Asien6 - Carsten Kettler - E-Book

Asien6 E-Book

Carsten Kettler

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Beschreibung

Mit der Reiseerfahrung aus 25 Jahren -durch mittlerweile über 60 Länder- startete ich diesen Trip. Was ich erlebte schrieb ich nieder und das war nicht selten überraschend und aufregend. Viel Spannendes und Neues prasselte immer wieder auf mich ein. Herausfordernde Begegnungen und sehr schöne Erlebnisse, welche ich für immer in mir tragen werde. Lest selbst und taucht ein in die faszinierenden Seiten sechs asiatischer Metropolen.

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Seitenzahl: 182

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Für alle, die Lust auf Reisen und

ferne Länder haben.

Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen

Johann Wolfgang von Goethe

Inhalt

Warum?

Abflug

Tokio

Manila

Seoul

Phnom Penh

Hanoi

Dubai

Wieder Zuhause

1. Warum?

Mein Name ist Carsten Kettler, ich wurde 2014 sechsundvierzig Jahre alt und lebte im Ruhrgebiet. Die Idee von Freunden, dass meine Reiseerlebnisse auch für andere Weltenkundler spannend und hilfreich sein könnten, haben mich dazu bewogen sie hier zu teilen. Für das Reiseziel Asien hatte ich mich kurzfristig entschieden und war auf Abenteuer und Entdecken eingestellt. Trotz mehrerer früherer Reisen nach Asien, vielleicht auch gerade deshalb, war meine Neugier immer noch ungebremst auf eine Kultur, die nicht vielfältiger sein könnte und sich einem nicht unbedingt beim ersten Hinschauen erschließt. Es reizte mich zu erfahren, was ich wohl erleben würde, wenn ich mich einfach aufmache, um in sechs südostasiatische Metropolen einzutauchen.

Zum ersten Mal kam ich 1996 mit der asiatischen Kultur in Kontakt. Als Rucksacktourist in Singapur, Bangkok und Hongkong unterwegs, erlebte ich vielfältige Geschichten und gewann völlig andere Eindrücke als bei meinen Reisen zu Zweit oder in einer Gruppe. Ich kam damals also mit der Idee nach Hause zurück, dass dies nicht meine letzte Reise nach Asien war. Bis zur nächsten sollte es allerdings ganze neun Jahre dauern. 2007 machte ich mich auf zu einer dreiwöchigen Reise durch China, welche mein Bild über dieses Land ganz maßgeblich veränderte.

Als ich nun diesen alten Rucksack, der bereits so viele Geschichten zu erzählen wusste, im Winter 2013 auf dem Dachboden sah, beschlich mich das Gefühl, er würde mich geradezu auffordern ihn noch einmal zu aktivieren.

Kurz nachgedacht, kontaktierte ich das Reisebüro meines Vertrauens „Take a Cruise“ in Düsseldorf mit einer Liste asiatischer Hauptstädte, die noch auf meiner langen Reisewunschliste standen. Die Inhaberin Anja kannte ich bereits seit über zehn Jahren von einem gemeinsamen Arbeitgeber, bis sie sich zehn Jahre vor mir ihren Traum von der Selbstständigkeit erfüllt hat. Seitdem buche ich fast alle Reisen über sie, denn sie hört genau zu, versteht meine Reiseideen und so finden wir immer zügig etwas passendes. Ich bat sie also darum, so viele Destinationen wie möglich in eine sinnvolle Reisereihenfolge zu bringen. Ganz so aufs Geradewohl wie vor achtzehn Jahren wollte ich es dieses Mal dann doch nicht angehen.

1996 startete ich den Flug nach Singapur mit 100 DM und einer Kreditkarte in der Tasche. Hotelbuchungen hatte ich vorab keine gemacht und das heute so selbstverständliche Internet in der Hosentasche gab es auch noch nicht. Nun wollte ich mich während der Reise nur um mich und nicht um die teilweise zeitaufwändige Unterkunftssuche kümmern. Mit Ausnahme von Dubai ließ ich Hotels der einfachsten Preiskategorie buchen und überließ es ein Stück weit dem Zufall (also Anja), in welche Stadtteile es mich verschlagen würde.

Mich interessierten bei dieser Reise besonders die Menschen, denen ich begegnen würde und ich erhoffte einen Einblick in deren tägliches Leben zu erhaschen. Wenige Tage nach meiner Anfrage erreichte mich der erste Routenvorschlag: Malaysia und Taiwan fielen leider aus Gründen der Reiseroutenoptimierung heraus. Allerdings las sich die restliche Liste an Zielen super und die benötigten Flugverbindungen waren aus meiner Sicht gut gewählt und perfekt kombiniert. Zuerst also auf nach Japan, dann auf die Philippinen gefolgt von Süd-Korea und Kambodscha, um dann über Vietnam und die vereinigten Arabischen Emirate wieder nach Deutschland zu reisen. Alle Flüge zusammen kosteten mich nur 2.300 Euro und die Hotelpreise überzeugten mich mit 1.300 Euro für 27 Tage ebenfalls. Dabei machte Dubai mit 400 Euro für die letzten drei Übernachtungen einen recht deftigen Anteil aus. Doch das wollte ich mir gönnen. Ein luxuriöses Hotel zum Abschluss war ein schönes Ziel, denn ich hatte ja keine genaue Vorstellung davon, von welchen Strapazen ich mich nach dreieinhalb Wochen zu erholen hatte.

Ohne noch lange zu überlegen buchte ich genau diese Tour. Nun lagen neun einzelne Flüge und insgesamt fast dreißigtausend Flugkilometer vor mir. Ich war begeistert, da sich gerade mein neues Reiseabenteuer direkt vor mir auftat und mein Geldbeutel im Vergleich zu anderen Reiseformen maximalst geschont wurde. Ich war bereit.

Vorbereitend kaufte ich noch ein Paar gute Wanderschuhe und lief diese in den zwei Wochen vor dem Abflug nach Feierabend ein. Einen Tag vor Reisebeginn hatte ich mich dazu entschlossen nur meinen siebzig Liter fassenden Gepäckrucksack mitzunehmen und auf einen zusätzlichen kleinen Handgepäckrucksack zu verzichten, um unterwegs beweglicher zu sein. So sparte ich mir später auch das lästige Warten am Gepäckband nach der Landung, da es erlaubt war den Großen mit in die Kabinen nehmen. Einmal pro Woche würde ich meine Kleidung in die Hotelwäschereien geben und somit einige Kilogramm an Transportgewicht reduzieren.

Meine Erfahrungen der letzten dreiundzwanzig Jahre mit anderen Kulturen und auch der sichere Umgang mit der englischen Sprache haben es mir recht leicht gemacht, mich für dieses Abenteuer zu entscheiden. Mit meiner Familie hatte ich ausgemacht, nach jedem Weiterflug meine Ankunft kurz zu bestätigen, so dass für die Daheimgebliebenen zumindest ein Gefühl von Sicherheit gewahrt blieb. Schon an dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass meine innere Einstellung darauf fußt immer zunächst das Gute im Menschen zu erkennen, offen zu kommunizieren und fremden Menschen grundsätzlich Vertrauen zu schenken. Das beste mentale Werkzeug für diese Reise. Dennoch galt es ein paar Grundregeln zu beachten.

Wenn Du so etwas auch planst, so folge, unabhängig von Ziel und Dauer der Reise, vor Ort immer Deinem gesunden Menschenverstand und halte Dich von dunklen Ecken fern. Auch in Deutschland würde ich mich in unseren Metropolen abends spät nicht mehr hinter unseren Bahnhöfen oder in bestimmten Stadtteilen auf den Straßen aufhalten. Das gleiche gilt beim Reisen. Halte Dich auch bei Deinen Reiseutensilien eher schlicht und bedeckt. Bedenke, dass Reichtum in vielen Ländern dieser Welt bereits bei einer guten Armbanduhr oder dem Markentelefon beginnt. Je weniger Du davon nach außen zeigst, umso sicherer kommst Du mit der Bevölkerung auf der Straße in Kontakt. Eine sehr bereichernde Erfahrung.

Dies ist kein Reiseführer. Ich gebe keine „Geheimtipps“ und beschreibe weder die Geschichten noch die Landschaften der bereisten Länder. Vielmehr nehme ich Dich mit auf diese Reise und erzähle sie anhand meiner Tagebucheinträge. Noch nie vorher hatte ich das Bedürfnis gehabt Tagebuch zu schreiben. Jetzt bin ich froh es einmal getan zu haben, denn die vielfältigen Eindrücke innerhalb so kurzer Zeit hätten sich vermutlich nicht alle aus dem Gedächtnis wiedergeben lassen. Lass Dich also gerne davon inspirieren und überraschen, was ich gesehen, erlebt und gedacht habe.

Viel Freude beim Lesen.

2. Abflug

Mittwoch der 2. und Donnerstag der 3. April 2014

Da ich mit der Fluggesellschaft Emirates® am Abend ab Düsseldorf fliege, bin ich glücklicherweise von dem an diesem Tag stattfindenden Pilotenstreik der Lufthansa® nicht betroffen.

Ich fahre mit meinem Auto zum Abflugterminal, treffe dort meinen Bruder, der mit der Bahn anreist, um mein Auto mitzunehmen und vergesse bei der Übergabe dann prompt mein Handy im Handschuhfach. Früher kannte ich alle Telefonnummern auswendig. Jetzt bin ich noch nicht einmal in der Lage die Nummer meines Bruders im Kopf abzurufen. Münzen habe ich auch keine dabei. Wozu auch? Ich will ja auf direktem Weg ins Ausland – da werde ich diese nicht brauchen. Trotzdem bleibe ich entspannt und mache mich auf zum nächstgelegenen Schalter. Dort bitte ich darum das Festnetztelefon benutzen zu dürfen. Nach einigen Fehlversuchen treffe ich dann doch die richtige Nummer. Mein cleverer Bruder hatte beim Koppeln seines Telefons mit dem Wagen bereits festgestellt, dass Meins noch verbunden ist und mich über die Flughafeninformation ausrufen lassen. Dort treffen wir uns zur Übergabe meines Smartphones. Gar nicht so einfach sich im Flughafengebäude wieder zu finden, wenn man kein Mobiltelefon dabei hat. Aber gut, die erste unerwartete Hürde ist nun geschafft und es kann endlich losgehen.

Das Boarding beginnt pünktlich und ich gehe zu meinem Sitzplatz. Dieser ist allerdings schon besetzt mit einem freundlich lächelnden Japaner, der locker 120 kg auf die Waage bringt. Ich denke mir: „Na das wird eng“. Doch kaum zeige ich ihm meine Bordkarte, wechselt er eine Reihe nach vorn; denn er sitzt auf dem falschen Platz. Zwischen Düsseldorf und Tokio liegen für mich nun unendliche fünfzehn Stunden Flug in einer Boeing 777-300 mit kurzer Zwischenlandung in Dubai. Nach einem langen und doch sehr angenehmen Flug lande ich pünktlich um 23 Uhr Ortszeit in Japan.

Eigentlich hatte ich vor mit dem Bus zur ersten Unterkunft weiterzureisen. Ich stelle jedoch schnell fest, dass ich mir zuhause die Busverbindungen ab Flughafen Tokio Narita ausgedruckt hatte. Das nützt mir nun nichts, denn ich bin planmäßig am Flughafen Tokio Haneda gelandet. Der Bus- und Schienenverkehr in Tokio ist um Mitternacht äußerst reduziert und mein W-LAN möchte sich auch gerade nicht mit dem kostenlosen Flughafennetz koppeln. Mangels Möglichkeit weitere Alternativen im Internet zu suchen entscheide ich kurzum ein Taxi bis zum Hotel zu nehmen. Es regnet Bindfäden und ich bin ohne Schirm unterwegs, da er nicht im Handgepäck transportiert werden durfte. Zum Glück erwische ich einen sehr netten Taxifahrer. Er trägt Hemd, Weste und Krawatte, spricht kein Wort Englisch und fährt mich sicher die knapp 37 Kilometer über die Stadtautobahn zum Smile Hotel in Asagaya nordwestlich von Tokio.

Nun ja, relativ sicher zumindest. An der Autobahnauffahrt befindet sich eine automatisierte Mautstelle. Taxifahrer haben ein Dauerticket, welches berührungslos aus dem Auto heraus die Schranke freigibt. Das kenne ich auch aus Deutschland. Nur sind bei uns die Fahrer nicht ganz so wagemutig wie er. Mit ungebremsten 50km/h nähert er sich der Schranke und erst als wir nur noch knapp einen Meter entfernt sind, öffnet sich diese urplötzlich und blitzschnell. Für einen kurzen Moment stockt mir der Atem.

Wie immer im Taxi sitze ich hinten rechts. Meinen Rucksack habe ich neben mir auf die Rücksitzbank gepackt, anstatt den Kofferraum zu nutzen. Es soll ja angeblich überall ein paar böse Buben geben, die einen Ampelstopp zum Öffnen des Kofferraumes und Entwenden des Inhaltes nutzen. Bei meinem Taxi springt der Kofferraumdeckel jetzt nach zwei Kilometern ganz von alleine auf und der Fahrer merkt es gar nicht. Als ich ihn darauf aufmerksam mache, überlegt er für eine Weile ob er deswegen halten soll und entscheidet sich dann nach weiteren zwei Kilometern doch noch dafür. Der Rest der Fahrt verläuft ruhig und nach fünfundvierzig Minuten erreiche ich mein Ziel. Als ich um 1:00 Uhr morgens einchecke, ist anstatt des gebuchten Nichtraucher- nur noch ein Raucherzimmer frei. Also Fenster auf und lüften. Dieses Hotelzimmer ist wirklich das kleinste, das ich je gesehen habe. Es entspricht jedoch von der Ausstattung her genau der Beschreibung.

Obwohl es im vierten Stock liegt, sehe ich direkt vor meinem Fenster den Bahnsteig des regionalen Bahnhofs Asagaya. Das nenne ich mal zentrale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Die Lautsprecheransagen und der Zugverkehr halten sich in der folgenden Nacht in Grenzen und werden durch das Geräusch des anhaltend starken Regens weithin überdeckt. Ich genieße die Dusche und schlafe direkt ein.

3. Tokio

Hauptstadt von Japan 13 Millionen Einwohner Entfernung nach Bochum: 9.200 km MESZ +7 Stunden

Freitag der 4. April

Als ich aufwache, lese ich auf dem Telefondisplay: 12.30 Uhr mittags. Richtig wach bin ich trotzdem nicht. Die plus sieben Stunden Zeitverschiebung spüre ich deutlich und auch der lange Flug sitzt mir noch ordentlich in den Knochen. Also raus an die „frische“ Tokioter Luft und erst einmal bewegen. Der Weg zum Bahnhof ist ja recht kurz und wenn mein Fenster ganz aufgegangen wäre, hätte ich direkt auf den richtigen Bahnsteig springen können.

Vor der Fahrt in die Innenstadt entscheide ich mich noch in Ruhe außerhalb des Hotels zu frühstücken. Ein Glas Milch und ein Butterbrot oder Brötchen wären jetzt prima. Beim Frühstück mag ich keine Experimente. Schinken und Speck, Rührei oder Reisgerichte direkt nach dem Aufstehen sind nichts für mich. Also ungünstige Voraussetzungen für eine solche Reise denkst Du jetzt vielleicht. Aber alles kommt, wie es kommen soll.

Als ich am Bahnhof vorbeigehe, sehe ich eine große Fußgängerzone. In die biege ich ein und lasse mich treiben. Treiben ist in diesem Zusammenhang ein guter Begriff. Es ist Freitagmittag und einige tausend Menschen laufen sehr zügig hier entlang.

Auf einmal, ganz unerwartet, stehe ich direkt vor der „Saint Germain – Bakery“. Na bitte, geht doch. Mit einem Glas Milch und einem belegten Brötchen sitze ich wenige Minuten später am Fenster und genieße mein spätes Frühstück.

Eine halbe Stunde später laufe ich wieder durch die Straßen. Hier gibt es jede Menge zu entdecken. Ein Händler in der Fußgängerzone bietet Zahnarztbesteck zum Kauf an. Bei einem Baustoffhändler steht ein ganzes Regal voller Bambusstiele für den Gerüstbau und die örtliche Feuerwehr macht gerade in voller Ausrüstung eine Kletterübung auf dem Hof der Wache.

Mir fällt auf wie klein, ja geradezu winzig die hier stehenden roten Feuerwehrfahrzeuge sind. Anders kommt man wohl nicht durch die unzähligen schmalen Gassen.

Besonders die Kleintransporter springen mir ins Auge. Sie machen hier ihrem Namen wirklich alle Ehre. Kleiner als die mir bekannten VW Busse oder Mercedes Sprinter® und doch mit bis zu sieben Sitzplätzen ausgestattet. Die großen, in Deutschland gerade in Mode kommenden SUVs, sehe ich nur recht selten. Dafür ist für Fahrradfahrer gut gesorgt. Da könnte selbst Münster als deutsches Mekka der Radfahrer neidisch werden. Es gibt viele Radwege, Fahrradabstellplätze vor Geschäften und sogar Tiefgaragen nur für Fahrräder. Das gibt es ja nun in Deutschland in dieser Form noch nicht und meine Neugier ist direkt gepackt. Ich gehe hinein und bin beeindruckt. Die Dimension ist beachtlich. Hier stehen mehrere Tausend Fahrräder verschlossen in eigens dafür vorgesehenen Haltebuchten, sicher aufbewahrt vor Witterung und Diebstahl. Eine wirklich clevere Lösung für das neben der Metro hier wichtigste Fortbewegungsmittel.

Wieder oben angekommen, sehe ich eine circa 1,60m große Japanerin problemlos drei Kinder auf einem Fahrrad mitnehmen. Eines vorn auf dem Lenkerkindersitz und hinten auf dem Gepäckträger die zwei anderen. Bei so einer Aktion würde bei uns zu Hause schon wieder der Kinderschutzbund eingreifen. Hier in Tokio habe ich eher den Eindruck, dass die Fahrräder dafür ausgelegt sind. Sie sind anders gebaut als die üblichen Damen und Herrenräder. Teilweise sehr funktional, nicht nur für den Personen- sondern auch den Lastentransport ausgelegt.

Nach meinem zweistündigen Spaziergang will ich nun mit der Japan Rail nach Downtown fahren. Auf dem Weg zum regionalen Bahnhof kommt mir ein Löschzug der Feuerwehr im Einsatz entgegen. Der Beifahrer spricht in ein Mikrofon und über einen sehr lauten Außenlautsprecher warnt er die übrigen Verkehrsteilnehmer zusätzlich zum Signalhorn in einer immer wiederkehrenden Schleife. Ich verstehe natürlich nicht was er sagt, aber der Klang seiner Stimme ist mehr als eindeutig: „Weg da, hier kommen wir!“.

Die Bahnstation ist schnell gefunden, ich kaufe eine Fahrkarte und bin in zwanzig Minuten am Hauptbahnhof von Tokio, der Tokio Station. Nur wer das Dortmunder Fußballstadion am Samstag zum Heimspiel besucht oder sich an einem verkaufsoffenen Sonntag in die Schildergasse in Köln wagt, sieht wahrscheinlich noch mehr Menschen auf engstem Raum. Ein tolles Bild erschließt sich mir. Doch es läuft scheinbar alles völlig geordnet ab. Jeder geht seines Weges, ohne den Anderen zu behindern. Auf den Rolltreppen stehen alle auf der linken Seite, so dass diejenigen, die es eilig haben, auf der rechten Seite dran vorbeilaufen können. In Japan herrscht Linksverkehr. Angestanden wird wie in London in Reihe. Am Taxistand und am Anfang der Rolltreppen ordneten sich alle hintereinander ein. Selbst vor den Fahrstühlen kommt niemand auf die Idee sich direkt vor die noch geschlossenen Türen zu stellen.

Kennt ihr das?

Wenn Menschen bei uns zu Hause in einen Bus, in einen Zug oder in einen Fahrstuhl steigen möchten, so stellen sie sich oft direkt vor die Türen. Das hat zur Folge, dass beim Öffnen derselben die heraustretenden Menschen zunächst zögern und sich dann an den bereits Einströmenden vorbeidrücken müssen.

Wie schnell dreihundert Menschen aus einem Eisenbahnwaggon aussteigen können und unmittelbar danach in etwa die gleiche Anzahl wieder hinein, beeindruckt mich jetzt gerade sehr. Kein Geschiebe, kein Gedränge – Disziplin in Reinform. Auf dem Boden findet man genau an den Stellen Markierungen, an denen die Wagontüren zum Halten gebracht werden. Fast automatisch passen sich alle an, stellen sich jeweils in Zweierreihen auf und warten solange, bis JEDER Einzelne den Waggon verlassen hat, der hier aussteigen möchte. Dann treten alle nacheinander und nicht nebeneinander ein.

Von der Tokio Station aus laufe ich circa drei Stunden durch die Straßen in Downtown bis ich Hunger verspüre. Es gibt unzählige Restaurants und „Food to go“ Geschäfte. Alle bekannten amerikanischen Fast-Food-Ketten sind natürlich auch vertreten, die klammere ich jedoch aus meiner „Gourmet“- Liste direkt aus. Meine Wahl fällt auf ein sehr kleines japanisches Restaurant direkt an der Hauptstraße. Es ist bis auf einen Platz gefüllt.

Dieser hat wohl auf mich gewartet. Also setzte ich mich und bestelle gekochten Reis mit Gemüse. Dazu gibt es kostenfrei Tischwasser, welches so oft nachgefüllt wird, bis ich ein Zeichen gebe, dass es reicht. Das Essen schmeckt sehr gut. Es scheint sich um einen Ort zu handeln, an dem viele Angestellten der Umgebung zu Mittag essen. Dreiviertel aller Anwesenden tragen einen Anzug oder ein Business Kostüm. Der Preis für mein Mittagessen beträgt gerade einmal 200 Yen. Das entspricht nach aktuellem Tageskurs ungefähr 1,43 Euro. Nicht schlecht für die Stadt, die erst vor drei Monaten den Titel „Teuerste Stadt der Welt“ an Singapur weitergereicht hatte. Eins kann ich hier schon verraten, diesen Schnitt werde ich nicht halten, doch richtig teuer wird es auch in den Folgetagen nicht.

Nach dem Essen gehe ich am Fluss entlang in Richtung des aktuell zweithöchsten Gebäudes der Welt, dem Tokio SKYTREE®. Er sieht aus wie ein Fernsehturm, ist 634 Meter hoch und zieht die Massen seit seiner Eröffnung im Jahr 2012 an. Die Dämmerung setzt ein und er wird in einem Farbton aus lila und rosa angestrahlt.

Wie weit mag es wohl bis dorthin sein? „Nicht so weit, beantworte ich mir meine Frage selber, denn ich sehe ihn ja. Vielleicht fünf Kilometer“ denke ich. Unterwegs verliere ich ihn immer wieder aus den Augen, denn der Fluss macht mehrere Biegungen und die Häuser in meiner Nähe werden höher. Nach einer Weile wechsele ich von der Flusspromenade, an der ich tatsächlich dreißig Minuten ganz alleine gelaufen bin und nicht einmal einen einzigen Hundebesitzer getroffen habe, auf eine Straße, die gefühlt in die richtige Richtung führt. Sicher bin ich dennoch nicht, denn seit ungefähr zwanzig Minuten ist der Turm komplett aus meinem Sichtfeld verschwunden. Wie es der Zufall will komme ich in dem Moment an einer Fabrik vorbei. Dort beginnt gerade der Feierabend und sehr viele Arbeiterinnen verlassen das Gebäude. Eine Gruppe von vielleicht zehn Frauen läuft direkt vor mir. Eine von ihnen spreche ich an, um nach dem Weg zu fragen. Alle bleiben stehen und als sich herausstellt, dass sie kein Englisch versteht, helfen zwei Andere freundlich aus. Sie sagen, dass sie den Weg nicht kennen und Eine, die ihn zu kennen glaubt, zeigt genau in die Richtung, aus der ich komme.

Vorbeigelaufen werde ich doch wohl kaum sein und während ich noch so überlege in welche Richtung ich jetzt abbiegen soll, liegt die Lösung bildlich auf der Hand. Auf zehn Smartphones wird der Weg gegoogelt. Eine der Damen zeigt mir dann mit einem überaus enttäuschten Blick die vorgeschlagene Route.

Sie weist in die entsprechende Richtung und teilt mir mit, dass es über vierundvierzig Minuten zu Fuß, also quasi unerreichbar weit wäre. Mit einem Lächeln bedanke ich mich für ihre Hilfe und die Frauen laufen gut gelaunt weiter bis zu nächsten U-Bahnstation an der Ecke. Einen Moment lang bleibe ich noch stehen, um keine Irritation hervorzurufen, da ich nicht vor habe in die empfohlene Richtung zu laufen. An dem angezeigten Flusslauf hatte ich erkannt, dass sie die Karte falsch herum gehalten hat und ich so nie an mein gewünschtes Ziel kommen würde. Genau entgegengesetzt klappt es nun prima und nach einer weiteren halben Stunde stehe ich direkt unter dem Turm.

Fasziniert und enttäuscht zugleich, denn am Eingang begrüßt mich ein Schild mit folgendem Text:

„For the reason of bad weather conditions the tower is closed today from 4pm.“

Am frühen Nachmittag hatte es auch tatsächlich sehr stark zu regnen begonnen. So sehr, dass ich erst einmal eine Tee Pause eingelegt und mir dann einen Taschenregenschirm gekauft habe. Dieser hält mich bis jetzt trocken, denn es regnet immer wieder unterschiedlich stark. Windig ist es auch. Da oben muss es wohl noch viel windiger sein. Überall laufen freundliche Mitarbeiter umher, die durch ihre gelbe Regenjacken- Einheitskleidung und dem Wort „Staff“ auf dem Rücken eindeutig als solche zu erkennen sind.

Sie erläutern uns Touristen wie der Ablauf des Kartenkaufens funktioniert und empfehlen zum Zeitvertreib die SKYTREE® Shopping Mall direkt am Fuße des Turmes.

Es ist mittlerweile schon zwanzig Uhr und deswegen entschließe ich mich im Gegensatz zu vielen anderen direkt mit der U-Bahn zurück zur Tokio Station und von dort aus wieder mit der Japan Rail nach Asagaya zu fahren. Das wird wohl etwa eine Stunde dauern und ich möchte am nächsten Tag früh los.

Meine Knie melden sich langsam. Zehn Stunden auf asphaltierten Wegen zu laufen hinterlässt erste Spuren, doch üblicherweise merke ich bei Städtetouren erst nach ein paar Tagen etwas davon. Drei Tage vor der Abreise hatte ich Freunden dabei geholfen einen Baum zu fällen. Allerdings war dieser wesentlich größer als von mir zuvor eingeschätzt. So verbrachte ich unglaubliche acht Stunden in diesem Baum, um Ast für Ast und zum Schluss den Stamm von oben nach unten mit der Motorsäge zu schneiden. Nur unterbrochen von einer dreißigminütigen Grillpause. Abenteuerlich. Anschließend hatte ich Krämpfe in dem Armen vom verspannten Festhalten am Stamm und extremen Muskelkater in den Beinen vom ständigen rauf- und runterklettern. Genau dieser Muskelkater scheint mich nun also wieder einzuholen, die Erholungspause war wohl etwas zu kurz. Na, mal sehen was mir der nächste Tag bringen wird.