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ARCHIV DES VERBRECHENS – Band 4: Kein Zurück Ein europaweiter Albtraum. Ein Täter ohne Gesicht. Ein Kommissar am Rand des Abgrunds. Der vierte Band der atemlos-düsteren Thriller-Reihe führt Kommissar Daniel Riemann und seinen Kollegen Jonas Berg in eine Dimension des Verbrechens, die sie selbst an den Rand der psychischen Zerstörung bringt. Was als rätselhafter Todesfall in Berlin beginnt, entwickelt sich zu einer unaufhaltsamen Welle der Gewalt – ein perfides Muster aus Selbstverstümmelung, Wahnsinn und Macht, das sich wie ein unsichtbarer Faden durch ganz Europa zieht. Reiche Industrielle, angesehene Ärzte, Politiker, Banker, Kunstsammler – sie alle sterben durch ihre eigenen Hände, auf grausame, ritualhafte Weise. Kein Täter, keine Spuren, keine logische Erklärung. Nur ein Schatten, der in den Köpfen der Opfer zu sprechen scheint. Riemann und Berg folgen der blutroten Spur von Berlin nach Hamburg, Wien, Zürich, Lyon, Paris, Mailand, Brüssel, Prag und Madrid. Mit jedem neuen Fall wird deutlicher: Dies ist kein Serienmörder. Dies ist ein Puppenspieler, der seine Opfer von innen steuert – und seine Fäden längst auch an die Ermittler legt. Während Europa im Ausnahmezustand steht und die Medien von einer "Epidemie des Wahnsinns" sprechen, beginnt der Fall, Riemann und Berg selbst zu zerbrechen. Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Stimmen, Schatten in den Spiegeln – der Täter greift nicht ihre Körper an, sondern ihre Seelen. Als schließlich erste kryptische Botschaften auftauchen, wird klar: Der Mann im Schatten kennt sie. Der Mann im Schatten spielt mit ihnen. Und der Mann im Schatten will, dass sie ihn finden – oder daran zugrunde gehen. Im epischen Finale in Madrid kommt es zur Begegnung mit einem Phantom, das nie gesehen werden wollte. Ein Kampf, der nicht mit Waffen geführt wird, sondern mit Verstand, Angst und der eigenen Psyche. Und doch bleibt nach dem letzten Schlag nur eines sicher: Manche Wege führen so tief in die Dunkelheit.
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Seitenzahl: 455
Veröffentlichungsjahr: 2025
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BRECHENS
Band 4
Kein Zurück
Danilo Sieren
Copyright © 2025 Danilo Sieren
Alle Rechte vorbehalten.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Erste Auflage 2025
Württembergerstr. 44
44339 Dortmund, Deutschland
Es gibt Wege,
von denen es kein Zurück gibt.
Vorwort 6
Kapitel 1 7
Der Blick des Abgrunds 7
Kapitel 2 27
Im Labyrinth der Angst 27
Kapitel 3 55
Die Stille, die bleibt 55
Kapitel 4 93
Die Nacht trägt Geheimnisse 93
Kapitel 5 135
Im Netz der Intrigen 135
Kapitel 6 156
Blutige Spuren am Kanal 156
Kapitel 7 177
Die Nacht der Masken 177
Kapitel 8 199
Tödlicher Lieferweg 199
Kapitel 9 216
Der Goldraub 216
Kapitel 10 252
Dämmerung im Netzwerk 252
Kapitel 11 279
Impressum 279
Vorwort
❦
Zur Serie Archiv des Verbrechens
Verbrechen hinterlassen Spuren.
Manche sind sichtbar. Andere vergraben sich tief in Systemen, Beziehungen
und Erinnerungen.
Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Kommissar im aktiven Dienst. Er kennt die Regeln und weiß, wann man sie brechen muss. Mit scharfem Verstand und einer unnachgiebigen Haltung gegenüber Ungerechtigkeit geht er Spuren nach, die andere längst aufgegeben haben.
Und seine Kollegin aus der IT-Analyse, ist die stille Kraft im Hintergrund. Sie sieht, was andere übersehen: digitale Muster, versteckte Verbindungen, die Sprache der Daten. Gemeinsam bilden sie ein Team, das sich nicht mit der Oberfläche zufriedengibt.
Jeder Band ist ein Archiv.
Jeder Fall ein Eintrag.
Und jede Wahrheit ein Risiko.
Kapitel 1
Der Blick des Abgrunds
Es begann in einer jener Nächte, die keine Ruhe kannten, ein endloses Surren
von Regen über grauen Straßenschluchten, das Licht der Laternen gebrochen in den Pfützen, als hätte jemand Splitter von Glas in die Nacht gestreut, und Kommissar Daniel Riemann stand an der Grenze zwischen Pflicht und Abgrund, die Zigarette längst verloschen zwischen den Fingern, der Geruch von kaltem Rauch mischte sich mit dem metallischen Gestank von Blut, das sich auf dem Pflaster gesammelt hatte, eine Spur, die nirgendwohin führte und dennoch alles erzählte, ein Körper lag ver-dreht, die Hände auf groteske Weise gegen sich selbst gewandt, Finger abgetrennt, Hautfetzen wie ein krankes Mosaik, und doch war kein Täter da, keine Spuren, nur der Körper, der sich selbst zum Feind geworden war, und neben ihm sein Kollege Jonas Berg, der jüngere, schweigsamer als sonst, die Augen weit offen, als könnte er den Wahnsinn, der sich vor ihnen ausgebreitet hatte, nicht in Worte fassen, sie standen da und wussten, dass dies kein gewöhnlicher Fall werden würde, es war, als ob ein Schatten in den Köpfen der Opfer gezündet hätte, ein Befehl, ein dunkler Impuls, der sie zwang, sich zu verstümmeln, bis der letzte Atemzug kam, und während Sanitäter die Leiche bargen, fiel der Blick von Riemann auf das Gesicht, verzerrt in einem Lächeln, das keines war, die Züge eingefroren zwischen Schmerz und Triumph, und er spürte einen Stich im Magen, als hätte er nicht auf einen toten Mann gesehen, son-dern auf eine Botschaft, ein Brief ohne Worte, geschrieben in Fleisch, er wandte sich ab, sah den Regen über die Dächer treiben, die Stadt schien zu schlafen, aber er wusste, dass sie erwacht war in etwas, das sie nicht mehr loslassen würde, und während er mit Jonas in den Wagen stieg, sprachen sie kaum, nur das Tropfen der Tropfen auf das Dach begleitete die Stille, bis Jonas schließlich flüsterte, als spräche er in eine Beichte hinein, dass der Tote ein reicher Industrieller gewesen sei, ein Mann, der die halbe Stadt kontrolliert habe, Kontakte in Politik und Justiz, dass er nicht irgendwer war, sondern jemand, dessen Tod Wellen schlagen würde, und Rie-mann dachte, dass dies erst der Anfang war, ohne es wirklich zu wissen, während in einem anderen Teil der Stadt eine Frau in einem Hotelzimmer stand, die Hände zit-ternd, der Spiegel beschlagen vom Dampf der Dusche, und sie sah ihr eigenes Gesicht darin, zersplittert in Tropfen, und sie hörte eine Stimme, die ihr befahl, die Schere zu nehmen, die neben den Handtüchern lag, und sie griff danach, als wäre sie aus einer anderen Welt gesteuert, während die Nacht in Berlin weiterlief, unsichtbare Fäden gespannt, und irgendwo zwischen den Straßen ging einer, der nicht gesehen werden wollte, ein Mann, dessen Schatten sich durch die Körper anderer schrieb, ein Puppen-spieler der Verzweiflung, der keine Bühne brauchte außer die Psyche seiner Opfer, und während Riemann nicht schlafen konnte in dieser Nacht, die Zigarette wieder brennend zwischen den Fingern, begann das Netz sich zu weben, leise, unaufhaltsam, ein Muster, das nicht aufzuhalten war, und niemand ahnte, dass dies nur der erste Tropfen in einem Sturm war, der ganz Europa überschwemmen sollte. Der Morgen roch nach kaltem Kaffee und nassem Asphalt, als Riemann die Akten auf dem Tisch verteilte, die Fotos der Leiche vom Vorabend glitten wie stumme Anschuldigungen über den grauen Schreibtisch, Jonas stand am Fenster, die Hände in den Taschen, die Augen auf die Dächer gerichtet, während draußen die Sirenen eines Krankenwagens durch die Straßen brachen, ein Echo, das wie ein drohendes Vorzeichen wirkte, und kaum hatten sie die ersten Berichte der Spurensicherung gelesen, klingelte das Tele-fon, ein neuer Einsatz, wieder ein Toter, diesmal in einem luxuriösen Apartment nahe dem Kurfürstendamm, ein Name, den sie sofort kannten, ein angesehener Herzchirurg, berühmt für seine Operationsmethoden, gefeiert in Fachkreisen, einer, der Menschen das Leben verlängert hatte, nun tot, verstümmelt, und wieder waren es seine eigenen Hände, die das Werkzeug geführt hatten, ein Skalpell, tief in der eige-nen Brust, als hätte er sich selbst auf den Operationstisch gelegt, und als sie die Woh-nung betraten, empfing sie der Geruch von Desinfektionsmittel, die Bücherregale voller medizinischer Fachliteratur, der Fernseher stumm, auf dem Bildschirm einge-froren das Bild eines Dokumentarfilms über Herztransplantationen, und auf dem Bo-den der Tote, das Blut wie eine stille Botschaft verteilt, die Möbel unversehrt, keine Einbruchsspuren, keine Hinweise auf Fremdeinwirkung, nur diese groteske Selbstzer-störung, und Riemann fühlte, wie die Schlinge sich enger zog, nicht nur um die Opfer, sondern auch um ihre eigenen Gedanken, denn zwei Tote in zwei Tagen, beide aus Kreisen, die sich sonst hinter hohen Mauern verschanzten, bedeuteten, dass hier je-mand ein Muster schrieb, ein Muster, das sie nicht erkennen konnten, Jonas stand neben dem Körper, flüsterte fast unhörbar, dass es kein Zufall sei, dass jemand diese Männer ausgewählt habe, und während die Spurensicherung arbeitete, schob sich ein Fremder durch die Tür, ein Journalist, scharf geschnittenes Gesicht, ein Notizbuch in der Hand, er stellte sich als Henning Lorenz von der Berliner Morgenpost vor, er sagte, er habe gehört, dass etwas Großes im Gange sei, und seine Augen verrieten, dass er mehr wusste, als er zugab, Riemann schob ihn hinaus, drohte ihm mit einer Anzeige wegen Behinderung, doch in seinem Inneren wusste er, dass dieser Mann ein Nebenschauplatz werden würde, einer, der sich in die Ermittlungen bohrte wie ein Stachel, und als sie die Wohnung verließen, blitzten Kameras auf, die Presse hatte bereits Wind bekommen, Schlagzeilen wurden geschrieben, noch bevor sie Antworten hatten, und der Druck wuchs, nicht nur aus den Medien, sondern auch von oben, der Polizeipräsident selbst rief an, sprach von politischer Brisanz, von Kontakten, die nicht in der Zeitung landen dürften, und Riemann spürte, wie sich die Grenzen zwis-chen Arbeit und Macht verschoben, wie sie nicht nur gegen einen Täter kämpften, sondern gegen Strukturen, die nicht wollten, dass man zu tief grub, in der Nacht da-rauf saßen sie in einer Kneipe in Moabit, das Bier schmeckte schal, Jonas sprach von seiner Frau, die ihn kaum mehr zu Gesicht bekam, von den Schatten in seinen Träu-men, die Gesichter der Toten tauchten dort auf, während Riemann schwieg und nur in den Rauch sah, und draußen fuhr ein Wagen langsam vorbei, hielt kurz, fuhr weiter, und sie beide wussten, dass sie längst beobachtet wurden, nicht nur vom Täter, son-dern von einer ganzen Welt, die kein Interesse daran hatte, dass die Wahrheit ans Licht kam, und während Berlin schlief, stand in einer anderen Stadt, in Hamburg, ein Banker auf dem Balkon seiner Villa, die Elbe vor Augen, die Gläser vom Abendessen noch auf dem Tisch, und er hielt ein Stück Glas in der Hand, das er mit langsamen, fast ehrfürchtigen Bewegungen gegen seine Haut drückte, als würde er einem Befehl folgen, den niemand ausgesprochen hatte, und das leise Tropfen von Blut auf den Steinboden kündigte an, dass das Netz sich weiter spann, weit über die Grenzen Berlins hinaus, ein Spiel ohne Gewinner, das erst begonnen hatte. Die Fahrt nach Hamburg war lang, der Regen verwischte die Lichter der Autobahn, Jonas schlief mit offenem Mund auf dem Beifahrersitz, während Riemann die Hände fest ans Lenkrad presste, der Kaffee aus der Thermoskanne längst kalt, und je näher sie der Elbe ka-men, desto schwerer lastete die Erinnerung an die Berichte, die sie erreicht hatten, der Banker, ein Mann von Ruf und Macht, gefunden auf dem Balkon seiner Villa, der Körper übersät mit Schnittwunden, doch die Tür von innen verschlossen, keine Ein-bruchsspuren, keine Zeugen, nur der groteske Beweis, dass auch hier die Hand, die getötet hatte, die eigene gewesen war, und wieder stellte sich die Frage, wie ein Men-sch, der alles hatte, Familie, Geld, Einfluss, sich selbst so grausam richten konnte, es sei denn, jemand hatte ihn angetrieben, nicht sichtbar, nicht greifbar, aber unerbittlich, und als sie das Anwesen betraten, roch es nach teurem Whiskey, nach Zigarrenrauch, der noch in der Luft hing, als wäre jemand erst kurz zuvor gegangen, die Frau des Bankers saß in einem Nebenzimmer, die Augen gerötet, die Hände verkrampft, sie sprach kaum, nur von Druck, von Stimmen, die er manchmal nachts gehört habe, nicht aus der Wohnung, sondern aus sich selbst, als ob jemand ihn beobachtete, auch wenn niemand da war, und Riemann notierte alles, wissend, dass diese Frau niemals öffentlich sprechen würde, dass zu viel auf dem Spiel stand, zu viele Namen, die nicht genannt werden durften, draußen vor dem Tor standen wieder die Kameras, diesmal internationale Sender, CNN, BBC, Reporter aus Paris, und Riemann begriff, dass dieser Fall längst größer war, als man in Berlin gedacht hatte, Europa hatte seine Au-gen auf sie gerichtet, und während Jonas mit der Spurensicherung sprach, trat Lorenz, der Journalist, wieder auf, diesmal ohne Einladung, er behauptete, er sei schon in Hamburg gewesen, bevor sie ankamen, er sprach von einem Muster, das er seit Monaten verfolge, von einer Serie von Todesfällen, die überall verstreut auftauchten, in Zürich, in Wien, in Lyon, Todesfälle, die offiziell als Suizide galten, doch alle dieselben grotesken Spuren trugen, Verstümmelungen, die keinen Sinn ergaben, und Riemann hasste sich dafür, dass er dem Mann zuhörte, doch etwas in dessen Stimme klang zu präzise, um bloß Spekulation zu sein, in der folgenden Nacht saßen Riemann und Jonas in einem Hotel am Hafen, das Geräusch der Schiffe hallte durch die Fen-ster, Jonas trank zu viel, seine Hände zitterten, er sagte, dass er manchmal selbst das Gefühl habe, beobachtet zu werden, dass er die Gesichter der Opfer sehe, wenn er die Augen schloss, und dass er nicht wisse, wie lange er das noch aushalte, Riemann schwieg, weil er dieselben Gedanken hatte, doch er sprach sie nicht aus, und draußen im Regen ging ein Mann die Straßen entlang, unauffällig, unsichtbar fast, ein Schatten unter vielen, der eine Tasche bei sich trug, in der keine Waffen lagen, sondern nur Pa-pier, Fotos, Dokumente, Briefe, Beweise, die keiner sehen sollte, weil sie mehr zer-stören würden als die Morde selbst, und irgendwo in dieser Nacht sprang ein Funke über, ein Gedanke, der sich von Kopf zu Kopf bewegte, lautlos, unausweichlich, ein Befehl, der keinen Absender brauchte, und ein weiterer Name auf der unsichtbaren Liste erwachte, diesmal in Wien, wo ein Politiker mitten in einer Sitzung zusammen-brach, die Hände voller Blut, weil er sich selbst vor aller Augen die Zunge abgebissen hatte, und das Echo dieser Tat erreichte Hamburg schneller, als sie die Leiche des Bankers obduzieren konnten, es war kein deutscher Fall mehr, es war ein europäischer Sturm, und sie beide wussten, dass sie längst Teil eines Spiels waren, das sie nicht mehr kontrollieren konnten. Die Tage verschwammen zu einer einzigen endlosen Schicht, kaum Schlaf, kalter Kaffee, der bittere Geschmack von zu viel Nikotin auf der Zunge, und während Berlin sich noch nicht vom ersten Schock erholt hatte, lag Hamburg bereits schwer auf den Schultern der Ermittler, die Akten stapelten sich, drei Tote in drei Tagen, alle wohlhabend, alle respektiert, alle auf bestialische Weise durch ihre eigenen Hände zerstört, und jeder Tatort hatte den gleichen bitteren Nachgeschmack, als sei eine unsichtbare Macht durch die Räume gewandert, die Mö-bel unberührt, die Türen von innen verschlossen, keine Spuren außer dem Blut, das wie ein rotes Protokoll die Wände, Teppiche und Körper bedeckte, und doch unter-schied sich jeder Fall in einer verstörenden Handschrift, in Berlin der Industrielle mit den abgetrennten Fingern, als hätte er seine Macht buchstäblich aus den Händen gerissen, der Chirurg, der sich mit chirurgischer Präzision selbst aufschlitzte, der Banker in Hamburg, der das Glas gegen die Haut trieb, bis das Leben aus ihm heraus-lief, und nun Wien, der Politiker, der vor laufenden Kameras in Panik ausbrach, mit-ten in einer Sitzung, vor Dutzenden Zeugen, die nur hilflos zusehen konnten, wie er sich mit den Zähnen die Zunge zerfetzte, bis er im eigenen Blut erstickte, und Rie-mann sah die Aufnahmen später in einem Büro der Kripo, der Bildschirm flackerte, die Schreie der Zuschauer vermischten sich mit dem Röcheln des Sterbenden, Jonas drehte sich weg, schaffte es nicht, hinzusehen, doch Riemann zwang sich dazu, weil er wusste, dass hier etwas gezeigt wurde, das mehr war als ein Suizid, es war eine Botschaft, ein öffentliches Zeichen, dass niemand sicher war, nicht einmal in den höchsten Kreisen, und als sie nach Wien reisten, war die Stadt von Angst erfüllt, die Zeitungen voll mit Gerüchten, von Geheimbünden war die Rede, von Verschwörun-gen, doch in den Gängen des Parlaments fand Riemann nur Schweigen, jeder wich aus, niemand wollte über den Toten sprechen, als wäre sein Ende eine Krankheit, die man nicht benennen durfte, die Spurensicherung fand nichts außer Bissspuren, das Blut des Politikers auf den Teppichen, keine Drogen, keine Hypnosemittel, nur der pure Wille zur Selbstzerstörung, wie ferngesteuert, wie von einer unsichtbaren Hand geführt, und während sie durch die Straßen Wiens gingen, im Regen, Jonas mit leerem Blick, Riemann mit der Zigarette, trat Lorenz wieder auf, der Journalist, dies-mal mit einem Foto, es zeigte den Politiker in einem Restaurant, aufgenommen wenige Tage vor seinem Tod, am Tisch neben ihm ein Mann im Schatten, kaum erkennbar, doch Lorenz schwor, dass dieser Mann auch in Hamburg gesichtet worden sei, und davor in Berlin, immer nur am Rand, nie im Mittelpunkt, ein Schatten unter Menschen, der nie im Fokus stand, und Riemann spürte einen Schauer, als er das Bild betrachtete, weil er wusste, dass es nicht genügte, einen Schatten zu sehen, wenn man nicht wusste, wie er warf, währenddessen in Zürich ein weiterer Mann starb, diesmal ein hoch angesehener Kunstsammler, der sich in seiner Galerie selbst die Augen her-ausriss, mitten in einer Eröffnung, vor geladenen Gästen, die vor Schock vers-tummten, die Bilder an den Wänden blutbespritzt, moderne Kunst und menschlicher Wahnsinn in einem einzigen Akt vereint, die Presse schrieb von einem Skandal, die Polizei von Suizid, doch die Ermittler, inzwischen von Europol gedrängt, sahen die Muster, die grotesken Akte der Selbstverstümmelung, die keine Erklärung zuließen, und während die Akten immer dicker wurden, wurden die Nächte der Ermittler kürz-er, Jonas sprach im Schlaf, schrie manchmal auf, Riemann begann zu trinken, nicht viel, aber regelmäßig, als müsse er das Grauen mit Alkohol ertränken, und jeder neue Fall machte die Luft schwerer, in Lyon fand man einen Anwalt, der sich mit bloßen Händen die Kehle aufgerissen hatte, während er in einem Gerichtssaal wartete, dass seine Verhandlung begann, Blut auf den Akten, Schreie auf den Fluren, ein weiterer Mensch aus den höchsten Reihen, ein weiterer Beweis, dass es einen unsichtbaren Plan gab, und Europa stand Kopf, die Medien sprachen von einer Epidemie der Verzweiflung, von einem Fluch, und Riemann wusste, dass sie längst mitten in einem Sturm standen, den sie nicht mehr kontrollieren konnten, während irgendwo in der Dunkelheit ein Mann mit leiser Stimme sprach, nicht laut, nicht drohend, sondern fast sanft, und doch so unaufhaltsam, dass jene, die ihn hörten, sich selbst zerstörten, und jeder Fall brachte Riemann näher an den Punkt, an dem er nicht mehr unterscheiden konnte, ob er noch Ermittler war oder nur eine Figur in einem Spiel, dessen Regeln er nie verstanden hatte. Der Fall des Kunstsammlers in Zürich fraß sich wie ein dunkler Fleck in ihre Gedanken, sie betraten die Galerie, in der der Geruch von altem Holz, Ölfarben und frischem Blut miteinander rang, die Gäste waren noch immer nicht gegangen, sie standen in kleinen Gruppen beisammen, flüsterten, einige weinten, an-dere starrten schweigend auf die weißen Wände, die mit Spritzern übersät waren, wie ein makabres Gemälde, und mitten im Raum lag der Tote, die Hände verkrampft, die Augenhöhlen leer, das Gesicht zu einer Maske des Schmerzes erstarrt, neben ihm ein zerbrochener Spiegel, dessen Scherben wie kleine Dolche glänzten, und Riemann kniete nieder, betrachtete die Wunden, sah die verzweifelten Spuren seiner eigenen Finger in der Haut, als hätte er das Licht in sich selbst ausgelöscht, und im Hinter-grund hörte er Jonas mit einem der Gäste sprechen, ein älterer Mann im Anzug, der mit brüchiger Stimme erzählte, dass der Sammler in den letzten Tagen unruhig gewe-sen sei, dass er von Schatten gesprochen habe, die sich hinter ihm bewegten, von Stimmen, die ihn verhöhnten, und keiner habe ihn ernst genommen, weil er sonst im-mer so gefasst gewesen sei, ein Mann der Disziplin, der Kontrolle, der plötzlich vor aller Augen zusammenbrach, und Riemann schrieb die Worte nieder, wissend, dass sie dieselben waren wie in Berlin, wie in Hamburg, wie in Wien, Stimmen, Schatten, ein unsichtbarer Druck, und während er sich erhob, spürte er den Blick von Lorenz, dem Journalisten, der schon wieder dort war, ungebeten, ein Notizbuch in der Hand, und er schrieb unaufhörlich, als würde er einen Roman verfassen, während die Welt zerfiel, Riemann riss ihm das Buch aus der Hand, doch die Seiten waren voll mit Notizen über andere Fälle, Namen, Orte, Daten, alles verbunden durch Linien, die ein Netz ergaben, das weiter reichte, als er gedacht hatte, und während er las, spürte er, dass sie nur an der Oberfläche kratzten, dass dies kein Zufall war, sondern eine Choreografie der Zerstörung, die längst ganz Europa erfasst hatte, in derselben Nacht wurden sie nach Lyon gerufen, der Anwalt im Gerichtssaal, ein Mann mit Ruf, reich, gefürchtet, der während der Wartezeit plötzlich begann, sich die Nägel in die Haut zu graben, so tief, bis er seine Kehle geöffnet hatte, die Zuschauer schrien, doch niemand war schnell genug, die Akten des Falls lagen in Blut getränkt auf dem Boden, Urteile, Verträge, Zahlen, die nun wertlos waren, und Jonas stand im Saal, das Echo der Schreie noch in den Wänden, während er sich an die Brust griff, als müsste er über-prüfen, ob sein Herz noch schlug, und Riemann sah ihn an, spürte, dass der Fall auch Jonas von innen auffraß, langsam, unaufhaltsam, in derselben Woche fiel in Paris ein weiterer Mann, ein Architekt, der sich im Rohbau eines seiner eigenen Projekte von den oberen Etagen stürzte, doch bevor er sprang, ritzte er mit einem Stück Metall Sätze in die Wand, unvollständig, bruchstückhaft, als wären es Befehle oder Geständ-nisse, Worte, die niemand deuten konnte, und Riemann stand später an dieser Wand, fuhr mit den Fingern über die eingeritzten Zeichen, spürte den Staub, der in der Luft hing, und fragte sich, ob sie jemals verstehen würden, was da geschrieben stand, oder ob es nur ein weiteres Puzzleteil in einem Bild war, das kein Ende hatte, und während Europa in Panik verfiel, die Medien von einem Fluch sprachen, von einer unsicht-baren Seuche, die die Reichen und Mächtigen befiel, begann Riemann selbst zu zweifeln, er sah im Spiegel manchmal Schatten, die nicht da waren, hörte nachts Schritte, obwohl niemand im Zimmer war, und Jonas trank inzwischen täglich, konnte die Gesichter nicht mehr vergessen, sie kamen zu ihm im Schlaf, flüsterten, schrien, und er begann, sich selbst zu fürchten, und während sie sich von Stadt zu Stadt schleppten, Madrid, Brüssel, Prag, jede Stadt ein weiterer Fall, jedes Opfer eine weit-ere Botschaft, wuchs das Gefühl, dass der Täter nicht einfach ein Mann war, sondern ein Prinzip, eine Methode, ein Gedanke, der sich verbreitete wie ein Virus ohne Körp-er, und dennoch wusste Riemann, dass da jemand war, jemand, der diese Kettenreak-tion lenkte, ein Schatten, der immer am Rand der Aufnahmen stand, ein Name, den keiner nannte, ein Gesicht, das nie klar erkennbar war, und je länger sie suchten, desto tiefer verloren sie sich, nicht nur in den Akten, sondern in sich selbst, bis jeder Tatort auch ein Spiegel war, der ihnen zeigte, wie dünn die Grenze war zwischen Ermittler und Opfer. Mailand empfing sie nicht mit Sonne und Glanz, sondern mit grauen Wolken, schwer hängend über der Stadt, die Straßen glänzten vom Regen, und in einem der teuersten Apartments nahe des Doms wartete das nächste Bild des Wahnsinns, ein Modedesigner, berühmt in ganz Europa, angesehen, gefeiert für seine Kollektionen, die Reichen und Mächtigen trugen seine Stücke, und nun lag er nackt inmitten seiner eigenen Stoffe, die wie ein makabres Leichentuch um ihn ausgebreitet waren, Seide in Blut getränkt, Scheren verstreut, als wären sie Waffen eines Rituals, seine Haut übersät mit Schnitten, symmetrisch, fast kunstvoll, als hätte er sich selbst wie ein Kleidungsstück zerlegt, und das Gesicht zu einer grotesken Maske verzogen, die Augen weit aufgerissen, als hätten sie im letzten Moment die ganze Hölle gese-hen, Jonas trat zurück, würgte, musste die Hand vor den Mund schlagen, während Riemann sich niederbeugte, die Nähte der Wunden betrachtete, sie waren präzise, nicht wahllos, nicht in Panik gesetzt, sondern langsam, fast geplant, als hätte er sich die eigene Zerstörung entworfen wie eine Kollektion, die letzte Arbeit seines Lebens, und der Geruch von Blut vermischte sich mit dem Parfum, das noch in der Luft hing, süß, schwer, beißend, und in den Regalen stapelten sich Entwürfe, Zeichnungen, die plötzlich wie Vorahnungen wirkten, Linien, die durchgeschnittene Körper darstellten, fragmentiert, zerstückelt, als hätte der Tod schon in seiner Kunst geschlummert, lange bevor er ihn erreichte, und Riemann nahm eine dieser Skizzen in die Hand, spürte das Zittern seiner Finger, und er wusste, dass der Täter, dieser unsichtbare Schatten, nicht nur Körper zerstörte, sondern Seelen, dass er in die Gedanken kroch und dort Wurzeln schlug, bis das Opfer selbst der Vollstrecker wurde, draußen auf den Straßen Mailands standen Journalisten, Fotografen, Blitzlichter zerschnitten die Dunkelheit, die Polizei versuchte, sie zurückzuhalten, doch das Bild war längst in der Welt, Europa sprach nun nicht mehr nur von einer Serie, sondern von einer Bewegung, einem Albtraum, der die Elite in den Tod trieb.
Brüssel brachte die nächste Eskalation, eine Villa am Stadtrand, abgeschottet, hohe Mauern, eiserne Tore, ein Ort der Sicherheit, und doch war es dort geschehen, ein Diplomat, eng verbunden mit der Europäischen Kommission, ein Mann, der täglich mit Worten und Verhandlungen arbeitete, war gefunden worden, die Zunge brutal mit Nägeln an den Tisch geheftet, als hätte er sich selbst zum Schweigen gezwungen, die Hände blutig, die Augen leer, und der Raum war still, bis auf das Ticken einer alten Uhr an der Wand, das jeden Schlag wie ein Hämmern durch die Luft trieb, Jonas starrte auf den Körper, als könne er nicht begreifen, wie ein Mensch so etwas über sich selbst bringen konnte, Riemann trat näher, der Gestank von Eisen, Holz und Tod legte sich wie ein Film auf seine Haut, und er sah, dass auch hier keine Spuren eines Kampfes waren, keine Hinweise auf Fremdeinwirkung, nur das Opfer und seine eigene Hand, die ihn zum Schweigen gebracht hatte, doch auf dem Tisch neben ihm lag ein Blatt Papier, mit Blut verschmiert, unleserlich, Worte, die vielleicht eine Botschaft waren, vielleicht nur das wahnhafte Gekritzel eines Mannes am Rand der Vernichtung, und Riemann versuchte, sie zu entziffern, doch die Buchstaben zer-flossen zu nichts, wie Schatten, die sich nicht fassen ließen, und Jonas trat hinter ihn, flüsterte, dass es so sei, als würde der Täter durch die Gedanken der Opfer schreiben, als nutze er ihre Hände, ihre Werkzeuge, ihre Körper, um eine Sprache zu hinter-lassen, die keiner verstand, und Riemann wusste, dass er recht hatte, und doch half es nichts, denn Europa stand Kopf, die Zeitungen voller Schlagzeilen, die Menschen voller Angst, und die Oberschicht begann, sich zurückzuziehen, hinter Mauern, in Bunker, in Sicherheitsräume, doch nichts half, weil der Feind nicht von außen kam, sondern von innen, und je tiefer sie suchten, desto klarer wurde, dass sie selbst nicht sicher waren, Riemann ertappte sich, wie er in stillen Momenten an die Wand starrte, die Schatten länger erschienen als sie sollten, Jonas sprach im Schlaf in fremden Stimmen, und beide wussten, dass dieser Fall sie zerfraß, dass jeder neue Tote auch ein Teil von ihnen selbst war, der starb.
Prag empfing sie mit Kälte, die Moldau war schwarz wie Öl, Nebel kroch über die Brücken, und die Stadt schien in ihrer gotischen Schwere den Atem anzuhalten, als Riemann und Jonas die Stufen hinaufstiegen zu einem alten Palais im Herzen der Stadt, ein Haus voller Geschichte, Gemälde von Männern mit strengem Blick, Kron-leuchter, die Staub atmeten, und in einem der hohen Räume lag das nächste Opfer, ein Kunstsammler, steinreich, ein Mann, der sein Leben zwischen Leinwänden und Skulpturen verbracht hatte, und nun lag er mitten in seiner Sammlung, nackt bis auf einen Mantel aus seinen eigenen Gemälden, die er zerrissen und mit Nägeln an seinen Körper geheftet hatte, wie eine groteske Rüstung, Blut war über die Ölfarben gelaufen, die Farben zerliefen ineinander, Rot, Schwarz, Ocker, wie eine letzte, grausame Komposition, die Augen waren mit Drähten zugenäht, als hätte er selbst das Sehen aufgegeben, und der Mund war offen, in einem stummen Schrei, Jonas schluckte, trat zurück, stieß gegen eine Skulptur, die kippte und beinahe zu Boden stürzte, ein Marmorengel ohne Kopf, und das Echo des Aufpralls hallte durch den Raum, als wollten die Wände lachen, Riemann kniete nieder, betrachtete die Drähte, die Nägel, den Mantel aus Leinwand, und er wusste, dass kein Mensch freiwillig so weit gehen konnte, und doch war es wieder so, keine Spur von Fremdeinwirkung, keine Zeichen von Zwang, nur der Wahnsinn, der sich selbst vollstreckte, und diesmal hinterließ der Tote eine Botschaft, an die Wand geschmiert, Blut vermischt mit Farbe, ein Satz in gebrochenem Deutsch: „Ich habe es gesehen“, mehr nicht, keine Erk-lärung, nur diese Worte, die wie ein Echo in den Köpfen der Ermittler hängen blieben.
Riemann starrte lange auf die Schrift, so lange, dass die Buchstaben begannen, sich zu bewegen, er hörte in seinem Kopf ein Flüstern, als käme es nicht von außen, sondern aus ihm selbst, und er riss die Augen auf, schüttelte den Kopf, trat zurück, doch das Flüstern blieb, Jonas legte ihm eine Hand auf die Schulter, spürte das Zit-tern, und für einen Moment sahen sie sich an, beide wissend, dass die Grenze zwis-chen Opfer und Ermittler dünner wurde, zu dünn, und dass der Täter nicht nur tötete, sondern in ihnen allen etwas pflanzte, etwas Dunkles, das wuchs.
Später, im Hotel, schlief Jonas nicht, er saß am Fenster, trank, starrte hinaus auf die Lichter der Stadt, und Riemann hörte ihn murmeln, leise, unverständlich, Worte, die klangen wie Gebete oder wie Drohungen, und er fragte sich, ob es noch Jonas war, oder ob schon etwas anderes durch seinen Partner sprach, er selbst träumte von Drähten, von Augen, die ihn ansahen, auch wenn sie zugenäht waren, und als er aufwachte, war sein Herzschlag so laut, dass er dachte, er würde daran sterben, Schweiß rann über seine Haut, und für einen Moment wusste er nicht mehr, ob er noch auf der Seite der Lebenden stand oder schon auf der anderen. Die Nächte wur-den länger als die Tage, Riemann konnte kaum noch unterscheiden, ob er wach oder träumte, er lag auf dem Hotelbett in Prag, die Decke schwer auf der Brust, der Regen trommelte gegen die Fenster, und in seinem Kopf liefen die Szenen der Tatorte unaufhörlich ab, die Gesichter der Opfer, die Hände, die Nägel, das Blut, und jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er sie nicht nur, er spürte sie, als kämen sie aus seinen eigenen Gliedern, und Jonas saß auf dem Boden neben dem Bett, die Knie an die Brust gezogen, starr auf den Boden, murmelte immer wieder Zahlen, Namen, Orte, als könne er sie so ordnen, als würden die Toten auf diese Weise leiser werden, doch sie wurden nicht leiser, sie schrien, sie kratzten an den Wänden seines Geistes, und Riemann hörte, wie Jonas plötzlich aufstand, die Hände zitternd, er griff nach einem Glas auf dem Nachttisch, drehte es in den Händen, als könnte er das Leben darin spüren, das ihm entglitt, er sah Riemann an, und die Augen waren leer, kalt, und für einen Moment erschrak Riemann, weil er selbst die Leere in seinem Blick wieder-erkannte, die gleiche, die er in Berlin, Hamburg, Wien, Mailand, Prag gesehen hatte, in den Augen der Toten, und er spürte, wie etwas in ihm wuchs, ein Druck, der sich wie ein Knoten um seine Brust legte, unaufhaltsam, und dann die Stimmen, zuerst leise, kaum hörbar, doch bald wie ein Chor, Jonas murmelte sie nach, Riemann spürte, dass sie ihm nicht nur Geschichten erzählten, sondern Befehle, die er nicht verstand, die ihn in die Dunkelheit zogen, nachts lag er in der Badewanne, Wasser bis zum Hals, das Licht nur von der Straßenlaterne draußen, und er sah sein Spiegelbild, auf dem Wasser zitternd, und plötzlich war es nicht mehr er, sondern ein Fremder mit denselben Augen wie der Tote aus Brüssel, dieselbe Maske aus Schmerz, und er be-gann zu hyperventilieren, das Wasser färbte sich rot in seiner Vorstellung, er griff nach der Kante, als könnte er sich selbst festhalten, doch die Schatten flossen durch seine Finger wie Rauch, Jonas trat herein, ohne anzuklopfen, sah ihn an, sein Gesicht verzerrt in einem Lächeln, das keines war, und Riemann verstand, dass sie beide nicht mehr die Ermittler waren, sondern Figuren in einem Spiel, dessen Regeln ihnen ent-glitten, und am nächsten Tag im Auto, auf der Fahrt nach Madrid, sprach Jonas kaum, nur ab und zu murmelte er Zahlenfolgen, Orte, Namen, die Riemann nicht zuordnen konnte, und doch wusste er, dass es wichtig war, dass er sie hörte, und als sie anhiel-ten, um Kaffee zu trinken, bemerkte Riemann, dass Jonas die Hände blutig gewaschen hatte, obwohl niemand verletzt war, er murmelte nur, dass er „sie fühlen“ müsse, die Hände der Toten, ihre Haut, ihr Blut, um zu verstehen, und Riemann nickte stumm, innerlich am Rand des Wahnsinns, spürte das Zittern in seinen eigenen Händen, das Flackern in den Augen, die Träume, die ihn jede Nacht heimsuchten, wie Drähte, die sich durch sein Gehirn zogen, und manchmal, mitten in der Fahrt, begann Jonas plöt-zlich zu lachen, ein kurzes, kratzendes Lachen, das in den engen Gassen der Städte wie ein Echo nachhallte, Riemann starrte auf ihn, wusste nicht, ob es Furcht oder Wahnsinn war, der ihn ergriff, und in diesen Momenten fragte er sich, ob sie noch lebten oder ob sie längst Teile des Spiels geworden waren, Puppen, die sich selbst zer-schnitten, um den unsichtbaren Regisseur zu befriedigen, und als sie in Madrid anka-men, spürte Riemann in jedem Schritt das Ziehen der Leere in der Brust, das Flackern im Kopf, die unaufhörlichen Bilder der Körper, die Hände, die Augen, das Blut, und er wusste, dass er nicht mehr lange standhalten konnte, dass diese Jagd nach dem Schatten, der keine Gestalt hatte, der durch die europäischen Städte kroch, sie beide irgendwann zerbrechen würde, nicht im physischen Sinn, sondern im Innersten, in der Seele, und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis einer von ihnen, vielleicht beide, in derselben Grausamkeit enden würde, die sie studierten, untersuchten, die sie jagen wollten, und Riemann schloss die Augen, atmete ein, aus, spürte die Kälte der Nacht, das Zittern, das Surren der Stadt, und hörte im Geiste die Worte der Toten flüstern, immer wieder, immer lauter, bis sie ihn fast verschlangen. Madrid schluckte sie mit der Hitze der Spätsommernachmittage, die Luft roch nach Asphalt und Parfüm, Straßen glänzten vom Staub der letzten Regenfälle, und in einem der noblen Viertel, wo Paläste hinter hohen Mauern verborgen lagen, fanden sie das nächste Opfer, einen Finanzmagnaten, berühmt, gefürchtet, ein Mann, der ganze Banken lenkte, der auf Partys gefeiert wurde, dessen Name in den höchsten Kreisen wie eine Marke glänzte, und nun lag er auf einem antiken Teppich, der Rotwein und Blut getränkt, die Arme aufgeschnitten, als habe er versucht, sich von allen Lasten gleichzeitig zu befreien, die Finger fast vollständig zerlegt, die Knochen wie feine Splitter auf dem Boden verteilt, Augen weit geöffnet, starr auf die Decke gerichtet, die Spiegel reflektierten sein Gesicht immer wieder, verzerrt, wie ein Kaleidoskop des Schmerzes, Jonas brach zusammen, sank auf die Knie, musste sich mit den Händen auf dem Boden abstützen, sein Atem keuchte, Riemann presste die Lippen zusammen, kniete nieder, die Hände zitterten, und er sah die feinen Linien der Schnitte, die Präzision, die Grausamkeit, und wusste, dass dies nicht nur ein Suizid war, sondern eine choreografierte Hinrich-tung durch die eigene Hand, ein Werk des Wahnsinns, inszeniert für ein Publikum, das niemand sehen konnte, und draußen auf der Straße beobachtete jemand, unsichtbar, wie sie den Tatort sicherten, als würde er jeden Atemzug zählen, jede Regung, als sei er Teil des Spiels, das längst größer war als die Städte, als die Opfer, als sie selbst, und als Riemann aufblickte, sah er die Fassade der Villa, wie sie hinter den Bäumen glitzerte, und plötzlich spürte er das Zittern in seinem eigenen Körper, das Summen in den Ohren, die Stimmen, leise zuerst, dann deutlicher, Jonas murmelte sie nach, der Mann habe „die Schulden bezahlt“, der Mann habe „gesehen, was niemand sehen durfte“, die Worte waren wie Nägel, die sich in die Schädel der Ermittler bohrten, und Riemann erkannte, dass er sie beide nicht mehr von der Dunkelheit trennen konnte, die der Täter pflanzte, die sich in den Köpfen wie Gift ausbreitete, jede Nacht die gle-ichen Bilder, Hände, Blut, Schreie, Spiegel, und dann das Bild des Mannes auf dem Teppich, wie er sich selbst zur Rede stellte, wie er die eigene Zerstörung vollführte, und Riemann spürte ein Kälteflimmern über den Rücken, als könne es ihn selbst er-fassen, Jonas starrte auf die zerschnittenen Finger, dann auf Riemann, die Augen weit, die Pupillen schwarz, und murmelte: „Ich könnte es auch tun… nur ein wenig, um zu verstehen… um zu wissen…“, und Riemann fühlte, wie sein Herz raste, wie der Drang wuchs, den Gedanken zuzulassen, nur einen Moment, nur einen Atemzug, um zu begreifen, wie tief sie in die Abgründe eingetaucht waren, die Hände des Opfers lagen immer noch auf dem Teppich, fast wie ausgestreckte Finger, die sie riefen, Jonas begann, die Wände zu betrachten, die Tapeten, die Möbel, alles zu analysieren, jede Ecke als Möglichkeit, jede Schattenfläche als Bewegung, und Riemann sah, dass sein Partner nicht nur beobachtete, sondern erwartete, dass sie selbst Teil der Chore-ografie werden würden, und die Hitze des Madrider Nachmittags drückte auf sie, wie ein schwerer Mantel, der die Lungen zusammenschnürte, und während sie die Leiche dokumentierten, hörte Riemann das Summen, ein Flüstern, als käme es nicht von außen, sondern aus seinem eigenen Kopf, und er wusste, dass diese Serie von Selbst-morden, Verstümmelungen, diesem grausamen Tanz der Macht und Angst sie selbst zu Opfern machte, nicht nur körperlich, sondern psychisch, und als sie die Villa ver-ließen, spürte Riemann, dass sie nicht mehr die Ermittler waren, die sie gekommen waren zu sein, sondern Schatten, die den Weg der Toten weiterführten, gezeichnet von Bildern, die nicht mehr aus dem Kopf gingen, und irgendwo in der Stadt, in der Dunkelheit, wusste er instinktiv, dass der Mann, der all dies orchestrierte, sie längst beobachtete, ein Phantom, dessen Macht sich über Länder erstreckte, und der Alb-traum, den sie jagten, sie selbst verschlang, Stück für Stück, Atemzug für Atemzug, bis nichts übrig blieb außer dem Summen, den Schatten, den Stimmen der Toten, die ihnen den Weg wiesen in eine Dunkelheit, die kein Ende kannte. Die Nachrichten aus allen europäischen Städten liefen wie ein endloser Strom durch ihre Köpfe, jeder Tote ein weiterer Schlag, jede Verstümmelung ein verzerrtes Signal, und während sie in Madrid saßen, die Hände blutig vom Kaffeebecher, die Augen gerötet vom Schlaf-mangel, spürte Riemann plötzlich, dass sie beobachtet wurden, nicht physisch, nicht durch Kameras oder Polizisten, sondern von einer Präsenz, die sich wie ein kalter Atemzug in ihre Gedanken schob, Jonas rieb sich die Schläfen, murmelte Zahlen und Namen, die nur er zu verstehen schien, und Riemann erkannte, dass der Täter längst vor ihnen war, nicht in der Stadt, nicht auf der Straße, sondern in ihren Köpfen, ein Phantom, das sich aus jedem Tatort nährte, aus jeder Wunde, aus jedem Blutstropfen, und dann tauchten die ersten Hinweise auf, Briefe, anonym, präzise, fast künstlerisch, Worte auf teurem Papier, die wie Rätsel aufgebaut waren, sie enthielten Hinweise auf die Opfer, Zeitpläne, Orte, doch nichts Greifbares, kein physischer Angriff, nur die Vorstellung, die Kontrolle, die Macht über die Psyche der Ermittler, Jonas begann, sich die Hände aufzuschneiden, kleine Schnitte, zuerst nur an den Handflächen, um „zu fühlen, was die Opfer fühlten“, und Riemann konnte nicht eingreifen, konnte nicht aufhören, musste zusehen, wie sein Partner in den Abgrund glitt, während er selbst die Kontrolle verlor, die Wände des Hotels begannen zu flackern, Schatten tanzten wie lebendige Wesen, und nachts hörten sie Schritte, Türen, die quietschten, Stimmen, die nicht zu hören waren, nur in ihrem Geist, sie sahen Bilder der Toten in den Straßen, in Cafés, in den Flüssen, und selbst in ihren Träumen waren sie nicht frei, sie selbst begannen zu flüstern, zu schreien, und Riemann wusste, dass sie die Falle des Täters schon betreten hatten, dass jede Bewegung, jede Entscheidung, jeder Blick ein Teil seines Spiels war, und in Madrid erschien erstmals ein Hinweis auf das Gesicht des Mannes, nicht klar, nur ein Schatten auf einer Aufnahme einer Überwachungskamera vor einem der Opferhäuser, der Hut tief ins Gesicht gezogen, der Mantel schwer, die Gestalt ruhig, beobachtend, unaufdringlich, und doch war da etwas in der Haltung, das Riemann erkannte, etwas, das nur jemand mit präziser Ken-ntnis der Opfer, mit unglaublicher Geduld, mit einer fast krankhaften Ruhe haben konnte, und die Nachricht kam auf dem Handy, eine SMS, ohne Absender, nur ein Satz: „Ihr versteht jetzt, oder ihr werdet selbst Teil der Sammlung“, und Riemann spürte, wie sich der Magen zusammenzog, wie die Knie weich wurden, er sah Jonas an, der nickte, stumm, die Augen leer, und beide wussten, dass sie die Kontrolle endgültig verloren hatten, dass der Täter nicht gejagt werden konnte wie ein gewöhn-licher Mörder, dass sie selbst gejagt wurden, von einem Geist, der durch Europa zog, ein Puppenspieler, dessen Fäden sie längst in den Händen spürten, der Albtraum, den sie verfolgten, hatte sie verschlungen, und während sie in der Nacht durch Madrid liefen, die Straßen leer, nur das Flimmern der Laternen, das Tropfen von Wasser von den Dächern, spürten sie die Nähe, die Anwesenheit, das summende Wissen, dass der Mann sie sah, dass jede Entscheidung überwacht wurde, dass jedes Wort, das sie sprachen, ein Schritt weiter in seine Inszenierung war, und die Dunkelheit um sie herum schien dichter, dichter, bis sie das Gefühl hatten, dass sie selbst bald wie die Opfer enden würden, Stück für Stück, Atemzug für Atemzug, bis nur noch das Echo der Schreie blieb. Die Tage und Nächte verschmolzen, Zeit existierte nicht mehr, nur der ständige Druck, die Bilder der Toten, die Stimmen, die sie nicht hören sollten, die Schatten, die in jeder Ecke lauerten, und Riemann begann, die Kontrolle über die Re-alität zu verlieren, er hörte Schritte hinter sich, Türen, die sich schlossen, obwohl niemand da war, und in den Spiegeln sah er nicht sich, sondern die Gesichter der Opfer, starr, weit aufgerissene Augen, geöffnete Münder, Hände, die ihn packten, ihn zu Boden zerrten, Jonas war kaum besser, er sprach zu Figuren, die Riemann nicht sehen konnte, zählte unaufhörlich Zahlen, Namen, Orte, als wollte er die Toten ord-nen, sie beruhigen, oder sich selbst retten, manchmal griff er nach Messern auf dem Tisch, schnitt kleine Linien in die Arme, um „die Kontrolle zu behalten“, und Rie-mann spürte, wie die Grenze zwischen Realität und Wahnsinn immer dünner wurde, dass jedes Geräusch, jedes Flackern der Laternen, jede Bewegung im Schatten zu einem Signal des Täters wurde, er konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, er sah die Hände des Opfers in jeder Geste, fühlte die Nägel, die Schnitte, die Augen, die ihn ansahen, und nachts lag er wach im Hotelbett, die Decke über dem Kopf, die Atemzüge schwer, Jonas neben ihm, starr, murmelt leise Worte, die Riemann nicht verstand, und plötzlich hörte er ein Flüstern, klarer als je zuvor, nicht von außen, son-dern in seinem eigenen Kopf, Worte wie Nadeln, die sich in seine Gedanken bohrten: „Du bist Teil des Spiels, du bist nicht frei“, und er riss die Augen auf, schrie, doch kein Laut kam, nur das summende Echo, das die Wände füllte, und in diesen Mo-menten begann er zu sehen, wie Jonas die Hand nach einem Glasgriff bewegte, dann inne hielt, zitternd, als würde er abwägen, ob er sich selbst verletzen sollte, um die Stimmen zu verstehen, und Riemann spürte, dass er selbst kurz davor war, dass die Dunkelheit, die sie jagten, sich in ihm festsetzte, dass der Mann, der all dies orchestri-erte, nicht nur die Opfer tötete, sondern auch sie selbst langsam zersetzte, wie ein Virus, das sich in die Gedanken fraß, und während sie in den Straßen Madrids gingen, die Laternen spiegelten sich in den Pfützen, die Schatten tanzten auf dem Asphalt, hörten sie das Summen, das Murmeln der Opfer, die sich in der Dunkelheit sam-melten, die Stimmen von Berlin, Hamburg, Wien, Mailand, Prag, Brüssel alle mischt-en sich, verwoben mit der Gegenwart, und Jonas begann zu lachen, ein kurzes, kratzendes Lachen, das wie ein Schrei wirkte, er murmelte, dass er „die Kontrolle be-halten müsse“, dass sie „Teil des Spiels“ seien, und Riemann wusste, dass sie beide kurz davor standen, den Abgrund nicht nur zu sehen, sondern hineinzufallen, die psy-chische Belastung greifbar, körperlich, als hätte sie die Luft um sie schwer wie Blei gemacht, jede Bewegung, jeder Atemzug eine Anstrengung, jeder Schritt auf den Straßen ein Widerstand gegen die eigene Selbstaufgabe, und dennoch spürten sie den unsichtbaren Schatten, der sie lenkte, der sie formte, der die Handlungen der Toten in sie hineinlegte, der sie zu Marionetten machte, bis nichts mehr übrig blieb außer der Angst, der Paranoia, dem Wissen, dass das Spiel noch nicht vorbei war, dass der Mann, der hinter all dem stand, noch immer lachte, irgendwo, unsichtbar, unaufhalt-bar, und dass der finale Schlag, der alles entscheiden würde, ihnen noch bevorstand, während die Stimmen der Opfer, die Schatten, die Schreie sie nicht losließen, Atemzug für Atemzug, in einem Strudel, aus dem es kein Entkommen gab. Madrid war nur der Auftakt, die Straßen leer, die Laternen flackerten, Regen tropfte von den Dächern, und Riemann spürte, wie jeder Schritt ihn schwerer machte, wie die Dunkelheit ihn verschlang, Jonas neben ihm, die Hände zitternd, die Augen weit, starr auf einen Punkt vor ihnen, der Täter war nicht sichtbar, doch sie fühlten ihn, ein Schatten, der jede Bewegung vorhersah, jede Regung kontrollierte, und dann die Nachricht, anonym, präzise, fast liebevoll geschrieben: „Trefft mich, wenn ihr verste-ht, wer spielt“, sie führte sie in ein altes Lagerhaus am Stadtrand, die Türen rostig, das Gebäude leer, nur der Wind, der durch die Ritzen pfiff, und sie traten ein, jeder Schritt ein Kampf gegen die Angst, die sie innerlich zerfraß, in der Halle lagen kleine Insze-nierungen, jede ein Opfer, jede präzise arrangiert, die Körper nicht mehr, aber Klei-dungsstücke, Schuhe, persönliche Gegenstände, arrangiert wie Puppen auf einem Tisch, als wolle der Mann ihnen zeigen, dass sie ihn nicht jagen konnten, dass er ih-nen voraus war, und plötzlich ein Geräusch, leise, fast ein Flüstern, dann das Sum-men, stärker, direkt hinter ihnen, und Riemann drehte sich, doch es war niemand, nur der Schatten, der sich bewegte, der sie zu beobachten schien, Jonas schluckte schwer, murmelte: „Er ist hier… ich kann ihn spüren…“, und dann ein Lichtblitz, grell, und der Täter trat hervor, kein Gesicht, das man erkennen konnte, nur ein Mann, groß, in dunklem Mantel, Hut tief ins Gesicht gezogen, die Hände ruhig, keine Hast, und Rie-mann spürte, wie sein Herz raste, wie sein Magen sich zusammenzog, die Knie weich wurden, die Stimmen der Opfer in seinen Ohren schrien, jeder Schritt des Mannes ein Schlag in die Seele, und Jonas griff nach einem Eisenrohr, der Instinkt zu kämpfen, zu überleben, doch der Täter bewegte sich nicht, wartete nur, ein kaltes Lächeln in der Haltung, als wüsste er genau, wie nah sie schon am Abgrund waren, Riemann atmete schwer, spürte die Kälte, die Angst, die sich wie Eis durch seine Adern fraß, und der Täter sprach, eine Stimme leise, doch so klar, dass sie jeden Winkel der Halle erfüllte: „Ihr versteht jetzt… oder ihr werdet Teil der Sammlung“, und in diesem Moment fühlten sie es, die ganze europäische Spur, die Toten, die Schreie, die Schatten, alles verbunden, alles orchestriert, und die Stimmen der Opfer legten sich auf Jonas, auf Riemann, drängten sie, aufzugeben, zu fallen, sich selbst zu zerstören, und der Täter trat einen Schritt näher, langsam, kontrolliert, während Riemann merkte, wie die Dunkelheit in ihm wuchs, wie sein Wille schwand, und Jonas, wild, verzweifelt, schrie, schlug um sich, doch der Mann wich aus, ruhig, präzise, und dann der letzte Moment, ein Schritt, ein Lichtblitz, eine Bewegung, und der Täter war tot, nicht durch Waffen, nicht durch Gewalt, sondern durch eine Inszenierung, die er selbst vorbereitet hatte, eine Falle, in die er trat, um das Spiel zu beenden, und in der Halle blieb Stille, die Stimmen der Opfer verklangen langsam, die Schatten zogen sich zurück, Riemann sank auf die Knie, die Hände auf dem Kopf, Jonas neben ihm, zitternd, sie hatten überlebt, der Mann war tot, doch die Bilder, die Schreie, die Dunkelheit, sie würden bleiben, Atemzug für Atemzug, noch lange nach Madrid, noch lange nach Europa, und als sie die Halle verließen, draußen die ersten Strahlen der Sonne über der Stadt, wussten sie, dass sie zwar den Schatten besiegt hatten, aber ein Teil von ihnen für immer in diesem Spiel gefangen sein würde, jeder Schritt, jeder Blick erinnerte sie an das Grauen, das sie erlebt hatten, und die Angst, dass irgendwo, irgendwann, es wieder beginnen könnte. Die Tage nach Madrid waren eine Leere, eine Decke aus Schweigen, unter der Riemann und Jonas zusammenbrachen, das Hotelzimmer wirkte wie ein Gefängnis, die Fenster blickten auf eine Stadt, die weiterlebte, als wäre nichts geschehen, doch sie wussten es besser, sie spürten jeden Atemzug, jede Bewegung, als sei sie Teil des Spiels, das der Tote ihnen hinterlassen hatte, sie sahen die Schatten der Opfer in den Fluren, hörten das Summen, das Murmeln, das Kratzen in den Wän-den, und selbst das Licht schien sich zu neigen, ihnen zuzuwinken, Riemann lag auf dem Bett, starrte die Decke an, die Augen weit, leer, die Hände zitternd, während Jonas auf dem Boden hockte, die Knie an die Brust gezogen, die Lippen blutrot vom Beißen, stumm murmelte er Zahlen, Namen, Orte, als könnten sie das Unfassbare ordnen, doch es gab keine Ordnung mehr, nur Chaos, das sie selbst mit jeder Nacht tiefer in sich hineinsogen, und Riemann spürte, wie die Grenzen zwischen Leben und Tod verschwammen, wie die Bilder der Toten, die Hände, die Augen, die Schreie, nicht mehr aus seinem Kopf verschwanden, sondern sich wie eine zweite Haut über seine eigenen Glieder legten, während Jonas plötzlich aufsprang, ein kurzes, kratzen-des Lachen, das klang wie ein Schrei, dann wieder still, starr, und Riemann wusste, dass er selbst nur noch ein Schatten war, eine Marionette, die vom Nachhall des Grauens geführt wurde, jeder Atemzug schwer, jeder Gedanke ein Kampf, und draußen ging die Welt weiter, voller Leben, voller Lachen, voller Unwissen, während sie die Spuren des Todes, des Wahnsinns, der Selbstzerstörung in sich trugen, unaus-löschlich, Atemzug für Atemzug, die Psyche zersplittert, zerbrochen, gezeichnet für immer, und als die Sonne über Madrid aufging, schien sie für sie nicht heller, nur eine Erinnerung daran, dass sie überlebt hatten, doch das Grauen nie endete, dass die Schatten, die Stimmen, die Bilder, die sie gejagt hatten, weiterhin in ihnen lebten, wie ein dunkler Herzschlag, der niemals stillstand, und so gingen sie weiter, durch die Straßen, durch die Städte, durch ihr eigenes Leben, doch nichts war mehr, wie es ein-mal war, jeder Schritt ein Widerhall des Schreckens, jeder Atemzug ein Echo der Schreie, jeder Blick ein Spiegel des Albtraums, der sie für immer begleitete, und der Leser bleibt zurück, allein, mit der beklemmenden Erkenntnis, dass das Grauen, das sie verfolgt hat, nicht endet, dass es in den Schatten lauert, hinter jeder Ecke, in jedem Flüstern, Atemzug für Atemzug, wie ein unaufhörlicher Herzschlag, der niemals schweigt.
Ende
Kapitel 2
Im Labyrinth der Angst
Der Morgen begann kalt und grau, Nebelschwaden hingen über den Feldern,
als wäre die Welt selbst in Schweigen gehüllt, nur das leise Tropfen von Regen von den Dächern durchbrach die Stille. Heller parkte den Wagen am Dorfrand, die Felder vor ihm noch feucht und schlammig, die ersten Rufe der Krähen schienen wie Warnsignale, die durch die neblige Luft schnitten. Lena stieg aus, die Kamera bereit, die Finger verkrampft um den Griff, die Augen in jede Bewegung gerichtet. „Kom-missar… es fühlt sich an, als würde der Nebel selbst uns verfolgen“, flüsterte sie, die Stimme kaum hörbar. Heller nickte stumm, die Muskeln angespannt, die Nackenhaare aufgerichtet. Die Stille trug Gefahr, jede Bewegung konnte ein Hinweis, jede Spur ein Test sein.
Am Waldrand entdeckten sie frische Abdrücke, tief in den Schlamm gedrückt, Spuren von Schuhen, die nicht einfach von Dorfbewohnern stammen konnten. Heller kniete nieder, die Hände im feuchten Boden, studierte die Richtung, die Geschwindigkeit, die fließenden Bewegungen der Spuren, die wie ein heimliches Muster des Täters wirkte. Lena fotografierte jede Einzelheit, ihre Augen verengten sich, als sie das erste Mal die Komplexität der Bewegungen erkannte, die vorsätzliche Irreführung in jedem Schritt.
Zur gleichen Zeit im Dorf begann ein anderer Handlungsstrang: Im alten Pfar-rhaus hatten sich einige Dorfbewohner heimlich getroffen, flüsterten über die Morde, über unheimliche Beobachtungen, die sie gemacht hatten. Ein älterer Mann berichtete, er habe nachts Licht im Wald gesehen, schnelle Schatten zwischen den Bäumen. „Es war kein Tier… das schwöre ich… es bewegte sich zielgerichtet, als würde jemand uns beobachten, testen, wer wagt sich hinaus?“ Heller notierte jedes Detail, spürte die psychologische Last, die Angst, die sich wie eine Epidemie über das Dorf legte, jede Stimme ein Echo des Schreckens.
Im Herrenhaus trieb sich die Spannung weiter in den Vordergrund. Frau Kraus, die Haushälterin, hatte sich in einem der oberen Flure eingeschlossen, die Hände vor den Mund gepresst, Tränen flossen über ihr Gesicht. „Ich konnte es nicht verhin-dern… niemand konnte… er hat alles kontrolliert… uns alle…“ Heller versuchte, ruhig auf sie einzuwirken, spürte selbst die Furcht, die die Räume füllte, die Dunkel-heit, die aus den Ecken kroch, als sei sie lebendig. Lena murmelte: „Kommissar… er manipuliert nicht nur die Taten, sondern unsere Psyche… wir müssen doppelt vor-sichtig sein.“
Auf einem abgelegenen Gehöft entdeckte ein Landarbeiter ein verlassenes Werkzeughaus, die Tür aufgestoßen, der Boden zerwühlt, Spuren von Kampf oder hastiger Flucht. Heller ließ das Gelände sofort absperren, während Lena dokumen-tierte, jede Spur analysierte, jeden Abdruck im Schlamm prüfte. „Er hinterlässt Hin-weise, aber nur so viel, dass wir uns verrennen“, murmelte Heller. „Er testet uns, zwingt uns in Unsicherheit.“
Die Gewalt eskalierte nun erstmals direkt. Am späten Nachmittag meldete ein Bauer aus der Nähe der alten Mühle einen Schrei. Heller und Lena eilten zum Ort, fanden eine Leiche, halb versteckt hinter umgestürzten Holzstämmen, Schnittwunden am Hals, die Augen weit aufgerissen, eine Pose, die die Absurdität und Grausamkeit zugleich spiegelte. Heller kniete nieder, berührte vorsichtig die kalte Haut, studierte jede Wunde, jeden Abdruck, jede Verfärbung. „Er will zeigen, dass Kontrolle nicht nur durch Drohung, sondern durch absolute physische Gewalt entsteht“, sagte Heller leise, die Stimme fest, doch die Hände zitterten leicht. Lena fotografierte alles, die Augen weit, die Kamera wie ein Schutzschild gegen das Unfassbare.
Im Dorf breitete sich Panik aus. Kinder blieben zu Hause, Erwachsene tuschelten hinter geschlossenen Türen, jeder Blick ein Verdacht, jede Bewegung eine mögliche Bedrohung. Heller befragte einen örtlichen Schmied, der von Geräuschen im Wald berichtet hatte: Schritte, Schreie, das Klirren von Metall. „Ich… ich habe gesehen, wie etwas glitzerte… ich konnte es nicht identifizieren… aber es war keine Men-schenseele, wie wir sie kennen“, stammelte er, die Stimme rau vor Anstrengung. Heller nickte, die psychologische Last, die jede Beobachtung auf ihn legte, wog schwerer als jede körperliche Anstrengung.
Im Herrenhaus eskalierte ein weiterer psychologischer Zusammenbruch. Ein junger Angestellter stürzte in den Saal, wirr schreiend, deutete auf die Treppe. „Er… er ist noch hier… er beobachtet uns… jemand wird sterben, wenn wir nicht auf-passen…!“ Heller griff ihn, versuchte ihn zu beruhigen, während Lena die Szene dokumentierte, jede Reaktion, jedes Zittern, jede Panik. Die psychologische Span-nung war maximal, jeder Atemzug ein Test, jede Bewegung des Täters ein Spiegelbild ihrer eigenen Angst.
Die Nacht fiel schwer, Nebel kroch zwischen den Häusern, die Felder ver-schwanden in Grau, nur schemenhafte Gestalten waren noch zu erkennen. Heller und Lena spürten, dass der Täter ihnen nahe war, dass jeder Schritt, jede Beobachtung, jede Entscheidung in sein Spiel einbezogen wurde. Die Gewalt, die psychologische Manipulation, die Isolation des Ortes alles wirkte wie ein Geflecht, in dem jeder, der einen Atemzug wagte, eine Rolle im makabren Theater des Mörders spielte. Die Nacht war vollkommene Schwärze, der Nebel hatte das Dorf wie eine undurch-dringliche Wand umhüllt, und jedes Geräusch das Knacken eines Astes, das Flattern eines Vogels wirkte wie ein Vorbote des Schreckens. Heller und Lena bewegten sich vorsichtig durch die Straßen, die Laternen warfen schmale Lichtkegel auf das nasse Pflaster, das wie eine glatte, dunkle Glasfläche glänzte. Der Wind trug leise Stimmen aus den Häusern, Flüstern, das wie ein Echo von Angst und Misstrauen klang. Heller spürte die Schwere in seinem Brustkorb, jeden Herzschlag wie eine Trommel im Nebel. Lena folgte, die Kamera fest an der Brust, die Finger krampften um den Griff, die Augen suchten jeden Schatten.
Am alten Sägewerk, das seit Jahren leer stand, stießen sie auf die erste Spur eines geplanten Angriffs. Blutspuren führten in die Tiefe des Gebäudes, kleine Metallstücke glänzten im schwachen Licht, und die Tür war aufgebrochen, als hätte jemand mit roher Gewalt interveniert. Heller ließ sofort das Gelände absperren, während Lena die Szene dokumentierte. „Er inszeniert die Angst… jeden Schritt, jede Spur… alles ist Absicht“, murmelte Heller, die Stimme rau, die Hände leicht zitternd, als er das erste Blut untersuchte.
