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In den Büchern zur Heillosen Kultur wird nach Erklärungen für millionenfaches Leid, das sich in unterschiedlichen Auswirkungen in Natur und Mensch präsentiert, geforscht. Medien- und Pressemitteilungen bilden den Ausgangspunkt einer Dokumentation von Lebensrealitäten von 2005 bis 2010. Mitteilungen und Geschehnisse, politische und wirtschaftliche Entscheidungen oder auch die Umsetzung neuer Gesetze, die massive Lebensveränderungen für Millionen von Menschen bedeuten, werden in Beziehung gesetzt zu den vier Konstanten in unserer Kultur. Beleuchtet werden die Auswirkungen des folgenden kulturellen Quartetts auf den Menschen 1. aus der Ökonomie, 2. durch die Bevorzugung des männlichen Geschlechts, 3. bezüglich des cartesianischen Wissenschaftsparadigmas und 4. in der Verleugnung von Seele und Psyche jedes einzelnen Menschen, die dazu führt, dass unsere emotionale und damit auch unsere existenzielle Vergangenheit nur bruchstückhaft individuell und gesellschaftlich aufgearbeitet ist. Diese letzte Konstante führte in der Vergangenheit und führt gleichfalls in der Gegenwart dazu, dass der psychischen Verarbeitung von traumatischen Ereignissen (z.B. Krieg) und politischen Veränderungen in Menschen kaum Bedeutung beigemessenen wurde und wird: Menschen haben mit dem fertig zu werden, was von ihnen verlangt wird. Summa summarum zeigt sich als bedeutsame und gravierende Erklärung für millionenfaches Leid die Vernachlässigung einer Werthaltung für das menschliche Wesen. In unserer Kultur wird nur und einzig und allein einem Wert unter allen Umständen zugesprochen: Kapital und Geld. Aktuelle Auswirkungen finden in den Büchern anhand von Presse und Medienmitteilungen Darstellung. Der Mensch wird neben dieser ultimativen und ausschließlichen Alleinstellung von Kapital und Geld bedeutungslos: Er wird selbst kapitalisiert. Er ist Material. Psyche und Seele haben zu schweigen. Es wurden u.a. neue Begriffe, wie z.B.
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Seitenzahl: 988
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Bücher
In den Büchern zur Heillosen Kultur wird nach Erklärungen für millionenfaches Leid, das sich in unterschiedlichen Auswirkungen in Natur und Mensch präsentiert, geforscht.
Medien- und Pressemitteilungen bilden den Ausgangspunkt einer Dokumentation von Lebensrealitäten von 2005 bis 2010. Mitteilungen und Geschehnisse, politische und wirtschaftliche Entscheidungen oder auch die Umsetzung neuer Gesetze, die massive Lebensveränderungen für Millionen von Menschen bedeuten, werden in Beziehung gesetzt zu den vier Konstanten in unserer Kultur.
Beleuchtet werden die Auswirkungen des folgenden kulturellen Quartetts auf den Menschen 1. aus der Ökonomie, 2. durch die Bevorzugung des männlichen Geschlechts, 3. bezüglich des cartesianischen Wissenschaftsparadigmas und 4. in der Verleugnung von Seele und Psyche jedes einzelnen Menschen, die dazu führt, dass unsere emotionale und damit auch unsere existenzielle Vergangenheit nur bruchstückhaft individuell und gesellschaftlich aufgearbeitet ist. Diese letzte Konstante führte in der Vergangenheit und führt gleichfalls in der Gegenwart dazu, dass der psychischen Verarbeitung von traumatischen Ereignissen (z.B. Krieg) und politischen Veränderungen in Menschen kaum Bedeutung beigemessenen wurde und wird: Menschen haben mit dem fertig zu werden, was von ihnen verlangt wird.
Summa summarum zeigt sich als bedeutsame und gravierende Erklärung für millionenfaches Leid die Vernachlässigung einer Werthaltung für das menschliche Wesen. In unserer Kultur wird nur und einzig und allein einem Wert unter allen Umständen zugesprochen: Kapital und Geld. Aktuelle Auswirkungen finden in den Büchern anhand von Presse und Medienmitteilungen Darstellung.
Der Mensch wird neben dieser ultimativen und ausschließlichen Alleinstellung von Kapital und Geld bedeutungslos: Er wird selbst kapitalisiert. Er ist Material. Psyche und Seele haben zu schweigen. Es wurden u.a. neue Begriffe, wie z.B. Psychoökonomie, von der Autorin aus der Reflexion des Materials heraus geschaffen.
Die drei Bücher zu Band 1 wurden mit „Selbstwert statt Mehrwert“ getitelt, um von vornherein auf die notwendige Richtigstellung unserer Werteordnung hinzuweisen. Weiter tragen alle Bücher den generellen Untertitel Nachtrag zum Jahr der Geisteswissenschaften 2007, weil das Thema der Bevorzugung der Naturwissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften in Deutschland nicht deutlich genug aufgegriffen wird. Eine Parallele findet diese Bevorzugung in der Vorrangstellung der Männer gegenüber Frauen.
Die vier kulturellen Konstanten finden Sie unterschiedlich gewichtet in jedem Buch, wobei in Band 1 die fehlende Vergangenheitsbewältigung, in Band 1.1 unsere kulturellen Wurzeln, wie sie durch Nietzsche und Marx bezüglich des Selbstwertes von Menschen vorliegen, neu belebt in Erinnerung gerufen werden, in Band 1.2 die Ökonomie und das Geschlechterverhältnis von Mann und Frau in Bezug auf unsere gültige Werteordnung betrachtet wird, in Band 2 gezeigt wird, wie die Seele per Ökonomie und Berufsinhalte im Gesundheitswesen ausgetrieben und in Band 3 die Vernichtung von Heilung per Ökonomie im Gesundheitswesen abgewickelt wird.
Buch-Band 1.2:
Autorin
Dipl-Psych. Dr. phil. Monika Eichenauer arbeitet erfolgreich als Psychologische Psychotherapeutin in ihrer Praxis in Dortmund. Viele Jahre war sie als Regionalgruppenleiterin des BDP tätig und initiierte 2010 die Ärzte der Kultur und gründete das Institut für medizinisches Heilungsmanagement.
Monika Eichenauer
SELBSTWERT STATT MEHRWERT
Ärzte der Kultur statt Manager in der Kultur
Plädoyer einer Psychologischen Psychotherapeutin für das menschliche Wesen und seinen Selbstwert.
Die heillose Kultur Band 1.2
Lebenswirklichkeiten in Deutschland von 2005 bis 2010
Nachtrag zum Jahr der Geisteswissenschaften 2007
Imprint
Die heillose Kultur - Band 1.2
Selbstwert statt Mehrwert
Ärzte der Kultur statt Manager in der Kultur
- Monika Eichenauer -
Copyright Monika Eichenauer, Dortmund 2011
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Layout, Satz, Formatierung - Michael Schulte, [email protected]
Foto: Neuseeland, von Ulla Kallert
Buchcover: Gestaltung Monika Eichenauer und Ulla Kallert
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin,www.epubli.de
Printed in Germany
ISBN 978-3-8442-1773-5
Mircea Eliade: Die Schöpfungsmythen.
Tafel VI: Der Mensch
„Als Marduk das Wort der Götter hörte,
Beschloß er, ein großes Werk zu schaffen.
Er ergriff das Wort und sprach mit Ea,
Um seine Meinung zu erfahren über den Plan,
den er ersonnen hatte:
‚Ein Gewebe von Blut will ich machen, Gebein will ich bilden,
Um ein Wesen entstehen zu lassen: Mensch sei sein Name.
Erschaffen will ich ein Wesen, den Menschen.
Ihm auferlegt sei der Dienst der Götter zu ihrer Erleichterung.
Weiter will ich die Wege der Götter gestalten,
(doch) in zwei Gruppen geteilt.
Es antwortet ihm Ea, indem er zu ihm das Wort sprach;
Zur Erleichterung der Götter, teilte er ihm seinen Plan mit:
‚Einer von ihren Brüdern soll ausgeliefert werden.
Dieser soll sterben, damit die Menschheit entsteht.
Die großen Götter aber, versammelt, (sollen entscheiden),
Ob ein Schuldiger ausgeliefert werden muß,
damit sie bestehen bleiben.’
Marduk versammelt die großen Götter,
Seinen Worten schenken die Götter Aufmerksamkeit.
Zu den Anunnaki spricht der König das Wort.
War euer erstes Bekenntnis wahrhaftig,
So sagt mir die Wahrheit und schwört.
Wer ist es, der den Krieg erregt,
Tiamat zur Revolte aufgereizt, den Kampf begonnen hat?
Wenn der am Kriege Schuldige mir ausgeliefert wird,
Will ich ihm seine Strafe auferlegen
ihr aber sollt in Frieden bleiben.’
Da antworteten ihm die Igigi, die großen Götter,
Ihm, Lugaldimmerankia, dem Berater der Götter, ihrem Herrn:
Kingu war’s, der den Krieg erregt,
Tiamat zur Revolte aufgereizt, den Kampf begonnen hat.’
Als sie ihn gebunden hatten, brachten sie ihn vor Ea.
Sie ließen ihn seine Strafe erleiden,
seine Adern durchschnitten sie.
Aus seinem Blute schuf er die Menschheit.
Er schrieb ihr den Dienst der Götter vor,
um diese (davon) zu befreien.
Nachdem Ea, der Weise, die Menschheit erschaffen,
Ihr den Dienst der Götter auferlegt hatte,
-Ein Werk war es, nicht auszudenken,
Von Nudimmud vollbracht dank Marduks Ränken –
Teilte Marduk, der König der Götter, in zwei Gruppen
Die Gesamtheit der Anunnaki, oben und unten.
Und er trug Anu auf, über (die Ausführung) seiner Befehle zu
wachen. Dreihundert Götter stellte er als Wächter in den Himmel,
Dann grenzte er die Wege der Erde ab.
Einführung
...braucht er Heilung...
Der öffentliche Diskurs bewegt sich brav im Fahrwasser der Symptome, nicht der Ursachen. Ursachenforschung oder wie es in meinem Fachbereich heißt, Ätiologie, gilt als Hoheitsgebiet der Weisen – niemand versteigt sich so schnell freiwillig auf diese wissenschaftlichen Gipfel, will er sich nicht Angriffen und Gegenbeispielen aussetzen.
Die Ätiologie bezüglich Kapitalismus ist hingegen seit Karl Marx bekannt. Er zeigte auf, wie Mehrwert produziert wird und was die hierfür notwendige Spaltung im Menschen bewirkt: Entfremdung. Diese Ätiologie der Mehrwerterschaffung ist heilig. Sie wird geschützt. Die Folge, Entfremdung, lief als spekulative Ansichtssache, die nicht ins Ressort dieser Wirtschaftsform, sondern in durch Wissenschaft begründete Bereiche fällt, nebenher. Menschen sagten: „Uns geht es gut und arbeiten muss jeder!“ Wissenschaftliche Ergebnisse aus Arbeit, Kultur und Folgen für den Menschen blieben auf der Symptomebene. Zusammenhänge zur Art und Weise, wie, wo und mit welchen Mitteln gearbeitet und produziert wurde, wurden nicht hergestellt. Entfremdung wurde ins Reich des Glaubens verschoben oder einer linken und verpönten Ideologie angehangen. Das wiederum war ein Fehler.
Denn Entfremdung ist keine Interpretation, sondern belegbares Faktum, das sich in Körper, Psyche und Seele in vielerlei Symptomen niederschlägt. „Körper“ wird nach cartesianischer Einteilung der Materie zugeordnet. „Psyche und Seele“ wurden in der Medizin in eine besondere Abteilung, die der Psychopathologie und damit dem Fachbereich der Psychiatrie und später zusätzlich dem der Psychotherapie und heute der psychologischen und medizinischen Psychotherapie, zugeordnet. Die Kluft zwischen einerseits Körper und andererseits Seele wurde mittels eines schmalen Bandes, der Psychosomatik, bis heute überbrückt.
Dieser Ansatz reicht nicht aus, um die tatsächliche Tiefe der Verwobenheit und Bezogenheit zwischen Körper, und hier mit allem, was dazu gehört, und Psyche, mit allen Funktionen von sinnlicher Wahrnehmung, über Realitätsbezug bis Widerstandsbildung als Schutz- und Abwehrmaßnahme, um die Seele zu sichern, zu erklären:
Der Schutz und der Erhalt der Seele hat oberste Priorität im Menschen. Wird die Seele angegriffen, läuft innerlich eine hierarchisch geordnete Reihe von Maßnahmen ab, die ihre Unversehrtheit sicherstellen soll. Diese hierarchisch geordnete Reihe von Maßnahmen ist jeweils unterschiedlich gewichtet, je nachdem welcher Art von Bedrohung ein Mensch ausgesetzt ist. Versagt die erste Stufe von Maßnahmen zur Bewältigung des Ereignisses„Anmache auf der Straße“, zu der Verhalten aufgezählt werden könnte, wie zum Beispiel 1.Ignorieren der „Anmache“,das heißt, Vorgang und Täter wird keine Bedeutung beigemessen, geht es weiter zur nächsten Stufe: 2.Verbale Abwehr.Der Täter lässt nicht locker, man setzt sich verbal zur Wehr. Dann reihen sich im ungünstigen Falle die nächsten Stufen des Abwehr aneinander: 3. Flucht oder körperliche Gegenwehr, wenn der Täter körperlich angreift. Wird das Opfer festgehalten, kann also nicht fliehen, setzt die nächste Stufe ein: 4. Verbale oder körperliche (einfache) Manipulation. Dies kann Überzeugungsarbeit sein, damit der Täter vom Vorhaben ablässt. 5. Hilft diese nicht, dann folgt eventuell Verführung, Bitten und Flehen. Wenn diese Maßnahmen auch nicht gelingen, folgt zum Beispiel 6. die Identifikation mit dem Angreifer (Stockholm-Syndrom). Die Psyche fängt an, feindliche Merkmale des Angreifers umzudeuten in gute und wohlwollende Merkmale. Wenn das auch nicht gelingt, kann 7. Isolation der Gefühle eintreten. Das Opfer fühlt nichts mehr, handelt wie unter Schock automatisch (Abspaltung der Gefühle). Ist ein Ereignis zu groß und mächtig, fühlt das Opfer Ohnmacht. Es hat dem Ereignis nichts entgegenzusetzen.
Die Abwehrmöglichkeiten wurden überrannt. Es bleibt nur noch rigorose Verbarrikadierung als Schutzmaßnahme übrig. Dieser 9. Vorgang wird als Traumatisierung bezeichnet. Der Mensch hat den Zugang zu seinen Gefühlen im Zuge des Eintretens des Ereignisses verloren. Eine Hülle des menschlichen Wesens bleibt übrig. In unterschiedlichem Ausmaß können noch normale Funktionen des Alltags ausgeführt werden. Das Leben des Menschen hat sich grundlegend verändert. Er fühlt sich wie abgestorben. Er hat den Sinn im Leben verloren – den, den es für ihn einmal hatte.
Zuwenig beachtet – und das liegt an der Spaltung durch das cartesianische Paradigma, wie es Denken und Fachbereiche einteilt und damit die Sicht auf den Menschen beeinflusst(e) – ist die Reaktion der Verschiebung von seelischen Inhalten, die die Psyche nicht verarbeiten kann und die dann als Symptome oder Relikte des nicht verarbeiteten Ereignisses im Körper landen. Diese Symptome bezeugen die Verletzung der Seele und der Körper bildet die letzte Möglichkeit des adäquaten Ausdrucks dessen ab, was dem Menschen passiert ist. Der Körper ist hier als Projektionsfläche für die Seele und ihrer Verletzungen zu verstehen. Der Körper ist in dieser Betrachtung wie ein offenes Buch der Seele für diejenigen, die gelernt haben, sie zu lesen. Dieses Verständnis ist durch das cartesianische Paradigma weder gewünscht noch abgedeckt: es unterliegt seinem Tabu bzw. der Forderung nach Trennung von Körper und Seele.
Das dem cartesianischen Paradigma inhärente Tabu, sieh den Menschen nicht als Einheit,trennt Menschen in sich durch Einteilungen in Fachbereiche wie Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie. Paradigmatisch und gesetzlich haben die Mediziner nichts mit Psyche und Seele zu schaffen und die Psychologischen Psychotherapeuten (eigentlich) nichts mit dem Körper. Damit fällt das menschliche Wesen als schützenswertes Gut zwischen Medizin und Psychotherapie in den Brunnen. Psychosomatik als wissenschaftlicher Erklärungsansatz und Verbindungsstück, das Körper und Seele trachtet, miteinander in Verbindung stehend zu begreifen, ist ein Notbehelf.
Der Mechanismus der Spaltung als cartesianische Grundlage der Mehrwerterschaffung trennt den Menschen in der Gesamtheit seines menschlichen Wesens von seinen besonderen Fähigkeiten, die auf dem anonymen kapitalistischen Markt angeboten werden können und einen Käufer (einen Unternehmer) finden oder aber nicht. In dem Falle, dass die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Anbieter keinen Interessenten finden, muss er sich anpassen und ständig neue Fähigkeiten oder Fertigkeiten erwerben oder im Anbieten von seinem ursprünglichen Angebotsniveau herabsteigen und niedrigere Fähigkeiten anbieten. Letzteres ist in der Gegenwart der Fall. Wie es dem Menschen dabei psychisch und seelisch ergeht, ist nicht von Interesse. Denn dieses Interesse ist durch das cartesianische Paradigma vom Körper (von Materie) getrennt zu halten. Für Psyche und Seele war und ist Kirche und später Psychotherapie zuständig. Soweit die damalige zeitgenössische Not Descartes, sein eigenes Leben mittels Trennung der Seele vom Körper retten zu wollen, rational nachvollziehbar ist, gelten die damaligen Gründe, Körper und Seele getrennt zu halten, heute nicht mehr. Aber die Realität, sprich gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten, wie, der Körper gehört der Medizin, der Mehrwert gehört den Kapitalisten, ist so geblieben wie jegliche anderweitige folgenschwere Trennung. Das Tabu, Ätiologie und Grundlagen nicht anrühren zu dürfen, hängt heutzutage weniger mit den Gründen, wie sie in den ursprünglichen Zeiten als Grundlage für Entscheidungen und Theorienbildung gestaltet wurde, zusammen, sondern vielmehr mit der Macht, die sich im Laufe der Jahrhunderte mit dieser Spaltung von Materie und Geist/Seele aufbaute und heute unsere Welt bestimmt. Das cartesianische Menschenbild, dem eine Teilung des Menschen in Geist und Körper,res cogitansundres extensazugrunde liegt, ist bis heute erhalten. Es hält Kapitalismus und Medizin im alten Denken und den Folgen für das menschliche Wesen aufrecht und verhindert eine klare und neue Ordnung der Werte für das menschliche Wesen und dessen Natur. Die Folgen der cartesianischen und kapitalistischen Spaltung bedeuten Macht, Geld, Gesundheit und Wohlergehen für wenige. Für die Vielen bedeuten sie Ohnmacht oder Abhängigkeit, demgemäß kaum Geld und Lebensnotwendiges und minimale Gesundheit (oder Gesundheitsversorgung) und soziales Schlechtergehen oder: „Es geht gerade so. Man kommt durch.“ Aber die Menschen kommen immer schlechter durch das in dieser Form von seiner Basis her gestaltete Leben.
Heute ist die Welt glasklar aufgeteilt in Oben und Unten. Werwooben oder unten auf welcher Seite steht, bestimmt das Geld oder das Kapital auf dem Konto. Im Herbst 2008 sind Konten so ziemlich das Unsicherste, auf das Menschen aufbauen könnten. Die Welt ist voll vom Doppelten, das durch Spaltung garantiert ist. Natur, menschliches Wesen und Leben sind egal geworden: Hauptsache der Profit stimmt. Der ist jedoch auch auf Grund der Börsen- und Finanzweltentwicklung prognostisch in Zweifel gezogen.
Aus der Natur wird aktuell berichtet, dass ein Drittel der Pflanzen und Tiere gefährdet sind: „Mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sind weltweit vom Aussterben bedroht. (...) Über 16.900 der untersuchten Arten sind in Gefahr, 1300 mehr als vor einem Jahr. Insgesamt wurden 44.800 Tier- und Pflanzenarten bewertet. Auch die Säugetiere seien von einer „Artenkrise“ betroffen. Von den rund 4.500 untersuchten Säugetierarten sind 1.140 bedroht – das sind rund ein Viertel.“ (Ruhr Nachrichten 7.10.2008) Diese Zahlen und Fakten sind als Ergebnis kapitalistischen Denkens und Handelns zu verstehen, das ausschließlich am eigenen Interesse, dem Profit, geeicht ist. Alles andere ist egal und wird ignoriert. Grenzen werden aller Orts überschritten, Schädliches weiter praktiziert.
Es isterfreulich, so traurig das oben bezüglich Tiere und Pflanzen Mitgeteilte auch sein mag,dass diese Fakten überhaupt mitgeteilt werden.
Ich persönlich kenne keine vergleichbare Aussage, die in Bezug auf das menschliche Wesen diesbezüglich getroffen wäre.
Man meint offenbar, soweit Menschen nicht mausetot umfallen, könnten sie immer weiter Belastungen ertragen und aushalten. Es gibt keine statistischen Angaben darüber, wie viel „Prozent“ von der Seele eines Menschen bereits abgestorben sind. Es gibt keine Möglichkeit dies zu messen. Das einzige, worauf wir uns beziehen können, sind steigende Zahlen psychischer und körperlicher Erkrankungen.
Psyche und Seele werden immer noch nicht, trotz steigenden Erkrankungszahlen, die Bedeutung beigemessen, die sie in nuce für den einzelnen Menschen und für die Kultur in Bezug auf Gesundheit oder gesunde Entwicklung einnehmen müssten.
Zusätzlich werden Erkrankungen ursächlich dem einzelnen Menschen zugeordnet, von dem gesagt wird, dass er nicht in der Lage ist, die entsprechenden Anpassungsleistungen an veränderte gesellschaftliche und damit wirtschaftliche Bedingungen zu erbringen. Der einzelne Mensch muss sich sputen.
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Einflüsse spielen hier lediglich auf sekundärer oder tertiärer Ebene eine Rolle in der Interpretation von Erkrankungen. Der einzelne Mensch hat kaum Zugriff auf gesellschaftliche Ebenen, um Änderungen herbeizuführen, die Erkrankungen reduzieren. Kann er sich nicht anpassen, hat er Pech gehabt und wird von einem andren Menschen im Berufsleben ersetzt. Die Wirtschaft funktioniert trotz psychischer und körperlicher Erkrankungen weiter. Im Gegenteil dienen Erkrankungen von Menschen nun für Wirtschaft und Gesellschaft noch der Reduktion von schlechtem Gewissen, so viele Menschen aus Profitgründen entlassen zu „müssen“, um den Standort zu wechseln. Zusätzlich hatte die Wirtschaft eine Legitimation, Menschen zu entlassen, die nicht mehr voll leistungsfähig waren. Beschleunigend und Kosten sparend wirkten Mobbingmethoden als Motor für Erkrankungen der Beschäftigten und erfreuten sich großer Beliebtheit in der Wirtschaft. Abhängig arbeitende Menschen kündigten von sich aus oder fanden sich mit Geld mindernden Leistungsabstufungen aufgrund von Mobbingfolgen ab. Wurden sie nicht krank, hatten sie die Wahl, sich entweder freiwillig auf eine Fähigkeiten abwertende Berufsstufe zu begeben oder zu kündigen.
Auf der nächsten Stufe wurden Menschen aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten der Profitsteigerung im internationalen Wirtschaftsleben einfach massenhaft entlassen. Menschen hatten gelernt, sich abwerten und ausbooten zu lassen. Sie hatten gesehen, dass keine Erkrankung, kein soziales Leid und keine Folge groß genug war, um eine Wende in der Sichtweise auf Menschen und wirtschaftliche Grundlagen zu bewirken.
Diese Orientierung bezüglich des menschlichen Wesens ist eine logische Folgerung aus dem cartesianischen Paradigma, praktischer kapitalistischer Gier und politischer Parteilichkeit.
Hätte Descartes gewusst, wohin sein Konstrukt in der gesellschaftlichen Realität, in der Vergangenheit und heutzutage, führen würde, wäre er vermutlich freiwillig als Opferlamm auf den Scheiterhaufen gegangen. Er hätte verhindern wollen, dass das menschliche Wesen derart entstellt würde, wie es heutzutage aufzeigbar und nachweisbar in der Gesellschaft ist.
Der Kapitalismus hat sich folgerichtig in das ungewisse Fahrwasser der Spaltung gesetzt, von dem man nicht weiß, wo hinein es mündet. Folgerichtig deshalb, weil dieses Handeln Profit garantierte. Zusätzlich war und ist abgesichert, dass man ihm Moral und Ethik wissenschaftlich nicht unter die Nase reiben konnte, weil Kapitalismus laut Paradigma damit nichts zu tun hat: Wirtschaft hat mit menschlichen Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft, aber nicht mit dem menschlichen Wesen und einer dazugehörigen Moral und Ethik zu tun. So ist es bis heute geblieben. Dieses Tabu hält alles Kapital zusammen. Das Tabu lautet: Führe nicht zusammen, was einmal Einheit war und getrennt wurde. Jeder Mensch ist aufgefordert, alles dafür zu tun, damit es auch so bleibt. Bleibt es so, ist die Prognose für Mensch, Natur und Tier bezüglich des Überlebens äußerst schlecht. Diese Aussage spiegelt nicht meine Meinung, sondern Fakten wieder, die in diesem vorliegenden Band aufgeführt werden. Aus ihnen werden Gedanken im Sinne des Erhaltes des menschlichen Wesens abgeleitet. Zu diesem Punkt wäre der Bundespräsident Köhler aus seiner Weihnachtsansprache 2008, in der er sich in seinem Schlusssatz auf Bibelworte bezog, zu zitieren:„Fürchtet Euch nicht!“
Dieses Zitat sollte wohl die Menschen Unten ermuntern; es ist ebenso und in gleichem Ausmaß für Oben hörbar und verstehbar. Soweit sich dieser Appell insbesondere auf die wirtschaftliche Seite des Lebens bezieht, möchte ich anregen, ihn auch als Grundlage für eine Reflexion des menschlichen Wesens, für die Seele, zu verstehen, so, wie es von Jesus Christus für den Glauben an Gott in der Bibel gesagt wird:
„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann. Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von oben zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen. Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.“
(Evangelium nach Matthäus 10, 28 - 33)
Diesem Evangelium ist zu entnehmen, dass Menschen in der Welt als wertvoll gelten: selbst ihre Haare sind gezählt und sie sind mehr wert als viele Spatzen! Die Seele ist nicht zu töten, nicht zu zerstören, aber der Leib und mit ihm die Bemühungen der Psyche mit weltlichen Problemen, Sorgen und Nöten in der Auseinandersetzung mit heutigen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen fertig zu werden. Dabei ist nicht der Mensch das Problem, sondern die Art und Weise des Verständnisses von Wirtschaft. Der Mensch hat in der heutigen Welt in sich die Aufgabe, eine Balance zwischen seinen seelischen Bedürfnissen und den Anforderungen, die die Welt (und hier insbesondere die Wirtschaft und Politik) an ihn stellt, herzustellen. Mittels seiner Psyche hat er in sich Einklang herzustellen. Werden die Seele und ihre Anliegen verleugnet, werden Menschen oftmals krank. Sie erleben dann die Hölle auf Erden, wie es mit Bibelworten heißt. Die Höllen sind individuell äußerlich verschieden, aber auf der Gefühlsebene weisen sie Ähnlichkeiten auf. Vor allen Dingen ist sie mit einem allgemeinen Gefühl der Unerträglichkeit von Qual und Schmerz zu beschreiben. Das Leben selbst wirdunerträglich.
Nun ist nicht der falsche Schluss zu ziehen, dass jeder Mensch ausschließlich selbst und allein für seine Seele zuständig ist und sich nur vor Gott oder zu seiner Seele bekennen muss und dann wird alles gut. Nein, der Mensch muss sich vor dem Menschen zu Gott und/oder zu seiner Seele bekennen. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Seele an der Spitze der Werteordnung in der Welt und im Menschen zu stehen hat, um dem menschlichen Wesen Bestätigung und Respekt zu zollen. So wie Gott durch einen Gott Liebenden lebt, indem der Mensch sich vor anderen Menschen zu ihm bekennt, so lebt die Seele durch einen Menschen, der die Seele des anderen Menschen fühlt und bestätigt. Dabei spielt die religiöse Ausrichtung, also in welchem Namen im jeweiligen Falle sich der Mensch zu Gott bekennt nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist, dass er es tut. „Das Herz aller Religionen ist eins“ sagt der Dalai Lama in seinem gleich lautend titulierten Buch und führt es aus.
Es kann nicht angehen, dass Menschen, die an Gott glauben, in ein Eckchen Zeit und Raum und Gotteshaus zu bestimmten Feiertagen verwiesen werden, um ihren Glauben lebendig ausdrücken zu können. Diese Realität ist weltliche Politik, aber nicht Ausdruck des Glaubens. In dem Evangelium von Matthäus heißt es, wer sich zu Jesus bekennt, zu dem bekennt sich Jesus auch vor seinem Vater. Oder an anderer Stelle heißt es, wenn zwei sich in meinem Namen treffen, dann ist Gott gegenwärtig.
Hier im vorliegenden Buch geht nun an dieser Stelle nicht um einen Gottesbeweis oder um eine Bekehrung zu einem religiösen System. Es geht ausschließlich darum, dem nicht zu zerstörenden Teil des menschlichen Wesens, der Seele, den Platz zuzuweisen, der ihr in der Gemeinschaft oder einem Land von Menschen wie in ihm selbst gebührt. Dieser Platz ist das Herz in jedem Menschen und dieser Platz ist der Seele auch gesellschaftlich einzuräumen. Die Seele ist im Weltlichen und in der Wissenschaft anzuerkennen und es ist zu lernen, mit ihr und in ihrem Sinne zu leben - und nicht gegen sie. Es ist fast unnötig zu betonen, dass die Seele und nicht Geld und Kapital insbesondere im Gesundheitswesen zentral zu stehen hat.
Dafür ist sie von der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen wie die Berufsgruppen, die die Seele in ihrer täglichen Arbeit bestätigen, anzuerkennen. Ein neues Paradigma ist dementsprechend auszurichten, um auch wissenschaftlich zu bestätigen, was bereits in vielen Aussagen von Menschen durch Erfahrung vorgelegt wurde und wird. Der Mensch will immer Beweise, weil er Angst hat, wieder abgewertet zu werden für das, was er glaubt oder er selbst erfahren hat. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und als solches braucht er Partner auf dem Weg, die Seele als im Leben wesentliche Konstante wachsen zu lassen. Der Motor der Seele ist das Bedürfnis nach Liebe, das den einen Menschen in Verbindung mit dem anderen Menschen sein und leben lässt.
Von vielen Reichen heißt es, dass sie gläubig seien. Warum sie dann nicht gerecht mit Ärmeren teilen, was sie an weltlichen Mitteln zum Leben erlangt haben, bleibt allerdings erklärungsbedürftig. Von vielen armen Menschen heißt es, dass sie das letzte Hemd mit einem andern Menschen teilen, noch irgendetwas aus den Ecken zaubern, dass das Herz eines anderen Menschen froh macht und erleichtert. Wenn die Seele in der Mitte des menschlichen Lebens in einer Gemeinschaft steht, dann kann eigentlich nichts mehr passieren und ein „Fürchtet Euch nicht“ in völlig neuem Licht erscheinen lassen.
Aber weder ist diese Sichtweise auf die Seele und damit das menschliche Wesen formuliert, noch die Frage, ob der Mensch bzw. das menschliche Wesen der Heilung bedarf, gestellt – auch nicht vom Bundespräsidenten. Seele und menschliches Wesen kommen in dem alten Denkschema, dass Kapital und Geld das wichtigste im Leben seien, gar nicht vor. Im Gegenteil wird mit dem Glauben und den Seelen von Menschen gespielt und an ihrer Irreführung verdient. Den nicht besitzenden Menschen wird in einer an Kapital orientierten Welt durch die Welt Oben vorgegeben, wo und wie sie zu leben haben, nämlich Unten. Es ist berechnetes Leben: Unten wird nur mit soviel Geld auszustatten, dass Waren gekauft werden können. Ein Leben lang, tagein und tagaus, müssen sie schuften, damit sie die Waren kaufen, an deren Verkauf Oben verdient wird. Zusätzlich weckt die Wirtschaft mittels Manipulation immer neue Bedürfnisse, zu deren Befriedigung wieder neue Produkte ersonnen werden. Die Wirtschaft wächst durch Mehrwerterschaffung, die sich grob gesprochen aus dem Verhältnis der Bezahlung der Arbeitskraft einerseits und den übrigen Produktionsbedingungen (Produktionsmittel, Technologie, Standort) ergibt. In Zeiten der Globalisierung werden weltweit die billigsten Arbeitskräfte und Standorte zur Maximierung von Gewinnen gesucht. Waren werden preiswert produziert und teuer, z.B. in Deutschland, verkauft. Die Renten sind wiederum ganz niedrig angesetzt und werden nun auch noch in Deutschland besteuert.
Wirtschaft und Politik sieht sich insofern 2009 vor eine mathematische Aufgabe gestellt: Wie viel Geld muss der einzelne Mensch zum Leben zur Verfügung haben, damit er nicht elendig zugrunde geht und gleichzeitig noch genügend zum Kauf der wirtschaftlichen Güter zur Verfügung hat. Die Seele wird durch diese einteilenden Menschen schamlos wie zum Spott durch Ignoranz dargeboten: „Nun könnt ihr mal beweisen, ob die Seele euch rettet. Glaubt nur schön weiter! Ab und zu wollen wir euch dann auch mal was spenden, wenn es gar zu arg wird für euch! Und damit ihr auch wirklich das Himmelreich auf Erden errichtet, werden wir euch noch das Letzte nehmen: Die Bedingungen, die die Seele braucht, um durch das Nadelöhr schon auf Erden zu gehen, stellen wir her. Wir haben so viel Misstrauen und Gemeinheit verbreitet und gesät, dass es wirklich eines Quantensprungs bedarf, um anderen Sinnes zu werden. Wenn euch das gelingt, dann werden auch wir glauben, dass es etwas gibt, das größer und mächtiger ist als Kapital und Geld!“
Zu Weihnachten 2008 war die Deutsche Bank empört über die Kritik des Bischofs bzw. der Kirche. In der Tageszeitung (Ruhr-Nachrichten 27.12.2008, Titelseite) hieß es: „Führende Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland haben zu Weihnachten angesichts der Finanzkrise materialistisches Denken und Profitgier scharf verurteilt.“ Die Deutsche Bank zeigte sich verärgert über die Kritik an ihrem Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann. Der Bischof Wolfgang Huber hatte in der Berliner Zeitung vom 24.12.2008 kritisiert: „In den aktuellen Zusammenhängen ist das Geld zum Gott geworden.“ Namentlich wurde Ackermann diesbezüglich genannt. Generell wurden Manager zu Bescheidenheit ermahnt. Es wäre erfreulich, dem Ärger der Deutschen Bank entnehmen zu können, sie hätte einen Sinneswandel in den letzten Tagen des Jahres 2008 durchlaufen, der die Position des Geldes in dieser Welt auf einen anderen als den gewohnten Platz zu verweisen vor hat und Gott und die Seele mit an die Spitze der Werteordnung in der Gesellschaft befördern wolle. Oder wie soll diese die Tatsachen und Einkommensverhältnisse verkehrende ärgerliche Stellungnahme der Deutschen Bank verstanden werden? Als Rechtfertigung bezüglich der Höhe des Managergehaltes von Josef Ackermann als eines von Gott gewollten Gehaltes? Bestätigt nicht im Gegenteil dieser geäußerteDeutsche-Bank-Ärgernoch die kritische Feststellung der Kirche? Ist er als ein letztes verkehrendes Platzhirschgebaren zu verstehen, was wiederum die Kritik der Kirche bestätigt? Eine intentional und generalisiert gemeinte Mahnung, die für alle Menschen gilt, zu schweigen? Sollen die Dinge nicht beim Namen genannt werden? Was steht denn als Wert über dem Geld? Wie und wo bekennt sich die Deutsche Bank zu Gott oder zur Seele? In dem sie diesbezüglich wenig demütig und unempfänglich für höhere Botschaften den Bischof kritisiert?EinBekenntnis der Deutschen Bank im Laufe der deutschen Geschichte ist bekannt und liegt von ihr selbst aufgearbeitet und publiziert vor. Aber von einem Bekenntnis zu Gott und Seele des Menschen durch die Deutsche Bank habe ich noch nichts gehört. Wem wäre hier ein „Fürchtet euch nicht!“ zu zurufen? Ackermann wird auch im August 2010 wieder zum Star-DAX-Chef, zu dem DAX-Manager, der am meisten verdient, ernannt. (Spiegel-Online in: wirtschaft.t-online.de, 7.8.2010).
Eingefügt sei, dass die Deutsche Bank trotz Bankdesaster 2009 und 2010 wieder enorme Zugewinne zu verzeichnen hatte: Ich glaube sagen zu können, dass dies mehr als ein Bekenntnis ist. Es ist Mehr-Wert.
Menschen fühlen zwar, dass so einiges in ihnen und in ihrem Leben nicht stimmt, aber sie wissen nicht, wo und wie sie den Hebel ansetzen können. Der Hebel wird bekannterweise von Oben für Unten angesetzt und da ist die Interessenslage eine andere, als diejenige, für die ich schreibe: Ich schreibe für alle menschlichen Wesen, also auch für diejenigen Oben. Aus meiner Betrachtungsebene mit Blick auf das menschliche Wesen spiegelt die Einteilung in Oben und Unten nur zwei Seiten derselben Medaille. Diese beiden Kategorien sind wirtschaftspolitisch vorgegeben und zunächst von mir als vorgegebene gesellschaftliche Verhältnisse aufzugreifen. Ich bemühe mich, ideologiefrei für das menschliche Wesen zu schreiben. Aber der Kapitalismus ist nicht ideologiefrei. Dafür kann ich nichts, sondern diejenigen, die sich mit ihm insofern prozentual identifizieren, um ihn zur Existenzsicherung des nackten Lebens oder überdurchschnittlicher Bereicherung zu benutzen.
Was dies für das menschliche Wesen in heutiger Zeit bedeutet, möchte ich hinsichtlich ausgewählter Ausschnitte in der Hoffnung beleuchten, dass sie einer Wertediskussion und Wertereflexion nützlich sein mögen. Die von mir entfaltete Sichtweise ist unabhängig von geltenden Macht- und Kapitalverhältnissen gewünscht, aber sie zeigt sie auf.Und man darf doch aufzeigen, was jedem auf die Füße fällt, was in Zeitungen, Medien und im eigenen Leben ablesbar ist – oder?
Folgedessen ist Moral und Ethik für ein menschliches Wesen die Quelle, aus der alles Folgende zusammengetragen wird. Auf diesem Weg entlang der Quelle versperren Tabus den Zugang zum menschlichen Wesen und entstellen es. Trennung bewirkt einen Körper hier und Geist und Seele da. Meine Bücher zur Heillosen Kultur sind im Sinne einer
Notoperation
zu verstehen, um das zerstückelte menschliche Wesen zumindest ansatzweise vor der Häckselmaschine des kapitalistischen Wettbewerbs zu retten und hervorlugen zu lassen. Statt es in Codes verstreut auf Datenbanken weiteren guten Ideen, wie man Geld und Kapital aus ihm schlagen und weiter zerpflücken kann, zuzuführen, in dem ich und andere Menschen schweigen.
Die Ursachen hätten viel früher benannt werden und die Behandlung hätte bereits viel früher einsetzen müssen. Nicht florierende und gewinnträchtig ersonnene Ganzheitlichkeit ist gefragt, sondern Heilung.
Anstelle handlicher „Halbtabuisierung“ oder analoger „Halbwahrheiten“ im Kapitalismus, a` la, „Wir üben ja schon Selbstkritik und kritisieren ja auch den Kapitalismus“, muss Auflösung dieser halbgaren Kapitalismusdebatte erfolgen. Pars pro toto Enttabuisierung aller möglichen Tabus anstelle des tatsächlich notwendig zu brechenden Tabus, nämlich, was das Wesen des Kapitalismus ist, hilft in der Gegenwart nicht mehr. Wird nicht offen gelegt, was geheim bleiben soll, werden Tabus ganz anderer Art gebrochen werden, die als spiegelbildlicher Prozess zum gleichen Ergebnis wie der Kern der Ideologie des Kapitalismus führen: Zerstörung durch Entartung des Menschen. Entsprechende Formen perverser Gewalt und Kommunikation in Leben und beruflichem Alltag sind bereits gelistet und tagtäglich mit Menschen schädigenden Folgen zu ergänzen. Terrorismus in vielen Formen ergänzt und rundet das Bild kapitalistischen Ordnungserhaltes ab. Dabei ist nicht nur derjenige als Terrorist zu verstehen, der Bomben wirft oder dies beabsichtigt und was kein Mensch will, sondern auch derjenige, der Regeln und Kontrollen ersinnt, die Intimität und generell Privatleben und/oder aus Gewinnstreben Millionen von Menschen Existenz und/oder Leben verunmöglicht.
Freiheit und Sicherheit werden auf diese Art und Weise aufgelöst. In so einer Ordnung kann das menschliche Wesen nur schwerlich das menschliche Wesen erkennen, weil Misstrauen und Verfolgungsgedanken erzeugt werden.
Es ist notwendig, Entwicklungen im Kapitalismus zu beleuchten und deren Folgen im Leben von Menschen aufzuzeigen, damit Menschen wissen, in welchen Regionen tatsächlich Veränderungen existenziell zum Erhalt des menschlichen Wesens notwendig sind: Es ist existenziell wichtig, zu wissen, wie der Kapitalismus seinen Kern in Fleisch, Blut, Zellen und Gene von Menschen übergehen lässt.
Anstelle von Halbdemokratie nach dem Motto „Sagen Sie Ihre Meinung“ und „Jeder darf seine Meinung sagen“, dann sagen wir Ihnen, wie wir das sehen, etwa„Verlassen Sie doch die Bühne oder das Studio oder legen Sie Ihren Job nieder“und„Sie sind ja höchst gefährlich, wenn Sie diese oder jene Meinung haben und müssen nun aber kontrolliert werden“muss Gespräch und Reflexion über eine ungespaltene Werteordnung stattfinden. Die Wende des Kapitalismus der letzten Jahre assoziiert ein „Ende“ des Kapitalismus, die falsche Vorstellungen etabliert, die einem angemessenen Prozess der Reflexion von Werten im Wege stehen. Kein Stirb- und Werdeprozess ist mit Halbwahrheiten und Halbtabus zu bestreiten:
Endlichkeit alter Vorstellungen, Strukturen und Inhalte
ist Endlichkeit und nicht das Gegenteil, nämlich Unendlichkeit.
Diese Umbenennungen und Verkehrungen mittels Kommunikation lieben Verteidiger des Kapitalismus und sind aufzudecken. Dafür braucht man Offenheit, die eine Öffnung für das menschliche Wesen schafft. Dafür muss aufgezeigt werden, was von was kommt und wie was im Menschen wirkt. Dafür braucht man unter anderem die Kleinarbeit derjenigen, die jeden Tag mit Menschen und ihren Nöten, Sorgen, Leid und Problemen wie Konflikten arbeiten und sich mit psychischen Reaktionen und seelischen Problemen und ihren Folgen auskennen: Psychotherapeuten.
Und auch Ärzte wissen aus ihrem Berufsfeld heraus, was Menschen in dieser Wirtschaftsform schadet. Alle Berufsgruppen, die mit Menschen arbeiten, wie Sozialarbeiter, Kindergärtnerinnen und Krankenschwestern und viele andere mehr, könnten mit ihrem Wissen ganze Bibliotheken füllen und aufzeigen, was Menschen schadet. Aber an diesem Wissen bestand bis jetzt kein gesellschaftliches Interesse. Das ändert sich gefühlt gerade. Wenn die Irrtümer des Kapitalismus entdeckt, verstanden und bereinigt sind, kann vielleicht eine Wirtschaft entstehen, die dem menschlichen Wesen Rechnung trägt. Dann kann es leben. Dann kann der Mensch durch seine Seele leben, dann kann er ein Seelenleben leben.
Auswirkungen fehlender Heilungsorientierung
Es ist eine andere Art von alltagstauglicher Weisheit gefragt, als die nachstehende:Man beschäftigt sich mit den Auswirkungen der als „unbekannt“ gemutmaßten Ursachen, die latent in Erwägung gezogen werden. Vielleicht entsteigt die Ursache dann eines schönen Tags eher zufällig aus den vielen, untersuchten Symptomen oder Symptommustern. Dann kann man weiterhin induktiv suchen, was die Ursache gewesen sein könnte, die nun ggf. gar nicht mehr da ist und nur noch schemenhaft und wiederum gemutmaßt in Betracht gezogen wird.Die Ätiologie bleibt dergestalt wie gewünscht im Nebel. An einigen Beispielen werden im Folgenden Symptome aus verschiedenen Bereichen unserer Kultur aufgezeigt, die als Indizien für eine Kultur ohne Heilungsziele zu verstehen sind, die, im günstigsten Fall, kurzfristig irritieren; langfristig und kontinuierlich angewandt, aber krank machen und letztendlich der Heilung als Gegenpol mit zerstörerischem Potenzial entgegen stehen:
Verleugnung von Verantwortung; Umkehrung von Schuldverhältnissen; Irreführung und permanentes Unterbrechen der Wahrnehmung (durch Werbung im Fernsehen; durch falsches Zitieren wie bei Eva Herman; durch Lücken in Gesetzen, die Wiedereinstieg in eine Schule oder ins Berufsleben verzögern oder verhindern, aber gesagt werden kann, man habe ja ein Gesetz, das bestimmte Dinge ermögliche; durch mangelnde Bekämpfung der Hintergründe und der Basis des Drogenverkaufs: Psychische Schäden durch Drogenmissbrauch haben sich in wenigen Jahren verdoppelt: 2003 waren es 2050 Minderjährige und 2007 bereits 4000! (Ruhr Nachrichten, 3.8.2009) Jugendliche werden hart bestraft, die Dealer nicht festgesetzt!!!
Unterbrechung der Wahrnehmung gilt in anderen Zusammenhängen als Foltermethode und erlangte bittere Bekanntheit; Zerstreuung der Wahrnehmung und gelenkte Fokussierung aufgrund notwendiger Veränderungen der Lebensstrukturen, ausgelöst von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen (z. B. Arbeitslosigkeit); Überforderung der Wahrnehmung durch Konkurrenz und Wettbewerb aufgrund ständiger Preisvergleiche und Umstellungen von Tarifen; Informationsüberflutung durch Medien, die ständig neue Technologien hervorbringen und im beruflichen Bereich zu Überforderungen führen und vor allen Dingen eines tun: Zeit fressen; ständige Erhöhungen von Strom und Ölpreisen; immer wieder Einführung neuer Steuern, die eigene Zukunftsplanungen hinfällig werden lassen; Zerreißen von Lebensstrukturen und Plänen für Kinder und Jugendliche aufgrund wirtschaftlicher Veränderungen bei den Eltern; Migrationsprobleme in den Schulen; Dauerstress ob der Ungewissheit hinsichtlich politischer wie wirtschaftlicher Entwicklungen; Naturkatastrophen mit unabsehbaren Folgen; Wirtschaftsskandale; Bankenskandale; politischer Druck durch ständige Kontrollen in allen Bereichen des Lebens; politische Unsicherheit bezüglich der Anti-Terror-Maßnahmen; Beschneidung der Bürgerrechte; politisch erzwungenes Vertrauen, obwohl man keines mehr hat; ständige gesetzliche Neuerungen, bis niemand mehr im Lande weiß, was eigentlich Gesetz ist; Verbreitung von Halbwahrheiten – auch in den Medien. Andererseits ist die Pressefreiheit bedroht.
Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland wird in jeder Hinsicht, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, in zig verschiedenen Situationen in Unsicherheit und Existenzängste hineinkatapultiert.
Die Aufzählung ließe sich problemlos fortsetzen. Zum Beispiel durch das beliebte Mobbing mittels alter (Tuscheln hinter dem Rücken, Ausgrenzen, Demütigen, Verletzen durch Abwertung etc.) und neuer Methoden wie Handy-Mobbing mittels Übersendung von Bildern der Betroffenen oder Bilder, die den Opfern in Schulen (oder auch anderswo) zugeschrieben werden.
Die Fragekultur der Behörden liegt unmittelbar neben der Sache wie dem seelisch zu Erleidenden der Opfer, die dann auch noch insistierend befragt werden, ob das zum Beispiel im Foto abgebildete weibliche Genital nicht doch von ihnen „in einer dunklen Ecke“ gemacht worden wäre.
Eine Kultur der Falschbeschuldigungen greift um sich, wie Dr. Ina Holznagel, Pressesprecherin der Dortmunder Staatsanwaltschaft, in der WR 3.11.2007 mitteilt: Zu unrecht Beschuldigte und echte Opfer. Für Mobbingopfer sei nun eine Fachdienststelle mit Experten und eine Opferschutzbeauftragte bestellt, die telefonisch zu erreichen ist. Ein ministerieller Runderlass regelt Weichenstellungen. (Vgl.: Petra Kappe, „Der schwere Weg zur Polizeiwache“. In: WR, 3.11.2007)
Festzuhalten bleibt zweierlei: Wenn es sich um Einzelfälle handelte, dann gäbe es erstens keine ministerielle Initiative. Und zweitens werden „Werteerziehung und Gewaltprävention“ dann zum Einsatz gebracht, wenn es bereits vielfältig und umfangreich Opfer gibt.
Folglich ist weiterhin Misstrauen vorprogrammiert. Erst werden statistisch belegte Zahlenkolonnen gesammelt und dann wirdetwas getan– meist aber nur halbherzig und nur für wenige, die enge Maschen der Gesetze für sich nutzen können. Es wird auch hier an den Schäden, an den Symptomen, angesetzt, aber nicht an den Ursachen!
Diese Entwicklungen sind seit Jahren aus dem wissenschaftlichen Material der entsprechenden Forschungen heraus-lesbar gewesen: Ob Fernsehgewohnheiten oder Fernsehinhalte, Verbreitung von Handys, Markenideologien oder sonstiges. Zusätzlich sorgen neue Technologien für Zusammenkünfte fern jeglicher menschlicher Begegnung via Internet mittels sozialer Netzwerke, Mail, Spam, Blogg, Twitter, SMS und zusätzlich Nachrichten jeglicher Art, die gezielt gesucht werden: Informiertheit schwemmt eine Formel in die Lebenszeit, die nicht selten kurzlebiges und schnell veraltertes Wissen in bare Münze der Repräsentanten oder deren Nutznießer umsetzt und/oder zusätzlich ein persönliches, aber abstraktes Gefühl der Wichtigkeit vermittelt.
Eines geht dabei unwiederbringlich verloren: Lebenszeit und Lebensenergie. Eine Beschäftigung mit neuen Technologien ist sicherlich spannend und unterliegt sicherlich bis zu einem gewissen Grad der Selbststeuerung, weicht aber in zahlreichen Fällen dennoch einem nicht weg zu diskutierendem Druck: dem gesellschaftlichen Gruppendruck, dabei zu sein.
Geert Lovink (FAZ) zitiert Berardi in seiner Aufsatzsammlung „Precarious Rhapsody“ (2009): „’Der Cyberspace ist theoretisch unendlich, die Cyberzeit ist es nicht. Als Cyberzeit bezeichne ich die Fähigkeit des bewussten Organismus, Informationen (aus dem Cyberspace) zu verarbeiten.’ Flexibilität in der Netzökonomie hat zu einer Fragmentierung der Arbeit geführt, zu befristeter Zeitarbeit. Uns allen ist diese Fragmentierung der Arbeitszeit bekannt. ‚Psychopathische Störungen’, schreibt Berardi, ‚treten heutzutage immer klarer als soziale Epidemie auf, genauer als soziokommunikative Epidemie. Wer überleben will, muss konkurrenzfähig sein, und wer konkurrenzfähig sein will, muss vernetzt sein, eine riesige und ständig wachsende Datenflut aufnehmen und verarbeiten.’“ (Geert Lovink in FAZ, 21. Juni 2010, Nr. 140, Seite 27)
Berardi, Psychoanalytiker, empfiehlt, wie Lovink im Artikel mitteilt, Mark Fishers Studie „Capialist Realism“ (2009), “in der beschrieben wird, was passiert, wenn die Postmoderne sich eingebürgert hat. Junge Menschen sehen, dass nichts mehr möglich ist. Sie spüren, dass die Gesellschaft auseinanderbricht und sich nichts ändert. Fisher bezeichnet diese Haltung als ‚reflexive Impotenz’. (...) Das Heranwachsen in einer alles beherrschenden Medienwelt verändert das Verhältnis zwischen Körper und Psyche.“ (FAZ, 21. Juni 2010, Nr. 140, S. 27)
Sprich, Gesellschaft und Mensch brechen auseinander. Weder findet die Gesellschaft, repräsentiert und geformt durch Politik, Ökonomie und auf übergeordneter Ebene durch wissenschaftlich fixiertem Paradigma, zum Menschen. Noch findet der Mensch zu sich selbst, noch findet er Zugang zur Gestaltung von Gesellschaft und Leben. Noch findet er Zugang zu seiner Seele und seine Psyche. Er hat zu manövrieren zwischen den unterschiedlichen technologischen und kulturellen Ebenen und dafür zu sorgen, dass er, der Mensch, nicht untergeht. Eine Paradoxie reiht sich an die nächste: Freiheit in festgelegten Strukturen, die weder Auswege, noch Zukunft eröffnen. Was nützt da die Wahl, die nur beschränkte Möglichkeiten eröffnet und einem Käfig gleicht?
Die Bürger haben gelernt, in einer Kultur zu leben, die maßgeblich durch vielfältig krankmachende Wettbewerbsprinzipen à la „Wo kein Kläger, da kein Richter“ geprägt ist – aber das „Wie sie damit leben“, zeigt in vielen Bereichen niederschmetternde, entwürdigende und krankmachende und in der Spitze, Leben und Lebensläufe zerstörende und bisweilen tödliche Konsequenzen.
Aber das ist ja, folgt man dem Grundaufbau der Politik in kapitalistischen Wettbewerbsgesellschaften, eine andere Sache: Man muss eben stark genug sein, muss sich was einfallen lassen und persönliche Abwehrstrukturen aufbauen bzw. jeder habe eine Wahl, was er tue oder lasse.
Der Bürger und Mensch ist selbst verantwortlich. Wenn Wettbewerbsmaßnahmen schief gehen, dann werden sie vielleicht 10, 15 oder 20 Jahre später politisch mit „Pflaster- und Alibipolitik“ oberflächlich an Symptomen orientiert wundversorgt – wenn es bereits viele Opfer und Geschädigte oder Tote gibt. Erst müssen Opfer gezählt werden – dann wird mit Bedacht, soll heißen, notdürftig gehandelt. Soll weiter heißen: Einige wenige werden gut versorgt, die meisten gehen leer aus, weil nicht genügend Gelder zur Verfügung gestellt werden.
Menschliche Gefühle, die bereits im Ansatz bei ersten Anzeichen und Opfern spüren, dass Schädliches sofort abgeschafft werden sollte, gelten in unserer Kultur nicht viel.
Weil an schädigenden Vorgängen, Produktionsprozessen und Produkten verdient wird. Politische Systeme in kapitalistischen Gesellschaften handeln einerseits nach dem Grundsatz „Versuch und Irrtum“ oder modern mit etwas anderen Worten à la Zabel ausgedrückt „Wenn’s geht“ und andererseits nach dem wissenschaftlichen Grundsatz, dass Schädigendes und Schädliches erst einmal stichhaltig bewiesen werden muss – bevor man einem Kapitalisten oder seinem Stellvertreter vom Gesetz her Einhalt im Profitdenken und Grenzen des (guten) Geschmacks oder des Lebens aufzeigt und gebietet.
Die kapitalistisch-systemischen Rechtfertigungen des „Weil es nicht anders geht“ sind Norm und Standard geworden: Einsparungen von Personal für die deutsch-gründliche Wettbewerbsfähigkeit lassen Verkäufer zu „Mädchen für alles“ werden (vgl. WR, 3.11.2007).
Weiter ist jeder Dritte „atypisch“ beschäftigt, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung mitteilt. Damit gemeint sind Menschen in Teilzeit- und Minijobs oder Leiharbeiter.
Im Klartext beinhaltet dies folgende Nachteile: Schlechte Bezahlung, prekäre Arbeitsbedingungen, selten Weiterbildung, höheres Risiko arbeitslos zu werden.
Der „Prekaritätslohn“, d. h., weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohns betraf 31 % der atypisch Beschäftigten in 2005: 9,95 Euro im Westen und 7,49 Euro im Osten.{1} (WR, 3.11.2007)
In der gleichen Samstagsausgabe der Tageszeitung wird in einer kleinen Notiz mitgeteilt, was das Handelsblatt in der Übergangswoche Oktober/November 2007 bereits verlautbaren ließ: „Gerücht: Fusion von Karstadt und Kaufhof“.
Käme es zu dieser Fusion, würden sich zwischen 350 und 400 Millionen Euro jährlich ergeben – natürlich werden diese Effizienzgewinne maßgeblich durch Personalreduktion und neue Organisationsstrukturen ermöglicht. „Für die beiden Wettbewerber böte sich damit eine bessere Chance im umkämpften deutschen Einzelhandelsmarkt.“
(WR, 3.11.2007)
Weil Farben und Bilder bisweilen mehr sagen, noch eine nach Kuchenteilen aufgebaute Statistik, die in diesen Zusammenhängen zeigt, wie sehr Menschen sich anpassen, ihren eigentlichen Beruf zwangsweise aufgeben, um die Gewinne von Oben zu sichern und durch Personalreduktionspolitik und neuen Organisationsstrukturen den Bereich „orange“ atypische Beschäftigte bzw. die „Stille Reserve“ vergrößern und „braun-rot“ Menschen aus dem Produktionsprozess schlicht völlig herausschiebt: Man kann diese Effizienz auch anders formulieren:
Damit würden weiteren, jetzt noch Beschäftigten, „gute Chancen“ auf Arbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit, Minijobs und Unterbezahlung gegeben – sie hätten gute Chancen, sich auf ein völlig neues Leben mit bedeutend weniger Einkünften einzurichten – und sie könnten dann endlich mal zeigen, „was in ihnen steckt“ an Kreativität, Lebenskraft und Lebensfreude, ihr „Du bist Deutschland“ unter Beweis zustellen. Die nächste Grafik unterstreicht die vorangegangenen Worte.
Entschuldigen Sie meinen Sarkasmus an dieser Stelle, liebe Leser, aber das sind die Kontraste, die durch kapitalistische Wettbewerbskultur hervorgerufen werden. Über was sollen die Bürger sich freuen?
Darüber, dass Manager sich ein effizientes Fusionsmodell zur Existenzvernichtung vieler Beschäftigter ausgetüftelt haben?
Sollen sich die Beschäftigten mit ihnen, den Managern, freuen?
Diese doppelte Art von Winddeutung ist in Deutschland zur Tagesordnung geworden: Was für die einen gut ist, gereicht den anderen zum Nachteil.
Bis Ende Dezember 2010 wurde bereits monatelang vom „Aufschwung“ gesprochen – Unten kommt dieser Aufschwung jedoch nicht an.
Gleichfalls stellte sich im letzten Quartal 2010 Deutschland als für ausländische Unternehmen interessant dar, weil Deutschland Unten soweit finanziell herunter stufen konnte durch die Wirtschaft, dass es nun als „Billiglohnland“ gilt!
Weiter wurde am 5. 1.2011 in der Presse berichtet, abhängig arbeitende Menschen, die in den letzten Jahren sowieso schon Angst hatten, krank zu werden und sich mit Schmerzmitteln und Psychopharmaka voll stopften, weil sie mit dem Druck nicht mehr zurecht kommen, sollen nun bei Krankheit weniger Lohn bekommen! Gefordert werden unbezahlte Karenztage. Zusätzlich locken Arbeitgeber mit Anwesenheitsprämien: „Viele Unternehmen zahlen ihren Arbeitnehmern schon heute sogenannte Gesundheits-, Anwesenheits- oder Produktivitätsprämien, wenn sie möglichst selten oder nie krankfeiern.“ (Westfälische Rundeschau: „Weniger Lohn bei Krankheit.“ 5.1.2011)
Die Änderung der Kartellgesetze vom 1.1.1999 (Band 1.1) zeigt sich in den Auswirkungen im Vergleich der beiden gleichartig angelegten Grafiken:
Sind bereits Variablen erwogen worden, um diesen Zusammenhang von geändertem Kartellgesetz und Zunahme von Zeitarbeit, geringfügig und befristet Verdienenden oder in Teilzeit Beschäftigten berechnet worden? Ich vermute, dafür wird man kein Geld zur Verfügung stellen, weil es gegen die Interessen des Kapitals verstößt.
Im Grunde genommen will niemand so genau wissen, was vor sich geht – es ist belastend. Solange man nicht selbst betroffen ist? Man scheut die Wahrheit – denn diese ist noch belastender. Die Wahrheit könnte Konflikte heraufbeschwören. Es könnte sein, man müsste eine Position einnehmen – oder gar etwas tun. Menschen müssen sich ständig neu anpassen und unterordnen. Die Art und Weise der Anpassung und Unterordnung kann als notdürftiger Brückenbau zwischen den beiden gegenwärtigen Klassen beschrieben werden.
Er könnte sich zum Beispiel darstellen: Inoffiziell wird von 6 Millionen Arbeitslosen ausgegangen. Zählt man die 6,9 Millionen ausschließlich gering Entlohnten dazu, käme man immerhin auf 12,9 Millionen Menschen, die aus ihrem Beruf heraus getrieben worden sind. Vom gesellschaftlichen „Oben“, ob politisch oder wirtschaftlich, werden Vorgaben gemacht, die mittels bestimmter Werkzeuge (Organisationsstrukturen) an das Unten weitergegeben werden, damit der Alltag im kapitalistischen Land funktioniert – egal, unter welchen persönlichen Umständen: Krankheit, familiäre Probleme, finanzielle Belastungen, Wohnungsprobleme, Steuer-, Tarif- oder Datenklau- und Datenkontrollterror. Insofern trägt der Bürger nicht nur persönliche, sondern auch die alle Menschen betreffenden psychischen Lasten.
Wie sie diese bewältigen, interessiert wiederum äußerst wenig. Zumal es ja Konsens ist, wenn alle gleich behandelt werden und die gleichen Belastungen und widrigen Umstände aushalten müssen, weil es eben nicht anders geht, wie es wirtschaftlich und politisch so schön heißt, dann ist darüber nicht zu sprechen.
Festzustellen ist eine unglaubliche Härte bei der Verankerung politischer und wirtschaftlicher Interessen des Oben im Unten. Von Terror wird in diesen Zusammenhängen nicht reflektiert und demgemäß nicht gesprochen. Wie lange die Bürger das mitmachen sollen, bleibt genauso offen wie die Frage, was danach kommt. Denn der Bürger muss psychisch diese Oben-Ziele, diese fremde Gier (quasi), als seine eigene Zielsetzung in sein Selbst implantieren und mithelfen, das Oben zu befriedigen – dann ist es der Bürger Unten auch! Diese fremde Gier ist zu befriedigen, den Anforderungen der Wirtschaft mittels einer definierten Arbeitskraft zu einem bestimmten Salär zu verkaufen, heißt, sich selbst zu verraten, permanent gegen sich selbst zu handeln, zu denken, zu fühlen und gegen sich selbst anzudenken und gegen sich selbst anzuleben: Denn gefühlt und gedacht wird, was der Fürst, das Oben, sagt! Sagt man Unten, dass die Lohnerhöhung nicht ausreicht zum Leben, wird davon gesprochen, die Menschen Unten seien gierig. Das von Oben verordnete „Wir“ symbolisiert die Identifikation mit den Zielen des Oben durch die besitzlosen Menschen, das durch das Oben kreiert und verbal formuliert ist: Es ist sozusagen der Trägerstoff, das Wasser, das alles, was an Anforderungen, Frechheiten, Unmöglichkeiten, Fertigkeiten und Anpassungsforderungen gestellt wird, aufzunehmen und als eigene Ziele/Wünsche zu assimilieren sowie in eigene Ziele persönlich mit dem eigenen Leib zu transformieren, um die fremden Forderungen/Ziele zu verwirklichen. Wo dann noch eigene Vorstellungen von Arbeit, Leben und Bedürfnissen Platz haben sollen ist fraglich. Fragt man Menschen, haben sie keine Zeit. Denn sie schuften sich von einem Job zum anderen von morgens bis abends, um das notwendigste Lebenssalär zusammenzukratzen. Oben hat man ein ganz anderes Wir: Da identifiziert man sich mit seines Gleichen und dem Kontostand, aber doch nicht mit Menschen Unten!
Dies bedeutet in Kurzfassung: Wird von Oben gefordert, den Riemen enger zu schnallen, damit man es gemeinsam für Oben schafft, heißt das Unten Verzicht auf Lohn, Urlaub, Arbeitsplatz oder weitere, gravierende existenzielle Einschnitte wie Stadtteil- Stadtwechsel mit Wohnungswechseln oder weite und zeitintensive Anfahrtswege zum neuen Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, wenn denn einer in Aussicht steht. Als sei es der eigene Wunsch, das eigene Ziel, derartige Wechsel vorzunehmen! Wie Karl Marx schrieb, die Identifikation mit dem Fürsten ist gefragt und dies bedeutet für alle Menschen in der Gegenwart, ein Krebsgeschwür im eigenen Leib zu tragen, oder einen Wirt, der alle Nährstoffe für das eigene Leben entzieht. Was man Oben über diese Tatsache, dass alle Unten machen, was Oben gewünscht ist, denkt – möchte man gar nicht wissen: Das wäre zu ernüchternd. Es reicht, was man sich Oben an Tabubrüchen leistet, um ablesen zu können, wessen Geistes Kind diese Wirtschaftsmenschen sind. Einen Garant von Oben für wirtschaftliche Besserung im Unten gibt es jedenfalls augenblicklich nicht. Es gibt nur ein einzuforderndes „Wir“ für Unten von Oben, aber nicht umgekehrt. Unten ist man allein! Solidarisieren soll man sich Unten nicht untereinander, da macht man sich ja verdächtig: Huu!
Und wer möchte das schon, verdächtig sein! Man will doch gar nicht auffallen oder was sagen – es soll nur besser werden! Denn täte man es, gäbe man ja zu erkennen, dass man das geforderte „Wir“ nicht mehr mitträgt und anderer Meinung ist und diesem propagierten „Wir“ nicht mehr traut.
Deshalb hatte die ältere Dame Angst, sie würde allein mit dem Schild auf der Straße stehen und die anderen Menschen würden sie anschauen, als wäre sie nicht ganz dicht, kurz, verrückt, wenn sie sagte: „So geht es nicht weiter! Da muss man doch was tun!“ (Vgl. S. 166 in Band 1)
Wer will zusätzlich ausschließen, dass das Vertrauen der Bürger in Bezug auf die scharfen Kontrollen im Rahmen der Anti-Terror-Maßnahmen und die Daten von Online-Durchsuchungen in ein paar Jahren nicht für andere Zusammenhänge benutzt werden? Auch so wird die Identifikation mit dem Oben in die Psyche eingerieben. Oben scheint man skeptischer zu sein, ob diese Art und Weise der Manipulation von Menschen noch lange so hält.
Unsicherheiten verheimlicht man tunlichst, Existenzvernichtung verleugnet man am besten; Unterordnungs- und Kontrollzwängen passt man sich an … so weit das Auge reicht. In der Psychotherapie gelten derartige atmosphärische Lebensbedingungen und -umstände als Psychoterror. In Deutschland übernimmt diese Form des Psychoterrors die Funktion, die Identifikation mit dem Oben zu erhalten. Der Bürger kann in vielerlei Hinsicht seine Unterordnung bezeugen und zeigen, dass er ein guter Bürger ist. Wer möchte kein guter Bürger sein? Ich glaube, da würde sich niemand mit Handzeichen melden.
Derartig politisch-ökonomische Umstände greifen nicht nur punktuell in die Persönlichkeitsrechte ein, sondern greifen Persönlichkeit, Psyche und Seele chronisch an. Chronische Prozesse zeichnen sich primär durch einen schleichenden Prozess aus: Es geht sehr langsam, erst merken Menschen es gar nicht und dann werden Symptome immer deutlicher, heftiger, schmerzlicher bis sie organisch manifest sind und eine Diagnose gestellt werden kann. Zum guten Schluss sind sie selbst an ihrer Krankheit schuld und zahlen drauf. Dann müssen sie sich persönlich behandeln lassen – und das möglichst billig! Nicht der Kapitalismus wird hinterfragt und so verändert, dass Menschen in ihm und mit ihm ein menschenwürdiges Leben führen können, sondern der Mensch hat sich anzupassen! Da kapitalistische Produktion nicht mehr so viele Menschen braucht, um effizient Gewinne zu erwirtschaften, macht es auch nicht viel, wenn viele Menschen daran erkranken und den Sinn von Profit nicht mehr verstehen?
Inzwischen mag man besser den Sinn der Sexualisierung in Medien verstehen: Sexuelle Phantasien und Sex als generelle und billige und kostengünstige Quelle von Freude, die sich Menschen Unten noch leisten können. Knöpfchen drücken und schon geht es los! Gewaltverherrlichung ergänzt das Programm, wenn man denn doch nicht mehr ständig sexualisiert werden möchte: Da kann man in der Identifikation mit den Hauptdarstellern zum Held auf dem Sofa und im Bett werden. Das bietet unsere Kultur allen (besitzlosen) Bürgern kostengünstig anstelle von Konfliktverarbeitungsmöglichkeiten an.
Erstrebenswert wäre, Psychotherapeuten an den Universitäten und in den freien Praxen würden eine Kooperation zur wissenschaftlichen Erfassung krank machender Faktoren im Alltagsleben zwecks Zusammenarbeit gründen:
Psychoökonomie wäre als neues Fachgebiet zu definieren
und ebenso präventivkapitalistische Psychohygiene Finanz- und Bankenhygiene.
Unter Psychoökonomieist die kapitalistische Beziehungsgestaltung und deren Auswirkungen auf Menschen zu verstehen: Wie der Kapitalismus Menschen krank und kaputt macht, weiß man – dann weiß man auch, was gesund erhalten kann.
Kapitalistische Psychohygieneumfasst als Arbeitsgebiet die Möglichkeit der Reflexion der negativen Auswirkungen auf den menschlichen Psyche-Körper und die Persönlichkeit.
Mit diesem Wissen können Menschen lernen, dass nicht sie die „psychisch Kranken, Schwachen, Untauglichen“ sind, sondern das System krankmachend ist. Damit bekämen sie die Chance, die aus dem kapitalistischen System entstehenden persönlichen Insuffizienz- und Selbstwertprobleme nicht als persönlichen Mangel zu begreifen und zu leben, sondern als kapitalistischen Makel, den sie von sich dahin weisen können, wo er herkommt! Nicht die Arbeitslosen und Besitzlosen sind die Kranken und Unfähigen, sondern das System ist unfähig, unmenschlich und krank – und dafür gibt es Verantwortliche, die sich nicht mehr entziehen dürften. Mit diesen genannten Fachbereichen Psychoökonomie und kapitalistische Psychohygiene könnten Mensch und Wirtschaft die generell wirkende kapitalistische Werteordnung neu einordnen: Der Mensch und nicht der Profit hat an erster Stelle zu stehen – das kann nicht oft genug gesagt werden. :
Insofern entschuldigen Sie, lieber Leser, dass ich mich wiederhole. Wissenschaft, egal wie kapitalistisch instrumentalisiert und abgestützt durch das cartesianische Paradigma, ist letztendlich doch noch ein Mittel, um etwas, wenn auch spät, aber immerhin noch zu untermauern, zu beweisen und zu belegen.
Gegen wissenschaftliche Erkenntnis kann auch der letzte verschrobene und geizige Kapitalist nicht an. Letztlich initiiert sie wieder neue Vermarktungs- und Effizienzideen ebenso wie Kritik. Wenn es nicht anders geht – und es ist nicht von Abschaffung des Kapitalismus auszugehen, es sei denn, er wird so weitergeführt wie gegenwärtig und in den letzten Jahren – muss dem nicht humanistisch einsichtigen Kapitalisten mit Scheuklappen diese letzte Domäne zur Nutzung gelassen werden – aber nicht ohne die Mitteilung der Besitzlosen. Das, was sie zu sagen haben, muss er sich anhören. Denn in unserer Kultur gilt der Stempel „wissenschaftlich” wesentlich mehr als reale Erfahrung von Menschen – das Subjekt, das Individuum war noch nie gewünscht, konnte aber leider bisher nicht wissenschaftlich und philosophisch in der Erkenntnistheorie geköpft und abgeschafft werden. Wirtschaftlich wird es mit Strichcode kodiert, um es zu anonymisieren: Schließlich will man es nicht mit Menschen, mit Individuen zu tun haben. Man möchte nur Zahlen und Code-Nummern. Gewissensbildung ist so radikal reduziert und Denkleistung auf das Wesentliche, auf Einahmen, konzentriert. Ob uns allerdings ausreichend Zeit für wissenschaftliche Nachweise zur Einleitung nachhaltiger Veränderungen bleibt, ist äußerst fraglich. Zeitraubende wissenschaftliche Forschungen, das kann den Ökonomisten nur recht sein; denn dann kann noch lange hin und her diskutiert und das eine oder andere Gewinn bringende Gesetz ersonnen werden. Um dem vorzubeugen, sollte die umfassende Erfahrung der Psychotherapeuten und deren Einsicht in kulturelle Vorgänge herangezogen werden, um möglichst rasch effektive Gegenmaßnahmen einzuleiten – ohne Nachweis mittels langwieriger Forschungen. Diese können aber dennoch parallel initiiert werden; die wissenschaftlichen Ergebnisse lägen dann nachträglich vor.
Personifiziert man das Phänomen „Kultur“, so lässt sich feststellen: Die geistigen Werkzeuge der Kultur greifen Seele, Körper und das Nervenkostüm an − durch permanente Überforderung, Stress, Druck, existenzielle und generelle Verunsicherung über die Veränderung des Lebens in der Welt. All diese Faktoren provozieren Menschen hinsichtlich ihrer psychischen Verarbeitungskapazität zu immer größeren Leistungen und neuen Abwehrstrategien im Dienste des Überlebens einerseits und der gleichzeitigen Steigerung von Gewinnen andererseits. Unten sind diejenigen zu finden, die in diesem Desaster überleben wollen. Sie können sich keine eigenen Ziele setzen, arbeiten abhängig von der Wirtschaft und leben mit den politischen Verordnungen und den entsprechenden sozialpolitischen Gegebenheiten. Vermutlich gibt es in Deutschland nur sehr wenige, die nicht in der einen oder anderen Form mit Konfliktherden unserer Kultur infiziert sind: Sei es am Arbeitsplatz oder durch zu wenig Geld, um die Wohnung weiter bezahlen zu können, Umzüge aus der notwendigen Anpassung an den Standort des Arbeitsplatzes, Mobbing – modernes Mittel für „natürliche Auslese“, Arbeitsplatzabbau und Strukturveränderungen innerhalb des Betriebes –; kulturell aufflammende Probleme in den Schulen; der Konflikt, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu bringen; Schwierigkeiten, die Ausbildung zu finanzieren; Bedrohungen durch mangelnde medizinische Versorgung …
Nur Zyniker würden eine derartige Lebenssituation als „ arm, aber glücklich“ beschreiben. Ich neige der Auffassung zu, dass es eine Hierarchie in dem alten Streit zwischen „Materialisten“ und „Idealisten“ gibt. Demnach wäre letztlich der materiell „Arme“ nicht in jeder Hinsicht der „Arme“. Er hätte seine Würde und seine Selbstachtung behalten, seinen Selbstwert aufgrund welcher Prozesse und Umstände auch immer – das ist in der Gegenwart schwerlich möglich, eher unmöglich. Denn die meisten Armen sind mit dem kapitalistischen Denken identifiziert - sie haben sich ihr seelisches und heiles Refugium so wie bescheidene Menschen irgendwo in der Pampa, nicht erhalten können. Die ideologischen Auswirkungen einer völlig gestörten und verkehrenden Werteordnung verunmöglichen den Menschen als menschliches Wesen. Der Kern wird gespalten, so wie der Mensch in dieser Gesellschaft mittels kapitalistischer Wirtschaft und cartesianischen Wissenschaftsparadigma gespalten wird. Hier ziehen zwei mächtige Säulen unserer Gesellschaft und Kultur am selben Strang in eine Richtung. Die Wirtschaft kauft privat
Geist ist geil
Unter diesem Slogan wurden vor einiger Zeit Geisteswissenschaftler gesucht, die zusammen mit Wirtschafts- und Finanzexperten neue Systeme ausklügeln sollten. Vermutlich ein journalistischer Ausläufer der Initialzündung „Pro Geisteswissenschaften“, die im Jahr 2005 von VW, Thyssen-Krupp und der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ ins Leben gerufen wurde.
Ich wähle diesen Titel „Geist ist geil“ für dieses kleine Kapitel für den menschlichen Geist – im Gegensatz zum pervertierten ökonomisierten Geist, wie ich andernorts hinsichtlich des Begriffs „Ökonomismus“ differenzierte.
Diese zeitgenössische Formulierung – angelehnt an den „Geiz ist geil“-Werbeslogan – spiegelt unsere sexualisierte Welt wider und zeigt die geschickte und ökonomistisch geniale Kombination von einer – eigentlich – negativen Eigenschaft mit einem – eigentlich – im sexuellen Bereich beheimateten eher (zunächst) als positiv zu bewertenden Gefühl.
Hier werden zwei Inhalte in einen Zusammenhang gesetzt, die einander im Grunde ausschließen:Geizist assoziiert mit „zurücknehmen, festhalten, für sich behalten, nichts teilen und nichts abgeben“,geilhingegen mit „Erregung, konzentriert, auf ein Objekt gerichtet, lüstern und lustig, abgebend, teilend“.
Mit diesem Trick erzielten Werbefachleute eine raketenartige Wirkung und ließen den Bürger entgegen jeden Verstandes etwas von den angepriesenen Produkten kaufen – obwohl er kein Geld hat. Warum? Mit dem vom Adjektiv geil abgeleiteten Verb nähert man sich der Erklärung an; denngeilenbedeutet nach etwasgieren. Und auch der Geiz „giert“. Sein Sinn und Zweck ist es, alles zu behalten und bloß nichts abzugeben oder – und das wäre die Verlängerung: dieGier des Geizes– mit dem Festhalten sogar noch etwas dazu zubekommen!