Atlan-Paket 3: USO / ATLAN exklusiv - Clark Darlton - E-Book

Atlan-Paket 3: USO / ATLAN exklusiv E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Ende des 29. Jahrhunderts kämpfen die Agenten der United Stars Organisation (USO) unter der Führung ihres Lordadmirals, des unsterblichen Arkoniden Atlan, nach wie vor unermüdlich gegen all jene, die dem Solaren Imperium der Menschheit Schaden zufügen wollen. Ob gefährliche Plasma-Mutanten oder drohende Konflikte mit Kolonialplaneten, ob rätselhafte Energiewesen oder die tödlichen Hinterlassenschaften uralter Kulturen - immer wieder müssen die Agenten der USO Kopf und Kragen riskieren, um den Frieden in der Milchstraße zu bewahren. In den immer wieder eingestreuten "ATLAN exklusiv"-Romanen steht dagegen der noch junge Arkonide selbst im Mittelpunkt des Geschehens. Im Jahr 8024. v. Chr. will er Rache an den Mördern seines Vaters nehmen und den ihm rechtmäßig zustehenden Thron des Imperators von Arkon zurückerobern ...

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Veröffentlichungsjahr: 2012

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Band 100-149 – USO/ATLAN-exklusiv – Teil 1

Ende des 29. Jahrhunderts kämpfen die Agenten der United Stars Organisation (USO) unter der Führung ihres Lordadmirals, des unsterblichen Arkoniden Atlan, nach wie vor unermüdlich gegen all jene, die dem Solaren Imperium der Menschheit Schaden zufügen wollen. Ob gefährliche Plasma-Mutanten oder drohende Konflikte mit Kolonialplaneten, ob rätselhafte Energiewesen oder die tödlichen Hinterlassenschaften uralter Kulturen – immer wieder müssen die Agenten der USO Kopf und Kragen riskieren, um den Frieden in der Milchstraße zu bewahren.

In den immer wieder eingestreuten »ATLAN exklusiv«-Romanen steht dagegen der noch junge Arkonide selbst im Mittelpunkt des Geschehens. Im Jahr 8024. v. Chr. will er Rache an den Mördern seines Vaters nehmen und den ihm rechtmäßig zustehenden Thron des Imperators von Arkon zurückerobern ...

Nr. 100

– ATLAN exklusiv Band 4 –

Der Kristallprinz

Sie kämpfen für Atlan und Arkon – auf Leben und Tod

von K. H. Scheer

Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man das Jahr 10.497 v.A. – eine Zeit, die dem Jahr 9003 v. Chr. entspricht, eine Zeit also, da die Erdbewohner in Barbarei und Primitivität verharren und nichts mehr von den Sternen oder dem großen Erbe des untergegangenen Lemuria wissen.

Arkon hingegen – obzwar im Krieg gegen die Maahks befindlich – steht in voller Blüte. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III., ein brutaler und listiger Mann, der den Tod seines Bruders Gonozal VII. inszeniert hat, um selbst die Herrschaft übernehmen zu können.

Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Mann hat der Imperator von Arkon zu fürchten: Atlan, den rechtmäßigen Thronerben, der kurz nach dem Tode Gonozals zusammen mit Fartuloon, dessen Leibarzt, spurlos verschwand und bei der Allgemeinheit längst als verschollen oder tot gilt.

Der junge Atlan, der immer noch nichts von seiner wirklichen Herkunft ahnt, ist jedoch quicklebendig.

Während die Häscher Orbanaschols auf der Suche nach ihm die Galaxis unsicher machen, unterzieht er sich zusammen mit über dreihundert jungen Kandidaten aus den besten Familien des Reiches einer Prüfung, deren Bestehen für seinen weiteren Lebensweg von äußerster Wichtigkeit ist.

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der junge Arkonide erfährt das Geheimnis seiner Herkunft.

Tirako Gamno – Atlans Examensbruder.

Tschetrum – Wachoffizier der ARGOSSO.

Tormanac – Vorsitzender der »Kleinen Runde« von Largamenia.

Fartuloon

Der Bericht des Wissenden

... elfhundertzweiunddreißigste positronische Notierung, eingespeist im Rafferkodeschlüssel der wahren Imperatoren, gegeben aus Anlass der entscheidenden Phase. Die vor dem Zugriff Unbefugter schützende Hochenergie-Explosivlöschung ist aktiviert.

Es wird kundgegeben:

Atlan wurde zum Zeitpunkt seiner Mannbarkeitsreife, im achtzehnten Lebensjahr und im Jahre 10.497 Arkon-Normal (v.A.), der Kleinen Runde überstellt.

Auf Grund sorgfältiger Überlegungen habe ich mich entschlossen, den Kristallprinzen zum bedeutendsten unter den fünf vorhandenen Prüfungsplaneten zu schicken.

Begründung:

Die Verhaltensweise der Kralasenen-Häscher und ihres Auftraggebers, des amtierenden Imperators Orbanaschol III., lässt den psychologisch fundierten Schluss zu, dass Atlan bereits überall gesucht werden dürfte, vorerst jedoch noch nicht auf der Prüfungswelt Largamenia.

Fraglos werden sich die Nachforschungen der Suchkommandos auch auf die Hauptwelt unter den fünf einzig möglichen Prüfungsplaneten erstrecken, jedoch ist zu hoffen, dass der Kristallprinz Zeit gewinnt. Zeit ist bedeutsam!

Meine letzten Geheimermittlungen haben ergeben, dass die vor vierzehn Jahren Arkonzeit erstellten Individualdaten des damals vierjährigen Kristallprinzen und Imperator-Nachfolgers dem Zugriff der Geheimpolizei und Atlans Onkel, Orbanaschol III., rechtzeitig entzogen wurden. Eine vorschnelle Identifizierung ist daher auch während der schweren Prüfungen auf Largamenia ausgeschlossen.

Tanictrop, leuchtendes Vorbild der arkonidischen Naturwissenschaftler, verschwiegen, geistvoll und von hohem persönlichem Mut erfüllt, wird mich weiterhin unterstützen.

Tanictrops Sohn Macolon – sein Tod ist nur wenigen zuverlässigen Personen bekannt – erfuhr nicht mehr das Glück, geprüft zu werden, um nach Abschluss der Prozedur die begehrte ARK SUMMIA erringen zu können.

Atlan wird Macolons Rolle übernehmen und alle physischen und psychischen Fähigkeiten aufbieten, um die ARK SUMMIA zu gewinnen. Damit wäre die Aktivierung des bei fast jedem gebildeten Arkoniden vorhandenen Extrahirns verbunden; ein unschätzbarer Vorteil für einen kommenden Herrscher!

Atlan wurde über seine tatsächliche Herkunft und über seine zukünftige Bedeutung noch immer nicht informiert. Mein Treueschwur, seinem ermordeten Vater und meinem Herrn gegeben, hinderte mich daran.

Auch wenn dieses Versprechen über Gonozals Tod hinaus oftmals überholt und im Sinne meiner hohen Aufgabe unangebracht erschien – ich habe es nicht gebrochen!

Nunmehr jedoch ist es an der Zeit, den Kristallprinzen aufzuklären.

Sein ungestümes Temperament, sein tiefes Empfinden und sein tiefverwurzelter Hang, die Sicherheit des arkonidischen Sternenreiches jeden anderen Belangen überzuordnen, gebieten mir eine behutsame Unterrichtung.

Es war schwer, den jungen Prinzen in den vergangenen Jahren zu zügeln. Meine Psychomethoden waren zwangsläufig wechselhaft; oftmals dilettantisch anmutend – aber sie erfüllten ihren Zweck. Atlans ständige Fragen nach seiner wahren Herkunft brachten mich oftmals an den Rand der geistigen und körperlichen Erschöpfung.

Er ist unbeugsam gegen sich selbst, klug und aufrichtig. Meine Eröffnung – sie liegt nunmehr ein halbes Arkonjahr zurück –, ihn zur letzten und schwersten Reifeprüfung auf Largamenia anzumelden, versetzte den jungen Mann in einen Freudentaumel.

Anschließend jedoch quälte er mich erneut mit Fragen. Es war sehr schwierig, ihm plausibel zu machen, dass er unter einem Pseudonym aufzutreten, sein Ich vorübergehend zu vergessen und die Person eines anderen Arkoniden darzustellen hätte.

Der Kristallprinz willigte schließlich unter der Bedingung ein, nach Abschluss der Examina vorbehaltlos informiert zu werden. Ich habe meine Einwilligung gegeben. Die Zeit des Schweigens ist vorüber.

Sehr viel schwieriger, nahezu unlösbar, erwies sich die Aufgabe, Macolons Individualdaten mit jenen des Kristallprinzen zu koordinieren.

Wenn es mit den bekannten Techniken möglich gewesen wäre, Atlan mit Macolons Hirnschwingungsimpulsen auszustatten, hätte das Problem ebenso leicht gelöst werden können wie jenes der rein optischen Anpassung.

Da aber entsprechende Versuche kläglich scheiterten, musste ich mich zu dem langen und unbequemen Weg der umgekehrten Vorzeichen entschließen.

Macolon, Offizier der arkonidischen Raumflotte, vor seinem Tode Chef der 34. Lakan im Großverband der Tanterym-Offensivflotte, war bekannt und beliebt. Seine Individualdaten waren selbstverständlich in der zentralen Hauptpositronik der Flotte und in zahlreichen Nebenaggregaten gespeichert.

Es gelang mir und meinen vertrauten Freunden, unter denen zahlreiche einflussreiche Personen zu finden sind, Macolons echte Daten zu löschen und sie unauffällig durch die Daten des Kristallprinzen zu ersetzen. Für viele meiner Verbindungsmänner war es ein Unterfangen auf Leben und Tod; vier Arkoniden wurden von den automatischen Abwehreinrichtungen der zu manipulierenden Robot-Rechengehirne erschossen.

Wir alle haben diesen schmerzlichen Verlust zu tragen, denn es geht darum, den verbrecherischen Imperator Orbanaschol III. zu stürzen.

Ehe dieses Unterfangen eingeleitet werden kann, muss Atlan erwachsen und mit der ARK SUMMIA ausgestattet sein. Ein Imperator ohne paraphysikalisch aktiviertes Extrahirn ist undenkbar.

Es ist bekannt, dass einige Imperatoren der Vergangenheit die Examen nicht bestanden. Wegen ihrer Herkunft und ihrer hohen Verantwortung wurden sie dennoch behandelt. Der Erfolg ist zumeist kläglich!

Ich darf als Facharzt versichern, dass ein Arkonide, der die Prüfungen nicht meistert, zum Empfang der ARK SUMMIA auf keinen Fall geeignet ist. Nun – man hat es im Interesse des Großen Imperiums getan. Es ist nicht meine Aufgabe, über die politisch orientierten Interessen meiner Vorfahren zu richten.

Atlan jedoch sollte bestehen! Ich habe die Voraussetzungen geschaffen. Ich gab ihm das Wissen um viele Dinge; ich vermittelte ihm unauffällig das Erbe seines Vaters.

Nun ist es sogar gelungen, das unmöglich Erscheinende möglich zu machen. Der Kristallprinz des Imperiums, rechtmäßiger Nachfolger des Imperators Gonozal VII., ist auf der Prüfungswelt Largamenia eingetroffen.

Die wissenschaftlichen Examen bestand er mit der von mir erwarteten Mühelosigkeit.

Nun aber beginnt die Prüfungsperiode über den Wert der Persönlichkeit. Hier gelten andere Maßstäbe.

Ich befürworte die Aufgabenstellung, obgleich es im arkonidischen Volk genügend Stimmen gibt, die solcherart Unterfangen als primitiv ablehnen.

Man ist der Auffassung, ein Schwertkampf sei für raumfahrende Arkoniden doch wohl überholt. Dergleichen Auffassungen gibt es viele.

Ich glaube jedoch, dass die körperliche Belastung der Person an sich weder unangebracht noch urzeitlich ist. Auch ich hatte einstmals diese Prüfungen zu bestehen.

Der Begriff über den Mannesmut kann in vielerlei Art ausgelegt werden. Ich jedoch habe erfahren, wie wichtig es ist, Körper und Verstand zu stählen.

Nun bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass sich Atlan wie erwartet verhält. Seine Person bereitet mir keine Sorgen, wohl aber der unergründliche Zufall! Was muss geschehen, wenn er einem Mann begegnet, der Macolon sehr gut kannte; einem Raumfahrer, der unter Umständen zusammen mit Macolon Dinge erlebte, die niemand außer den Beteiligten ahnen kann?

Das ist nur eine der denkbaren Schwierigkeiten. Der Kristallprinz des Imperiums dürfte meines Erachtens nicht so sehr durch die Mannbarkeitsprüfungen als vielmehr durch die Tücke des Zufalls gefährdet werden.

Nun – Atlan ist auf derartige Zwischenfälle vorbereitet. Sein scharfer Verstand wird auch anscheinend ausweglose Situationen meistern können. Das hat Atlan auf der Welt Gortavor häufig bewiesen.

Dennoch erfasse ich klarer denn je, wie schwierig es ist, einem politisch Verfolgten nicht nur Leben und Gesundheit zu erhalten, sondern ihn überdies auf den Weg des ersehnten Erfolges zu führen.

Wie sehr wünschte ich, den jungen Prinzen durch eine Berichterstattung über seine wahre Herkunft und über die Qualitäten seines verehrungswürdigen Vaters unterstützen zu können. Ich darf es nicht – noch nicht!

So wird Atlan den steilen Pfad zu begehen haben. Ich jedoch, ich werde im Hintergrund wachen.

Er muss die ARK SUMMIA gewinnen! Es gibt für uns keine Möglichkeit, die Aktivierung des Extrahirns zu erschwindeln. Es wäre auch sehr schädlich für das Selbstbewusstsein des jungen Mannes.

1.

Er war berauscht! Berauschter, als ich Fartuloon jemals gesehen hatte.

Er gehörte fraglos zu den Besatzungsmitgliedern jenes Flottenverbandes, der vor zwei Sonnenumläufen mit fast ausgebrannten Triebwerken, leergeschossenen Munitionskammern und aufgebrauchten Versorgungsgütern auf Largamenia gelandet war.

Wir hatten von den verlustreichen Gefechten eben jenes Verbandes im Persypty-Sektor gehört.

Er lag tief innerhalb der von den Maahks beherrschten Raumzonen. Es war daher nicht verwunderlich, dass man den Männern einige Freiheiten gewährte, die normalerweise verpönt waren.

Ich betrachtete belustigt, schließlich aber prüfend, den hochgewachsenen Mann. Er wirkte verwildert, ungebärdig.

Die hautenge Bordkombination hätte ihn vorzüglich gekleidet, wenn sie nicht schmutzig gewesen wäre.

»Er verspeist dich mit den Blicken«, meinte mein Freund und Examensbruder Tirako Gamno. »Wir sollten gehen, ehe er seinen noch im Unterbewusstsein schlummernden Entschluss, dich zu beleidigen, in die Tat umsetzt.«

Tirako Gamno, der hochgewachsene, zerbrechlich wirkende Junge seufzte bei meinem Kopfschütteln.

»Das reizt dich wohl, oder?«, fügte er seiner Warnung hinzu. »Typisch! Du wirst die ARK SUMMIA glänzend bestehen, oder durchstehen. Ja – das ist der richtige Begriff für dieses Urarkoniden-Verfahren. Scheußlich! Wollen wir nicht doch gehen, hochgeschätzter Macolon?«

Ich grinste.

Der gute Gamno! Klug, fast übermäßig klug, schöngeistig und mit der Gabe des feinen Spottes ausgestattet – er hatte wieder einmal Angst vor eventuellen Komplikationen.

Es blieb mir unverständlich, warum sein Vater, ein gewiss erfahrener Mann, die Qualitäten seines Sohnes derart falsch einschätzte!

Die Examen des ersten und zweiten Grades hatte Tirako Gamno mit der Gesamtbewertung »hervorragend« bestanden; besser als ich. Das hatte seinem scharfen Verstand und seiner niemals erlöschenden Wissbegierde entsprochen.

Nun aber sollte er in die dritte Stufe gehen. Große Welt von Arkon, wie würde es ihm dabei wohl ergehen?

»Komm doch«, drängte er. »Er ist ein Riese. Noch etwas größer als du, dazu noch wesentlich breiter gebaut. Was reizt dich an seinem ungebührlichen Verhalten?«

»Seine Augen!«, entgegnete ich. »Sie sind zu klar und wach für einen Berauschten. Oh, er kommt schon.«

Die Straße war alt und eng. Die Hauptstadt des Planeten Largamenia, Tiftorum, konnte auf eine siebentausendjährige Geschichte zurückblicken.

Diese Straße gehörte zu einem der vielen historischen Bezirke. Die Beleuchtung war entsprechend schlecht und veraltet, jene der zahlreichen Bewirtungshäuser, Ladengeschäfte und zwielichtigen Gewölbe allerdings nicht. Hier strahlten moderne Lampen in allen Farben des Spektrums.

Der Fremde kam näher. Er war wirklich groß und muskulös. Seine Augen waren jetzt nicht mehr so gut zu erkennen. Er verbarg sie unter halbgeschlossenen Lidern. Ob er sich ihrer verräterischen Klarheit bewusst geworden war?

Fartuloons Lehren hatten sich in mein Gedächtnis eingeprägt.

»Traue nie einem Fremden mit zu unauffälligem oder zu provozierendem Gebaren«, hatte er oftmals gesagt.

»Natürlich kann er keine Offiziere leiden, vielleicht hasst er sie sogar«, versuchte mich Tirako zu überzeugen. »Man kennt schließlich diese Typen. Kampfgewohnte Männer, die auch in der Zivilisation ihre Erziehung vergessen.«

»Ich kenne sie«, behauptete ich, getreu meiner Rolle als Macolon.

Er behielt jedoch recht!

Der Raumsoldat, ein Arbtan in hohem Mannschaftsrang, blieb wankend vor mir stehen. Mehrere Passanten verhielten den Schritt und schauten sich interessiert um. Niemand dachte jedoch daran, uns, den offenbar Bedrängten, zu Hilfe zu eilen. Anwärter für die ARK SUMMIA hatten ihren Kopf selbst in Sicherheit zu bringen. Das war ein ungeschriebenes Gesetz.

Der Arbtan musterte meine saubere Maßuniform. Sie war nach Vorschrift der Institutsverwaltung moosgrün. Beide Schultern wurden von hellroten Streifen überzogen, die sich nahe der Gürtelschnalle trafen.

Tirako griff zur Dienstwaffe.

»Finger weg«, raunte ich ihm zu. »Schweig und beobachte. Du wirst auch diese Erfahrung gebrauchen können.«

Der Raumfahrer umfasste plötzlich meinen linken Oberarm. Sein Gesicht näherte sich meinem.

»Ha, ein Bürschlein aus dem Faehrl, dem Institut für die Söhne der Halbgötter, Begnadeten, Gauner und Drückeberger. Hat der Erhabene schon einmal den Gestank verschmorender Kunststoffe und Männerkörper eingeatmet eh? Hat er das schon, der junge Herr? Nein, sicherlich nicht! Aber rote Streifen auf den Schultern hat er. Fertig für die dritte Prüfung, was? Und dann? Dann wird der Erhabene auf Männer wie mich losgelassen. Ohne taktische Erfahrungen, ohne Gefühl für die Situation, aber mit großem Mundwerk, feinen Manieren und der ARK SUMMIA. Wenn's dann knallt, geht der Erhabene in Deckung. Die Maahks schießen gut, eh? Wenigstens das hat man im Faehrl von Largamenia gelernt. Ich werde dich verprügeln, noch ehe du vielleicht mein Vorgesetzter wirst! Das erspart mir eine harte Bestrafung.«

Er lachte lauthals und umfasste nun auch noch meinen anderen Oberarm.

Ich wollte einen Fartuloonschen Hebelgriff ansetzen, um der Sache ein Ende zu bereiten. Da geschah das, was ich instinktiv erwartet hatte! Seine Augen waren für einen Berauschten wirklich zu klar gewesen!

Ich vernahm geflüsterte Laute.

»Nachricht von Fartuloon. Gefahr! Ein Offizier der ARGOSSO, Tschetrum, ist mit uns angekommen. Er kennt dich gut. Nachricht lesen, Bild betrachten, darauf einstellen. Und jetzt wirf mich!«

Er sprach wieder lauter und rüttelte mich. Es waren Beleidigungen. Ich schüttelte den momentanen Schrecken von mir ab, umfasste ihn blitzschnell und hob ihn mit einem Hebelgriff aus dem Stand.

Er kippte aufschreiend hintenüber und fiel so hart auf den Rücken, dass ich den Atem anhielt. Dann aber bemerkte ich, ein wie guter Kämpfer dieser Soldat war! Er rollte sich geschickt ab, heuchelte jedoch den Verletzten. Stöhnend und fluchend blieb er liegen.

Für mich war es an der Zeit, einige passende Worte auszusprechen.

»Wenn mich nicht alles täuscht, Arbtan, wird in wenigen Minuten eine Flugstreife Ihres Kampfverbandes landen. Ihr Kommandant wünscht sicherlich keinen Streit, oder? Ihre Worte werde ich vergessen, denn sie treffen mich nicht. Ich bin Macolon, letzter Kommandeur der vierunddreißigsten Lakan im Tanterym-Verband. Ich habe schon verbrannte Materialien gerochen! Sie sollten gehen.«

Er wurde sehr schnell nüchtern. Noch schneller stand er auf den Beinen. Die Zuschauer entfernten sich schleunigst. Weiter drüben, unter einem düsterrot beleuchteten Gewölbe, begann ein hagerer Mann zu lachen. Er hielt eine schwere Schockwaffe, letzte Flottenausführung, in der Armbeuge.

»Morenth ist mein Name, wenn Sie gestatten, Erhabener. Ich hatte mir vorgenommen, Sie notfalls zu unterstützen. Wer konnte ahnen, dass der Arbtan einem solchen Irrtum unterlag.«

Der Hagere verneigte sich und legte grüßend die Rechte an die Stirn.

»Vorsicht«, raunte der Soldat. »Ich verschwinde. Ich bin Ihr Diener.«

Er drehte sich um und rannte davon. Der Hagere lachte wieder. Die Trichtermündung seiner Schockwaffe wies gegen den Boden.

Ich musterte ihn argwöhnisch. Wieso war er so schnell erschienen? War er ein Verbindungsmann der Kralasenen, oder gar ein autorisierter Agent der politischen Geheimpolizei von Arkon?

Wenn es so war, dann war jetzt eine Einladung fällig! In der Tat – sie wurde bereits ausgesprochen.

»Würden Sie mir die Ehre erweisen, Erhabener, diese Gewölbe als mein willkommener Gast zu besuchen? Ich habe Raritäten aus allen Teilen der Galaxis anzubieten.«

»Und berauschende Getränke, die disziplinierte Männer zu Narren machen«, meldete sich Tirako Gamno. »Kam der Arbtan nicht aus diesem Tor? Oder sollte ich mich irren?«

Morenth lachte schon wieder. Ich empfand es als unangenehm.

»Sie irren sich nicht. Ich folgte ihm, da ich Unannehmlichkeiten erwartete. Übrigens ...«, er deutete auf den Schockstrahler, »... dafür besitze ich eine Lizenz.«

»Ein galaktischer Gauner«, stellte Tirako leise fest. »Du willst doch nicht etwa die Einladung annehmen?«

»Doch!«

»Verrückt«, erklärte Tirako. »Welcher Ungeist hat mich bewogen, dich in diese Abgründe zu begleiten?«

Ich antwortete nicht und dachte an andere Dinge. Sie waren wichtiger.

Der Arbtan war aus dem Gewölbe gekommen. Dessen Inhaber war zum rechten Augenblick erschienen. Er hatte sehr schnell die Einladung ausgesprochen. Grundlos, wie mir schien.

Dennoch musste er einen Grund gehabt haben! Wollte man mich testen? Wartete dort unten jener Offizier, vor dem man mich offenbar in letzter Sekunde gewarnt hatte? Oder würde er nur sofort benachrichtigt werden, um an Ort und Stelle eine unverfängliche Identifizierung meiner Person, also Macolons Person, vornehmen zu können? Woher aber konnte der Hagere gewusst haben, dass ich ausgerechnet heute dieses Stadtviertel besuchen würde? Besaß man im Institut eine gut funktionierende Nachrichtenquelle? Das wäre eine Möglichkeit gewesen?

Jedenfalls konnte ich mich nicht um die Klärung der anscheinend längst angelaufenen Geschehnisse herumdrücken. Ich musste der Einladung folgen!

Beruhigend war dabei die Gewissheit, dass man wohl alle Kandidaten für die dritte Stufe überprüfen würde.

Wieder peinigte mich die Frage, warum man ausgerechnet nach mir, Atlan, suchte. Wer war ich wirklich? Woher kam ich? Meine Erinnerungen aus frühester Kindheit waren vage. Fartuloon jedoch schwieg.

»Plattfüße soll er kriegen!«, sprach ich, innerlich wütend werdend, vor mich hin.

»Wer, der Inhaber des roten Gewölbes?«, lachte Tirako in Verkennung der Sachlage. »Schäme dich, Freund. Ein Zögling des Faehrl, ein echter Hertaso sollte derartige Verwünschungen niemals aussprechen. Bei den schimmernden Dreieckswelten von Arkon – wohin hat es mich verschlagen!«

Ich betrachtete ihn von oben bis unten. Tirako grinste – tatsächlich, er grinste! Mein schöngeistiger Freund wurde übermütig. Dabei fiel mir ein, dass er im Augenblick der Gefahr sogar zur Dienstwaffe greifen wollte.

»Hättest du geschossen?«, erkundigte ich mich interessiert. »Auf einen verdienten Arbtan der arkonidischen Raumflotte? Hättest du es getan?«

Er wehrte den Verdacht mit einer hoheitsvollen Handbewegung von sich ab.

»Wo denkst du hin! Niemals! Ich erblickte jedoch den Bewaffneten unter dem Gewölbe. Vielleicht wäre er jetzt schon tot, wenn ich nicht den harmlosen Schockstrahler erkannt hätte. Ich wäre natürlich untröstlich gewesen.«

Morenth lachte plötzlich nicht mehr. Verblüfft schaute er auf Tirakos Luccot, einen Hochenergie-Impulsstrahler. Die Halteschlaufe über dem Griffstück war gelöst worden. Sie baumelte am Waffenetui entlang nach unten.

2.

Die Gewölbe des Morenth waren groß und unergründlich tief. Hier konnte man vielerlei Dinge erwerben und Genüsse aller Art heimlich auskosten. Kolonialarkoniden von Morenths Art waren gleichermaßen beliebt und verhasst. Das kam ganz darauf an, ob man sie benötigte oder nicht.

Seit dem Zwischenfall mit dem Arbtan waren erst wenige Minuten vergangen. Draußen war das militärische Ordnungskommando der Flotte erschienen. Es war erstaunlich, wie schnell diese Männer allen möglichen Verfehlungen nachgingen.

Jedenfalls wurden wir von dem Wachoffizier nicht gestört! Unser fragwürdiger Gastgeber hatte sich eilfertig erboten, die »Angelegenheit« in Ordnung zu bringen. Mir war es recht, bot er mir doch damit Gelegenheit, mich für einige Augenblicke zurückzuziehen.

Ich erhob mich von den atmungsaktiven Polstern. Sie standen in einer Art Nische.

Ich entschuldigte mich bei Tirako Gamno und den beiden Mädchen, die man uns geschickt hatte.

»Ich komme sofort zurück. Meine Hand schmerzt etwas. Gibt es in den Erfrischungsräumen Desinfektionsmittel?«

Tirako runzelte verwundert die Stirn. Der Kratzer auf meinem rechten Handrücken rechtfertigte kaum eine Behandlung. Ein Mädchen wies mir den Weg. Ja, es gab dort solche Mittel. Ich ging.

Die Gasträume der Gewölbe waren überfüllt. Die Raumsoldaten des gelandeten Verbandes waren laut und übermütig. Ich konnte sie verstehen! Sie hatten über vier Monate lang in vorderster Front des Maahkgebietes gestanden.

Ich erreichte die Erfrischungsräume, schickte einen dienstbeflissenen Roboter fort und schloss mich ein.

Die schnelle Untersuchung der Kabine verlief negativ. Es schien keine Fernbeobachtung zu geben.

Ich öffnete die kleine Spule, die mir der Arbtan unauffällig in die Hand gedrückt hatte. Eine hauchdünne Folie war gut leserlich beschriftet. Die Nachricht stammte einwandfrei von Fartuloon.

Zuerst entfaltete ich die Fotografie. Sie war farbig, dreidimensional und zeigte den gleichen Mann in drei verschiedenartigen Positionen.

Er war mittelgroß, besaß alltägliche Gesichtszüge und keinerlei besondere Merkmale. Ich prägte mir die Details ein. Ich musste ihn kennen!

Fartuloons Nachricht war inhaltsschwer.

»Tschetrum, Zweiter Wachoffizier der ARGOSSO, vier Wochen lang persönlicher Begleiter des Macolon, soeben auf Largamenia eingetroffen. Meine Information stammt aus dem Raumhafenrechner, dem die Besatzungslisten des Aufrüstungsverbandes überspielt wurden. Meine Anfrage an Tanictrop wurde von ihm bestätigt. Ermittlungen erfolgten. Daher Warnung in letzter Sekunde. Wir brauchten Zeit. Vorsicht bei Kontaktaufnahmen. Tschetrum flog zusammen mit Macolon einen Sondereinsatz. Folgende Daten sind zu beachten ...«

Ich las die Nachricht zweimal aufmerksam durch. Fartuloon hatte großartig gearbeitet. Es war mir nach wie vor rätselhaft, wie er zu derartigen Verbindungen kam und wer seine zahlreichen Geheimdepots erbaut und finanziert hatte. Jemand, der weit in die Zukunft schauen konnte, musste eingegriffen haben.

Wer aber war dieser jemand? Mein wirklicher Vater? Politisch interessierte Machtgruppen?

Es gab viele Möglichkeiten. Tausendmal hatte ich sie überdacht, gewissermaßen seziert, doch dabei waren mir stets neue Details eingefallen. Ohne Unterrichtung kam ich nicht weiter.

Nunmehr schien aber auch Fartuloon etwas aus seiner Reserve herauszugehen. Er warnte, gab exakte Details und verriet mir damit offenkundig, über welche Möglichkeiten er verfügte.

Wahrscheinlich befand er sich ebenfalls auf Largamenia. Sicher hatte ich auch nicht immer »Atlan« geheißen, denn unter diesem Namen war ich bei Fartuloon aufgewachsen.

Wenn man mich aber suchte; wenn derart mächtige Staatsorganisationen wie die offizielle Politische Polizei und sogar die Kralasenen nach mir forschten, so musste ich zur Zeit meiner Geburt einen anderen Namen getragen haben!

Fartuloon wäre gewiss nicht närrisch genug gewesen, mich überall mit »Atlan« anzusprechen. Das wäre wohl die primitivste Art für einen sofortigen Verrat gewesen.

Ich gab die Grübeleien auf und vernichtete weisungsgemäß die Nachrichtenspule. Sie verglühte mit heller Flamme in einem Waschbecken. Ich beseitigte die letzten Spuren, sprühte etwas Verbandsfilm über den Handrücken und begab mich zu Tirako zurück.

Er warf mir einen sinnenden Blick zu. Als er meine Hand sah, lächelte er kaum merklich. Sonst sprach er kein Wort. Natürlich war diesem Jungen meine Ausrede aufgefallen.

Unser Gastgeber näherte sich. Er lachte schon wieder und meinte:

»Der Fall ist erledigt, Erhabener. Der Wachoffizier gab sich mit meinen Erklärungen zufrieden. Einen Strafantrag wegen Beleidigung wollten Sie ja wohl nicht stellen?«

Ich winkte ab.

»Unsinn. Er war berauscht. Morgen wird er anders denken. Was nun, Gebieter über die roten Gewölbe?«

»Lassen Sie sich überraschen, Erhabener. Meine Köche kommen aus vielen Teilen der Galaxis und nicht nur von arkonidischen Planeten. Ich werde Ihnen ...«

Er unterbrach sich, da er meinen forschenden Blick bemerkt hatte. Betont rücksichtsvoll trat er zur Seite, konnte es jedoch nicht unterlassen, meinem Blick zu folgen.

Da war der Offizier. Das war genau der Mann, den ich kurz zuvor auf den Bildern gesehen hatte.

Er hatte soeben die Gewölbe betreten, sah sich unsicher um und schien nicht zu wissen, an wen er sich zu wenden hatte.

In dem Augenblick ahnte ich, dass der ehemalige Zweite Wachoffizier der ARGOSSO in ein Spiel eingereiht worden war, dessen Regeln er nicht kannte. Er war Mittel zum Zweck.

Man musste ihn benachrichtigt und zum Aufsuchen der Gewölbe aufgefordert haben.

Mit seinem Erscheinen begann mein gewagtes Spiel.

Ich stand abrupt auf, erhob winkend die Hand und rief quer durch die Gewölbe: »Tschetrum, eh, alter Freund, was führt dich hierher?«

Er gewahrte mich sofort. Jetzt kam die entscheidende Sekunde!

Morenth lächelte betont uninteressiert und wich noch weiter zur Seite. Natürlich – er wollte für die drei schweigsamen Männer, die mir bereits aufgefallen waren, für den Fall der Fälle das Schussfeld freimachen.

Sie waren bewaffnet. Ich hatte es längst bemerkt! Unter ihren weiten Umhängen, die sie als reisende Händler auswiesen, trugen sie kurzläufige Waffen. Wahrscheinlich moderne Luccots.

Ich beachtete sie nicht und rief nochmals Tschetrums Namen. Ich lachte wie ein Mann, der sich freut, nach langer Zeit einen alten Bekannten wiederzusehen.

Der Offizier zögerte nur eine Sekunde, starrte mich fragend an, doch schon begann er zu lächeln. Er hielt mich für Macolon. Ich hatte gewonnen.

Die drei angeblichen Händler zogen sich unauffällig zurück. Sie blieben jedoch in Hörweite.

Augenblicke später umarmte ich den Uniformierten, nannte erneut seinen Namen und stellt ihm Tirako Gamno vor.

»... und das ist Tschetrum, Examensbruder, mein ehemaliger Zweiter Wachoffizier auf der alten ARGOSSO. Wir haben zusammen einen Zweimann-Einsatz geflogen, von dem ich dir berichten muss. Nimm Platz, Tschetrum! Was macht die Beinwunde? Gut verheilt?«

Tschetrum war zu sehr überrascht, um kleine Unregelmäßigkeiten in meinem biochirurgisch angepassten Gesicht bemerken zu können. Für ihn war ich Macolon! Dann nannte er endlich diesen Namen.

Als Folge davon zog sich der hagere Gewölbeinhaber endgültig zurück. Vorher meinte er noch verbindlich:

»Wenn man alte Freunde und Kampfgefährten trifft, gibt es viel zu erzählen, Erhabener. Erlauben Sie mir, mich in einiger Zeit nach Ihren Wünschen erkundigen zu dürfen.«

Er ging! Ich atmete auf.

Tirako, dieser plötzlich so ungemein scharfe Beobachter, runzelte wieder die Stirn. Unauffällig schaute er zu den drei Unbekannten hinüber. Sie folgten dem Wirt.

Auch das wurde von meinem Freund registriert. Er warf mir einen eigentümlichen Blick zu, schwieg aber.

Ich unterhielt mich zwei Stunden lang mit dem so plötzlich aufgetauchten Offizier. Er trank zuviel, redete sich in Begeisterung und kam keine Sekunde lang auf die Idee, ich könnte nicht sein ehemaliger Kommandant sein.

Die fremden Männer waren verschwunden. Ich war offenbar identifiziert worden.

Kurz nach der dritten Morgenstunde drängte Tirako zum Aufbruch. Er schien meine übermütig gewordene Stimmung zu fürchten. Morenth war neuerdings ständig in der Nähe. Ihm entging kein Detail über Dinge, die tatsächlich nur Macolon und Tschetrum wissen konnten.

Tirako zupfte an meinem Ärmel.

»Es wird Zeit, großer Anwärter auf die schönste Zierde eines Arkoniden. Morgen beginnen die Einsatzunterrichtungen. Wenn man annimmt, dass man sich solche Dinge mit möglichst klarem Kopf anhören sollte, so wäre es nun angebracht ...«

Tschetrum lachte schallend und unterbrach Tirako.

»Ho, wenn Sie wüssten, was Macolon vertragen kann, würden Sie nicht so drängen. Damals auf Arbtzuk, einer gnadenlosen Welt, sah es noch viel schlimmer aus.«

Meine Besonnenheit kehrte schlagartig zurück. Arbtzuk ...? Den Planetennamen hatte ich nie gehört. Auch ein Mann wie Fartuloon schien nicht allwissend zu sein. Was hatte Tschetrum zusammen mit Macolon auf dieser Welt erlebt?

Ich bog das verfängliche Gespräch ab. Nur Minuten später brachen wir auf. Dabei flüsterte mir Tschetrum beunruhigt zu:

»Hast du eine Ahnung, weshalb ich hierher befohlen wurde? Warum hat man mir nicht gesagt, dass ich dich hier finden würde? Dann wäre die Sache klar gewesen.«

Ich musste schon wieder schalten.

»Vergiss es! Ich habe gewisse Beziehungen spielen lassen. Natürlich wusste ich, dass du mit dem Aufrüstungsverband angekommen bist. Aber kein Wort darüber!«

»Ich werde mich hüten«, lachte er unterdrückt. »Mein Urlaub war bereits gestrichen. Gut, vielen Dank. Ich nehme also weiterhin an, mein verehrter Kommandant hätte sich meiner erbarmt und mich in die Gewölbe der Roten Straße entlassen.«

Die Information war wichtig. Er war also vom Befehlshaber seines Kampfschiffes abkommandiert worden. Für Fartuloon musste das interessant sein.

Wir verabschiedeten uns zur vierten Stunde. Tschetrum verschwand mit einem Sammelgleiter für Urlauber; wir forderten einen Luftgleiter an.

»Ein möglichst altes und langsames Modell«, bat ich mit schwerer Zunge. »Ich möchte nochmals den Lichterglanz von Tiftorum genießen, ehe man mich kocht, brät und vielleicht auseinandernimmt.«

Morenth hatte es plötzlich eilig. Seine Aufgabe schien erledigt zu sein. Eine Bezahlung für seine Dienste lehnte er mit dem Hinweis ab, er stünde in meiner Schuld. Schließlich wäre es seine Pflicht gewesen, den berauschten Raumfahrer rechtzeitig zur Vernunft zu bringen.

Wir gingen. Die uralten Treppen waren steil und ausgetreten. Nebenan lief jedoch das Aggregat eines Antigravitationslifts.

Der Gleiter wartete bereits. Er war wirklich alt, aber schon robotgesteuert. Tirako Gamno tippte die Zieladresse in die Selbststeuerautomatik.

Die Maschine hob ab.

Ich fragte mich, wieso der Arbtan noch rechtzeitig in den Gewölben eingetroffen war, um mich warnen zu können. Wohlgemerkt: in den richtigen Gewölben!

Ich gab das Nachgrübeln vorerst auf, beschloss aber, diesen Fall irgendwann zu klären. Wahrscheinlich hatte Fartuloon seine Hände im Spiel gehabt.

»Es wird bald hell«, unterbrach Tirako Gamno meine Gedanken. »Siehst du am Horizont die strahlenden Energiekuppeln?«

Ja, ich hatte sie längst erblickt. Das waren typische Prüfungsgebiete zur Erringung der dritten Stufe, der ARK SUMMIA.

Auf dem Planeten Largamenia konnten vielfältige Fremdweltverhältnisse mit Hilfe der Technik simuliert werden. Unter jeder Energiekuppel befand sich eine andere Landschaft, eiskalte und glühheiße, giftgasgefüllte und solche mit überhohen Schwerkraftverhältnissen.

Von einem Hertaso, einem Anwärter auf die hohe Würde, wurde viel verlangt. Er musste sich überall behaupten können.

Die erforderlichen Schutzanzüge und Ausrüstungen wurden selbstverständlich zur Verfügung gestellt. Nicht einmal die Herren der Kleinen Runde, Mitglieder der Prüfungskommission, konnten einen Mann ungeschützt in eine Wasserstoff-Ammoniak-Atmosphäre entlassen.

Mit entsprechenden Schutzvorrichtungen allein war es nicht getan. Man musste sie zweckentsprechend und unter planvoll herbeigeführten Notsituationen zu beherrschen wissen.

Die Durchfallquote war extrem hoch. Es war daher nicht verwunderlich, dass sich von über fünfunddreißigtausend Anwärtern für die erste und zweite Examensstufe nur knapp achthundert für die dritte Prozedur gemeldet hatten. Viele davon hatten es nur unter dem Zwang ihrer ehrgeizigen Familien getan.

Von den Anwärtern waren jedoch nach den medizinischen Untersuchungen und anderen Eignungsprüfungen nur noch dreihundertzweiundvierzig Anwärter übriggeblieben.

Wie viele von ihnen würden wohl bestehen?

Es war, als hätte Tirako Gamno meine Gedanken gelesen. Er meinte unvermittelt:

»Ich nicht!«

»Was?«

»Ich schaffe es nicht! Ich werde schon unter dem Druck von nur zwei Gravitationseinheiten zerbrechen.«

»Unsinn, Freund. Du bist stärker, als du denkst.«

»Geistig zerbrechen, meine ich. Ich kann nicht begreifen oder gar würdigen, warum man einen jungen Arkoniden quälen muss, nur um den Anschein der Berechtigung zu haben, ihm die ARK SUMMIA zu gewähren oder zu verweigern. Wie viele geniale Männer unseres Volkes hätten die Aktivierung verdient gehabt; aber sie hielten es körperlich nicht durch.«

Ich drehte mich in dem engen Sitz um und schaute ihn prüfend an.

»Das sind revolutionäre Ansichten, Freund.«

Er lächelte und blickte starr geradeaus; dorthin, wo die Energiekuppeln den Horizont wie flüssige Glut erleuchteten.

»Reden wir nicht mehr davon. Vergiss es, Macolon. Du bist übrigens sehr nervös geworden, als Tschetrum den Planeten Arbtzuk erwähnte. Man könnte auf die Idee kommen, du wärest niemals dort gewesen.«

Ich verwünschte innerlich seine scharfe Beobachtungsgabe.

*

... elfhundertvierunddreißigste positronische Notierung, eingespeist im Rafferkodeschlüssel der wahren Imperatoren, gegeben aus Anlass der zweiten entscheidenden Phase.

Die Hochenergie-Explosivlöschung ist wiederum aktiviert worden. Eine unbefugte Abberufung meiner Notizen ist ausgeschlossen.

Es wird kundgegeben:

In der vergangenen Nachtperiode des Prüfungsplaneten Largamenia hatte der Kristallprinz des arkonidischen Sternenreiches, Atlan, die erste aus seiner Identitätsänderung resultierende Hürde zu überwinden.

Ein Offizier des Schweren Kreuzers ARGOSSO, Tschetrum, ist unverhofft auf Largamenia erschienen. Dies geschah infolge seiner Versetzung zum neunhundertvierten Stoßverband unter Admiral Genomarp.

Durch Atlans Gefährdung während der Prüfungsperioden ist es meine wichtigste Aufgabe, ankommende Raumfahrer, die unter Umständen mit Macolon in engem Kontakt gestanden haben könnten, zu überprüfen. Die Maßnahme erwies sich als richtig!

Tschetrum wurde entdeckt. Seine Erlebnisse mit Macolon konnten so weit rekonstruiert werden, dass Atlan zumindest eine wichtige Phase der gemeinsamen Einsätze rechtzeitig studieren konnte.

Ein Arbtan namens Unkehtzu – er gehört zu meinen langjährigen Vertrauten innerhalb der arkonidischen Flotte – gab den entscheidenden Hinweis auf den ehemaligen Zweiten Wachoffizier der ARGOSSO. Unkehtzu wurde für eine spätere Belohnung vorgemerkt.

Mir ist bekanntgeworden, dass der Kristallprinz einen Besuch der alten Stadtzentren von Tiftorum beabsichtigte. Dort drohte Gefahr!

In der psychologisch fundierten Erwartung, dass Atlan die berühmte Straße der Roten Gewölbe aufsuchen würde, wurde der Arbtan mit entsprechender Nachricht in Marsch gesetzt. Den wichtigsten und wahrscheinlich entscheidendsten Punkt in meinen Berechnungen stellte der Gewölbeinhaber Morenth dar. Er ist ein Verbindungsmann des Blinden Sofgart.

Wenn Atlan überhaupt mit Tschetrum konfrontiert werden sollte, so nur dort! Der Arbtan erhielt die Anweisung, eventuellen Maßnahmen des Gewölbeinhabers zuvorzukommen, Atlans erwartete Ankunft zu beobachten und sofort mit Atlan in Verbindung zu treten.

Es gelang. Meine Berechnungen waren richtig. Atlan konnte rechtzeitig gewarnt und über Tschetrum informiert werden. Das gewagte Psychospiel besaß eine Reihe von unbekannten Faktoren.

So war Morenth tatsächlich auf eine Identitätsüberprüfung nicht nur vorbereitet, sondern sogar mit entsprechenden Hilfsmitteln darauf eingestellt. Der Arbtan kam ihm um wenige Augenblicke zuvor. Andernfalls wäre Atlan mit anderen Begründungen in die Gewölbe gelockt worden.

Entscheidend für mein gelungenes Unternehmen ist die Frage, ob Morenth und andere Mittelsmänner des Blinden Sofgart einen besonderen Grund für Atlans spezielle Überprüfung besaßen.

Nunmehr, nach überstandener Gefahr, haben meine Freunde ermitteln können, dass alle Absolventen der dritten Stufe, der ARK SUMMIA, eigentümliche Erlebnisse hatten. Das ist beruhigend zu wissen.

Atlan war kein außergewöhnlicher Fall, sondern einer von dreihundertzweiundvierzig. Daraus geht eindeutig hervor, dass Orbanaschols Häscher im Dunkeln tappen. Neueste Nachrichten von den vier anderen Prüfungswelten besagen, dass auch dort die Anwärter sehr genau durchleuchtet werden. Man sucht den Kristallprinzen des Großen Imperiums! Man weiß, dass er nun seine Reifeprüfung bestehen muss.

Wenn meine und Atlans Gegner von der Voraussetzung ausgehen, dass Atlan noch lebt und mit Hilfe einflussreicher Freunde versuchen wird, die Würde des Imperators von Arkon für sich zu gewinnen, so ist die ARK SUMMIA nicht nur ein deutlicher Hinweis, sondern schlichtweg der Schlüsselpunkt.

Wenn Atlan überhaupt entdeckt werden kann, dann nur zu dieser Zeit! Selbstverständlich ist dem verbrecherischen Imperator klar, dass der Prinz nach seiner erfolgten Extrahirnaktivierung gefährlich werden kann.

3.

Drei Offiziere der Faehrl-Kommission hatten mich zum Schauplatz der ersten Prüfung begleitet. Sie wurden von zwei Registratur-Robotern überwacht. Die Offiziere, hochqualifizierte Wissenschaftler und Techniker mit Raumerfahrung, waren höflich und korrekt. Das war alles, was ich von ihnen erwarten durfte.

Der kleinste Hinweis auf eine Lösungsmöglichkeit der vor mir liegenden Aufgabe hätte ihnen schwere Strafen und mir den sofortigen Ausschluss beschert. Es war daher zwecklos, verfängliche Fragen zu stellen.

Die Roboter kontrollierten nochmals den Identifizierungsstreifen über meinem linken Handgelenk. Er war fest mit dem Gewebe verbunden und unzerreißbar. Selbst ein Unfall, der zu einer Verstümmelung meines Körpers geführt hätte, wäre von diesem Impulsband unbeschadet überstanden worden.

Der Robot gab das violette Farbzeichen.

»Identifiziert, frei für Position eins«, erklärte einer der Offiziere. »Hertaso Macolon, treten Sie bitte vor.«

Ich ging nach vorn und stellte mich vor den drei Männern auf. Der örtliche Prüfungsleiter musterte mich intensiv.

»Fühlen Sie sich geistig und körperlich gesund genug, um die vor Ihnen liegende Aufgabe bewältigen zu können?«

»Ja, Erhabener.«

»Gut. Trotz eingehender Unterrichtung in den Lehrsälen des Faehrl ist es meine traditionelle Pflicht, Sie nochmals zu warnen. Sie riskieren Ihre körperliche und geistige Gesundheit. Ist Ihnen das angesichts des Startplatzes bewusst?«

»Ja, Erhabener.«

»Sie werden allein auf sich gestellt sein, Hertaso Macolon. Ihr geschulter Verstand wird Ihnen bereits geboten haben, mit wachen Sinnen zu handeln und Ihre physischen Reserven nicht vorschnell in Anspruch zu nehmen. Sie wissen mit einem primitiven Boot umzugehen?«

Ich warf einen Blick zu dem Kahn hinüber. Er bestand nicht einmal aus Kunststoff, sondern aus Holz. Außer zwei einhängbaren Rudern, einem kräftigen Stechpaddel und einer starken, übermannshohen Stange waren keine Ausrüstungsgegenstände zu entdecken.

Allerdings, das war mir aufgefallen, war nicht gesagt worden, ich hätte diesen Ort mit dem Boot zu erreichen. Das war einer jener Hinweise, die ein Absolvent der ARK SUMMIA zu erkennen hatte. War er dazu nicht fähig, nützten ihm körperliche Kräfte und Geschicklichkeit wenig.

Jeder Hertaso wusste aus zahlreichen Unterrichtungen, dass nicht nur Mut und Behändigkeit geprüft wurden. Es kam darauf an, die gestellten Aufgaben mit allen anderen Faktoren zu koordinieren.

So konnte es möglich sein, dass ein unlösbar erscheinendes Problem durch das rechtzeitige Erkennen anderer Umstände leicht bewältigt werden konnte.

Die Grundregel lautete:

»Vergiss nie, Verstand und Scharfsinn zu befragen! Extremsituationen in kommenden Einsätzen aller Art sind nur dann hoffnungslos, wenn ausschließlich Muskelkraft und erlernte Primitivtricks eingesetzt werden.«

Ich dachte nicht daran, die vor mir liegenden Prüfungen in dieser Art bestehen zu wollen. Es musste bessere Möglichkeiten geben.

Das Boot war ein Faktor – gewiss. Das Ziel hatte ich ebenfalls zu erreichen. Wie das jedoch geschah, war nicht eindeutig festgelegt worden.

Der örtliche Prüfungsleiter verlas nochmals die Regeln. Er endete mit den Worten:

»Sie haben Zeit bis Sonnenuntergang. Der atmosphärische Druck und Sauerstoffgehalt liegen fünfunddreißig Prozent unter der Norm. Körperliche Anstrengungen zehren schnell an Ihren Reserven. Sie können auftauchenden Hindernissen und Gefahren mit allen Mitteln begegnen, die Ihnen geeignet erscheinen. Lebewesen aller Art dürfen bekämpft werden. Sie haben so zu handeln, wie Sie im Falle einer Notlandung auf einer fremden Welt zu handeln hätten – also im Interesse des Großen Imperiums. Rücksichtnahme, Mitleid, Zurückhaltung sind unangebracht. Hier wird der Fall einer ungewollten Landung im Feindgebiet simuliert. Sie sind unbewaffnet und lediglich mit einer normalen Bordkombination bekleidet. Ihr Ziel ist ein Geheimdepot der Flotte. Sie müssen es erreichen, oder Sie wären im Ernstfall verloren.«

»Ich habe verstanden, Erhabener.«

»Das wird von Ihnen erwartet. Ihr Leben und Ihre Gesundheit sind zweitrangig. Das von Ihnen zu erreichende Depot dient nicht nur zur Erhaltung Ihrer Person, sondern in erster Linie zur strategisch wichtigen Nachrichtenübermittlung. Die im Raum stehenden Flotteneinheiten sind auf Ihre Informationen angewiesen. Handeln Sie entsprechend.«

»Mein Leben für Arkon, Erhabener.«

Damit waren die vorgeschriebenen Formalitäten beendet. Die wenigen Hinweise hatten mir alles verraten. Ich hatte so zu handeln, wie ich auch auf einer vom Gegner besetzten Fremdwelt hätte handeln müssen.

Das bedeutete jedoch nicht, dass ich Gewaltlösungen aller Art den Vorzug zu geben hatte! Die Prüfungen der dritten Stufe waren vielschichtig. Natürlich wollte man auch unter anderem wissen, wie ein angehender Flottenoffizier seinen trainierten Körper einzusetzen vermochte.

Viel wichtiger jedoch war die Frage, wie er seinen Verstand gebrauchte.

Wir wussten infolge der langjährigen Kampfhandlungen mit den Maahks, dass es oftmals besser war, mit neutralen Fremdvölkern zu verhandeln, als sie mit Waffengewalt zu fragwürdigen Freunden zu machen.

Man sagte den Arkoniden nach, sie wären Eroberer; hart und unnachsichtig. Das war berechtigt! Wir zögerten nicht lange, wenn es um den Preis des Erfolges ging. Andere Völker verhielten sich anders, aber das rigorose Vorgehen entsprach nun einmal der arkonidischen Mentalität. Dennoch konnten wir auch geschickte Psychologen sein.

Natürlich legte die Kleine Runde, die oberste Prüfungskommission, größten Wert darauf, einen ARK SUMMIA-Bewerber nach Richtlinien zu prüfen, die nicht jeder arkonidische Flottenkommandeur und Politiker zu handhaben verstand. Es war neuerdings ein erstrebenswertes Ziel für Führungskräfte aller Fachrichtungen, die Fremdpsychologie zu beherrschen.

Weiter vorn, nahe der steil aufragenden Felswand, startete der große Transportgleiter. Mit ihm verschwanden nicht nur die drei Offiziere sondern auch die beiden Kontrollroboter.

Dem Augenschein nach war ich nun allein; allein in der künstlich veränderten Umwelt einer Energieschirmkuppel von beachtlichen Ausmaßen.

Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre war noch ausreichend. Auch der Luftdruck bereitete mir jetzt, im Ruhestadium, keinerlei Schwierigkeiten. Das musste sich bei körperlichen Belastungen schnell ändern.

Als schwerwiegender erwiesen sich Hitze und Luftfeuchtigkeit. Sie betrug etwas über sechsundneunzig Prozent.

Ich schaute mich prüfend um. Der so genannte Startplatz war sorgsam ausgesucht worden. Er lag in einem Gebirgskessel, ringsum umgeben von schroffen, steil aufragenden Felswänden. Es wäre närrisch gewesen, sie erklimmen zu wollen.

Also blieb nur das Boot!

Es lag am Ufer eines Bergsees, der von den Steilwänden ebenfalls umschlossen wurde. Nördlich von meinem Standort rauschte ein Wasserfall in die Tiefe. Das war der Gebirgsfluss, der in entgegengesetzter Richtung und nach Durchquerung des Gewässers seinen Abfluss fand.

Dort öffnete sich eine schmale Schlucht, in die sich das Wasser ergoss. Dort begannen auch die Schwierigkeiten!

Die Felsöffnung war für die abströmenden Wassermassen zu eng. Die Folge davon war ein Stau, der zur heftigen, brandungsähnlichen Strudelbildung führte.

Ich schaute nochmals zu dem glasiert wirkenden Landungsplatz der Transportgleiter hinüber. Wahrscheinlich waren dort schon viele Hertasonen ausgestiegen, um in den ungewissen Weg des Abenteuers geschickt zu werden.

Die Frage, ob ich durch versteckt angebrachte Beobachtungsgeräte ständig überwacht wurde, war mir augenblicklich gleichgültig. Mir konnte und durfte niemand helfen.

Jedes Fehlverhalten wurde mit Minuspunkten geahndet. Robot-Rechengehirne besorgten die Auswertung. Ich wusste, dass die Verhaltensweisen der Prüflinge nach mathematisch-logischen Richtlinien berechnet wurden.

Das war ein Trost! Wenigstens war man nicht auf die Stimmung oder gar Gunst von so genannten Unparteiischen angewiesen.

Ich sog prüfend die Luft ein. Es roch überwiegend modrig. Jenseits der Abflussschlucht schien sich das Gelände zu erweitern. Ich rechnete mit Dschungelwäldern von mir unbekannter Natur und Größenordnung.

Der Hinweis auf »vielleicht erscheinende Lebewesen« fiel mir ein. In diesem Zusammenhang musste ich an meinen Freund Tirako Gamno denken. Er war einige Stunden vor mir zur ersten Prüfung abgeholt worden.

Wie mochte es ihm ergangen sein? Ich wusste nicht, ob alle Hertasonen an diesem Ort gestanden hatten; ob jeder von uns zuerst diese eigentümliche Flussfahrt zu überstehen hatte.

Da jedoch stets von absoluter Gleichheit der Chancen die Rede gewesen war, nahm ich als gegeben an, dass auch Tirako genau an dieser Stelle in den trüben Dunst gestarrt und sich tausend Fragen gestellt hatte. Unter Umständen lag er weiter flussabwärts zu Tode erschöpft an einem Felsufer und wartete auf Hilfe.

Hilfe ...! Wie sah es damit aus! Was unternahm die Kleine Runde bei Unglücksfällen? Was hatte man beschlossen, um versagenden Prüflingen Gesundheit und Leben zu erhalten? Überließ man sie wirklich einem ungewissen Schicksal? Dachte man tatsächlich nicht daran, sie in Sicherheit zu bringen? So war es verkündet worden. Ich glaubte kein Wort davon!

Man konnte die Erben großer Namen nicht einfach umkommen lassen.

Allerdings musste mit tödlichen Unfällen gerechnet werden. Ich konnte mir jedenfalls Situationen vorstellen, in deren Verlauf selbst der gutwilligste Retter zu spät kommen musste.

Ich schüttelte diese Gedanken von mir ab und konzentrierte mich auf die vor mir liegende Aufgabe. Ich hatte einen stillen See im Flachland zu erreichen. Dort war ein Depot erbaut worden, wie es Spezialisten der arkonidischen Flotte auf zahllosen Welten angelegt hatten.

Wenn ich erst einmal dort war, hatte ich gewonnen; das heißt, wenn es mir schnell genug gelang, die sicherlich getarnte Station zu entdecken und ihren Eingang zu öffnen.

Ich schritt langsam auf das Boot zu. Es war lang und schmal, hochbordig, besaß einen Gleitbug und ein stumpf endendes Spiegelheck mit Ruder und Pinne. Wieso eigentlich?

Ich blieb abrupt stehen. Plötzlich wurde ich innerlich ruhig und ausgeglichen.

Was sollte ich wohl mit einem Steuer anfangen, wenn ich entweder rudern oder paddeln musste? Schließlich besaß ich nur zwei Arme und Hände.

Er war plötzlich hinter einem mannshohen Felsblock nahe der Steilwand hervorgetreten.

Seine Waffe, einen schweren Luccot, hielt er in zwei schmalen, aber nervigen Händen.

Er war sehr groß und breit gebaut. Alles an ihm wirkte verwildert und schmutzig. Nur seine Ausrüstung schien so gepflegt zu sein, dass sie ihren Zweck zu erfüllen vermochte.

Er trug einen mittelschweren Kampfanzug der Raumlandetruppen mit Energieaggregat und faltbarem Druckhelm. Das über dem Rückenbehälter angeflanschte Fluggerät für Operationen innerhalb der Gashülle war zerschmettert. Die beiden gegenläufigen Hubrotoren wiesen Beschussschäden auf. Sie waren zur Hälfte zerschmolzen.

Er sprach den schlecht verständlichen Dialekt eines Kolonialarkoniden. Seine Bewegungen waren betont lässig, aber kraftvoll.

»Das solltest du nicht tun, Edelarkonide«, fuhr er fort. »Ich habe das Boot bereits für mich reserviert. Irgendwie muss man ja wohl aus diesem Loch herauskommen, oder?«

Er schaute mit einem Seitenblick auf seine unbrauchbar gewordenen Rotoren. Der Wink mit dem Abstrahllauf sagte mir genug.

Ich stieg wortlos aus dem Boot, zog es mit dem Bug an Land und setzte mich auf die Bordwandung.

»Ich verstehe, Knabe von der Kristallwelt!«, beteuerte er. »Du glaubst nun, meine Wenigkeit wäre ein Bestandteil deiner Prüfungsaufgaben, nicht wahr? Irrtum! Ich gehöre nicht dazu. Ich bin völlig real, auf der Flucht vor den Suchkommandos und natürlich auch vor der Auflösungskammer. Was denkst du wohl, wohin sich ein intelligenter Deserteur auf dieser Welt wenden wird. Natürlich zu einer Energieblase, die einigermaßen erträgliche Lebensbedingungen bietet. Man wartet ab, hofft, und dann sieht man weiter. Verstehe recht, Knabe – ich habe genug von eurem Methankrieg. Irgendwann muss man einmal aussteigen, oder?«

Er lachte leise. Seinen Augen entging nichts. In mir kamen die ersten Zweifel auf. Wenn das ein programmierter Roboter war; gewissermaßen ein für mich bestimmter Schwierigkeitsgrad, dann wollte ich wirklich Macolon und nicht mehr Atlan heißen. So, wie er sich gab, konnte man keine Maschine justieren.

Ich stand auf.

»Deserteur?«, wiederholte ich gedehnt. »Man wird dich rösten, Raumsoldat!«

»Du sagst es«, bestätigte er. »Aber nur dann, wenn man mich findet. Ich bin seit einem halben Planetenjahr hier. Die Fahndung nach mir läuft noch. Wie sieht es draußen aus?«

Ich setzte mich wieder auf den Bordrand und stemmte die Ellenbogen auf die Knie.

»Wie soll es aussehen, Raumsoldat? Schau es dir an.«

Er zuckte mit den Schultern, umfasste die Waffe fester, und wieder schwenkte die Mündung in meine Richtung.

»Aufstehen, zur Seite gehen. Na komm schon, Knabe.«

Ich musste Zeit gewinnen. Meine Zweifel über die Echtheit seiner Person waren noch nicht gänzlich verschwunden.

»Hast du daran gedacht, dass es hier sicherlich Überwachungsgeräte gibt?«

Er spie auf den Boden.

»Ich war Arbtan des Landungskommandos, Fachgebiet lautlose Zermürbungssprengungen. Rede also keinen Unsinn. Ich bin Fachmann, Knabe. Hast du nicht gehört, dass ich schon ein halbes Jahr hier bin? Ich habe mehr Hertasonen gesehen, als du denkst. Hier gibt es keine Überwachung! Startplätze werden selten damit ausgestattet. Weißt du auch, warum? Weil zu viele Burschen deiner Art auf die Idee kommen, sofort nach dem Abheben der Transportgleiter die Umgebung abzusuchen in der Hoffnung, sie fänden dort irgendwelche Hinweise oder Hilfsmittel. Du bist im Gegensatz zu diesen Narren ein guter Mann! Du hast keine Zeit versäumt. Aufstehen, zur Seite gehen!«

Er kam einige Schritte näher. Ich starrte ihn an. Alles in mir war verkrampft. Sollte die kaum begonnene Prüfung derart enden? Dieser Deserteur war anscheinend ein Faktor, den nicht einmal die Kleine Runde voraussehen konnte. Er war echt – oder er konnte echt sein! Ich wusste, dass auf dem Planeten Largamenia einige Besatzungsmitglieder überholungsreifer Raumschiffe entflohen waren.

An ihm stimmte alles! Die Rangsymbole waren einwandfrei. Kodenummer, Einheitsbezeichnung, Bewaffnung und Ausrüstung – es fehlte nichts. Seine verwilderte Erscheinung konnte kaum simuliert werden.

Er stank! Er hatte sich anscheinend wochenlang nicht gewaschen. An seiner Kampfkombination klebten verkrustete Blutflecken, die wahrscheinlich von geschossenen und ausgenommenen Tieren stammten.

Die Waffe war aktiviert, die Fokusverstellung auf Breitstrahl geschaltet. Wenn er zu allem entschlossen war, so hatte ich keine Chance. Doch – eine winzige! Er brauchte das Boot.

Ich zog die Beine an und ließ mich nach hinten fallen. Dann schaute ich über den Rand der Bordwandung.

Er fluchte in einem Jargon, wie er in der Flotte üblich war. Ich lachte.

»Arbtan, ich mache dir einen Vorschlag. Nein, spiele nicht verrückt. Ich bin weder an dir noch an deinem Schicksal interessiert. Wir werden zusammen die Schlucht passieren. Dann lasse ich dich laufen. Ich habe dich niemals gesehen. Was meinst du dazu?«

Er spie wieder auf den Boden und kam näher.

»Vorsicht!«, warnte ich. »Du bist ein guter Bodenkämpfer, das fühle ich. Du solltest also begreifen, dass du mich nicht töten und spurlos auflösen kannst, ohne dabei den Kahn zu vernichten. Also!«

Er schaute sich argwöhnisch um, betrachtete das Boot und lächelte dünn.

»Nicht schlecht argumentiert, Edelknabe. Deine Rechnung stimmt. Nur hast du mich unterschätzt. Ehe du stirbst, lass dir gesagt sein, dass du eure blödsinnige ARK SUMMIA wahrscheinlich glänzend bestanden hättest. Kleiner – ich werde dich und das Boot bekommen.«

Er drehte an der Fokusverstellung. Das Flimmern in der Trichtermündung wurde dünner. Ich wartete nicht, bis er die Justierung vollendet hatte. Ehe er zielen und schießen konnte, ließ ich mich blitzschnell über Bord und ins Wasser gleiten. Das kräftige Stechpaddel hatte ich mitgenommen.

Nun lag ich im Wasser. Mein Körper wurde von dem Bootsrumpf vollkommen gedeckt.

»Jetzt musst du zwei Bordwandungen durchschießen, Soldat«, rief ich ihm zu. »Die wirst du nicht mehr abdichten können. Provisorische Reparaturen sind zwecklos. Das Wasser ist in der Schlucht so wild, dass es dir einen Holzpfropfen oder Grasballen augenblicklich herausreißen wird. Oder hast du bessere Materialien zur Hand?«

Er fluchte erneut und kam nochmals näher. Ich musste ihn reizen. Der Mann war zu allem entschlossen. Ich durfte ihm keine Überlegungspause gönnen.

»Das Holz wird augenblicklich entflammen, ein weiteres Problem, Soldat! Vielleicht kannst du den Brand noch löschen, aber dann wirst du vor mindestens kopfgroß ausgeglühten Schussöffnungen stehen. Ohne das Boot kommst du nicht aus dem Felskessel heraus. Oder glaubst du, deine zerschmolzenen Rotoren doch noch gebrauchen zu können? Wem bist du damit überhaupt in die Schussbahn gelaufen? Einem guten Schützen des Suchkommandos?«

»Nein, aber einem verdammten Narren deiner Art«, entgegnete er gereizt.

»Ach! Und woher hatte der einen Hochenergiestrahler?«

Er antwortete nicht mehr, er sprang. Ich sah seine Beine über den Bug hinwegfliegen. Er wollte die dem Wasser zugewandte Seite gewinnen und mich von dort aus anvisieren.

Auf dem festen Land konnte er sich naturgemäß rascher bewegen als ich mich in dem hinderlichen Element. Unter dem Boot hinwegzutauchen, war unmöglich. Es lag im spitzen Winkel zum Ufer. Mir fehlte die entsprechende Wassertiefe.

Ich hatte mit seinem Näherkommen gerechnet – sogar darauf gewartet. Er sprang jedoch direkt ins Wasser hinein, wohl in der Hoffnung, sofort einen festen Stand zu gewinnen. Er bot mir damit eine weitaus bessere Angriffsmöglichkeit, als ich erhofft hatte.

Fartuloons Schulung trug ihre Früchte. Ich handelte blitzschnell. Das am Ende spitz zulaufende Paddel wurde zur Hiebwaffe.

Ehe der Deserteur seinen Aufsprung stabilisieren konnte, hatte ich festen Stand auf dem felsigen Grund gewonnen. Als er sich haltsuchend vorbeugte und die Rechte nach dem Boot ausstreckte, schlug ich mit der scharfen Kante des Paddels zu. Sein Ellenbogengelenk zerbarst unter der Wucht des Hiebes.

Er taumelte aufschreiend zurück und fiel mit dem Rücken halbwegs auf den Uferstreifen. Das nützte ihm nicht mehr viel.

Ehe er mit der gesunden Linken den Luccot gegen mich richten konnte, fuhr die scharfe Kunststoffspitze des Paddels in seine Kehle. Ich hatte es wie eine Lanze werfen müssen. Für einen zweiten Schlag wäre mir keine Zeit mehr geblieben. Er war zu weit entfernt gewesen.

Ein sonnenhell glühender Energieschuss peitschte quer über den dunstverhangenen Bergsee hinweg. Er schlug drüben in der Felswand ein und erzeugte dort einen ballgroßen Glutfleck, von dem hocherhitzte Materie magmaartig nach unten tropfte.

Ich watete zu dem Sterbenden hinüber und brachte vorerst die gefährliche Waffe in Sicherheit. Sie war nass geworden, aber das hatte einem Luccot noch nie etwas geschadet.

Ich versuchte, die heftige Blutung zu stillen, aber es war vergeblich. Ich konnte ihm nicht mehr helfen.

Was nun? Die Prüfung abbrechen, indem ich einfach an Ort und Stelle blieb? Nein, das konnte nicht in Frage kommen. War mir nicht jedes Mitleid untersagt worden? Ich konnte meine Gefühle nicht unterdrücken – dieser Mann tat mir trotzdem leid. Er hatte mich zu einer Tat gezwungen, die ich normalerweise strikt abgelehnt hätte.

Ich zog ihn an Land und schaute mich nach einer Stelle um, wo ich ihn vielleicht bestatten konnte. Es war unmöglich. Wohin ich sah, ich erblickte nur harten Fels.

Endlich begann ich wieder folgerichtig zu überlegen. Ich durfte mich mit dem Toten nicht aufhalten. Dagegen hatte ich auf meinen Vorteil bedacht zu sein. Nein – nicht nur auf meinen!

Diese Prüfung war identisch mit einem simulierten Noteinsatz unter Feindbedingungen. Es war daher selbstverständlich, dass mich seine Ausrüstung interessieren musste. Die Waffe und der komplette Kampfanzug konnten mir unschätzbar wertvolle Dienste leisten.

Ich begann ihn zu entkleiden. Er besaß genau meine Größe und ...!

Ich stockte mitten in dieser Überlegung und fluchte.

Wieso war er ausgerechnet so groß wie ich? Warum war er nicht klein und untersetzt oder lang und dünn?

Sollte ich seine Ausrüstung unter Gefahren gewinnen, dabei Verstand, Geschicklichkeit und Entschlusskraft beweisen?

Ich riss das Ultraschwingungsmesser aus der gepanzerten Beinscheide des Kampfanzuges. Die surrende Klinge durchschnitt spielerisch die feste Knochenplatte der linken Brusthälfte. Minuten später sah ich, dass ich einem Robot-Androiden das synthetische Leben geraubt hatte.

Er war die genialste Konstruktion der Biochemie und robotischen Bewegungstechnik, die ich jemals gesehen hatte. Ich öffnete die Hirnschale. Sie enthielt lediglich Kommunikationsgeräte, aber kein selbständig handelndes Positronikgehirn.

Also war unser Frage- und Antwortspiel von einem Lehrer des Faehrl über Funk gesteuert worden; wahrscheinlich von einem Psychologen. Man hatte mir unglaublich geschickt Gelegenheit zur Erbeutung einer Waffe und einer vollständigen Kampfausrüstung geboten. Ich hatte sie wahrgenommen.

Von da an war mir klar, dass ich ohne diese Dinge die Prüfung niemals bestehen konnte! Wahrscheinlich lauerten jenseits der Schlucht Gefahren, von denen ich jetzt noch keine Ahnung hatte. Ein ARK SUMMIA-Anwärter, der mit dem »Deserteur« nicht fertig wurde, konnte gleich aufgeben.

Ich legte hastig die Kampfausrüstung an. Nun wusste ich, warum sie so ausgezeichnet passte und warum die Flugrotoren beschädigt waren. Ich löste deren Schnellverschluss mitsamt dem Kreuzgelenk und warf sie zur Seite. Sie wären nur hinderlich gewesen.

Meine nächste Sorge galt der Waffe. War sie doch eine Imitation? Nein, es war ein echter, vollgeladener Luccot.

Das also drückte man Androiden in die Hände! Sie waren für den Kampf gezüchtete Retortenwesen. Wenn man »meinen Freund« nicht funktechnisch hätte sprechen und handeln lassen, wäre mir die Wahrheit sofort aufgefallen.

4.

Schon bei der Durchquerung jener Felsschlucht, die dem See als Abfluss diente, waren mir weitere Dinge klargeworden.

Das Wasser war wildbewegt gewesen, sicher! Es hätte aber nicht einmal einen durchschnittlichen ARK SUMMIA-Anwärter gefährden können, es sei denn, er hätte grobe Fehler begangen.

Nunmehr, drei Stunden nach meinem Start, sahen die Verhältnisse anders aus. Ich war in einen zweiten See eingefahren. Auch er wurde von steil aufragenden Felswänden eingeengt. Sie waren ohne entsprechende Hilfsmittel unbesteigbar!

Dadurch war ich nach wie vor auf das Boot angewiesen.

Der wilde Bergfluss fand in dem weiten Felsbecken eine für mich günstige Entspannung. Die tosenden Wassermassen konnten expandieren. Daher mäßigte sich die reißende Strömung.

Dennoch war die Abtrift zum gegenüberliegenden Seeufer eindeutig feststellbar. Je näher ich den turmhoch aufragenden Felswänden kam, um so kräftiger wurde sie.

Ich hakte die beiden Ruder aus den Halteösen der Bordwandung und ging rasch zum Heck zurück. Das Boot reagierte natürlich nicht auf das Steuer! Das war in dieser Abtrift auch nicht zu erwarten.

Also hatte ich mir auf andere Weise zu helfen. Das Stechpaddel musste nun seine Dienste erfüllen.

Ich kniete nieder, brachte das Paddel ins Wasser und erzielte damit durch kräftige Züge entgegen der Fahrtrichtung tatsächlich eine mäßige Ruderwirkung.

Schön, so wollte man es also haben! Ich hörte jemand lachen und fuhr zusammen. Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass ich selbst diese Laute ausgestoßen hatte. Von da an bewahrte ich bessere Selbstdisziplin.

Meinen forschenden Blicken war bisher noch kein Abfluss aufgefallen. Wo, beim großen Gründer Arkons – wo fand das Wasser einen Ausweg?

Ich richtete mich weiter in dem Boot auf. Da entdeckte ich es! Diesmal fluchte ich. Man ersparte mir nichts!

Weit vorn, kaum erkennbar in den wasserumschäumten Felsmassen, sah ich eine flache, aber weitgeschwungene Öffnung. Sie glich einem riesigen, jedoch kaum über die Wasseroberfläche hervorragenden Torbogen von etwa sechzig Meter Breite. Die Höhe war so bescheiden, dass ich mich wahrscheinlich im Boot ducken musste, um nicht hinweggerissen zu werden.

Das war der Abfluss! Die stärker werdende Strömung riss mich unaufhaltsam auf diese Pforte der Unterwelt zu. Es gab kein Entrinnen mehr.

Ich duckte mich, so weit es die Paddelführung erlaubte. Auf dieses nützliche Instrument, das wenigstens noch bescheidene Richtungskorrekturen erlaubte, wollte ich unter den Umständen auf keinen Fall verzichten.

Kurz vor der Einfahrt in den tosenden Schlund, nur wenige Bootslängen davor, bemerkte ich die eigentliche Falle.

Aus dem Felsrachen wurden Dämpfe ins Freie geblasen.

Sie waren von penetrant stechendem Geruch. Meine Atmungsorgane zogen sich unter Krämpfen zusammen. Sofort darauf unterlag ich dem ersten Erstickungsanfall. Die Schmerzen wurden heftiger, das Brennen unerträglich. Der stechende Gestank wurde intensiver, je weiter ich mich der Felsöffnung näherte.

Das waren Ammoniakschwaden – hochkonzentriertes Giftgas, wie es die nichtarkonidischen Maahks als Verbrennungsprodukt des von ihnen als Lebenserhaltungselement eingesogenen Wasserstoffs ausatmeten.

Für uns waren beide Elemente tödlich.

Jetzt erfuhr ich, warum man die ARK SUMMIA-Anwärter ernstlich gewarnt hatte. Man schenkte uns nichts!

Das Ammoniak konnte in dieser hohen Konzentration nur künstlich erzeugt und unter hohem Druck in die Felshöhle eingeblasen worden sein. Normalerweise bildet sich Ammoniak in der freien Natur in geringfügigen Mengen als Zersetzungsprodukt organischer Stickstoffverbindungen bei der Fäulnis pflanzlicher und tierischer Stoffe.

Nie und nimmer konnte es an diesem Ort auf natürliche Weise in dieser hohen Anreicherung entstanden sein. Die Kleine Runde griff ernsthaft nach meinem Leben und meiner Gesundheit.

Der Schlag meiner rechten Hand auf den Situations-Notschalter der Kampfausrüstung war eine tausendmal geübte Reflexbewegung. Die Männer meines Volkes reagierten infolge des bereits vierzig Jahre währenden Krieges mit den Maahks auf Ammoniakdämpfe mit der Geschwindigkeit eines instinktbegabten Tieres. Man hatte nur dann eine Überlebensmöglichkeit, wenn man sofort auf die autarke Sauerstoffbeatmung einer Kampfmontur umschaltete.

Aus diesem Grunde gab es keine einzige arkonidische Einsatzkonstruktion, die nicht mit einem augenblicklich anspringenden Lebenserhaltungssystem ausgestattet gewesen wäre. Früher sollte es anders gewesen sein, aber die Maahks hatten uns bittere Lehren erteilt.

Der aus einer kräftigen Kunststofffolie bestehende Fächerhelm meines Anzugs entfaltete sich in Gedankenschnelle. Die Konstruktion klappte nach vorn über Kopf und Gesicht, gewann dabei ihre halbrunde Form und klickte anschließend mit ihrem unteren Magnetrand in die vorgesehene Rundschiene des Halsstücks.

Ich hatte den Atem angehalten, obwohl ich das Gefühl hatte, das eingesogene Gift würde mir die Lungen auslaugen.

Ich atmete erst in dem Augenblick aus, als ich das Zischen des einströmenden Sauerstoffs vernahm. Unter dem entstehenden Innendruck blies sich der Helm faltenlos auf.

Endlich konnte ich wieder Luft holen. Das krampfartige Würgen, den typischen Brechreiz und den nachfolgenden Husten konnte ich nicht unterdrücken. Es wäre auch verkehrt gewesen.

Die Robotautomatik des Anzugs hatte die eingedrungenen Giftgase sofort analysiert. Raumfahrer, speziell die Männer der Landungstruppen, waren nach überraschend erfolgten Ammoniakvergiftungen überwiegend nicht mehr in der Lage, die Absorberdusche selbst zu betätigen. Also hatte das eine Automatik zu übernehmen.

Auch mein Aggregat schaltete unverzüglich. Dem Atemgas wurden schwachsaure Dämpfe zugesetzt. Sie milderten schnell das grauenhafte Brennen.

In der Höhe meines rechten Oberschenkels zischte die in den Anzug eingebaute Hochdruck-Injektionsspritze. Kreislaufstabilisierende Medikamente wurden in das Gewebe gepresst.

Mir wurde sofort besser. Die roten Ringe vor meinen Augen verflüchtigten sich. Keuchend richtete ich mich auf.

Ich war jetzt innerhalb einer langgestreckten Felshöhle. Die Decke befand sich immer nur wenige Fuß über meinem Kopf. Die Strömung war reißend, die Geräuschentwicklung gehörbetäubend.

Weit vorn erblickte ich einen Lichtfleck. Er wurde schnell größer. Das musste der Ausgang aus der vergifteten Unterwelt sein.

Ich schaute auf die Leuchtkontrollen des Kampfanzugs. Die Ammoniakkonzentration war nach wie vor vorhanden. Sie musste jedem ungeschützt eindringenden Mann den Tod bringen.

Wieder dachte ich an Tirako Gamno. Wie hatte er diese Tortur überstanden? War es ihm überhaupt gelungen, ebenfalls einen Schutzanzug zu erbeuten? War er mit dem ferngesteuerten Androiden fertig geworden? Wenn nicht, hatte er spätestens in dieser Höhle unsagbare Qualen erdulden müssen. Vielleicht war er schon tot.

Mein Boot schoss plötzlich ins Tageslicht hinaus. Das Flussbett erweiterte sich, die reißende Strömung wurde schwächer. Die Automatik meines Anzugs gab violettes Licht. Die Vergiftungsgefahr war vorüber. Hier herrschte wieder eine atembare Atmosphäre.

Ich überprüfe nochmals die Analysekontrollen und öffnete den Helmverschluss. Die Folie klappte zurück. In meinem Nacken bildete sie einen schmalen, unscheinbar aussehenden Wulst.

Meine Beine schmerzten infolge der verkrampften Haltung. Ich richtete mich stöhnend auf, schimpfte lautstark und begab mich nach vorn zu den Rudern. Ich wollte keine Zeit verlieren. Die Sonne, nur undeutlich sichtbar inmitten des allgegenwärtigen Dunstes, näherte sich bereits dem Zenit.

Als ich die beiden Ruder einhakte und prüfend nach vorn sah, denn dort musste mein Ziel liegen, überfiel mich plötzlich jene Mutlosigkeit, unter der wahrscheinlich schon viele Hertasonen gelitten hatten.

Die Herren der Kleinen Runde waren entweder gefühllose Ungeheuer, oder wissenschaftliche Eiferer, denen ständig neue Prüfungsmethoden in den Sinn kamen.

Warum – warum musste man einen jungen Mann, der selbstverständlich alles aufbot, um die ARK SUMMIA zu gewinnen, derart maßlos quälen? Warum achtete und würdigte man nicht vordringlich seinen Verstand und sein fundiertes Wissen?

Nun hatte ich schon so viele Gegebenheiten gemeistert; ich hoffte es! Ich hatte viel riskiert, nur um unvermittelt vor einem Hindernis zu stehen, das ich nie und nimmer überwinden konnte.

Weit vorn, jedoch deutlich erkennbar, war die natürliche Strömungsrichtung eines Nebenflusses verändert worden. Auf Grund meiner bitteren Erfahrungen brauchte mir niemand zu verraten, dass hier eine mit technischen Mitteln durchgeführte Manipulation vorlag.