, ob der von Ihnen zu prüfende Fall auch zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage passt – diese Übereinstimmungsprüfung nennen wir Subsumtion.
Im Gutachtenstil muss die für einschlägig erachtete Anspruchsgrundlage zunächst im Konjunktiv vorangestellt werden.
»A könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs.1 BGB haben.«
Danach sind die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlage im Einzelnen zu erörtern. Wie ausführlich dies zu geschehen hat, hängt von der Schwierigkeit des jeweiligen Falles ab.
Im obigen Beispielsfall haben wir das bereits erledigt und durch die Prüfung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen anhand des konkreten Sachverhalts sogleich subsumiert, d.h., die Übereinstimmung zwischen Tatbestandsvoraussetzungen und Sachverhalt geprüft.
Verdeutlichen wir Gutachtenstil und Subsumtionstechnik an einem weiteren kurzen Fall:
Arbeitgeber A bietet seinen gebrauchten Pkw dem ehemaligen Mitarbeiter B zum Kauf an. B erklärt, den Pkw zum vereinbarten Kaufpreis von 8.000 Euro zu erwerben. B zahlt sofort in bar, die Übergabe des Pkw soll am kommenden Tag erfolgen. A erscheint nicht. Kann B von A die Übergabe und Übereignung des Pkw verlangen?
Ausgangspunkt ist die Frage
Wer will was von wem woraus?
B möchte von A die Übergabe und Übereignung des Pkw – damit sind wer von wem und was bereits beantwortet.
Die Frage nach dem woraus, also nach der Anspruchsgrundlage, führt zu § 433 Abs. 1 BGB: Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.
Nun gehen Sie wie folgt mit Gutachtenstil und Subsumtionstechnik vor:
Zunächst bilden Sie – im Konjunktiv! – einen Obersatz, in dem Sie die in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für das Begehren des Anspruchstellers B gegen den Anspruchsgegner A benennen:B könnte gegen A einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Pkw haben gemäß § 433 Abs. 1 BGB.
Dann benennen Sie die hierfür erforderliche(n) Tatbestandsvoraussetzungen:Dazu müsste zwischen B und A ein wirksamer Kaufvertrag bestehen und der Pkw müsste eine Sache sein.
Nun definieren Sie die erste Tatbestandsvoraussetzung:Ein Kaufvertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, über die Übereignung und Übergabe einer bestimmten Sache voraus.
Dann subsumieren Sie den Sachverhalt unter die Tatbestandsvoraussetzung A hat dem B angeboten, diesem seinen gebrauchten Pkw für 8.000 Euro zu verkaufen; B hat dieses Angebot gegenüber A auch ausdrücklich angenommen. Somit liegen zwischen A und B zwei übereinstimmende Willenserklärungen über einen konkreten Kaufgegenstand vor.
und halten schließlich das Ergebnis kurz fest:Damit ist zwischen A und B ein Kaufvertrag zustande gekommen.
Nun noch kurz die zweite Tatbestandsvoraussetzung – Definition und Subsumtion:Der Pkw ist ein körperlicher Gegenstand und somit eine Sache.
Und schon können Sie im Ergebnissatz Ihre Ausgangsfrage aufgreifen und beantworten:Da alle Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, kann B von A gemäß § 433 Abs. 1 BGB die Übergabe und Übereignung des Pkw verlangen.
Einige Hinweise seien erlaubt, um typische Fehlerquellen zu benennen.
Wichtig ist zunächst das genaue Erfassen des Sachverhalts. Erhalten Sie den Sachverhalt wie im Studium üblich vorgegeben, so gilt: Lesen Sie den Sachverhalt mehrmals gründlich durch. Das Erfassen des Sachverhalts kann in geeigneten Fällen durch eine graphische Darstellung der Rechtsbeziehungen in einer Skizze erleichtert werden. Viele Ausarbeitungen gehen nur deshalb schief, weil der Sachverhalt nicht richtig gelesen und erfasst wurde. Prüfen Sie jedes Element des Sachverhaltes danach, ob es für die Lösung erheblich ist, und verwenden Sie es entsprechend.
Verschaffen Sie sich anschließend Klarheit über die Fallfrage(n). Nur was gefragt wird, ist zu beantworten. Oft lautet die Frage, ob eine bestimmtes Leistungsbegehren gerechtfertigt ist (Beispiel: Kann A von B Schadensersatz verlangen?). Wenn gefragt wird: Wie ist die Rechtslage? sind alle ernsthaft in Betracht kommenden Ansprüche (= Leistungsbegehren) zwischen sämtlichen Beteiligten, die einen Bezug zum geschilderten Sachverhalt aufweisen, zu untersuchen.
Anschließend suchen Sie die entscheidungserheblichen, d.h. die für die Falllösung relevanten Rechtsvorschriften zusammen. Damit beginnt die eigentliche rechtliche Bearbeitung des Falles. Häufig kommen mehrere Anspruchsgrundlagen ernsthaft in Betracht. Diese sind in der Reihenfolge Ansprüche aus Vertrag vor Ansprüchen aus Gesetz zu prüfen. Auch wenn sie zum gleichen Ergebnis führen, sind alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu erörtern. Alle Anspruchsgrundlagen enthalten gewisse Tatbestandsvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Anspruch gewährt wird. Diese Voraussetzungen sind genau zu untersuchen. Hier ist sauberes und sorgfältiges Arbeiten wichtig, damit nicht die eigentlichen Probleme übersehen werden.
Bei der Lösung des Falls ist die richtige Begründung einer Lösung meist sehr viel wichtiger als das Ergebnis. Viele Fallfragen (z.B.: Muss A zahlen?) lassen sich nämlich mit einem schlichten Ja oder Nein beantworten. Das Ergebnis allein überzeugt aber weder die Beteiligten noch – für den Fall dass Sie Studierender sind – Ihren Professor. Entscheidend ist, dass Sie die Probleme erkennen, die in einem Fall stecken, und sich mit überzeugender Argumentation um ein vernünftiges Ergebnis bemühen. Richtige Ergebnisse setzen sich nicht nur in der Juristerei nämlich nicht von selbst durch – sonst gäbe es keine Fehler mehr – sondern durch die Kraft der Argumente und der Überzeugung. Vielleicht hilft Ihnen hier der Leitsatz »Der Weg ist das Ziel«.
Ein häufiger Anfängerfehler ist es, direkt auf das vermeintlich richtige Ergebnis loszusteuern, ohne den Weg dorthin genau zu untersuchen. Dabei werden oft die eigentlichen Probleme, die in einem Fall stecken, übersehen. Versuchen Sie als Studierender unbedingt, alle Probleme eines Falles genau darzustellen – auch wenn Ihnen das Ergebnis völlig klar erscheint. Nennen Sie ferner immer die von ihnen verwendeten Rechtsgrundlagen, also insbesondere die gesetzlichen Bestimmungen, auf die Sie Ihre Lösung stützen.
Der von den Juristen geübte Gutachtenstil ist kein Selbstzweck. Durch diesen werden Situationen und Probleme einer gründlichen Analyse unterzogen und es wird ermöglicht, eine angemessene Lösung zu finden. Die meisten unternehmerischen Fehlentscheidungen beruhen darauf, dass die Situation nicht ausreichend oder nicht richtig analysiert wurde.
Teil II
IN DIESEM TEIL …
Hier erhalten Sie eine Einführung in die Entstehung, systematische Einordnung und Stellung des Arbeitsrechts in unserer Rechtsordnung. Sie lernen die wichtigsten Rechtsquellen des Arbeitsrechts kennen und das Verfahren vor den Arbeitsgerichten. Im Hinblick auf die stetig wachsende Zahl von Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezügen erhalten Sie zudem Einblick in das Internationale Arbeitsrecht.
Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Entstehung des ArbeitsrechtsVertragsfreiheit und ArbeitsrechtSystematische Einordnung und Stellung des ArbeitsrechtsUm das Verständnis des Arbeitsrechts in seiner heutigen – teilweise als extrem empfundenen – Ausprägung zu verbessern, ist ein kurzer Blick in die Geschichte hilfreich. Unsere Gesetze sind teilweise über 100 Jahre alt und haben als solche ganz verschiedene Staatsformen überdauert, kein Wunder also, dass die Gesetzessprache aus heutiger Sicht manchmal seltsam wirkt.
Zur Einstimmung die gängige Definition des Arbeitsrechts:
Arbeitsrecht ist die Summe aller Rechtsnormen, die sich auf die in abhängiger, unselbstständiger Tätigkeit geleistete Arbeit beziehen.
Die Arbeit wird von unselbstständigen Arbeitnehmern geleistet. Prägend für das Arbeitsrecht ist also die Unselbstständigkeit des die Arbeit Leistenden. Grundlage ist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die den Arbeitgeber zum Gläubiger und den Arbeitnehmer zum Schuldner der Arbeitsleistung macht.
Um das Arbeitsrecht wird in allen Zeiten und allen Gesellschaftsformen andauernd gerungen. Denn schließlich geht es im Arbeitsrecht um Macht und Geld: Wer ist entscheidungsbefugt am Arbeitsplatz, im Betrieb, im Unternehmen – und – wie viel ist die Arbeit wert, welche Entlohnung ist angemessen und wer trägt die mit der Arbeit verbundenen Kosten?
Um diese Machtverteilung wird auch in Deutschland anhaltend diskutiert. Alle politischen Parteien und Gruppierungen vertreten zum Arbeitsrecht bestimmte, teils konträre Positionen. Insbesondere in Wahlkampfzeiten erfolgt je nach wirtschaftlicher Situation auf dem Arbeitsmarkt eine Belebung der Diskussion um die Machtverteilung am Arbeitsplatz. Denken Sie nur an die intensive politische Auseinandersetzung rund um die Einführung und Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Als weitere Beispiele können die Schlagworte Kündigungsschutz, befristete Beschäftigung, Arbeitnehmerüberlassung (»Leiharbeit«) und betriebliche Bündnisse für Arbeit dienen. Je nach politischer Ausrichtung besteht entweder eine Tendenz, das Arbeitsrecht eher arbeitgeberfreundlich oder eben arbeitnehmerfreundlich auszugestalten.
Arbeitsrecht ist also »politisches« Recht. Denn aufgrund der überragenden Bedeutung des Arbeitseinkommens und der Arbeitsbedingungen für die Existenzsicherung des einzelnen Arbeitnehmers und die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit des Arbeitgebers treffen zwangsläufig gegensätzliche Positionen aufeinander, die durch das Arbeitsrecht »austariert« werden müssen.
Im Mittelpunkt des Arbeitsrechts steht der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber. Das Arbeitsrecht dient(e) ursprünglich dem Arbeitnehmerschutz.
Dieses Grundverständnis kann nur historisch erfasst werden. Zu Zeiten der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert führte die Konzentration der Produktionsmittel in den Händen weniger Unternehmer und die Tatsache, dass der breiten Bevölkerung nur ihrer Hände Arbeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts diente, zu aus heutiger Sicht extremen Bedingungen: Sechs-Tage-Woche, 14-Stunden-Arbeitstage, Kinderarbeit und eine Bezahlung, die gerade zur Ermöglichung des Überlebens ausreichte, führten zu Elend und Not weiter Bevölkerungsschichten in Deutschland.
Hieraus resultierten Unzufriedenheit und Unruhe, sodass sich die damalige Staatsführung – bedenken Sie, dass Deutschland in dieser Zeit noch ein Kaiserreich war – veranlasst sah, durch gesetzliche Maßnahmen bestimmte Mindestschutzstandards zu sichern.
Sie sehen also, dass Arbeitsrecht als Arbeitnehmerschutzrecht entstanden ist. Auch in unserer hochentwickelten Industriegesellschaft hat es noch immer die Aufgabe, den häufig gegenüber dem Arbeitgeber schwächeren und wirtschaftlich unterlegenen Arbeitnehmer zu schützen. Dies geschieht regelmäßig durch die gesetzliche Normierung bestimmter Mindeststandards, von welchen im Arbeitsvertrag nur zugunsten, nicht aber zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Jüngstes Beispiel ist der zum 01.01.2015 eingeführte gesetzliche Mindestlohn von aktuell 12,00 Euro (seit 01.10.2022) pro Stunde.
Trotz der Entstehung des Arbeitsrechts als Arbeitnehmerschutzrecht hält das Arbeitsrecht am Grundsatz der Vertragsfreiheit fest: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind vom Grundsatz her frei in der Entscheidung, ob sie überhaupt ein Arbeitsverhältnis begründen und wie sie dieses ausgestalten.
Allerdings schränkt der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht in großem Umfang ein, um der typischen Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber entgegenzuwirken und Missbrauch zu verhindern.
Die Abschlussfreiheit ist das Recht, frei zu entscheiden, ob und mit wem ein Vertrag abgeschlossen wird. Dies führt auf dem Arbeitsmarkt dazu, dass bestimmte Personengruppen bei der Suche nach einem Arbeitsplatz schlechtere Chancen haben.
Diese Freiheit wird im Arbeitsrecht beispielsweise durch das Beschäftigungsgebot schwerbehinderter Arbeitnehmer gemäß §§ 154 ff. SGB IX oder durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eingeschränkt. Gerade das AGG verbietet es, Arbeitnehmer und Bewerber aufgrund bestimmter Merkmale zu benachteiligen. Erfolgt eine Benachteiligung oder wird die Schwerbehindertenquote nicht erfüllt, so ordnet der Gesetzgeber Sanktionen an, die regelmäßig in der Zahlung einer Entschädigung liegen. Sie sehen also, dass die echte »Wahlfreiheit« des Arbeitgebers eingeschränkt ist – allerdings geht die Einschränkung nicht so weit, dass der benachteiligte Bewerber deswegen einen Anspruch auf Vertragsabschluss, d.h. Beschäftigung, erhält. Die Sanktion beschränkt sich auf finanzielle Lasten des Arbeitgebers.
Arbeitgeber A lehnt den Bewerber B aufgrund dessen ethnischer Herkunft und Hautfarbe unter Verstoß gegen das AGG ab. Aufgrund der Vorschriften des AGG kann B von A eine angemessene Entschädigung in Geld fordern. Den Abschluss eines Arbeitsvertrages kann er dagegen nicht fordern. Damit kein Missverständnis entsteht: Der Entschädigungsanspruch des B entsteht, weil er wegen seiner Hautfarbe und ethnischen Herkunft abgelehnt wird. Lehnt der A die Bewerbung des B dagegen aus anderen, nicht vom AGG sanktionierten Gründen ab – beispielsweise aufgrund mangelnder Qualifikation – bleibt dies sanktionslos.
Im Arbeitsrecht weitaus vielfältiger sind die Einschränkungen der Inhaltsfreiheit, d.h. des Rechts, den Inhalt des (Arbeits-)Vertrags frei zu vereinbaren.
Hinsichtlich dieser Einschränkungen liegt die Missbrauchsgefahr zugunsten des Arbeitgebers besonders nahe. Die betriebliche Praxis ist dadurch geprägt, dass ein Arbeitsvertrag regelmäßig auf der Basis eines vom Arbeitgeber gestellten Musters abgeschlossen wird. Die Einflussmöglichkeiten des Bewerbers auf den Inhalt dieses Arbeitsvertrages sind überschaubar. Insbesondere die Regelungen zur wöchentlichen Arbeitszeit, Dauer des Urlaubs, Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werden regelmäßig vom Arbeitgeber einseitig vorgegeben.
Hier kommt nun das Arbeitsrecht als Arbeitnehmerschutzrecht voll zur Geltung: Durch Normierung bestimmter Mindestschutzvorschriften wird es den Arbeitsvertragsparteien unmöglich gemacht, zu Lasten des Arbeitnehmers von diesen Mindestvorschriften abzuweichen. Entsprechende – gesetzeswidrige – Vereinbarungen im Arbeitsvertrag sind unwirksam. Es gelten immer die gesetzlichen Mindestansprüche. Zugunsten des Arbeitnehmers kann dagegen rechtswirksam von den gesetzlichen Vorgaben abgewichen werden.
Das Bundesurlaubsgesetz sieht für Arbeitnehmer in einer Fünf-Tage-Arbeitswoche einen gesetzlichen Mindestjahresurlaub von 20 Werktagen vor. Im Arbeitsvertrag kann zugunsten des Arbeitnehmers ein höherer Urlaubsanspruch vereinbart werden, beispielsweise die in vielen Branchen »üblichen« 30 Tage. Eine Verringerung des Urlaubsanspruchs unter die Mindestdauer von 20 Tagen wäre dagegen aufgrund eines Verstoßes gegen das Bundesurlaubsgesetz selbst dann unwirksam, wenn der Arbeitnehmer einer entsprechenden Verringerung in seinem Arbeitsvertrag zustimmt.
Das deutsche Recht lässt sich in zwei große Gebiete einteilen: das Privatrecht und das Öffentliche Recht.
Das Öffentliche Recht umfasst die Rechtsnormen, die einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten. Klassischerweise sind dies staatliche Stellen wie der Bund, die Bundesländer und die Kommunen sowie international etwa die Europäische Union. Das Öffentliche Recht ist regelmäßig geprägt von einem Über-/Unterordnungsverhältnis, indem die staatliche Stelle – meist durch einen Verwaltungsakt – gegenüber dem einzelnen Bürger eine Entscheidung trifft.
Das Privatrecht umfasst die Rechtsnormen, die die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Bürgern oder deren Vereinigungen regeln. Das Privatrecht ist geprägt von einer Gleichstellung der beteiligten Personen, die aufgrund des Austausches von Willenserklärungen miteinander in Rechtsbeziehungen treten.
Wenn Sie arbeitsbedingt Ihren Wohnort in eine neue Gemeinde verlegen, werden Sie dort mittels eines Bescheides der zuständigen staatlichen Stelle zu Müllgebühren herangezogen. Ob Sie hierzu eine entsprechende Willenserklärung abgeben, dies also auch »wollen«, ist für Ihre Zahlungspflicht irrelevant. Der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen Sie Ihren Wohnort gewechselt haben, kann dagegen nur zustande gekommen sein, indem Sie einen entsprechenden Willen bekundet haben.
Das Arbeitsrecht gehört zum Privatrecht, denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen grundsätzlich gleichberechtigt »auf einer Stufe«. Daher gehören auch die meisten arbeitsrechtlichen Regelungen zum Privatrecht.
Allerdings hat sich das Arbeitsrecht zu einem guten Teil aus dem klassischen allgemeinen Privatrecht herausgelöst und sich zu einer eigenständigen Materie innerhalb des Privatrechts entwickelt. Man spricht deshalb auch vom Arbeitsrecht als Teil des besonderen Privatrechts.
Einzelne arbeitsrechtliche Regelungen finden sich zudem in Gesetzen, die dem öffentlichen Recht zugehören.
Kapitel 3
IN DIESEM KAPITEL
Die wichtigsten Gesetze im ArbeitsrechtDie Bedeutung des RichterrechtsTarifvertrag, Betriebsvereinbarung, betriebliche ÜbungDas Weisungsrecht des ArbeitgebersDie Rangordnung der RechtsquellenUm das Arbeitsrecht in seiner Komplexität zu erfassen, ist eine Beschäftigung mit den Rechtsquellen, also den Grundlagen des Arbeitsrechts, erforderlich.
Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten ist das Arbeitsrecht nicht in einem einheitlichen Gesetz konzentriert. Es ist vielmehr auf zahlreiche einzelne Gesetze und gesetzliche Regelungen aufgeteilt. Deshalb sprechen wir auch von einer Fragmentierung des Arbeitsrechts. Diese Fragmentierung macht den Umgang mit dem Arbeitsrecht nicht leichter, da je nach Fragestellung Regelungen aus unterschiedlichen Gesetzen einschlägig sind. Häufig sind dies auch keine speziellen arbeitsrechtlichen Gesetze, sondern Gesetze, die nur in Teilbereichen arbeitsrechtliche Regelungen enthalten.
Dies soll durch einen Blick auf die wichtigsten Gesetze auf dem Gebiet des Arbeitsrechts verdeutlicht werden:
Wichtige Gesetze auf dem Gebiet des Arbeitsrechts:
BGB (§§ 611 ff.)HGB (§§ 59 ff.)Gewerbeordnung (GewO §§ 105 ff.)Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)Kündigungsschutzgesetz (KSchG)Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)Arbeitszeitgesetz (ArbZG)Mutterschutzgesetz (MuSchG)Tarifvertragsgesetz (TVG)Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)Berufsbildungsgesetz (BBiG)Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)Sozialgesetzbücher (SGB)Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)Pflegezeitgesetz (PflegeZG)Familienpflegezeitgesetz (FPflZG)Mindestlohngesetz (MiLoG)Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntGTranspG)Trotz dieser zahlreichen Gesetze gibt es arbeitsrechtliche Bereiche, die vom Gesetzgeber nur rudimentär oder gar nicht geregelt sind. Im konkreten Streitfall sind die Gerichte aber zu einer Entscheidung berufen. Daher spielt auch das sogenannte Richterrecht im Arbeitsrecht eine gewichtige Rolle. Unter Richterrecht verstehen wir die ständige Auslegungs- und Spruchpraxis der Gerichte, insbesondere natürlich die oft als Grundsatzurteile bezeichneten Urteile der obersten Gerichte. Entfernt sich diese Spruchpraxis vom eigentlichen Gesetzeswortlaut, sprechen wir von richterlicher Rechtsfortbildung.
Ergänzt werden diese Gesetze durch:
Tarifvertrag
Betriebsvereinbarung
Betriebliche Übung
Individualarbeitsvertragliche Musterklauseln
Arbeitsvertrag
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Diese zahlreichen Einzelgesetze werden durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ergänzt. Diese dem kollektiven Arbeitsrecht zuzuordnenden Regelungsinstrumente wirken in ihrem jeweiligen Geltungsbereich nämlich unmittelbar und zwingend, also wie ein Gesetz, auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse ein.
Sie werden zwischen Gewerkschaften einerseits und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern andererseits geschlossen und gelten zunächst nur zwischen den Mitgliedern der tarifvertragsschließenden Parteien. Häufig wird aber durch eine Verweisung, Übernahme oder Anlehnung der Inhalt des Tarifvertrags auch auf die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern anwendbar, die nicht der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft angehören.
Das sind Regelungen, die zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber abgeschlossen werden. Sie regeln arbeitsrechtliche Rechte und Pflichten auf der Ebene des Betriebs und gelten für die jeweilige Betriebsbelegschaft ebenfalls unmittelbar und zwingend.
Schließlich kann auch die sogenannte betriebliche Übung eine Rechtsquelle sein. Unter betrieblicher Übung verstehen wir das wiederholte, gleichförmige Verhalten des Arbeitgebers, aufgrund dessen die Arbeitnehmer davon ausgehen dürfen, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten auch in Zukunft unverändert fortsetzt. Die Rechtsprechung bejaht die betriebliche Übung, wenn der Arbeitgeber die Leistung mindestens dreimal in Folge gewährt hat. Um dies zu verhindern, muss der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweisen, dass er durch die Gewährung der Leistung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen will.
Arbeitgeber A hat in den Jahren 2018 bis 2022 jeweils im Dezember ein nicht in den Arbeitsverträgen vorgesehenes Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsentgelts bezahlt. Im Jahr 2023 bleibt die Zahlung aus, da A andere finanzielle Pläne hat. Aufgrund der entstandenen betrieblichen Übung haben die Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes auch im Jahr 2023 und den Folgejahren.
Letztlich kommt es also durch die betriebliche Übung zu einer stillschweigenden Änderung des Arbeitsvertrages: Die Arbeitnehmer dürfen sich darauf verlassen, dass der Arbeitgeber diese Leistung auch in der Zukunft erbringt.
Ebenfalls zu einer eigenständigen Rechtsquelle entwickelt haben sich die arbeitsvertraglichen Musterklauseln. Von diesen sprechen wir, wenn der Arbeitgeber in »seinen« Arbeitsverträgen immer wiederkehrende gleichlautende Formulierungen verwendet. Der individuelle Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers besteht in der Praxis regelmäßig zu einem großen Teil aus solchen arbeitsvertraglichen Einheitsregeln, welche die konkreten individuellen Vereinbarungen (z.B. über das Gehalt) einrahmen.
Natürlich ist auch der einzelne Arbeitsvertrag als Rechtsquelle zu nennen. Dieser ist schließlich die eigentliche Grundlage des einzelnen Arbeitsverhältnisses.
Nun kommt es im betrieblichen Alltag trotz dieser vermeintlichen Fülle an Rechtsquellen natürlich zu Situationen, in denen es um die konkrete Ausführung des Arbeitsverhältnisses geht. Hier greift das Weisungsrecht des Arbeitgebers ein. Dieses in § 611a BGB und in § 106 GewO normierte Recht berechtigt den Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung zu konkretisieren.
§ 611a Satz 2 BGB: Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. § 106 GewO Weisungsrecht des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlicher Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Arbeitnehmer A ist bei Arbeitgeber B laut Arbeitsvertrag als »kaufmännischer Mitarbeiter in der Einkaufsabteilung« beschäftigt. Die konkrete Zuweisung von Arbeitsaufgaben im Rahmen der Tätigkeit in der Einkaufsabteilung unterfällt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Nachdem Sie die Vielfalt der Rechtsquellen erfasst haben, liegt es nahe, sich dem Problem zuzuwenden, was im Fall von widersprüchlichen Inhalten zu tun ist. Erschwert wird die Konfliktlösung durch die Situation, dass Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen teilweise zwingende, teilweise aber auch nicht zwingende (dispositive) Inhalte haben. Für die Einordung als zwingend oder nicht zwingend ist primär der Wortlaut der einschlägigen Regelung maßgeblich. Der Lektüre des § 106 GewO weiter oben konnten Sie übrigens schon Hinweise auf die Rangordnung entnehmen!
Von zwingenden Vorgaben kann grundsätzlich zu Lasten des Arbeitnehmers nicht wirksam abgewichen werden, zu seinen Gunsten dagegen schon. Dieses sogenannte Günstigkeitsprinzipermöglicht die Durchbrechung der Rangordnung, wenn dies für den Arbeitnehmer vorteilhaft ist.
§ 4 Abs. 3 TVG Wirkungen der Rechtsnormen: Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
Im Grundsatz gilt die folgende Rangordnung der Rechtsquellen im Arbeitsrecht:
Unmittelbar geltendes Recht der Europäischen GemeinschaftenZwingende GesetzesbestimmungZwingende Bestimmung eines TarifvertragesZwingende Bestimmung einer BetriebsvereinbarungBestimmung des einzelnen ArbeitsvertragesNicht zwingende Bestimmung einer BetriebsvereinbarungNicht zwingende Bestimmung eines TarifvertragesNicht zwingende GesetzesbestimmungDirektionsrecht/Weisungsrecht § 106 GewO, § 611a BGBSie sehen also, dass das oben vorgestellte Weisungsrecht des Arbeitgebers am Ende der Normenhierarchie steht und nur in Übereinstimmung zu den höherrangigen Rechtsquellen ausgeübt werden darf.
Dies soll an einem konkreten Beispiel näher erläutert werden.
Im Arbeitsvertrag des in einer Sechs-Tage-Woche beschäftigten Arbeitnehmers A findet sich ein jährlicher Urlaubsanspruch von 20 Tagen. Das Bundesurlaubsgesetz normiert einen Mindesturlaubsanspruch von 24 Tagen. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sieht einen Mindesturlaubsanspruch von 30 Tagen vor. Wie viele Tage Urlaub stehen A zu?
Ausweislich der Rangordnung der Rechtsquellen ist zunächst die zwingende Regelung des Bundesurlaubsgesetzes (BurlG) heranzuziehen. Diese überlagert sowohl den Arbeitsvertrag als auch den Tarifvertrag. Somit gilt jedenfalls nicht die für A ungünstige Regelung im Arbeitsvertrag (20 Tage), sondern der Mindesturlaubsanspruch nach dem BUrlG (24 Tage). Aufgrund des Günstigkeitsprinzips wird nun aber die Normenhierarchie im Hinblick auf den Tarifvertrag zugunsten des A durchbrochen werden, sodass dem A 30 Tage Urlaub zustehen.
Wäre A nicht tarifgebunden, so blieben ihm jedenfalls die 24 Tage nach dem BurlG.
Kapitel 4
IN DIESEM KAPITEL
Internationales ArbeitsrechtEuropäisches ArbeitsrechtDie Rolle des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug, Arbeitskollisionsrecht und Arbeitnehmer-EntsendegesetzDie Zahl der Arbeitsverhältnisse mit internationalem Bezug wächst stetig. Immer mehr Unternehmen sind nicht rein national sondern über die Grenzen hinaus aktiv. Daraus können sich auch Auswirkungen auf das einzelne Arbeitsverhältnis ergeben.
Deutschland hat als Mitglied der International Labour Organisation (ILO) einige internationale Übereinkommen unterschrieben. Zudem enthalten die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische Sozialcharta arbeitsrechtliche Regelungen, die auch in Deutschland Gesetzesgeltung haben.
Diese internationalen Abkommen spielen jedoch in der arbeitsrechtlichen Praxis so gut wie keine Rolle, da die in ihnen enthaltenen Regelungen regelmäßig deutlich unter den in Deutschland geltenden arbeitsrechtlichen Standards liegen.
Anders stellt sich dies für das europäische Arbeitsrecht dar.
Zum einen enthält der heutige Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) arbeitsrechtliche Bestimmungen. Zum anderen hat die Europäische Gemeinschaft zahlreiche Richtlinien auf dem Gebiet des Arbeitsrechts erlassen, die der Harmonisierung des Arbeitsrechts innerhalb Europas dienen.
Die von der Europäischen Union erlassenen Richtlinien gelten regelmäßig nicht »automatisch« in den einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern sind von diesen in nationales Recht umzusetzen. Zahlreiche deutsche arbeitsrechtliche Regelungen gehen daher ursprünglich auf die Rechtssetzung der Europäischen Union zurück.
Das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG) vom 14.8.2006 geht auf vier europarechtliche Richtlinien zurück, die insbesondere den Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf sicherstellen sollen.
Das europäische Gemeinschaftsrecht hat Vorrang vor dem nationalen und damit auch dem deutschen Recht. Besondere Bedeutung kommt dabei der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu.
Dem EuGH obliegt es, die europarechtskonforme Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu sichern. Die nationalen Gerichte sind daher veranlasst, dem EuGH Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dies kann in arbeitsgerichtlichen Verfahren dazu führen, dass das zur Entscheidung berufene deutsche Arbeitsgericht das Verfahren zunächst aussetzt und die Frage der Reichweite oder Vereinbarkeit von Gemeinschaftsrecht mit deutschem Recht zur Entscheidung vorlegt. Die sodann ergehende Entscheidung des EuGH bindet das vorlegende Gericht.
Die Rechtsprechung des EuGH hat insbesondere in den letzten Jahren immer wieder traditionelle deutsche Rechtsüberzeugungen »gekippt«, insbesondere im Urlaubsrecht (siehe Kapitel 10). Dieser Einfluss des europäischen Richterrechts auf das deutsche Arbeitsrecht wird von vielen Beteiligten kritisch betrachtet, da der EuGH im Gegensatz zu den deutschen Parlamenten keine direkte demokratische Legitimierung besitzt. Hinsichtlich der Rangfolge der Rechtsquellen besteht aber Einigkeit, dass das europäische Gemeinschaftsrecht Vorrang vor den nationalen Rechtsquellen genießt.
Von Arbeitskollisionsrecht sprechen wir, wenn ein Arbeitsverhältnis Bezüge zu mehreren Rechtsordnungen aufweist. Hierunter fallen insbesondere die Konstellationen, in denen ein deutscher Arbeitnehmer im Ausland oder ein ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt wird. In diesen Fällen können unterschiedliche Rechtsordnungen miteinander kollidieren. Das Arbeitskollisionsrecht regelt also die Frage nach der anzuwenden Rechtsordnung.
Der deutsche Arbeitnehmer A soll für seinen Arbeitgeber B die Vertriebsorganisation in Litauen aufbauen, also dort beschäftigt sein. Welche Rechtsordnung gilt für das Arbeitsverhältnis? Was gilt, wenn A nicht nur in Litauen sondern auch in Estland und Lettland die Vertriebsorganisationen aufbauen soll, die Einstellung des A aber in der lettischen Hauptstadt Riga stattgefunden hat?
Nach deutschem Arbeitskollisionsrecht gilt der Grundsatz der freien Rechtswahl. Diese kann entweder ausdrücklich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, erfolgen.
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (»Rom I«): Freie Rechtswahl
Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.
In unserem obigen Beispiel bedeutet dies zunächst, dass A und B die anzuwendende Rechtsordnung frei wählen können. Dabei ist die Wahl nicht auf die Rechtsordnungen beschränkt, mit denen das Arbeitsverhältnis einen Zusammenhang aufweist. Gewählt werden kann auch eine andere, fremde oder »neutrale« Rechtsordnung.
Allerdings ist die Freiheit der Rechtswahl durch Artikel 8 Rom I anderweitig begrenzt: Durch die Rechtswahl dürfen dem Arbeitnehmer nicht die zwingenden Schutzvorschriften der Rechtsordnung entzogen werden, die bei einer fehlenden Rechtswahl anzuwenden wäre.
Daher ist in jedem Fall zu klären, welche Rechtsordnung bei fehlender Rechtwahl anwendbar ist und welche deren zwingenden Schutzvorschriften sind.
Unterbleibt eine Rechtwahl, so kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in welchem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
In unserem obigen Beispielsfall unterliegt bei fehlender Rechtswahl das Arbeitsverhältnis des deutschen Arbeitnehmers A also der Rechtsordnung von Litauen. Überrascht? Das ist gut, denn künftig werden Sie bei einer Tätigkeit im Ausland auf die Rechtswahl achten!
Ist der Arbeitnehmer ständig in verschiedenen Ländern tätig, so gilt das Recht des Staates, in dem die den Arbeitnehmer einstellende Niederlassung ihren Sitz hat. Es sei denn, das Arbeitsverhältnis weist zu einem anderen Staat eine engere Bindung auf.
In unserem obigen Beispiel der gleichmäßigen Zuständigkeit für alle drei baltischen Staaten gilt bei fehlender Rechtswahl für A also das Arbeitsrecht Lettlands.
Werden ausländische Unternehmen in Deutschland tätig und beschäftigen diese ihre Arbeitnehmer nach ausländischen (Billig-)Tarifen, so findet regelmäßig eine Verdrängung deutscher Unternehmen statt, die ihre Beschäftigten nach inländischen (teureren) Tarifverträgen bezahlen.
Auf einer Berliner Großbaustelle bietet ein polnisches Bauunternehmen die Arbeit zu einem deutlich geringeren Preis an als die deutsche Konkurrenz. Dies ist insbesondere deshalb möglich, weil das polnische Unternehmen deutlich geringere Löhne bezahlt sowie höhere Arbeitszeiten gelten und niedrigere Urlaubsansprüche bestehen.
Das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz schreibt daher für bestimmte Branchen zwingend vor, dass auch für diese ausländischen Unternehmen ebenso wie für deutsche nicht tarifgebundene wie gebundene Unternehmen Arbeits- und damit auch Lohnbedingungen entsprechend der deutschen Tarifverträge gelten.
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz gilt explizit in folgenden Branchen:
Bauhauptgewerbe und Baunebengewerbe
Gebäudereinigung
Briefdienstleistungen
Sicherheitsdienstleistungen
Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst
Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach SGB II und III
Schlachten und Fleischverarbeitung
Damit besteht für diese Branchen faktisch ein gesetzlicher (tarifvertraglicher) Mindestlohn.
Zudem können auch Tarifverträge anderer Branchen durch den Gesetzgeber mittels Rechtsverordnung für verbindlich erklärt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint.
Ob Ihr Arbeitsverhältnis von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag erfasst wird, können Sie selbst prüfen. Auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (www.bmas.de) befindet sich ein »Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge« (vergleiche auch Kapitel 17).
Kapitel 5
IN DIESEM KAPITEL
Aufbau und Besetzung der ArbeitsgerichteZuständigkeit der ArbeitsgerichteDas Urteilsverfahren – Besonderheiten, Gütetermin, Kammertermin, Instanzenzug, KostenerstattungDas BeschlussverfahrenFür Streitigkeiten aus dem Arbeitsrecht besteht nach den Regelungen des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Ausschließlich bedeutet, dass die gesetzlich vorgegebene Zuständigkeit nicht durch eine Absprache zwischen den Parteien geändert werden kann.
Der Aufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit entspricht der für Deutschland typischen Dreistufigkeit.
In der ersten Instanz ist das Arbeitsgericht zuständig. Dort entscheidet eine Kammer, die aus einem Berufsrichter als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern (Schöffen, Laienrichter) besteht. Von den ehrenamtlichen Richtern stammt einer aus Arbeitnehmerkreisen und einer aus Arbeitgeberkreisen.
In der zweiten Instanz ist das Landesarbeitsgericht zuständig. Auch dieses besteht aus Kammern, die mit einem Berufsrichter als Vorsitzenden und zwei Laienrichtern besetzt sind. Das Landesarbeitsgericht entscheidet über die Rechtsmittel (Berufung, Beschwerde), die gegen die Entscheidungen des Arbeitsgerichts eingelegt werden.
In der dritten und letzten Instanz ist dasBundesarbeitsgericht (BAG) mit Sitz in Erfurt zur Entscheidung berufen. Das BAG besteht aus zehn Senaten, die mit je drei Berufsrichtern