Aron Lubor und die vergessene Kolonie: Weg in die Galaxis - Conrad Shepherd - E-Book

Aron Lubor und die vergessene Kolonie: Weg in die Galaxis E-Book

Conrad Shepherd

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Beschreibung

Aron Lubor und die vergessene Kolonie Weg in die Galaxis Science Fiction-Roman von Werner K. Giesa & Conrad Shepherd Der Umfang dieses Buchs entspricht 244 Taschenbuchseiten. Lynsha Nash und die Besatzung der PLUTO versuchen, im Kampf der TARAVAT-Völker untereinander zu vermitteln. Um wirksam Hilfe zu bringen, müssen sie sich mit der Obersten Instanz in Verbindung setzen, doch das scheint unmöglich, denn eine Depressionswelle macht das Näherkommen fast unmöglich. Als Nash und Qui doch endlich bis zur Obersten Instanz vordringen, versucht man, sie zu töten. Warum? Aron Lubor fliegt auf dringende Bitte von Abrahamson nach Ramatag, weil die KI behauptet, nur dort zum Ursprung der eigenen Existenz zu gelangen. Doch das Raumschiff mit Aron Lubor stürzt ab...

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Aron Lubor und die vergessene Kolonie: Weg in die Galaxis

Weg in die Galaxis Neue Abenteuer, Volume 6

Conrad Shepherd and W. K. Giesa

Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Aron Lubor und die vergessene Kolonie | Weg in die Galaxis | Science Fiction-Roman von Werner K. Giesa & Conrad Shepherd

Im  Kosmos der Serie ‚Weg in die Galaxis′ sind bisher erschienen:

Copyright

Die Hauptpersonen des Romans:

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger

Also By Conrad Shepherd

Also By W. K. Giesa

About the Publisher

Aron Lubor und die vergessene Kolonie  

Weg in die Galaxis

Science Fiction-Roman von Werner K. Giesa & Conrad Shepherd

Der Umfang dieses Buchs entspricht 244 Taschenbuchseiten.

Lynsha Nash und die Besatzung der PLUTO versuchen, im Kampf der TARAVAT-Völker untereinander zu vermitteln. Um wirksam Hilfe zu bringen, müssen sie sich mit der Obersten Instanz in Verbindung setzen, doch das scheint unmöglich, denn eine Depressionswelle macht das Näherkommen fast unmöglich. Als Nash und Qui doch endlich bis zur Obersten Instanz vordringen, versucht man, sie zu töten. Warum?

Aron Lubor fliegt auf dringende Bitte von Abrahamson nach Ramatag, weil die KI behauptet, nur dort zum Ursprung der eigenen Existenz zu gelangen. Doch das Raumschiff mit Aron Lubor stürzt ab...

Im  Kosmos der Serie ‚Weg in die Galaxis′ sind bisher erschienen:

Spur ins andere Kontinuum

Planet der Maschinen

Die Rebellen von G’oerr

Jagd durch das Sol-System

Das Cyborg-Projekt

Aron Lubor und die Energiefalle

Aron Lubor und der Sprung ins All

Aron Lubor und die Sklavenwelt Pygma

Aron Lubor und die Macht im Dunkeln

Aron Lubor und das Echo aus der Vergangenheit

Aron Lubor und die Falle im Nichts

Aron Lubor und die vergessene Kolonie

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Die Hauptpersonen des Romans:

Aron Lubor: Augenfarbe schockgrün, silberglänzendes Haar, schulterlang, hat mit seinen breiten Schultern und schmalen Hüften Ähnlichkeit mit Peter Lorre. Alter: Laut eigenen Angaben ca. 26 bis 29 Jahre. Humanoide aus dem Lyk-System vom Planeten Ramon.

Peter Lorre: Sohn des Connor Lorre, Besitzer der HFL, der größten Raumschiffwerft der Erde, 27 Jahre alt, 1,78 groß, strohblond mit dem Aussehen eines Wikingers und 81 Kilo schwer. Er ist Inhaber der ›Großen Lizenz‹ und weltraumsüchtig. Trotz seiner Jugend schon examiniert in Kybernetik, Raumschiffbau und Astronavigation. Zuverlässig, reaktionsschnell und draufgängerisch, aber kein Supermann.

Elaine Tacled: 23 Jahre, die attraktive Jugendfreundin Peter Lorres schwarz und langhaarig, technisch hochbegabt, bekommt aber jedes Mal einen Wutanfall, wenn man bei Verteilung der Arbeit auf sie als Frau Rücksicht nimmt. Geht netten Männern nie aus dem Weg.

Björn Grenell: 26 Jahre, 1,76 groß, 84 Kilo schwer, Peter Lorres Studienfreund aus den letzten Semestern. Dunkelbraunes Haar, eisgraue Augen, ein Mann der Ruhe und der Zurückhaltung und der richtige Ausgleich für Peter Lorre und Elaine Tacled.

Icinu: Aron Lubors Frau, mit schulterlangem, silberglänzendem Haar, schockgrünen Augen, besitzt die Idealfigur einer terranischen Frau, ausgeglichener Typ mit enormen Kenntnissen der ramonischen Technik, nach eigenen Angaben 25 Jahre alt.

1.

Elaine Tacled sah sich gehetzt um ... Sie rannte mit keuchender Lunge ... rannte tiefer hinein in das unterirdische Labyrinth der Katakomben von Klatt und empfand das Gefühl hilflosen Terrors wie einen tiefen, lähmenden Schrecken ...

Sie rannte weiter ...

... die Beine wurden schwerer und schwerer ...

... eine Ader begann auf ihrer Stirn zu pulsieren. Sie konnte kaum noch klar denken. Ihr ganzes Sinnen und Trachten war darauf gerichtet, die Katakomben zu verlassen ...

Sie konnte nicht mehr laufen. Die Beine gehorchten ihr nicht länger. Langsam ging sie in die Knie, stützte den Körper auf die Hände, fühlte den grob geglätteten Boden des Ganges, roch diesen Geruch nach erdigem Moder, der dem Labyrinth zu eigen war ...

... und stöhnte erstickt, keuchend. Ihre Kiefermuskeln verkrampften sich. Schweiß lief ihr über den Rücken, einen irrwitzigen Moment lang konzentrierte sie sich darauf, die Bahnen der Tropfen auf ihrer Haut zu verfolgen ...

Sie schloss kurz die Augen, während sie gegen die aus ihrem Magen hochspülende Übelkeit ankämpfte, dann riss sie sie wieder auf. Wo war ein Versteck? Gehetzt sah sie sich um ...

... kauerte sich hinter die Pylone der verlassenen Tempelanlage und hoffte, so vor den Bionics in Sicherheit zu sein, der sie wie eine ins Gigantische mutierte Gottesanbeterin auf seinen doppelgelenkigen Vogelbeinen ohne Unterlass durch den Irrgarten der Gänge verfolgte ...

Sie machte sich noch kleiner hinter ihrer Deckung ...

... fürchtete sich so sehr, dass sie fast wie gelähmt war ...

... dieser Bionic ...

... wiegte den monströsen Kopf wie eine angriffslustige Kobra von links nach rechts, die farnähnlichen Fühler, aus denen seine Sinnesorgane bestanden, zitternd und vibrierend nach jeder noch so winzigen Regung, jedem Atemzug von ihr gierend ...

Angst überschwemmte Elaines Gedanken. Der Bionic kam auf sie zu, beugte sich über sie ...

... und sie wand und krümmte sich ...

... rasiermesserscharfe Mandibeln öffneten und schlossen sich klickend, Geifer tropfte in langen Fäden aus diesem Alptraum von einem Maul, Tentakel, aus seinen Schultern sprießend, bewegten sich ruckartig, griffen nach ihr ... rasiermesserscharfe Krallen fuhren über ihren Körper, rollten sie auf den Rücken ...

... und sie empfand Furcht. Namenlose, entsetzliche Furcht. In ihrem Innern schien etwas zu zerreißen und ...

... ein Geräusch wie ein Echo von den fernen Gestaden Taikats durchdrang diesen Alptraum.

Elaine erwachte schweißgebadet.

Ihr Herz klopfte, und sie konnte den Puls in ihren Schläfen hämmern spüren. Sie lag auf der Seite. Langsam nur klärte sich ihr Geist; die Schimären der Nacht zogen sich zurück, lösten sich in Nichts auf.

Willkommen unter den Lebenden.

Das hier war die Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit in Gestalt eines der Apartments in First Town, die die HFL für ihre leitenden Angestellten ständig reserviert hielt. Mit einem tiefen Seufzer rollte sie sich auf den Rücken. In einem Reflex fuhr sie sich mit einer Hand über die schweißfeuchten Brüste. Aber da war nichts, keine Spur von Verletzungen, die von einer Alienkralle herrührten. Ein unsicheres Lachen löste sich aus ihrer Kehle.

»Ein Traum«, murmelte sie. »O Mann, o Mann. Nur ein Traum ... Aber was für einer!«

Welch ein Lichtblick!

Die Erleichterung machte Elaine vollends wach. Sie atmete geräuschvoll ein und aus; fürs erste war sie den vielbeinigen, klauenbewehrten Bionic-Monstren ihrer Phantasie entronnen. Für wie lange?

Sie setzte sich auf, zog die Knie an und schlang die Arme darum. Dann blickte sie sich um, als müsste sie sich jede Einzelheit genau einprägen.

Tageslicht sickerte durch die heruntergelassenen Sonnenblenden; von draußen drang aus der Tiefe der Lärm der Riesenstadt First Town mit ihrer überbordenden, hektischen Betriebsamkeit herauf.

Schmale Streifen aus Licht und Schatten erstreckten sich über den Bodenbelag. Der schwache Wind, kaum mehr als ein Luftzug, bauschte die leichten Vorhänge; die sanfte Brise trocknete langsam den Schweiß auf ihrer Haut. Das dünne Laken von sich strampelnd, schwang Elaine die langen Beine vom Lager. Sie stellte die Füße auf den weichen Belag und stand gähnend auf. Gedankenverloren kratzte sie sich unter den Brüsten und gähnte wieder. Dann schüttelte sie den Kopf. Ihre schwarze Haarpracht bewegte sich wie im Wind.

Mit leicht verquollenen Augen trottete sie ins Bad.

Auf ihrem Weg dorthin stolperte sie fast über den schildkrötenförmigen Reinigungsautomaten, der durch das Apartment glitt und nahezu unhörbar seine Arbeit verrichtete.

In der zweckmäßig ausgestatteten Hygienezelle ließ sie für knappe drei Minuten einen kleinen Hurrikan unterschiedlicher Reinigungsvorgänge über sich ergehen, die wesentlich dazu beitrugen, ihre physische Verfassung zum größten Teil wiederherzustellen.

Während sie sich abschließend unter dem warmen, mit Duftstoffen angereicherten Luftstrom drehte, betrachtete sie sich selbst im wandhohen Spiegel.

Was sie sah, fiel nicht zu ihren Ungunsten aus.

Nein, konnte man nicht behaupten.

Tatsächlich war Elaine außergewöhnlich attraktiv, langbeinig, braunhäutig, schwarz- und langhaarig, besaß weich schimmernde Augen in einem leichten Grünton; von Natur aus etwas zu breit geratene Lippen, ein ovales Gesicht, üppige Oberweite. Aber das waren rein physische Attribute. Daneben besaß sie jede Menge praktischer und theoretischer Intelligenz, war technisch hochbegabt – und seit ihrer Jugend raumfahrtsüchtig.

Aber trotz ihrer jetzt vierzig Lebensjahre war sie noch immer unverheiratet.

Woran das wohl lag?

Sie hatte sich das schon öfter gefragt, ohne jedoch eine eindeutige Erklärung dafür zu finden.

Sie beugte sich näher zum Spiegel und betrachtete prüfend ihr Gesicht. Und dann wusste sie es plötzlich: Das Problem war sie. Sie ganz allein! Nicht so sehr der Umstand, dass sie älter wurde und die ersten winzigen Fältchen sichtbar zu werden drohten. Das bedeutete lediglich irgendwann einmal eine kosmetische Korrektur. Auch ihre physische Kraft hatte noch kein Jota gelitten. Nein, daran lag es nicht, sondern daran, dass sie schon viel zu lange das Leben führte, das sie schon immer hatte führen wollen.

Unabhängig.

Niemandem Rechenschaft schuldig.

Und dass sie diese Unabhängigkeit nicht mehr aufzugeben gedachte. Es sei denn ...

Plötzlich streckte sie sich die Zunge heraus.

»Was soll diese elegische Gefühlsduselei, altes Mädchen?« sagte sie zu ihrem Spiegelbild. »Die Galaxis ist voll von Wundern, die es noch zu entdecken gibt.«

Mitten in ihre Überlegungen zirpte der Interkom. Sie schlüpfte in einen kurzen, ärmellosen Morgenmantel und ging ein paar Schritte in den Wohnraum. Sekundenlang starrte sie das Gerät an, dann sagte sie achselzuckend: »Ja?« Ihre Stimme aktivierte den Phonsensmodus des Gerätes.

Eine Sekunde später erhellte sich der Monitor. Das schmale Gesicht der Ramonerin Icinu Lubor wurde sichtbar. Das schulterlange Silberhaar und die intensiv grünen Augen waren typische Merkmale ihrer Rasse.

»Sieh an, sieh an, wenn das nicht Icinu ist«, sagte Elaine, legte den Kopf schief und grinste flüchtig.

»Hallo, Elaine!«

»Was gibt es, Icinu? Warum die frühe Störung? Ich hoffe, es ist was Wichtiges?«

»Könnte man so sagen.«

Alarmiert registrierte Elaine eine gewisse Unruhe und auch Ratlosigkeit in der Stimme Icinu Lubors.

»Lass mich raten. Geht’s um unser Adoptivkind Abrahamson?«

»Genau um den.«

»Erzähle ...«, bat sie die ramonische Freundin.

Elaine Tacled lauschte aufmerksam. Hörte schweigend zu, was die HFL-Chefberaterin für extraterrestrische Kontakte zu berichten hatte. Und je länger diese sprach, um so mehr Falten bildeten sich auf ihrer Stirn. Schließlich sagte Icinu abschließend: »Du solltest dir unbedingt ansehen, was unser Schützling jetzt wieder kreiert. Du wirst dich wundern.«

»Gut«, antwortete Elaine. »Hier tut sich eh nichts mehr, meine Eltern kommen vermutlich mit einem späteren Schiff. Ich bin ...« Sie blickte kurz auf die Uhr, überschlug in Gedanken die Distanz, die sie mit dem Gleiter bis nach Mih und zur Defensiv-Zentrale zu überbrücken hatte, und nannte dann die Ankunftszeit.

Icinu nickte und unterbrach die Verbindung.

Nur zehn Minuten später verließ Elaine das Apartment.

Einer der vielen Lifte brachte sie zur Dachlandeplattform. Gleich darauf nahm sie im Pilotensitz ihres schnellen Gleiters Platz. Ihre Finger flogen über die Tastatur, schalteten den Flugcomputer und den Cockpitfunk ein.

Während der Computer die Funktionen checkte, nahm sie Verbindung mit der Flugkontrolle des Raumhafens auf und wartete auf die Freigabe; der Kurs nach Mih war im Autopiloten gespeichert.

Die Starterlaubnis kam.

Die Kontrollen zeigten Grün.

Alle Systeme sprangen auf GO.

Sie startete den Gravitron-Antrieb.

Dachhangar und Gebäude des Hotels blieben unter dem Gleiter zurück. Verschwanden in der Tiefe. Nachdem die vorgeschriebene Flughöhe erreicht war, übergab Elaine die Maschine dem Autopiloten.

Die Gigantstadt mit ihren im hellen Cremeton leuchtenden Bauwerken breitete sich unter dem Gleiter aus.

Elaine betrachtete im Abflug durch die Kanzelverglasung das faszinierende Panorama.

First Town. Die größte und modernste Stadt auf Enigma. Kulturelles und geistiges Zentrum des Alpha-Centauri-Systems, das durch fünf strahlenartig verlaufende, extrem breite, freischwebende Ausfallstraßen geteilt wurde.

Der Stadtmoloch hatte eine Ausdehnung, wie man sie eigentlich nur von Pacifica her kannte. Aber im Gegensatz zur kalifornischen Megalopole, die aus einer Vielzahl von Städten bestand und sich den gesamten Küstenstreifen vom ehemaligen San Francisco bis hinunter nach Los Angeles einverleibt hatte, bestand First Town aus einem Guss. Eine Riesenstadt für eine Bevölkerung von zwei bis drei Milliarden. Und doch schien sie zum jetzigen Zeitpunkt fast zu klein für den Ansturm der Flüchtlinge aus dem Sol-System zu sein.

Die Kolonisten, die die verlassene Stadt vor rund zwei Dekaden in Besitz genommen hatten, sahen sich mit einem Mal einer gigantischen Arbeit gegenüber. Hunderttausende Flüchtlinge waren bereits auf Enigma provisorisch untergebracht und mussten versorgt werden.

Und es wurden immer mehr.

Der Strom der Zuwanderer riss nicht ab. Ständig trafen weitere Schiffe ein. Erst vor zwei Tagen war die SPIRIT OF PROTEUS gelandet. Unter den Passagieren des HFL-Raumers hätten sich eigentlich Elaines Eltern befinden sollen. Deshalb hatte Elaine in First Town Quartier bezogen, um sie am Raumhafen zu empfangen, sobald sie den Boden Enigmas betraten. Daraus war zu ihrer Enttäuschung nichts geworden; die Informationen hatten sich als nicht zutreffend erwiesen ...

Der Gleiter schoss in südwestlicher Richtung über die Straßenschluchten und tangierte soeben das Zentrum mit seinen fünf wolkenstürmenden, gigantischen Bauwerken, deren ausgedehnte Flachdächer das gelbe Licht der Centauri-Sonne widerspiegelten.

Dreißig Minuten später hatte er die Peripherie der Riesenstadt erreicht und folgte dann der freischwebenden Ausfallstraße, die auf über hundert Kilometern von keinem einzigen Stützpfeiler getragen wurde, in Richtung Mih-Kontinent.

Flüchtig blitzte eine Erinnerung an ihren ersten Flug über diese Straße in ihr auf, dieses Wunderwerk einer damals weithin unbekannten Fremdtechnik. Eine Erinnerung, die fast achtzehn Jahre zurücklag ... Sie hatten Enigma mit der PLUTO I erreicht.

Sie, das waren Peter Lorre, Aron Lubor, Onip Kat, der ruhige Bordingenieur, und der hektische, ständig nervöse Indonesier Kea Alston. Mit an Bord waren weiter Björn Grenell, ihr damaliger Freund – der zu dem Zeitpunkt noch nichts von seinem Schicksal in Gestalt der betörend schönen Lynsha Nash ahnte –, und Reza Katte, der Astronavigator der PLUTO.

Reza Katte!

Elaine lächelte in Gedanken versunken.

Dem Wissen des Eskimos um ein uraltes Hausmittel seiner Urgroßmutter verdankte sie ihr Leben, als sie sich damals in den Fluten des enigmaischen Ozeans mit einer Krankheit infiziert hatte, gegen die alle Künste der Medizinischen Station der PLUTO machtlos erschienen.

Sie empfand ihm gegenüber eine tiefe Dankbarkeit, die sich in all den Jahren seit ihrem ersten Erkundungsflug mit der PLUTO I über Enigma kein Jota verändert hatte.

Der Autopilot führte den Gleiter sicher auf das Ziel zu.

Bald lagen nur noch die Wellen des wild bewegten Ozeans unter Elaines Gleiter.

Eine Stunde verstrich.

Die zweite begann ...

Dann tauchten die langgestreckten, zwölftausend und mehr Meter hohen zerrissenen Fels- und Eismassive der phantastischen Gebirgswelt von Mih an der Berührungslinie von Meer und Himmel auf.

Dazwischen Gipfel, die über sechzehntausend Meter hoch bis fast in den luftleeren Raum ragten. Die ewigen Gletscher an ihren Flanken spiegelten das Licht der gelben Centauri-Sonne wider.

Kurze Zeit später befand sich der Gleiter im Anflug auf die riesige Gletscherwand, hinter der sich die Defensiv-Zentrale Enigmas versteckte. Nach der Identifikationsabfrage übernahm die Einflugsteuerung Elaines Gleiter, bremste seine Fahrt und dirigierte ihn in den gewaltigen Einflugschacht, dem Eingang zur HOME II, der sich drei Kilometer tief in den Berg erstreckte.

Der Gleiter flog in die Öffnung.

Elaine registrierte unbewusst das gewaltige Schott, das, einen Gletscherpfropfen täuschend echt imitierend, von turmdicken Teleskoparmen gehalten, an der linken Seite des Tunnels lag.

Licht flammte aus den spiegelglatten Wänden des Tunnels auf und erlosch wieder hinter dem Gleiter. Das Lichterspiel wirkte fast wie die Landebahnbefeuerung eines Verkehrsraumhafens. Nach fast drei Kilometern mündete der Tunnel in den gigantischen, tief im Berg liegenden Hangar des Startdepots.

Der Gleiter setzte auf der Rampe auf.

*

»TUT MIR LEID, SIR. Aber das geht nicht.«

Der, der das sagte, voller Ablehnung und Reserviertheit, war ein noch junger Mann. Er wirkte, als hätte er gerade erst die Akademie für angehende Führungskräfte absolviert. Trotz seiner zur Schau getragenen Forschheit war er jedoch mehr als unsicher. Es war sein erster wirklicher Job außerhalb der schützenden Mauern der HFL-Corporation, die etwas mehr als zweihundert Kilometer vom Großen Sklavensee entfernt lag. Seine Aufgabe bestand darin, als Puffer zwischen der Konzernspitze und dem alltäglichen Chaos auf Enigma zu dienen. Dafür durfte er sich zum internen Sicherheitsdienst der HFL zählend fühlen. Keine leichte Aufgabe, wie er oft genug feststellen musste. Im Augenblick erschien sie ihm ganz besonders schwer. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf seiner Stirn, und er verwünschte zum hundertsten Mal, dass es ausgerechnet ihn erwischen musste.

Sein Gegenüber sah aus wie vierzig, war in Wirklichkeit aber fast fünfzig irdische Jahre alt und nicht größer als einhundertfünfundsechzig Zentimeter. Unter dem kräftig geschnittenen Gesicht, dessen Züge davon zeugten, dass seine Vorfahren aus dem hohen Norden Alaskas stammten, trug Reza Katte eine grobe, stellenweise verschmutzte Bordmontur, auf deren linker Brustseite das Emblem der HFL prangte.

»Wenn ich sage«, erklärte er jetzt unwirsch, »dass wir Peter Lorre zu sprechen wünschen, dann wünschen wir ihn sofort zu sprechen.« Wie beiläufig legte er die Hand auf den Kolben des Blasters, den er an der Hüfte trug.

Das »wir« bezog sich auf den zweiten Mann in seiner Begleitung. Er war das genaue Gegenteil, hochgewachsen, sehr schlank. Seine Augen waren zusammengekniffen und auf einen Punkt oberhalb des jungen Mannes gerichtet. Seine Miene drückte Gleichmut aus. Ihn schien die sich anbahnende Eskalation nicht im geringsten zu rühren. Er fuhr sich lediglich mit der flachen Linken ein paar Mal über den rasierten Schädel. Onip Kat, der eigentlich Kattalainen hieß, trug die gleiche abgetragene Bordmontur wie Reza Katte. Auch sein Gesicht war von einer tiefgreifenden Erschöpfung gezeichnet. Beide Männer machten den Eindruck, einer Hölle entronnen zu sein.

Dieser Eindruck trog nicht. Sie hatten eine relativ kurze, aber dafür sehr gefahrvolle Reise hinter sich.

Fantasy war 298 Lichtjahre von der Erde entfernt; die direkte Verbindung zwischen dem Aussteigerparadies und Alpha Centauri war sogar noch geringer.

Normalerweise hätte der HFL-Aufklärer DESCENT, Kattes und Taks Schiff, die Strecke in einer einzigen Para-Kontinuum-Etappe bewältigen können.

Aber im Augenblick waren die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten in der Galaxis die Spitzen eines Pentagramms – oder die Labyrinthe eines Irrgartens.

Der Raum um das Fantasy-System und das Weltraumtor der TARAVAT wimmelte nur so von Kampfeinheiten der Invasionsflotte der Gyosh Kar; der um Enigma war nicht minder stark von Patrouillenschiffen der Spaceguard frequentiert.

Das Gesicht des Sicherheitsmannes war bleich. Er gab noch nicht auf. Trotz der latenten Bedrohung, die dieser kleine Raumfahrer vor ihm ausstrahlte.

Er hob die Hände in Brusthöhe und sagte im beschwörenden Ton:

»Mister Lorre ist in einer wichtigen Sitzung. Ich kann, darf und werde ihn nicht stören, Sir!«

»Papperlapapp«, sagte Reza Katte frostig wie eine Kryokammer. »Wir haben eine beschwerliche Reise hinter uns, glauben Sie uns, Mister. Wir haben seit mehr als vierundzwanzig Stunden kaum mehr als ein paar Minuten geschlafen. Es wurde auf uns geschossen, und wir mussten uns hinter Asteroiden verbergen. Wir sind müde, verschwitzt und hungrig. Und jede noch so harte Feldpritsche erscheint uns im Augenblick als schwellendes King-Size-Bett. Gehen Sie, junger Mann, und teilen Sie Peter mit, Reza Katte und Onip Kat sind mit Neuigkeiten von der Front im Fantasy-System zurück. Das wird ihn, denke ich, dazu bringen, seine wichtige Sitzung zu unterbrechen und uns anzuhören.«

»Sir ... ich ...« Der Sicherheitsmann begann vor Verlegenheit und Aufregung zu stottern. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Sie haben natürlich Priorität.«

»Nun kriegen Sie sich wieder ein, Mister«, sagte Reza gönnerhaft. »Noch habe ich Sie ja nicht erschossen!«

Die Augen des jungen Mannes weiteten sich erschreckt.

»Ja, hätten Sie denn ... ich meine ...« Er brach ab, als er das Grinsen auf Onip Kats Gesicht sah. Er räusperte sich. »Gut. Ich werde Sie anmelden. Warten Sie bitte hier.«

Er drehte sich um hundertachtzig Grad und verschwand, gehörig durcheinander, hinter der massiven Tür, vor der er Wache schob.

*

AN DEN WÄNDEN DES AUFNAHMESTUDIOS zuckten pausenlos, im Rhythmus der Musik, verschiedenfarbige Scheinwerferbatterien und Spots, schufen verwirrende Kompositionen aus psychedelischen Farben, Linien und geometrischen Mustern.

Eine Batterie farbiger Scheinwerfer richtete sich auf den Mann, der mit zuckenden Hüften auf dem runden Podium stand.

Die Mitglieder der Band um ihn herum in ihren fransenbesetzten weißen Anzügen handhabten ihre Instrumente mit schweißüberströmten Gesichtern. Ihre Körper befanden sich in ständiger Bewegung, während der Mann am Mikrofonständer zum ausgewachsenen Tiger wurde. Mit seiner dunklen Stimme schleuderte er seine Emotionen in den Raum, die sich um eine gewisse »Las Vegas« drehten.

Er warf sich dermaßen ins Zeug, dass man meinen konnte, es wäre sein letzter Auftritt. Zu allem Überfluss malträtierte er das Mikrofon, als versuchte er, mit ihm zu kopulieren. Dann schien es zu Ende zu gehen. Mit dem elektronisch verstärkten Geheul eines startenden Raumschiffes brach der Song ab.

Die Projektion im Holoschirm erlosch ...

Icinu bewegte sich in ihrem Kontursessel und richtete die Lehne auf.

»Phantastische Lautstärke, die eine menschliche Kehle so produzieren kann«, sagte sie.

Elaine Tacled schien sie nicht zu hören. Sie saß einfach da und starrte auf den nun leeren Schirm. Dann blickte sie wie erwachend auf.

»Puh!«, sagte sie. »Was für ’ne heiße Show.«

Icinu wandte sich ihr irritiert zu. »Eine was?«

»Starker Auftritt«, meinte Elaine und grinste. »Lass mich mal überlegen ... Wenn mich mein Gedächtnis nicht allzu sehr trügt, lebte der Künstler im zwanzigsten Jahrhundert und nannte sich Elvis ›the Pelvis‹ Presley.«

Die Ramonerin seufzte, zog eine Grimasse. »Jede Zivilisationsepoche verdient wohl die Künstler, die sie hervorbringt.«

»Nun ja. So gesehen hast du vermutlich recht. War das alles?«

»Hast du noch nicht genug?«

Ihre Frage schien berechtigt.

Kaum waren sie beide nach ihren höchst abenteuerlichen und aufreibenden Erlebnissen im Fantasy-System mit ihrem Adoptivsohn, dem »neugeborenen« Abrahamson im Bordrechner des Patrouillenbootes, mehr oder weniger wohlbehalten auf Enigma eingetroffen, hatte sich dieser in einen Großrechner der Defensiv-Zentrale transferiert und arbeitete seitdem mit Nachdruck an einem neuen Persönlichkeitsprogramm.

Staunend und über die Maßen verblüfft hatten die beiden Frauen erkennen müssen, dass die Künstliche Intelligenz »Abrahamson«, die Lok Sat vor rund 10 Jahren mit Hilfe des Quantenfragments generiert hatte, offenbar mit einer Art digital-genetischem Kode ausgestattet war, der sie beim »Tod« eines Persönlichkeitsaspektes zur autonomen Entwicklung einer neuen Identität befähigte, sobald ihr ein geeignetes Medium in Form leistungsfähiger Prozessoren mit entsprechender Hardware-Peripherie und genügend Speicherkapazitäten zur Verfügung stand.

Der Großrechner der Defensiv-Zentrale mit seinen umfangreichen Datenarchiven war ein solches machtvolles Medium, das Abrahamsons Entwicklung vom Teenager, der er noch an Bord der GLORY auf Fantasy gewesen war, zur ausgereiften Persönlichkeit in Riesenschritten vorantrieb. Dabei musste er eine der historischen Datenbanken der HFL angezapft haben, was ungeahnte und manchmal sehr weitreichende Folgen zeitigte. Wie in einem kaleidoskopischen Zeitraffer hatte er kurzzeitig die Identitäten diverser historischer Persönlichkeiten an- und übernommen; Personen wie Taras Bulba und Einstein, Beethoven, Kolumbus oder Lenin.

Wirklich schlimm wurde es jedoch, als er begann, innerhalb kürzester Zeit Showbiz-Größen wie Clint Eastwood, Madonna oder Nina Dorfmann zu simulieren. Dabei scheute er auch nicht davor zurück, fiktive Charaktere aus Büchern, Filmen und Comics wie James Bond, Django, Lawrence von Arabien oder Max Headroom zu generieren. Seine Adaption von Catwoman war sehenswert, selbst für die Ramonerin Icinu, wie sie freimütig Elaine gegenüber bekannte.

Die bizarren und zuweilen dramatischen Persönlichkeitswechsel beschleunigten sich auf eine Weise, dass Icinu und Elaine schon um die geistige Gesundheit ihres »Adoptivsohnes« zu fürchten begannen.

Was war, wenn er in seiner Entwicklung bei Jarod Kushinski stehenblieb?

Oder bei Homer Dunton?

Oder – noch schlimmer! – bei Hannibal Lector?

Elaine wagte sich nicht auszumalen, welches Monster aus dem digitalen Netz dann über die Menschheit herfallen würde ...

So gesehen war die Darstellung des legendären weißen Blues- und Rock’n’Roll-Sängers Elvis Presley ja noch eine der »harmloseren« Variationen einer megamultiplen Persönlichkeitssplitterung, die Abrahamson in den letzten Tagen durchgemacht und gezeigt hatte.

»Wie weit ist denn nun seine Adaption bedeutender, weniger bedeutender oder auch obskurer Persönlichkeiten der irdischen Geschichte gediehen?«, wollte sie wissen.

»Das war seine vorletzte Reinkarnation«, erwiderte Icinu.

»Vorletzte?«, dehnte Elaine Tacled.

»Nun, ich kann dir ... Sekunde. – Ja, was ist?«

Im Hintergrund hatte sich eine Tür geöffnet.

Eine Welle hektischer Betriebsamkeit schwappte herein; draußen befand sich eine der vielen Kommunikationszentralen, mit denen HOME II Verbindung zu den anderen, noch nicht von der World- oder Spaceguard übernommenen Dependancen der HFL und zu den vielen Kolonien unterhielt, die die Connor Lorre Corporation gegründet hatte.

Eine Technikerin aus der Kommunikation betrat das Labor, in dem sich die Ramonerin und Elaine Tacled aufhielten, orientierte sich kurz im Halbdunkel und kam dann schnellen Schrittes auf die beiden zu, ein Antigrav-Tablett wie ein Surfbrett in der Brandung vor sich her schiebend. Auf ihm befanden sich zwei dickwandige Becher.

Es begann überwältigend nach starkem Kaffee zu riechen.

»Ich habe mir erlaubt, uns etwas zu trinken zu ordern«, sagte Elaine halb entschuldigend. »Die letzten Stunden Anschauungsunterricht in Sachen multiple Persönlichkeiten waren ziemlich heftig. Wenn du verstehst.«

Sie nahm das Tablett in Empfang, nickte der jungen Technikerin freundlich dankend zu und wartete, bis die Tür sich wieder hinter ihr geschlossen hatte.

»Du sagtest vorletzte Reinkarnation«, nahm sie den Faden dort wieder auf, wo Icinu unterbrochen worden war. »Was ist mit der letzten?«

Icinu trank ein paar Schlucke.

Sie hatte inzwischen – wie fast die überwiegende Mehrzahl aller im Sol-System integrierten Ramoner – dieses Gebräu, das in ihrer Sprache mit dem Begriff »Chava« umschrieben wurde, zu genießen gelernt.

Dann stellte sie den Becher beiseite.

»Sieh selbst – und bilde dir dein Urteil!«

Sie wandte sich dem Bildschirm zu.

»Würdest du dich uns zeigen, Ganesha?«

Auf dem großen Monitor über der Computerkonsole erschien das digitale Abbild einer bis zur Hüfte sichtbaren Gestalt ...

Elaine war erst versucht, zu lachen. Aber das Lachen blieb ihr im Halse stecken. Zu groß war die Überraschung. Auf vieles war sie vorbereitet. Auf einiges gefasst.

Nur nicht auf das, was sie zu sehen bekam. Nämlich einen hagergesichtigen Mann mit einer hohen Stirnglatze und runder Nickelbrille, der die beiden Frauen mit einem unendlich gütigen Lächeln anblickte. Ein bekanntes Gesicht für jeden, der über das zwanzigste Jahrhundert der Erdgeschichte Bescheid wusste. Und Elaine gehörte dazu. Sie war aufgrund ihrer universitären Ausbildung dazu in der Lage, war vertraut mit den Persönlichkeiten, die jeweils auf ihre bestimmte Art ihre Zeitepoche prägend beeinflusst hatten.

Der neue Abrahamson in seiner augenblicklichen Manifestation stellte niemand anderen dar als Mohandas Karamchand Gandhi! In den Geschichtsannalen besser bekannt als Mahatma Gandhi, was auf Sanskrit so viel hieß wie »dessen Seele groß ist«. Der Vorkämpfer des gewaltlosen Widerstandes, des bürgerlichen Ungehorsams durch »Satjagraha«, dem »Festhalten an der Wahrheit«.

»Ich grüße euch, Töchter«, ließ er sich vernehmen.

Töchter! Elaine runzelte erstaunt die Brauen, verkniff sich jedoch eine Bemerkung.

Lediglich Icinu räusperte sich.

Was Abrahamson zu der Frage veranlasste: »Oder zieht ihr die Bezeichnung Tutorinnen vor?«

»In der Tat, das tun wir«, nickte Icinu. »Du willst uns doch nicht verärgern, oder?«

Abrahamson-Gandhi neigte den Kopf.

»Das will ich auf gar keinen Fall«, sagte er mit unendlich sanfter Stimme, »meine Lehrerinnen.«

Elaine runzelte stärker die Stirn; sie stellte den Becher ab. »Ich frage mich ...«, murmelte sie, um dann wieder zu verstummen. Aber so leise sie auch gesprochen hatte, die KI hatte es registriert.

»Du hast eine Frage, Elaine Tacled. Darf ich wissen, welche?«

Entschlossen sagte Elaine: »Wie viele Persönlichkeitswechsel werden wir noch zu Gesicht bekommen?«

»Ich verstehe den Zusammenhang deiner Frage, Elaine Tacled. Ich erkenne den Zwiespalt deiner Seele. Erkenne, dass dir und der Gefährtin Aron Lubors meine Suche nach der einen, wahren Identität merkwürdig vorkommen muss.«

Das ist leicht untertrieben, dachte Elaine grimmig.

»Aber ich kann euch versichern, dass die Entwicklung meiner Protopersona für den Augenblick abgeschlossen ist. Allerdings ...« – er legte die Handflächen zusammen, hielt sie vor die Brust und neigte leicht den Kopf – »... allerdings, meine Mentorinnen, fühle ich in meinem Innern ...«

In welchem Innern?, durchzuckte es Elaine. Kann eine virtuelle Künstliche Intelligenz wirklich eine Seele besitzen wie ein fühlendes Wesen? Kann sie Schmerz empfinden? Trauer? Wut?

»... dass es noch eine weitere Entwicklungsstufe gibt. Die ich aber nur mit eurer Hilfe erreichen kann.«

»Und wie sähe diese Hilfe aus?«, fragte die Ramonerin, da Elaine diesmal beharrlich schwieg.

Die digitale Persönlichkeit der Abrahamson-Gandhi-KI blickte über die beiden Frauen hinweg in den hinteren Teil des Labors, wo das mysteriöse Quantenfragment in seinem Schutzbehälter, einem blau-schimmernden Koffer aus quantenstabilisiertem Marsonstahl, mittels eines Fesselfeldes unverrückbar verankert auf einem niedrigen Sockel lag.

»Ihr müsstet mich den Strahlen des Quantenfragments aussetzen, das sich in eurem Besitz befindet.«

Icinu wechselte verblüffte Blicke mit Elaine. Das hatte sie nicht erwartet.

»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist«, sagte sie schließlich zögernd. »Wir wissen zu wenig, respektive überhaupt nichts, über die mögliche Wirkung. Wir könnten dich verletzen oder gar verlieren.«

»Ach, meine besorgten Tutorinnen!« Abrahamson-Gandhi breitete mit einem sanften, allwissenden Lächeln die Hände aus und drehte die Handflächen nach außen. »Wohl dem, der so durchs Leben geleitet wird. Behütet. Umsorgt. Aber glaubt mir, nichts von dem wird geschehen. – Außerdem würdet ihr auch davon profitieren.«

»So? Welchen Nutzen hätten wir denn?«

Icinu konnte ein winziges Lächeln nicht unterdrücken. Elaine wirkte pragmatisch wie so oft.

Die Künstliche Intelligenz wartete einige Sekunden, ehe sie antwortete.

»Den, eure Neugierde zu stillen.«

Elaine lächelte unverbindlich.

»Sind wir denn neugierig?«

»Ich bin überzeugt davon«, fuhr die KI fort, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, »dass ich dann endlich das Rätsel um meinen Ursprung und um die Herkunft des Quantenfragments lösen könnte.«

Elaine sah Icinu von der Seite an. Ein wortloser Dialog schien sich zwischen den beiden Frauen zu entspinnen. Ein Dialog, dessen Inhalt darin bestand abzuwägen, ob sie es verantworten konnten, dem Verlangen des »neuen« Abrahamson nachzugeben. Oder ob sie eventuell nur wieder eine weitere Monster-KI mit unkalkulierbaren Fähigkeiten und zweifelhaften Absichten heranzüchteten. Andererseits hatte er seit seiner »Kindheit« auf Fantasy keinen Anlass zur Besorgnis mehr gegeben.

Im Gegenteil.

Ganz im Gegenteil.

Und dann war da noch die Sache in den Katakomben von Klatt, als er ihnen beiden das Leben gerettet hatte. Mehr als genug gewichtige Argumente, die dafür sprachen, seinem Wunsch zu entsprechen.

Schließlich obsiegte eine der stärksten Triebfedern eines jeden vernunftbegabten Wesens in der Galaxis – die Neugierde auf das Unerwartete, Unbekannte.

»Warum nicht«, sagte schließlich Icinu entschlossen. »Es hat keiner verboten. Wollen wir, Elaine?«

Elaine nickte mit einem winzigen Zögern. »Die Ausführung muss ich allerdings dir überlassen. Du weißt ja ...«

Seit Arons Erlebnissen in Aqua City und auf dem Erdmond war bekannt, dass für Menschen der direkte Kontakt mit dem Fragment aus phasenverschobener Quantenmaterie absolut tödlich war.

Nur Ramoner konnten es ohne Gefahr für Leib und Leben berühren.

»Wie soll es ablaufen?«, wandte sich Icinu an die KI.

Gandhis Abbild auf dem Schirm wurde für einen Augenblick unscharf, bis es sich wieder stabilisierte.

»Öffne einfach den Behälter«, kam seine Stimme, »und bringe das Quantenfragment herüber. Das genügt.«

Icinu ging hinüber zur Computereingabe des Postaments.

Ihre Finger glitten über die Tasten, gaben einen Kode ein; das Fesselfeld fiel zusammen. Sie öffnete den Behälter, hob die achtfingrige Hand heraus – nicht ohne Mühe, das Fragment wog einiges – und kehrte damit zur Konsole zurück.

Elaine schauderte leicht und fühlte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufrichteten, als das Artefakt einer unbekannten Zivilisation in Icinus Händen zu leuchten begann.

Unmerklich zunächst.

Dann immer stärker.

Milliarden mikroskopisch kleine, kristallene Einschlüsse blitzten und funkelten, hauchten dem Gebilde scheinbar Leben ein. Es war, als würde das Universum selbst sich in dieser Hand manifestieren. Dann erhob sich dieses Mikro-Universum, schwebte über dem Fragment, begann zu rotieren, schneller und schneller, verließ das Quantenfragment in Richtung Monitor – und verschmolz mit ihm.

»Ahh ... ich sehe!«, rief die KI mit einer derart entrückten Stimme, dass die beiden Frauen urplötzlich von einer nicht näher zu beschreibenden Furcht gepackt wurden.

»Du siehst was?«

Keine Antwort.

Stattdessen begann sich die Gandhi-Erscheinung auf dem Monitor aufzulösen.

Nicht von einem Augenblick zu anderen.

Langsam und zögernd, wie bei einer Überblendung.

Icinu fuhr herum, suchte Elaines Blick. Es war falsch, was wir gemacht haben!, sagte dieser Blick.

Die Stimme der KI wurde leiser, verlor sich in der Tiefe seines virtuellen Universums. Ein letztes, schwaches Echo wehte aus seiner Welt herüber in die Elaines und Icinus.

»Ahh ... dieses Licht, diese Farben ...«

Plötzlich war der Bildschirm leer.

Die Ramonerin blinzelte überrascht und sagte: »Verrückt! Wo ist er hin?«

Elaine hob die Schultern. Sie hatte längst die Initiative ergriffen und eine Reihe von Suchprogrammen gestartet, die die KI in den Datenbanken der Großrechenanlage aufspüren sollten. Die Ergebnisse waren allesamt negativ. Schließlich bekannte sie fatalistisch: »Wir haben ihn verloren! Eindeutig.«

Icinu legte das nun wieder inaktive Fragment zurück an seinen Platz. Während sie nachdrücklich den Deckel schloss, gestand sie enttäuscht und auch eine Spur schuldbewusst: »Ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht. Wir hätten seinem Wunsch nicht Folge leisten sollen.«

Elaine machte eine unbestimmte Bewegung. »Er bestand darauf. C’est la vie!«

»Wir werden Peter und Aron informieren müssen.«

Elaine nickte bedrückt. »Tun wir es ... aber später. Wenn wir genau wissen, was mit Abrahamson passiert ist.«

Sie hatte das sichere Gefühl, dass Peter und Aron von der Entwicklung nicht begeistert sein würden.