At home - with you - Savannah Lichtenwald - E-Book

At home - with you E-Book

Savannah Lichtenwald

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Beschreibung

Das Leben hat Leon hart und unbeugsam gemacht. Mit Gefühlen kann er nichts anfangen und verliebte Menschen gehen ihm auf die Nerven. Einige seiner Freunde, die er in der Cocktailbar "Charleston" regelmäßig trifft, sind bereits vergeben. Deren Verhalten ist ihm völlig unverständlich, was er bei jeder Gelegenheit mit bissigen Worten entsprechend kommentiert. Kay hat ebenfalls Furchtbares erlebt, doch im Gegensatz zu Leon haben ihn diese Erfahrungen nicht verbittert, hofft er immer noch auf die große Liebe. Selbst eine herbe Enttäuschung konnte seinen Traum vom richtigen Partner nicht zerstören. Was passiert, wenn ein überzeugter Zyniker auf einen echten Romantiker trifft? Normalerweise nichts Gutes und so geraten Leon und Kay heftig aneinander, als sie für ein Projekt zusammenarbeiten müssen. Gay Romance mit ca. 26.000 Wörtern. Die Teile der "At home"-Reihe sind chronologisch aufgebaut, können jedoch unabhängig voneinander gelesen werden:   At home - Für 128 Jahre Not - At home At home - with you

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Savannah Lichtenwald

At home - with you

„Wir bezeichnen die Liebe nur deshalb als blind, weil ihr Sehvermögen unsere Vorstellungskraft überschreitet.“ Jean-Jacques RousseauBookRix GmbH & Co. KG80331 München

Leons Liebesschnulzen

„Dieser Kerl ist der letzte Fürst. Ich sag´s dir, Steven, der kostet mich jeden einzelnen Nerv. Das macht mich fertig“, motzte Leon aufgebracht. Frustriert saß er mit seinen Freunden in der Cocktailbar „Charleston“ an der Theke.

 

„Über wen regst du dich denn so auf?“, fragte Marvin und lehnte sich nach hinten an Steven an.

 

Die beiden Männer waren schon seit über einem Jahr so glücklich, dass einem schlecht werden konnte. Leon fühlte sich unwohl bei so viel Liebesgeflüster um ihn herum. Bedauerlicherweise waren diese zwei nicht die einzigen, die ständig herumknutschten. Sein Zwillingsbruder Jannik und Helge, der Barkeeper und Besitzer, waren ebenfalls ein Paar und zeigten das auch offen. Und dann hätten wir da noch Frederike, genannt Freddy, und Tobias, die ebenfalls die Finger nicht voneinander lassen konnten.

 

Leon gönnte es allen, vor allem seinem Bruder, aber manchmal war es ihm zu viel. Selbst mit Alkohol im Blut ließ es sich kaum ignorieren. Innerlich seufzte er und bestellte bei Helge noch einen „Vision of you“, einen Drink, den dieser nur für Jannik kreiert hatte. „Du weißt doch, dass ich bei einem Kosmetikhersteller arbeite. Ich bin dort Assistent der Geschäftsleitung. Jetzt haben wir eine neue Produktlinie für Männer und dieses Projekt liegt in meiner Verantwortung.“

 

„Und wo ist das Problem?“, schaltete sich Freddy ein.

 

„Das Problem ist der externe PR-Berater, der vom Vorstand mit ins Boot geholt wurde. Er torpediert jedes Konzept, das ich ausarbeite und hat völlig andere Vorstellungen von der Werbeaussage als ich. Der macht mich rasend“, knurrte Leon.

 

„Bei was liegt ihr so weit auseinander?“, fragte sein Bruder Jannik, der über die Theke Helges Hand hielt.

 

„Er will es romantisch haben. Ha! Bei einer Männer-Linie, könnt ihr euch das vorstellen? Das ist absolut lächerlich!“

 

„Was ist daran lächerlich? Es gibt doch bestimmt auch romantische Männer“, entgegnete Freddy und warf einen verliebten Seitenblick auf Tobias, der genauso verklärt zurücklächelte.

 

„Wo denn? Die fünf pro eine Million? Das muss kernig sein, cool, mit schnellen Autos, heißen Frauen und so weiter, sonst kauft das kein Mensch“, sagte Leon voller Überzeugung. „Ihr kennt doch den Spruch `Sex sells´. Aber Mister Romantik glaubt ja, das mit Gefühlsduselei und Sonnenuntergängen an den Mann bringen zu können.“ Leon schnaubte. „Pah! Dieses Gelaber von Gefühlen und wahrer Liebe. Und auf´s Deo drucken wir dann `Herzen im Glück – schöner stinken für den Liebsten´ … Schwachsinn!“

 

„Wenn du die Verantwortung hast, dann hast du doch auch das letzte Wort oder nicht?“, fragte Steven und legte von hinten den Arm um Marvin.

 

„Darauf gibt es ein entschiedenes `Jein´. Theoretisch ja, aber seinem Vater gehört die Public-Relation-Firma und der ist irgendwie mit einem unserer Vorstände befreundet oder verwandt. Ich wurde gebeten, kooperativ zu sein. Kotzen könnte ich“, entrüstete Leon sich.

 

„Vielleicht solltest du dich mal persönlich mit ihm treffen. Da bespricht sich manches leichter“, meinte Freddy.

 

„Um Gottes Willen, wir blaffen uns am Telefon schon an, das reicht mir. Ach, was soll´s, ich will euch nicht mit meinem Zeug nerven. Was macht denn euer Dach?“, wandte er sich an Steven und Marvin.

 

„Wir kriegen den Dachdecker nicht bei. Es tropft halt rein. Zum Glück ist es nur das Gästezimmer. Das Bett ist von dem Platzregen neulich schon ruiniert. Wenn das so weitergeht, reicht ein Eimer nicht mehr. Dann müssen wir eine Badewanne drunter stellen“, antwortete Marvin verdrossen.

 

„Ihr braucht das Gästezimmer doch sowieso nicht“, erwiderte Leon und grinste anzüglich.

 

„Ähm, nö“, sagte Steven schmunzelnd, während Marvin leise kicherte. Leon stöhnte auf - es war schon ein Kreuz mit den ganzen Verliebten hier. Zeit, nach Hause zu gehen. Da hing wenigstens niemand herum und verteilte Küsschen. Jannik war ja fast nur noch bei Helge. Eigentlich könnte sein Bruder gleich zu seinem Freund ziehen. Wahrscheinlich hätte Jannik dann nur noch einen Karton Bücher in der Hand - der Rest war schon dort.

 

Leon verabschiedete sich, schnappte seine Jacke und hinkte zur Tür hinaus. Nach insgesamt drei Operationen und mehreren Monaten Physiotherapie, Krankengymnastik und privatem Training war er nun laut den Ärzten „austherapiert“. Das leichte Hinken würde ihm also erhalten bleiben, ebenso wie die hässlichen Narben an seinem Bein. Das fraß an seinem Selbstbewusstsein.

 

Eigentlich war er immer ein attraktiver Mann gewesen mit den blauen Augen, schwarzen Haaren und einer akzeptablen Größe von knapp einsachtzig. Jetzt galt er als behindert. Scheiße.

 

Zu Hause im Bett dachte Leon noch einmal über den Tag nach. Die mittlerweile übliche Zankerei mit dem Hohlkopf von der PR-Agentur hatte er diesmal per Mail absolviert. Das fand er auch besser, dann konnte er eher vernünftig argumentieren als am Telefon. Da hatte er Mühe, die Beleidigungen herunterzuwürgen, die ihm auf der Zunge lagen.

 

Und die vielen imaginären Herzchen, die in der Bar herumflogen, gingen ihm auch auf den Wecker. Er verstand es einfach nicht. Wie konnte man sich jemandem derart ausliefern? Einem einzigen Menschen die Macht in die Hand geben, zu zerstören. Oder die Verantwortung für diesen Menschen übernehmen und versagen.

 

Er selbst liebte nur seinen Bruder, der jetzt sein Glück mit Helge gefunden hatte. Das machte auch Leon ein bisschen glücklich. Nach der furchtbaren Kindheit und den vielen Hemmungen, die Jannik noch als Erwachsener mit sich herumgeschleppt hatte, wirkte dieser nun fast wie ein neuer Mensch - aktiv und selbstbewusst. Es war wirklich schön mit anzusehen.

 

Außer seinem Bruder könnte Leon niemanden lieben. Die Welt bestand nur aus Verrat, Geldgier und schönem Schein. Das erlebte er ja schon täglich in seinem Beruf. Und in ihn würde sich auch niemand verlieben. Dazu war er viel zu abgeklärt. Manche nannten es zynisch und kalt, doch das war ihm herzlich egal. Die Welt hatte sich nicht um seinen Bruder und ihn gekümmert, also gab es auch nix zurück, Punkt. Leon kam sehr gut alleine klar, war frei und unabhängig.

 

 

Grummelnd saß Kay im Kinderzimmer seines Elternhauses auf dem Bett und hörte sich den neuen Krimi an, der heute mit der Post gekommen war. Ohne seine Hörbücher, CD´s und den MP3-Player würde er sich zu Tode langweilen und Fernsehen reizte ihn nicht sonderlich. Doch heute konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Er ärgerte sich immer noch über diesen Idioten von der Kosmetikfirma. Dass sein Vater ihm ausgerechnet diesen Auftrag ans Bein gebunden hatte, nahm er ihm echt übel.

 

Dieser Bieler war unverschämt, ignorant, absolut uneinsichtig. Und ein Chauvinist und Macho erster Klasse. Wahrscheinlich legte er reihenweise Frauen flach und warf sie dann weg wie Altpapier. Vor dem Haus stand ein 240PS-Wagen und im Flur lag die Extremsport-Ausrüstung, damit er zeigen konnte, was für ein toller Typ er war trotz eines IQ unter Raumtemperatur. Wie ihm solche Angeber auf die Nerven gingen. Selbst vor der Katastrophe mit seinem Ex hätte ihn das schon genervt.

 

Blöd war nur, dass der Mann eine unglaublich schöne Stimme hatte: Tief, weich und sexy, selbst wenn er kurz davor war, Beleidigungen auszustoßen und man ihn förmlich mit den Zähnen knirschen hörte. Kay hatte das Gefühl, diese Stimme irgendwo schon mal gehört zu haben, kam aber nicht darauf, wo. Sie lenkte seine Gedanken in Richtungen, wo sie nie wieder hin sollten, versprach puren, heißen Sex und das war es nicht, was er wollte.

 

Natürlich gehörte das dazu und mit dem richtigen Partner könnte es bestimmt auch schön sein, sonst wären ja nicht so viele Paare glücklich. Zumindest stellte er sich das so vor. Seine eigenen Erfahrungen waren begrenzt und hatten bittere Erinnerungen hinterlassen. Bilder und Worte waren tief im Gedächtnis verankert, täglich präsent.

 

Kay träumte von einer festen Beziehung mit Treue, Liebe, Vertrauen, das ganze Programm. Schon als Kind war er etwas versponnen gewesen, hatte in Wolkenbildungen verschiedene Welten hineinfantasiert und sich nachts im Bett selbst Geschichten erzählt.

 

Vielleicht war er ein Weichei, mag sein, er konnte nun einmal nicht anders. Soweit er sich erinnerte, sah er auch ein bisschen so aus. Jetzt, wo die Haare wieder länger waren, blond und wellig, wirkte er eher wie ein weltentrückter Dichter. Mit seinen ein Meter vierundsiebzig war er leider nicht gerade groß für einen Mann und die Schultern dürften auch etwas breiter sein.

 

Das alles spielte ohnehin keine Rolle. Sein Vater band ihn mehr oder weniger ans Haus fest und in der Firma hatte er seinen Sohn ebenfalls unter Kontrolle. Er sabotierte jeden seiner bis jetzt zaghaften Versuche, selbständig zu leben. Das störte Kay gewaltig, nur war es mit seinem Handicap komplizierter als für normale Menschen, alleine zu wohnen oder in einer anderen Firma einen Job zu finden. Irgendwie war alles Mist.

 

Der nächste Tag fing beim Frühstück an wie der letzte beim Abendessen aufgehört hatte - mit dem üblichen Vater-Sohn-Streitgespräch. Kays Mutter entfernte sich bei solchen Wortwechseln meistens unauffällig. Ihr fehlte der Mut zu einer eigenen Meinung oder gar zur Gegenwehr.

 

„Ich habe bemerkt, dass du dir wieder mal Angebote von Maklern hast kommen lassen und deine Mutter liest sie dir auch noch vor. Du kannst nicht alleine leben, das ist zu gefährlich. Wenn du einen Unfall hast, kommt dir niemand zu Hilfe und wenn du wieder einmal eine unglückliche Beziehung beendest, steht dir niemand zur Seite“, warnte ihn sein Vater.

 

Zum Glück wusste er nicht, dass der Partner, wegen dem Kay so gelitten hatte, ein Mann gewesen war. Dann würde dieses Gespräch noch ganz anders ablaufen. Sein Vater war im Prinzip nicht intolerant, aber so was doch bitte nicht in der eigenen Familie. Da musste man dem Standard entsprechen mit einem perfekten Bild nach außen.

 

„Vater, ich will nicht ewig hier wohnen bleiben. Ich bin kein kleines Kind mehr, aber hier komme ich mir immer noch so vor. Ich schaffe das schon. Es gibt doch jede Menge Hilfsmittel und technische Möglichkeiten. Ich muss sie nur nutzen und lernen, damit umzugehen“, antwortete er leicht gereizt. Die entsprechenden Prospekte hatte er in seinem Zimmer schon in der Schreibtischschublade liegen. Es gab vieles, was ihm die Sache erleichtern könnte.

 

„Das kommt überhaupt nicht in Frage. Du kennst meinen Standpunkt“, erwiderte sein Vater ungehalten.

 

„Lass es mich doch wenigstens versuchen. Mit etwas Starthilfe könnte ich das bestimmt schaffen. Andere können es doch auch“, argumentierte Kay.

 

„Zum hundertsten Mal: Ich möchte das nicht diskutieren! Sieh lieber zu, dass du den Kosmetikauftrag auf die Reihe bekommst. Muss ich dich ständig daran erinnern, wie wichtig diese Aufgabe ist? Einer der Vorstände ist in meinem Golfclub und diese Sache kann uns Folgeaufträge sichern.“ Mit diesen Worten würgte sein Vater die Unterhaltung ab und widmete sich demonstrativ seiner Morgenzeitung.

 

In diesem Punkt war sein Vater altmodisch. Nachrichten gab es mit der Zeitung, nicht anders. Dass die Welt sich gedreht hatte, nahm er nur beruflich zur Kenntnis. Privat musste alles so bleiben, nichts durfte sich ändern.

 

„Oh bitte, streitet doch nicht schon wieder“, sagte seine Mutter betrübt. „Magst du noch einen Toast, Kay?“ Welch Wunder, kaum war der Streit vom Tisch, tauchte sie wieder auf. Kay nahm es ihr jedoch nicht übel. Es war sicher nicht leicht, mit einem Tyrannen verheiratet zu sein.

 

„Nein danke, Mama. Ich brauche nichts mehr.“ Außer einem neuen Leben.

 

Nachdem Kay mit seinem Vater zum Büro gefahren war, saß er an seinem Schreibtisch und überdachte leise seufzend die Lage. Er kam keinen Schritt weiter, trat immer auf der Stelle. Seit dem Brand im Ruderhaus vor vier Jahren und erst recht seit seinem Beziehungsdrama zwei Jahre danach wurde seine Welt mit jedem Tag enger und kleiner. Er fühlte sich wie ein Hamster im Laufrad. Wollte er sein restliches Leben so verbringen? Unter der Kandare seines Vaters? Ohne echte Freizeit, nennenswerte Hobbies, einen Partner, Liebe?

 

Missmutig spielte Kay mit den Stiften auf seinem Tisch, stapelte sie lustlos übereinander, warf alles wieder um. Für ihn gab es kaum eine Chance, jemanden kennenzulernen. In die Gayclubs ging er seit damals nicht mehr und mit seinem körperlichen Nachteil war er nicht gerade begehrt - außer bei den kranken Hirnen, die speziell nach Behinderten suchten, warum auch immer.

 

Zudem konnte er kein Vertrauen mehr aufbringen für einen Mann, zu tief saß die Verletzung. Nur daran zu denken, ließ Tränen in seinen Augen brennen. Es hätte ihn damals beinahe zerstört, mehr noch als die Folgen des Feuers. Er war halt ein bisschen emotional. Das mit der Abhärtung hatte bei ihm nie geklappt. Mist.

 

Wenigstens ausgehen könnte er ja mal. Es gab schließlich noch andere Clubs und Bars. Dort würde Kay wahrscheinlich nicht die Liebe seines Lebens kennenlernen, aber er käme endlich aus diesem Käfig hier raus. Und er müsste ja auch nicht alleine gehen, zwei Freunde hatte er noch. Alle anderen hatten sich schon lange von ihm zurückgezogen.

 

Bei Hendrik brauchte er es gar nicht erst versuchen. Der Mann feierte gerne exzessiv und danach war ihm nun wirklich nicht. Entschlossen griff er zum Telefon und wählte Marvins Nummer. Vor einem Jahr war er mit seinem Lebensgefährten zusammengezogen und nach dem, was er erzählte, jetzt ein glücklicher Mann. Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf, hatte Kay mal im Kindergottesdienst gehört. Marvin war schon mit seinen Eltern und seiner Schwester vom Glück begünstigt.

 

Während Kay darauf wartete, dass am anderen Ende jemand dranging, meldete sich sein Gewissen. War er jetzt etwa neidisch? Shit, das musste er streichen, so was war nicht nett und wenn er genauer darüber nachdachte, dann hatte Marvin nach seinem Outing in der Schule ganz schön gelitten. Beinahe täglich war er verhöhnt und angepöbelt worden, hatte sich die übelsten Beleidigungen anhören müssen. Wie Marvin dennoch ein so optimistischer, fröhlicher Mensch werden konnte, war Kay ein Rätsel. Er sollte also ganz still sein, denn er selbst war zu feige für die Wahrheit gewesen. Daran hatte sich bis heute leider nichts geändert.

 

Wenn es ihm nur nicht derartig schwerfallen würde. Er hatte sich ja nicht einmal in seiner Kindheit getraut, seinen Vater Papa zu nennen. Der Mann war eine Autorität, beruflich und privat.

 

Wenigstens das mit der Wohnung, das müsste Kay doch irgendwie hinbekommen. Bis jetzt hatte er bedauerlicherweise kaum etwas in dieser Hinsicht organisieren können. Jeder Anlauf wurde von seinem Vater sofort gestoppt, jede Idee im Keim erstickt. Er warf die Wohnungs-Exposés weg und sagte bereits vereinbarte Termine mit Maklern wieder ab. Nachfragen von Freunden wimmelte er ab, Grüße richtete er nicht aus und wenn jemand anrief, behauptete er, sein Sohn sei nicht zu Hause. Überall hängte er sich rein und ließ Macht und Einfluss spielen. Kay musste hier raus, sobald wie möglich. So lange er daheim wohnte, hatte er keinen Handlungsspielraum. Ihm wollte nur nichts einfallen, wie er das machen sollte.

 

„Brandt?“, meldete sich Marvin.

 

„Hi, Marvin, hier ist Kay. Ich wollte dich fragen, was ihr am Wochenende macht und ob ihr was dagegen hättet, wenn ich mal mitgehen würde?“, fragte er.

 

„Hey, darüber würde ich mich echt freuen und Steven sicher auch. Wir haben uns ja ewig nicht mehr getroffen. Aber wir gehen nicht in einen Gayclub“, warnte Marvin vor.

 

„Da kriegt mich auch niemand wieder hin, nie wieder. Nein, ich will einfach mal hier raus. Mir fällt die Decke auf den Kopf“, entgegnete Kay seufzend.

 

„Kein Thema, wir holen dich ab. Wie wäre es am Freitag, so um halb acht?“

 

„Perfekt, ich freue mich drauf. Wo geht´s denn hin?“

 

„Meistens gehen wir in eine ziemlich coole Cocktailbar. Sie heißt `Charleston´. Alles ist im 20er-Jahre-Stil eingerichtet mit den entsprechenden Schwarzweiß-Fotos an den Wänden, roten Polstersesseln und Petroleumlampen und in der Mitte ist eine kleine Tanzfläche. Außerdem hängen da immer ein paar Freunde rum, der Besitzer gehört auch dazu.“