Atme und heile dich selbst - Patrick McKeown - E-Book

Atme und heile dich selbst E-Book

Patrick McKeown

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Körperliche und psychische Gesundheit, Regeneration, Leistungsfähigkeit – die Atmung beeinflusst jeden Aspekt unseres Wohlbefindens. In diesem einzigartigen, auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Werk, vereint der Bestsellerautor Patrick McKeown das geballte Wissen rund um die Atmung und ihre Wirkung auf unseren Körper. Umfassend, detailliert und sofort umsetzbar erklärt Ihnen der Atemexperte die Buteyko-Atemtechniken, die den Körper stärken und zahlreiche Beschwerden lindern oder sogar komplett beseitigen. Ob Diabetes, Epilepsie, prämenstruelles Syndrom (PMS), Rückenschmerzen oder auch Long Covid – diese und viele weitere Erkrankungen hängen auch mit einer falschen Atmung zusammen. Im Umkehrschluss haben Sie die Heilung selbst in der Hand: Die Buteyko-Atemmethode ist der Schlüssel zu Ihrer Gesundheit. Mit der von Profisportlern und Ärzten getesteten Technik lernen Sie, die Sauerstoffaufnahme zu optimieren und dadurch das Nervensystem zu beruhigen und die Lungenfunktion zu verbessern. Das steigert nicht nur Ihr allgemeines Wohlbefinden, sondern macht Sie auch widerstandsfähiger und verhilft Ihnen zu einem langen, glücklichen und gesunden Leben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 1036

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Patrick McKeown

ATMEUND HEILE DICH SELBST

Patrick McKeown

ATMEUND HEILE DICH SELBST

Wissenschaftlich belegte Atemtechniken für ein gesünderes, glücklicheres und längeres Leben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2022

© 2022 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die englische Originalausgabe erschien 2021 bei OxyAtBooks unter dem Titel The Breathing Cure. © 2021 by Patrick McKewon. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Carmen Achter

Redaktion: Susanne Meinrenken

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: Shutterstock/manuri_creative

Illustrationen: Bex Burgess

Satz: abavo GmbH, Buchloe

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-1921-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1649-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1650-

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

»Eine neue wissenschaftliche Wahrheit setzt sich nicht durch, indem sie ihre Gegner überzeugt und ihnen zu Erkenntnis verhilft, sondern vielmehr dadurch, dass ihre Gegner irgendwann aussterben und eine neue Generation heranwächst, die mit ihr vertraut ist.«

Max Karl Ernst Ludwig Planck

»Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass richtiges Atmen ein großes transformatives Potenzial besitzt. Daher ist es mein Ziel, Sie dazu zu befähigen, die Verantwortung für Ihre Gesundheit in Ihre eigenen Hände zu nehmen, vielen verbreiteten Beschwerden vorzubeugen oder diese wesentlich zu lindern, Ihnen zu helfen, Ihre Ziele zu erreichen und Ihnen einfache, wissenschaftlich begründete Methoden zu zeigen, wie Sie Ihre Atemgewohnheiten für den Rest Ihres Lebens verändern können.«

Patrick McKeown

Inhalt

Vorwort

Können Sie frei atmen?

Oxygen Advantage® Was ist der »Erfolgsfaktor Sauerstoff«?

1 Ein neuer Ansatz

Meine Geschichte

Die zwei Säulen des Programms

Warum ist suboptimale Atmung ein Problem?

Ursachen von ungesunden Atemmustern

Die Atmung aus biochemischer Sicht

Die Biomechanik gesunder Atmung

Die Psychologie des Atmens

Ein Lösungsansatz für funktionale Atemstörungen

Wann ist Atmung gesunde Atmung?

2 Übungen für Erwachsene und Kinder

Teil 1: Funktionale Atmung

Teil 2: Übungen gegen Asthma, Ängste, Stress, Gedankenkreisen und Panik

Teil 3: Maßgeschneiderte Atemprogramme für spezifische Beschwerden

Teil 4: Übungen zur Steigerung des Fokus und der Konzentration

Teil 5: Körper und Geist beanspruchen und entspannen

Teil 6: Übungen für Kinder

3 Richtig atmen

Was Nasenatmung so interessant macht

Stickstoffmonoxid (NO) in der Nase: Die Formel für den Erfolg

Atmen mit Maske

Hilfe bei verstopfter Nase

4 Der Vagusnerv und die Verbindung zwischen Herz, Atem und Gehirn

Der Vagusnerv und das autonome Gleichgewicht

Vagotonie und Herzfrequenzvariabilität

Verbesserung der Gehirnfunktion durch langsame vagale Atmung

Vagusnervstimulation: Der Weg zu besserer Gesundheit

Die HRV nutzen

5 Funktionale Atmung funktionale Bewegungen

Atmung, Becken-Rumpf-Stabilität und Gleichgewicht

Atmung und Training: Funktionale Bewegungen und Verletzungen

Die respiratorische Muskelkraft verbessern

Dysfunktionale Atmung ist messbar

6 Wenn Atmen wehtut Schmerz als Zeichen für Dysfunktion

Atmung und Schmerzwahrnehmung

Rückenschmerzen

Nackenschmerzen

Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)

Propriozeption: Atmung und Bewegung im Raum

Subsysteme der Haltungsstabilität

7 Schlafbezogene Atemstörungen

Mundatmung während des Schlafs

Insomnie

Schnarchen und obstruktive Schlafapnoe

Das Geheimnis gesunder Atemwege

Wege zu einem besseren Schlaf

Kabinendruck: Atemübungen in sauerstoffarmer Umgebung

8 Wie Kinder gesunde Atemwege entwickeln

Die Entwicklung der Atemwege

Die Auswirkungen von Atemstörungen auf das Lernpotenzial

Nicht operative Behandlungen

Die Schlüsselfunktion des Zahnarztes

Behandlungsoptionen

Zungenbändchen und Flaschenfütterung

Haltungsentwicklung, Sprachentwicklung und Sprechvermögen

Ein Rat an die Eltern von Kindern und Jugendlichen

9 Mit Atmung zum gesunden Blutdruck

Hoher Blutdruck und das Herz

Den Blutdruck messen

Den Blutdruck selbst messen

Den Blutdruck über die Atmung senken

Denises Geschichte

10 Frei atmen bei Asthma, Heuschnupfen und Entzündungen

Asthma

Heuschnupfen erfolgreich lindern

Nasale Atmung bei Entzündungen der Atemwege

11 Sex und Atmung eine intime Verbindung

Atemlos durch die Nacht?

Warum Stress ein Lustkiller ist

Der Vagusnerv – das Geheimnis intensiverer Orgasmen?

Wenn das Sexualleben gestört ist

Aus alten Weisheitslehren lernen

12 Frauen atmen anders

Der Menstruationszyklus

Was an der weiblichen Atmung anders ist

Schmerzerkrankungen und Atmung bei Frauen

Weibliche Hormone, eine gesunde Lunge, Schlaf und Ängste

13 Weibliche Sexualhormone und Atmung

Prämenstruelles Syndrom und Hyperventilation

Schwangerschaft und Atmung

Hormonelle Verhütung und Atmung

Unfruchtbarkeit und Atmung

Gut durch die Wechseljahre

Gesunde Atmung bei Frauen – ein Ausblick

14 Wenn Zucker zum Problem wird

Formen von Diabetes

Warum Ihnen bei Diabetes die Luft wegbleibt

Nicks Geschichte: Das Programm für Veränderung

Atmung und Diabeteskontrolle

Diabetes und Atemwegserkrankungen

Warum Bewegung so wichtig ist

Diabetes und Herzgesundheit

Atemanhaltetechniken, Hypoxie und Diabetes

Den Blutzuckerspiegel durch langsames Atmen senken

Durch Zwerchfellatmung Behandlungslücken schließen

15 Atmung und der Umgang mit Epilepsie

Jennys Geschichte: Bessere Anfallskontrolle und mehr Selbstvertrauen

Der biochemische Zusammenhang

Komorbiditäten bei Epilepsie

Epilepsie und Blutversorgung des Gehirns

Schlaf und Epilepsie

Epilepsie und der Vagusnerv

Hängen Epilepsie und Migräne zusammen?

Anfallskontrolle durch Atemtraining

Ratschläge für Perfektionisten und Überatmer

16 Werden Sie Teil der Atemrevolution!

A Phänotypen obstruktiver Schlafapnoe

Der kritische pharyngeale Verschlussdruck (PCrit)

Der Loop Gain

Die respiratorische Arousal-Schwelle

Die Aktivierungsschwelle der oberen Atemwegsmuskulatur

Die Behandlung schlafbezogener Atemstörungen

B Atmung und Singstimme

Atmung im Alltag für Sänger

C Klassifikation von Atemstörungen bei Erwachsenen

Interpretation der Klassifikation der Atemmuster bei Erwachsenen

Zu erwartende Atemmuster auf Basis der Klassifikation

D Die hohe Kunst der Yogaatmung im Gespräch mit Robin Rothenberg

E Ist die nasale Atmung die erste Verteidigungslinie gegen das Coronavirus?

Wie verbreitet sich das Virus?

Präventive Maßnahmen

Quellen

Empfehlenswerte Hilfsmittel

Danksagung

Über den Autor

Vorwort

Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was genau mein Interesse für das Thema Atmen geweckt hat – ob es das Surfen war und die Erfahrung, unter Wasser ohne Luft auskommen zu müssen, oder die Erkundung meiner täglichen Atempraxis als Teil meines Weges zur Maximierung meiner Effizienz und Leistungsfähigkeit. Auf jeden Fall hat mich mein Streben nach der richtigen Atmung zu Patrick McKeown geführt und seiner Arbeit mit mehr als 8000 Klienten, unter denen sich Menschen mit Erkrankungen ebenso finden wie Spitzensportler. Ich weiß, wie hilfreich es ist, Dinge fühlen und aus Erfahrung lernen zu können, aber Patrick McKeowns wissenschaftliche Erklärungen für die Körpervorgänge bei der Nasenatmung im Vergleich zur Mundatmung haben mir wirklich geholfen zu verstehen, wie ich meinen Atem als Werkzeug zur Förderung meiner Gesundheit und zur Leistungssteigerung nutzen kann.

Patricks Leidenschaft für die Atemschulung entspringt seiner persönlichen Erfahrung. Obwohl er früher extrem dysfunktional geatmet hat, Asthmatiker war und die Ärzte ihm sagten, er wäre sein Leben lang auf Medikamente angewiesen und in seinen Aktivitäten eingeschränkt, heilte er sich durch Atemübungen selbst.

Ich muss zugeben, dass ich überrascht war, als ich erfuhr, was für ein riesiger Prozentsatz an Menschen mit unerkannten Atemstörungen leben, die sich verheerend auf ihre Gesundheit, ihren Schlaf und ihre Leistungsfähigkeit auswirken. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass Patrick mit seinem Wissen Menschen dazu befähigt, sich proaktiv für den Erhalt ihrer Gesundheit einzusetzen, einfach, indem er erklärt, wie wichtig die Nasenatmung und der Ausgleich der Atemgase für die Verbesserung des Befindens und die Linderung von (chronischen) Krankheiten und Verletzungen sind.

Der Vorgängertitel von Patrick McKeown, Erfolgsfaktor Sauerstoff, war ein wegweisendes Buch, das wir bei XPT Extreme Performance Training™ nicht nur Fachkräften im Bereich Gesundheit und Fitness empfehlen, sondern allen, die den wichtigsten unserer Körperprozesse optimieren möchten.

Wenn die Atmung die Essenz unseres Lebens ist und intuitiv sein sollte – wie finden wir dann zurück zu diesen Ursprüngen? Patrick weist uns den Weg zu einer ganzheitlichen Reise, den jeder für sich oder gemeinsam mit Freunden und Angehörigen antreten kann.

Laird Hamilton, Surfer und Fitnessunternehmer, August 2020

EINLEITUNG

Können Sie frei atmen?

Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Atemtechnik, die die Sauerstoffaufnahme und den Sauerstofftransport zu den Zellen erhöht, die Durchblutung verbessert und die Nase frei macht. Vielleicht trägt sie auch noch dazu bei, die Atemwege zu öffnen, den Blutfluss und den Sauerstofftransport zum Gehirn zu optimieren, die Schlafqualität zu verbessern und den Geist zur Ruhe zu bringen. Sie könnte auch noch Körperfunktionen wiederherstellen, die durch Stress aus dem Gleichgewicht geraten sind, uns zu mehr Resilienz verhelfen und zu einem längeren Leben. Klingt das für Sie weit hergeholt? – Das ist es nicht.

Dieses Buch führt Sie in Schlüsseltechniken zum gesunden Atmen und ein gesundes Leben ein. Ich möchte Ihnen ermöglichen, die Verantwortung für Ihre Gesundheit in Ihre eigenen Hände zu nehmen, vielen verbreiteten Beschwerden vorzubeugen oder diese wesentlich zu lindern, Ihnen helfen, Ihr Potenzial zu verwirklichen und Ihnen einfache, wissenschaftlich begründete Methoden zur Veränderung Ihrer Atemgewohnheiten zeigen. Sie werden spüren, dass Ihre Energie von Tag zu Tag zunimmt, Ihre Konzentrationsfähigkeit sich verbessert, Sie leichter mit Stress zurechtkommen und Ihre Lebensqualität insgesamt steigt.

Anknüpfend an mein Buch Erfolgsfaktor Sauerstoff erkunde ich die Atmung in drei Dimensionen – aus biochemischer und biomechanischer Sicht und in Hinblick auf die Rhythmik beziehungsweise Frequenz – mit Übungen und Forschungsergebnissen, um die gesunde Bewegung von Muskeln und Gelenken zu unterstützen, beeinträchtigende gesundheitliche Beschwerden wie Diabetes, Epilepsie, Rückenschmerzen, Prämenstruelles Syndrom (PMS) und hohen Blutdruck zu lindern, und Ihnen zu tieferem Schlaf und besserem Sex zu verhelfen. Die Übungen zur Regulation des Nervensystems unterstreichen, wie machtvoll der Atem Körperzustände beeinflussen kann. Ein Kapitel widmet sich der Bedeutung des richtigen Atmens für die kindliche Entwicklung. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass kein Kind das in ihm angelegte Potenzial ohne Wiederherstellung einer funktionalen Atmung durch die Nase ausschöpfen kann.

Wir treten mit einem Atemzug in die Welt ein, und der Atemprozess setzt sich automatisch über unser weiteres Leben fort. Obwohl Atmen eine unwillkürliche Handlung ist und wir normalerweise nicht groß darüber nachdenken, hat die Art, wie wir atmen, einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit. Weil Atmen eine angeborene Körperfunktion ist, die die meisten von uns für selbstverständlich halten, zieht es nur dann unsere Aufmerksamkeit auf sich, wenn etwas schiefläuft. Trotzdem erfüllt die Atmung in jeder Minute unseres Daseins ihre lebenswichtige Funktion: Sie versorgt unseren Körper mit Sauerstoff, reguliert körperliche Prozesse in den Lungen, im Herzen und in den Blutgefäßen und beeinflusst sogar unsere Stressreaktionen.

Wenn die Atmung unterhalb bestimmter Werte bleibt, führt das über alle Körpersysteme hinweg zu Problemen. Forscher haben dreißig verbreitete Symptome und Erkrankungen zusammengetragen, die mit ungesunden Atemmustern in Verbindung stehen.12 Weil allerdings viele Betroffene zumindest gelegentlich normal atmen, kann es schwierig sein herauszufinden, ob Ihr Atemverhalten ungesund ist.3

Ich vermittle meinen Kursteilnehmern folgende Daumenregel: Im Ruhezustand oder bei leichter Bewegung wie Gehen oder Yoga sollte die Atmung nicht wahrnehmbar sein. Gesunde Atmung im Ruhezustand sollte vom Zwerchfell ausgehen und durch die Nase stattfinden. Sie sollte regelmäßig, leise, langsam und kaum erkennbar sein. Ungesunde oder dysfunktionale Atmung geschieht durch den Mund, unter Beteiligung der oberen Brustregion, oder sie ist unregelmäßig und auch im Ruhezustand vernehmbar.

Es gibt viele Formen von dysfunktionaler Atmung beziehungsweise Atemstörungen unterschiedlicher Schweregrade. Am weitesten verbreitet ist die chronische Hyperventilation beziehungsweise Überatmung, bei der zu schnell geatmet und zu viel Luft aufgenommen wird (Anmerkung: Als Hyperventilation wird eine recht schnelle, flache Atmung bezeichnet, die keine akuten Beschwerden verursacht und von den Betroffenen auch meist gar nicht bewusst wahrgenommen wird. Beim akuten Hyperventilationssyndrom hingegen treten akute deutliche Beschwerden auf; dies ist jedoch nicht Gegenstand des Buchs). Anzeichen für Atemstörungen sind die Unfähigkeit, richtig durchzuatmen, unverhältnismäßige Kurzatmigkeit im Ruhezustand oder bei körperlicher Aktivität, regelmäßiges Gähnen oder Seufzen und das Gefühl, einfach nicht ausreichend Luft zu bekommen. Andere Störungen, auf die falsche Atemmuster erheblichen Einfluss haben, sind Asthma, Heuschnupfen, Schnarchen, Schlafapnoe und psychische Beschwerden wie Ängste, Schlaflosigkeit oder Panikstörungen. Allgemein schlägt sich falsche Atmung in einer schlechten körperlichen und mentalen Verfassung nieder.

Wenn Sie eine beliebige Gruppe von Menschen, die zusammen in einem Raum sitzen, beobachten und untersuchen würden, würden Ihnen recht schnell Unterschiede in deren Atmung auffallen. Manche Menschen atmen durch die Nase, während andere durch den Mund atmen. Manche atmen in sanften, langsamen, ruhigen Zügen, während andere schnellere, größere und hörbarere Atemzüge nehmen. Manche Leute haben die Gewohnheit, alle paar Minuten zu seufzen. Andere atmen in einem wunderbar regelmäßigen Muster. Manche nutzen ihr Zwerchfell für die Bauchatmung, während andere vor allem im oberen Brustbereich atmen.

Angesichts der Tatsache, dass Atmen ein natürlicher, lebensnotwendiger Prozess ist, stellt sich die Frage, warum wir alle so unterschiedlich atmen.

Die Antwort ist, dass unsere Atemgewohnheiten stark von unserem Lebensstil, unserer Umwelt und unserer genetischen Prädisposition beeinflusst werden. Alltagsgewohnheiten, die wir uns ausgesucht haben oder die aus einer Notwendigkeit heraus entstanden sind (etwa sitzendes Arbeiten am Schreibtisch, Fernsehen, der Konsum industriell verarbeiteter Nahrungsmittel und viel zu häufiges Reden), die auf unserer psychischen Verfassung basieren (etwa Stress und Angstgefühle) oder auf im Rahmen des weiblichen Zyklus auftretende Hormonschwankungen zurückzuführen sind, können zu dauerhaft falscher Atmung führen, mit all ihren negativen Folgeerscheinungen. Stellen Sie sich, um dafür ein besseres Verständnis zu entwickeln, eine Person vor, die gewohnheitsmäßig zu viel isst. In Stressphasen könnte diese Person zum emotionalen Essen neigen, also dazu, Essen als Krücke zu benutzen, um sich zu entspannen. Ernährt sich diese Person über Wochen oder Monate auf diese Weise, wird sich ihr Körper bald an das gewohnheitsmäßige übermäßige Essen anpassen und nach mehr Nahrung verlangen, als er braucht. Auf die gleiche Art kann sich unser Atemverhalten im Laufe der Zeit in eine ungesunde Richtung verändern. Schädliche Atemmuster können sich bereits in der Kindheit entwickeln und sehr grundlegend in die Funktion unserer Atemwege eingreifen. Drei wesentliche Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie unsere Atmung funktioniert:

Biochemische Faktoren: Der Austausch und die Verstoffwechslung von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (Kohlenstoffdioxid, CO2)

Biomechanische Faktoren: Die physischen Aspekte der Atmung, also die Arbeitsweise der Atemmuskulatur, zu denen die Interkostalmuskulatur (die Zwischenrippenmuskeln, die daran beteiligt sind, der Brustwand ihre Form zu geben und sie zu bewegen) sowie das Zwerchfell (der unterhalb der Lungenflügel gelegene Hauptatemmuskel) gehören.

Psychologische Faktoren: Mentale und emotionale Aspekte, die sich zum Beispiel in Form von Stress äußern können – unzulängliche Atmung verursacht Stress, und Stress führt seinerseits zu unzulänglicher Atmung.

Diese Faktoren sind der Ursprung von Atemstörungen, und genau hier setzt dieses Buch an. Da die Ursachen von Atemstörungen biochemisch, biomechanisch und psychologisch sind, lassen sich auch die Lösungsansätze diesen drei Kategorien zuordnen:

Ansatzpunkt Biochemie: an der CO2-Sensitivität des Blutes

Ansatzpunkt Biomechanik: Zwerchfellatmung

Ansatzpunkt Atemrhythmik beziehungsweise Atemfrequenz: Reduktion der Atemfrequenz auf einen Wert zwischen 4,5 und 6,5 Atemzüge pro Minute, um die über das vegetative Nervensystem gesteuerten Körperfunktionen zu beeinflussen.

Auf der Atemmethode, die ich Ihnen in diesem Buch vorstelle, basiert eine so simple wie einzigartige Reihe von Übungen, die sich sowohl im Ruhezustand als auch bei körperlichen Aktivitäten unkompliziert anwenden lassen. Es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Atemtechnik: Im Folgenden möchte ich Sie mit dem Oxygen Advantage® bekannt machen, dem »Erfolgsfaktor Sauerstoff«.

Oxygen Advantage® – Was ist der »Erfolgsfaktor Sauerstoff«?

Oxygen Advantage® (»Erfolgsfaktor Sauerstoff«) ist ein Programm aus einfachen Übungen zum Wiedererlernen des Atmens. Der Fokus liegt auf einer leichten, langsamen, tiefen Atmung (LLT), die auf die biochemischen und biomechanischen Körperprozesse abzielt und sich das vegetative Nervensystem (auch: autonomes Nervensystem, ANS) zunutze macht.

Nur allzu oft werden die biomechanischen Aspekte des Atmens zu stark betont – also die Art und Weise, wie Atmung in muskulärer und mechanischer Hinsicht abläuft. Kursteilnehmer werden dazu ermuntert, in volumenreichen, vollen Atemzügen Luft tief in ihre Lungen einzusaugen. Bei diesem Vorgehen ist zwar das Zwerchfell einbezogen, die Biochemie jedoch wird vernachlässigt. Bei zu großen Atemzügen ziehen sich die Blutgefäße zusammen, was den Sauerstofftransport zu den Zellen faktisch reduziert. Bei der Durchführung von Atemübungen sind die biomechanischen und biochemischen Abläufe sowie die Atemfrequenz untrennbar miteinander verbunden – daher müssen sie auch im Zusammenhang betrachtet werden. Stellen Sie sich die drei Dimensionen des Atems als die drei Beine eines Stuhls vor: Wenn eines der Beine fehlt, fällt der Stuhl um.

In diesem Buch finden Sie alles, was Sie wissen müssen, um zu verstehen, wie die Atmung Ihre Gesundheit beeinflusst. Es umfasst 26 Atemübungen, jede davon mit einer anderen Zielsetzung – von Übungen zum Wiedererlernen der richtigen Atmung über solche, um Panikattacken in den Griff zu bekommen, Übungen für besseren Schlaf im Vorfeld einer Präsentation oder eines Wettbewerbs, solche, die den Körper gutem Stress aussetzen und Übungen zur Bekämpfung von schlechtem Stress. Aber kein Grund zur Sorge – Sie brauchen sich nicht alle diese Übungen anzueignen. Am besten wählen Sie eine oder zwei aus, arbeiten damit und widmen sich erst dann weiteren Übungen. Sie werden lernen, wie Sie Ihren BOLT-Wert messen, um Ihre Atemgesundheit zu beurteilen, und in die Lage versetzt, das beste Übungsprogramm für sich auszuwählen.

Der BOLT (Body-Oxygen-Level-Test; Sauerstoffkonzentration-im-Körper-Test, Test zur Ermittlung der CO2-Toleranz) ist ein einfacher Test, der Ihnen eine Rückmeldung über die Qualität Ihrer Atmung gibt. Bei diesem Test atmen Sie ganz normal durch die Nase aus, halten sich die Nase dann zu, um die Luft anzuhalten, und messen, nach wie vielen Sekunden Sie das eindeutige körperliche Verlangen spüren, einzuatmen. Ziel ist, einen BOLT-Wert von 40 Sekunden zu erreichen. Werte unter 25 Sekunden weisen deutlich auf eine Störung des Atemmusters hin. Als Maßstab für Ihren Fortschritt ist der BOLT, über den Sie in diesem Buch noch mehr erfahren werden, gleichwertig mit den drei Dimensionen des Atems.

Wenn sich Ihr BOLT-Wert verbessert, werden Sie sehr wahrscheinlich feststellen, dass Sie in einer niedrigeren Frequenz atmen und dabei den Zwerchfellmuskel nutzen. Die Atemübungen, die ich Ihnen vorstellen werde, fokussieren sich auf folgende Aspekte:

Nutzung des Bedürfnisses, Luft zu holen, zur Verbesserung der Biochemie

Nutzung der seitlichen (lateralen) Ausdehnung der unteren beiden Rippen zur Verbesserung der Biomechanik

Erreichen der nach wissenschaftlicher Auffassung optimalen Atemfrequenz

Höhere (also bessere) BOLT-Werte erreichen Sie durch ausschließliche Nasenatmung und indem Sie die in diesem Buch aufgeführten Übungen ausführen. Meinen Patienten sage ich immer, dass sie so lange an Asthma, verstopfter Nase, Erschöpfung, Ängsten und Panikattacken leiden werden, bis ihr gleich als Erstes am Morgen gemessener BOLT-Wert mindestens 25 Sekunden beträgt. Wenn Ihr BOLT-Wert niedrig ist, kann die Veränderung Ihrer Atemgewohnheiten Ihr Leben von Grund auf umgestalten.

Eines der Dinge, die ich an der Arbeit mit Kursteilnehmern – und sei es über Distanz – als so bereichernd empfinde, ist es zu sehen, wie stark sich gesunde Atemgewohnheiten auf deren Leben auswirken. Ich habe das Glück, das beim Coaching persönlich erleben zu dürfen und zudem über die Bücher, Videos und Podcasts, die ich produziert habe oder an denen ich beteiligt war, Menschen zu erreichen. Zum Beispiel habe ich vor Kurzem eine E-Mail von Ariella bekommen, in der sie mir dafür dankt, dass ich mein Buch Erfolgsfaktor Sauerstoff geschrieben habe. Sie hatte meinen Online-Newsletter abonniert und die Atemübungen mit so großem Erfolg angewandt, dass sie sich schließlich das Buch gekauft hat. Sie schreibt: »Was Sie lehren, hat mein Leben binnen weniger Tage verändert.«

Ariella leidet an mehreren seltenen chronischen Krankheiten, von denen alle ihre Organe betroffen sind, darunter Dysautonomie (eine Erkrankung, die die Funktion des autonomen Nervensystems beeinträchtigt), das Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III (eine Störung des Bindegewebes, die sich auf dessen Stabilität und Funktion auswirkt) und eine Mastzellenaktivierungserkrankung (eine immunologische Erkrankung, die ihren Körper dazu veranlasst, auf alles Mögliche allergisch zu reagieren). Sie hatte fast ihr ganzes Leben lang Mühe mit der Atmung, aber ihre Ärzte sagten übereinstimmend, sie litte nicht an Asthma, und es gelang ihr nie, herauszufinden, warum ihr das Atmen so schwerfiel. Die Tatsache, dass von jeder ihrer Grunderkrankungen bekannt ist, dass sie die Atmung beeinflussen, verkomplizierte die Sachlage noch weiter.

Bis Ariella auf Erfolgsfaktor Sauerstoff stieß, hatte sie Tag für Tag fürchterlich zu kämpfen. Oft war sie atemlos und hatte ständig das Gefühl, nicht ausreichend Luft zu bekommen. Ihr BOLT-Wert lag bei nur acht Sekunden. Diese Atembeschwerden raubten ihr häufig den Schlaf, und wenn es ihr gelang einzuschlafen, schlief sie schlecht. Durch die Atemprobleme verlor sie regelmäßig ihre Stimme, und oft konnte sie das Haus nicht verlassen, weil sich dann ihre Allergiesymptome innerhalb kürzester Zeit verschlechterten. Keiner von den HNO-Ärzten, Lungenfachärzten, Immunologen und den vielen anderen Spezialisten, die sie aufsuchte, war in der Lage, die Ursache ihrer Atemprobleme zu finden oder ihr bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen.

Ariella schilderte mir einen Vorfall, der sich etwa ein Jahr, bevor sie mir schrieb, ereignete, und der verdeutlicht, wie schlecht es ihr ging:

»Eines Tages, nachdem ich mich trotz meiner Stimmprobleme und der Schmerzen beim Atmen zu einer kurzen Unterhaltung gezwungen hatte, schoss mein Puls in die Höhe, mein Blutdruck sank in den Keller, und ich fühlte mich, als könnte ich überhaupt keine Luft in meine Lungen bekommen. Das ging mindestens 20 Minuten lang so. Ich schickte meinem Mann eine Nachricht, und er kam nach Hause und fand mich dort weinend auf dem Boden, vollkommen erschöpft, wie ich immer noch versuchte, wieder Luft zu bekommen.«

Das war Ariellas schwärzester Tag, aber ähnliche Erfahrungen waren für sie Alltag.

Zu dem Zeitpunkt, als sie mir schrieb, rang sie nicht mehr täglich nach Luft, obwohl ihre Grunderkrankungen immer noch sehr schwerwiegend waren. Sie erklärt das folgendermaßen: »Dass ich gelernt habe, effizient und effektiv zu atmen und mir Übungen angeeignet habe, die mir helfen, zu einem ruhigen Atemfluss zurückzukehren, hat mein Leben verändert.« Ariella muss immer noch mit Symptomen wie Erschöpfung, Benommenheit beziehungsweise Konzentrationsstörungen und Durstgefühlen fertigwerden, aber die Verbesserung ihrer Atmung hat diese Symptome erheblich gelindert. Auch die mit ihrer Mastzellenaktivierungserkrankung einhergehenden allergischen Symptome, die dazu geführt haben, dass Allergene wie Polen, Staub und Schimmelpilze immer ein riesiges Problem für sie waren, haben sich verbessert. Sie schildert, dass sie damit begonnen hat, ihren Mund nachts mit einem speziellen Mundpflaster zu verschließen, um sicherzustellen, dass sie im Schlaf durch die Nase atmet:

»Ich spüre beim Aufwachen einen deutlichen Unterschied, wenn ich mit verschlossenem Mund geschlafen habe (das Tape ist sehr hilfreich!). Wenn ich mit geschlossenem Mund schlafe, habe ich mehr Energie, bin weniger erschöpft, leide weniger unter Durst, und meine Lippen sind weniger aufgesprungen.«

Sie ist außerdem davon überzeugt, dass die Atemübungen ihrem Kampf gegen die Dysautonomie dienlich sind, insbesondere, weil sie ihren niedrigen Blutdruck stabilisieren.

Einfach dadurch, dass Ariella die Atemtechniken in ihren Alltag integriert hat, fällt ihr nicht nur das Atmen leichter, sondern auch ihre Erschöpfungssymptome und die Funktionsfähigkeit ihres autonomen Nervensystems haben sich verbessert. Sie beschreibt die Atemarbeit als »unglaublich einfach, tiefgehend und wesentlich für Gesundheit und Wohlbefinden«. Sie freut sich darüber, ihre Erkenntnisse mit ihren Ärzten und Therapeuten sowie mit anderen von chronischen Krankheiten Betroffenen teilen zu können – genauso, wie ich mich darüber freue, sie mit Ihnen teilen zu dürfen.

1

EIN NEUER ANSATZ

Meine Geschichte

1998 änderte sich mein Leben grundlegend, als ich entdeckte, auf welche Weise die schlechten Atemgewohnheiten, die ich in meiner frühen Kindheit entwickelt hatte, meinen Körper angriffen und meine Lebensqualität beeinträchtigten. Ich war permanent müde, litt an Schlafstörungen und Atemproblemen und steigerte beim Versuch, mein Asthma in den Griff zu bekommen, beständig meine Medikamentendosis. Dann stolperte ich über die Arbeit eines russischen Arztes, Konstantin Buteyko, und nachdem ich einige Veränderungen an meiner Atmung vorgenommen hatte, verbesserten sich meine Symptome binnen weniger Wochen deutlich. Ich erfuhr am eigenen Leib, wie effektiv Atemtraining sein kann. Im Laufe der letzten 18 Jahre, nach meiner Zertifizierung durch Doktor Buteyko und nachdem ich mein eigenes Trainingsprogramm entwickelt hatte, durfte ich miterleben, wie sich die Gesundheit von Tausenden von Frauen, Männern und Kindern lebensverändernd verbesserte.

Meine eigene Geschichte begann, als ich ein kleiner Junge war, der in der kleinen Stadt Dunboyne an der Ostküste von Irland aufwuchs. Von klein auf litt ich an Asthma, stets begleitet von den typischen Atemgeräuschen (dem »Giemen«) und den Engegefühlen in der Brust. Meine Nase war immer zu, daher entwickelte ich die Gewohnheit, durch den Mund zu atmen, was den Nebeneffekt hatte, dass ich nachts zu schnarchen begann. Manchmal setzte mein Atem im Schlaf ganz aus – ein klassisches Anzeichen einer als obstruktive Schlafapnoe bekannten Erkrankung, die sehr gefährliche Folgen haben kann. Von meinem 14. Lebensjahr an bis in die frühen 20er war ich ständig erschöpft und konnte nur wenig Energie für Schule und Universität aufbringen.

1994 wurde ich an der Nase operiert, um meine mittlerweile 15 Jahre andauernden Nasenprobleme zu lindern. Allerdings erhielt ich keine postoperative Beratung zu den Vorteilen der nasalen Atmung oder dazu, wie mir der Umstieg gelingen könnte. Und so hatte ich weiter dieselben Probleme wie vor dem Eingriff: mittelschweres bis schweres Asthma, schlafbezogene Atemstörungen, Atemlosigkeit, eine schlechte Konzentrationsfähigkeit und eine hohe Stressbelastung. Meine dysfunktionalen4 Atemmuster machten mich innerlich unruhig, was sich in exzessivem Grübeln, Anspannung und Erschöpfung niederschlug. Trotz der zahllosen Stunden, die ich mit Lernen verbrachte, blieben meine Noten mittelmäßig. Als meine Erkrankung sich verschlimmerte, wurde die Dosis meiner Asthmamedikamente so weit gesteigert, dass ich schließlich stationär behandelt werden musste. In meinen 20ern hoffte ich verzweifelt auf Hilfe.

Wie der Zufall es wollte, wartete die Lösung meiner Probleme gleich um die Ecke. Ich las in einer irischen Zeitung einen Artikel über die Arbeit von Doktor Buteyko. Zu dieser Zeit war seine Entdeckung, die später als Buteyko-Methode bekannt wurde, im Westen relativ neu. Ich probierte eine Übung zum Freimachen der Nase durch schlichtes Luftanhalten aus. Ich war so von den Socken darüber, dass diese einfache Methode funktionierte, dass ich ganz zur Nasenatmung wechselte. Ich arbeitete außerdem daran, meine Atmung zu verlangsamen, um das Luftvolumen, das ich in meine Lungen aufnahm, zu normalisieren. Innerhalb von ein bis zwei Tagen, an denen ich lediglich ein wenig mehr Aufmerksamkeit darauf verwendete, wie ich atme, stieg meine Energie, die Spannung in meinem Kopf ließ nach und meine Atmung wurde zum ersten Mal in meinem Leben leichter. Während dieser ersten Woche erlebte ich, wie es war, nachts gut zu schlafen und energiegeladen aufzuwachen. Zum ersten Mal seit Jahren musste ich mich morgens nicht aus dem Bett quälen und Stunden darauf verwenden, einen klaren Kopf zu bekommen.

Diese enormen Verbesserungen, die ich in derart kurzer Zeit im Hinblick auf meine Gesundheit, meinen Energiehaushalt und mein Wohlbefinden erfahren durfte, trieben mich dazu an, mehr über die Methode herauszufinden, mich beruflich zu verändern und zu lernen, wie ich die Buteyko-Methode anderen weitervermitteln kann. 2002 wurde ich von Dr. Konstantin Buteyko zertifiziert. Seither hat sich mein Leben in vielerlei Hinsicht zum Besseren gewendet.

Mittlerweile bin ich 48. Mein Wohlbefinden, mein Fokus und meine Lebensqualität sind unvorstellbar viel höher als mit 16 einfach, in dem ich gelernt habe, wie sich die schlechten Atemgewohnheiten, die ich in meiner Kindheit unwissentlich entwickelt habe, rückgängig machen lassen, habe ich gravierende positive Veränderungen in meinem Leben bewirkt. Genau dieses Wissen hoffe ich jetzt mit Ihnen teilen zu dürfen.

Die zwei Säulen des Programms

Die Praxis der Atemkontrolle mit dem Ziel der gesundheitlichen und spirituellen Weiterentwicklung existiert in den östlichen Kulturen seit Jahrtausenden. Die Praxis des Pranayama im Yoga ist zum Beispiel eine uralte Methode zum Atemtraining, mit der man vor allem die Atemgeschwindigkeit variiert. Es umfasst Übungen wie die nasale Wechselatmung, die Bauchatmung, die stoßweise Atmung (Feueratmung) und das Chanten oder Tönen. Allerdings betrachten es selbst erfahrene Praktizierende in einigen Ausprägungen als eine Technik für Fortgeschrittene.

Die in diesem Buch vorgestellten Methoden haben einige Dinge mit der Yogaatmung gemein; sie werden durch jahrzehntelange wissenschaftliche Forschung gestützt. Diese Forschungsbefunde werden Ihnen helfen zu verstehen, wie diese Methoden funktionieren und wie man sie am besten anwendet. Jede von ihnen können Sie sofort durchführen; es dauert nicht lange, sie zu erlernen, und sie lassen sich unabhängig von Ihrem aktuellen Trainingszustand einfach in den Alltag integrieren. Damit bekommen Sie die notwendigen Werkzeuge an die Hand, um Ihre Gesundheit für den Rest Ihres Lebens kontinuierlich zu verbessern.

Das Programm Oxygen Advantage® beruht auf zwei Säulen: dem Training funktionaler5 Atemmuster zur Verbesserung der Atmung im Alltag und wirkungsvollen Atemanhalteübungen, die ein Höhentraining simulieren.

Training funktionale Atemmuster

Eine funktionale Atmung hilft Ihnen, Ihre Fokussierung und Konzentrationsfähigkeit, außerdem Ihre Haltung und die Aufrichtung der Wirbelsäule und Ihren Schlaf zu verbessern; sie lindert zudem Ängste und nimmt der Atmung die Anstrengung. Diese Art der Atmung kann sich vorteilhaft auf Ihre Bewegungsabläufe auswirken, sodass die Verletzungsgefahr beim Sport und bei Alltagstätigkeiten wie Heben und Tragen (zum Beispiel von Kindern) sinkt. Darüber hinaus kann diese Atmung das Auftreten und die Dauer von Atemnot reduzieren; dies gilt auch für anstrengungsinduziertes Asthma (Belastungsasthma), bei dem es zu einer Bronchokonstriktion, also einem Zusammenziehen der Bronchialmuskulatur bei körperlicher Anstrengung, kommt. Auf physiologischer Ebene wirkt diese Atmung langfristig positiv auf die Durchblutung, erweitert die oberen Atemwege (Nase) und die Lungen und verbessert den Sauerstofftransport zu den Zellen, was das Zusammenspiel zwischen Atmungssystem, Herz und Blutdruck optimiert.

Ich beschreibe hier das Wiedereinüben gesunder, funktionaler Atemgewohnheiten für das tägliche Leben. Womöglich haben Sie bereits Atemübungen in einem Yogakurs, bei einem Personal Trainier oder auf YouTube gelernt und gute Erfahrungen damit gemacht, aber ab dem Moment, ab dem Sie das Studio verlassen hatten, keinen Gedanken mehr an die Atmung verschwendet. Manchmal fehlt uns der Kontext, um solche Übungen in unseren Tagesablauf zu übernehmen. In diesem Buch nehmen wir diesen Gesamtzusammenhang in den Blick: Wir sehen uns an, wie Ihre Atmung Ihre Gesundheit beeinflusst und wie Sie dieses Wissen nutzen können, um sich besser zu fühlen – an jedem einzelnen Tag.

Atemanhalteübungen

Das Höhentraining bringt es mit sich, dass die Luft weniger Sauerstoff enthält. Das führt zu körperlichen Adaptionen (Anpassungsprozessen), die dann beim Trainieren auf geringeren Höhen einen natürlichen Vorteil darstellen. Atemanhalteübungen ermöglichen es, den geringeren Sauerstoffpartialdruck (die Sauerstoffkonzentration im Blut) auch bei Aufenthalten auf Meereshöhe nachzuahmen.

Diese Art von Training verbessert bei den meisten Sportlern die aerobe und anaerobe Kapazität. Es ermöglicht dem Körper eine Stimulation der anaeroben Glykolyse (das ist der Stoffwechselprozess, durch den Blutzucker zerlegt wird, um Laktat zu bilden, das als Energiequelle dient), und zwar ohne Verletzungsrisiko. Es kräftigt die Atemmuskeln, erhöht die Toleranz gegenüber Kurzatmigkeit und reduziert (zu) starke Veränderungen der Atmung, die im Körper als Reaktion auf eine Hyperkapnie oder Hypoxie ausgelöst werden (Hyperkapnie ist ein erhöhter Kohlendioxidgehalt, Hypoxie ein verminderter Sauerstoffgehalt im Blut). Es erhöht den VO2max (die maximale Sauerstoffmenge, die der Körper unter Belastung transportieren und nutzen kann), verbessert die Ökonomie beim Laufen (das Verhältnis zwischen Laufleistung und Sauerstoffverbrauch), die sogenannte Repeated Sprint Ability (die für Teamsportarten wichtige Fähigkeit zum wiederholten Abruf der maximalen Sprintleistung) und den Fitnesserhalt während Trainingspausen oder Verletzungen.

Das Nachahmen eines niedrigen Sauerstoffpartialdrucks entsprechend dem Höhentraining kann außerdem möglicherweise die Widerstandskraft gegen Krankheiten erhöhen und den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. In einer Studie, die von 1965 bis 1972 lief, untersuchten Wissenschaftler an 20 000 Soldaten, die auf Höhen zwischen 3692 und 5538 Metern stationiert waren, die Effekte von Höhenlagen auf häufige Krankheiten. Die Männer hatten nur begrenzten Zugang zu grundlegender Körperhygiene wie Bädern oder Wechselwäsche, und die Forscher gingen davon aus, dass ein längerer Aufenthalt in großer Höhe sich negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit und die Leistungsfähigkeit auswirken würde.6

Entgegen dieser Erwartungen stellten die Forscher fest, dass es während eines zwei-bis dreijährigen Aufenthalts in Höhenlagen deutlich seltener als sonst zu vielen körperlichen Krankheiten wie Atemwegsinfektionen, hohem Blutdruck, Diabetes, Asthma und Hautkrankheiten kam. Psychische Krankheiten traten in großer Höhe weniger als halb so oft auf, trotz der Einförmigkeit der Umgebung und der Sorgen der Männer in Zusammenhang mit der Trennung von ihren Familien.7

Warum ist suboptimale Atmung ein Problem?

Weil unsere Atmung eine so wesentliche körperliche Grundfunktion ist, fällt es uns unter Umständen schwer, zu begreifen, dass wir sie verbessern können – zumindest so lange, bis ein offensichtliches Problem auftritt, das regelmäßige Beschwerden nach sich zieht. Und selbst dann kann es sein, dass wir nicht realisieren, dass wir das Problem einfach lösen könnten, indem wir unsere Atemmuster verbessern. Um die Bedeutung von Atemtraining zu erfassen, müssen wir erst einmal das Problem verstehen.

Eine Atemstörung beziehungsweise dysfunktionales Atmen ist eine Erkrankung, bei der das Atmen problematisch ist und Symptome wie Atemnot hervorbringt. Eine Atemstörung ist psychisch oder körperlich bedingt und zeigt sich zum Beispiel durch zu tiefes Atmen, zu schnelles Atmen (beides sind Symptome der sogenannten Hyperventilation) oder dadurch, im Ruhezustand in den oberen Brustraum zu atmen, oder durch unregelmäßige Atmung mit regelmäßigem Luftanhalten oder Seufzen.8 9,5 Prozent der untersuchten Erwachsenen insgesamt leiden an Atemstörungen; bei Asthmatikern sind es 29 Prozent und bei Menschen mit Angstzuständen 75 Prozent.9, 10 Angesichts der Tatsache, dass Asthma, Angstzustände, Panikattacken und Stress sich allesamt negativ auf das Atemverhalten auswirken und damit in einen Teufelskreis der ineffizienten Atmung führen, überraschen diese Zahlen nicht.

Chronische Hyperventilation, also die Tendenz, zu viel Luft einzuatmen, ist das häufigste und am besten untersuchte Merkmal von Atemstörungen.11 Ein charakteristisches Merkmal ist schnelles Atmen, häufig durch den geöffneten Mund. Dazu kann es im Wachzustand ebenso kommen wie im Schlaf. Weitere Anzeichen sind das Atmen über die obere Brustregion und deutlich wahrnehmbare Atmung. In biomechanischer Hinsicht bedeutet das schlicht, dass mehr Luft ein- und wieder ausgeatmet wird, als der Körper benötigt, was zur Folge hat, dass der Kohlendioxidgehalt im Blut sinkt.12 Obgleich der Begriff chronische Hyperventilation häufig synonym mit dysfunktionaler Atmung verwendet wird, ist Ersteres nur eine Art der Atemstörung.

Tatsächlich ist dysfunktionales Atmen kein Problem, das sich auf das Atmungssystem beschränkt. Es hat erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Gesundheitszustand. Zum Beispiel besteht ein enger Zusammenhang zwischen zu intensiver Atmung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Rahmen einer Forschungsstudie einer kardiologischen Intensivstation in Minneapolis fand man heraus, dass von 153 Herzinfarktpatienten alle überwiegend eine Brustatmung aufwiesen (also nicht die eigentlich effektivere Bauchatmung über das Zwerchfell nutzten), 75 Prozent ständig durch den Mund und 70 Prozent im Schlaf mit offenem Mund atmeten.13

Mit Blick auf die weiterreichenden gesundheitlichen Auswirkungen wurde in einer Studie von 1998 berichtet, dass in den USA fast die Hälfte aller ambulanten, zum Beispiel hausärztlichen, Untersuchungen auf das Konto von Patienten mit lediglich 14 häufigen Symptomen geht. Von diesen Beschwerden, darunter Bauch-, Brust-, Kopfund Rückenschmerzen, lassen sich nur 10 bis 15 Prozent auf eine organische Krankheit zurückführen.14 Gleichzeitig kann sich jede dieser Beschwerden durch Atemstörungen verschlimmern. Vereinfacht gesagt, hat die Qualität unserer Atmung erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unsere Lebenserwartung.

Eine umfassende Aufstellung der Symptome und Anzeichen für Hyperventilation findet sich in dem Buch Behavioral and Psychological Approaches to Breathing Pattern Disorders von Beverly Timmons und Robert Ley.15 Die folgende Liste mit Symptomen hat mir Dr. L. C. Lum, emeritierter Lungenspezialist des Papworth and Addenbrooke’s Hospital in Cambridge, 1991 zur Verfügung gestellt. Falsches Atmen kann sich auf alle Organe und Körpersysteme auswirken und ruft unter anderem folgende Symptome hervor:

Allgemeine Symptome: Erschöpfung, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, mangelnde Leistungsfähigkeit, Gedächtnisstörungen, Kraftlosigkeit, Schlafstörungen, Allergien

Respiratorische Symptome (die Atmung betreffend): Atemnot nach Anstrengungen, Engegefühl in der Brust, regelmäßiges Seufzen, Gähnen und Schniefen, Reizhusten, Unvermögen zum Durchatmen

Kardiovaskuläre Symptome (Herz und Blutgefäße betreffend): unregelmäßiger oder schneller Herzschlag/Herzklopfen, Raynaud-Syndrom, Brustschmerzen, kalte Hände und Füße

Muskuläre Symptome: Muskelschmerzen, Krämpfe, Zittern, Kraftlosigkeit, Steifigkeit und Tetanie (Zuckungen und sich verkrampfende Muskeln)

Gastrointestinale Symptome (die Verdauungsorgane betreffend): Sodbrennen, saures Aufstoßen oder Hiatushernie (Zwerchfellbruch), Flatulenzen oder Aufstoßen, Blähungen, Schluckschwierigkeiten/Kloß im Hals, Bauchbeschwerden

Neurologische Symptome (das Nervensystem betreffend): Schwindel, Kopfschmerzen und Migräne, Parästhesien (Empfindungsstörungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle) in Händen, Füßen oder Gesicht, Hitzewallungen

Psychische Symptome: Angstgefühle, Anspannung, Depersonalisation (Störung des Ich-Erlebens), Panikattacken, Phobien (Quelle: L. C. Lum, 1991)

Dysfunktionale Atmung kann gleichzeitig mit anderen Erkrankungen auftreten. Zum Beispiel können bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (chronic obstructive lung disease: COPD) gleichzeitig Atemstörungen auftreten. Kurzatmigkeit bei körperlicher Belastung ist bei Menschen mit COPD oder Asthma nicht immer auf ihre Krankheit zurückzuführen; in der Mehrzahl der Fälle tragen auch falsche Atemmuster dazu bei.

Ursachen von ungesunden Atemmustern

Rufen Sie sich noch einmal die drei Hauptfaktoren für die Entstehung von Atemstörungen in Erinnerung:

Biochemische Faktoren

Biomechanische Faktoren

Psychologische Faktoren16

Die zugrunde liegenden Ursachen von Atemproblemen variieren zwar, jedoch sind Umweltfaktoren, Lebensgewohnheiten und genetische Vorbelastung häufige Auslöser. Oft sind Atemstörungen einfach die Folge von mangelnder Wahrnehmung der eigenen Atmung und der lebenslangen Gewohnheit, mit geöffnetem Mund zu atmen.

Biochemische Auslöser

Die biochemischen Aspekte dysfunktionaler Atmung haben mit dem Gleichgewicht zwischen Sauerstoff und Kohlendioxid zu tun. Häufiger Auslöser beziehungsweise verschlimmernder Faktor ist ein verbreitetes Missverständnis in Bezug auf tiefes Atmen, das das Ungleichgewicht paradoxerweise auslöst: Stressberater, Fitnesstrainer, Sportcoaches, Yogalehrer, Pilatesanleiter, Physiotherapeuten und Medienstars ermuntern ihre Klienten dazu, tief einzuatmen, um mehr Sauerstoff in den Körper zu befördern. Allerdings wird der tiefe oft mit dem volumenreichen Atemzug verwechselt. Ein tiefer Atemzug ist ein Atemzug, wie ihn Babys von Natur aus nehmen: Sie atmen sanft und ruhig in den Bauch hinein und nutzen dabei das Zwerchfell. Im Unterschied dazu wird der volumenreiche oder große Atemzug häufig hörbar durch den Mund eingesogen und geht grundsätzlich mit Bewegungen im oberen Brustbereich einher. Das führt zu einem zu intensiven Atmen (Hyperventilation) und löst ein biochemisches Ungleichgewicht zwischen Kohlendioxid- und Sauerstoffgehalt im Blut aus.

Ein sitzender Lebensstil kann ebenfalls einen enormen Einfluss darauf haben, wie der Körper Sauerstoff verarbeitet. Wenn wir unsere Muskeln bewegen, erzeugen wir Kohlendioxid, ein wichtiges Gas, das hilft, die gesunde Sauerstoffversorgung des Körpers aufrechtzuerhalten. Bei Bewegungsmangel wird weniger CO2 produziert, was zu einer zu intensiven Atmung beitragen kann. Das ist im Grunde genommen eine Krankheit unserer modernen Zeit. Vor 50 Jahren verbrachten die Menschen schätzungsweise vier Stunden täglich mit irgendeiner Art von körperlicher Bewegung. Heute, wo eine sitzende Arbeitsweise verbreiteter ist,17 kommen weniger als fünf Prozent der Erwachsenen gerade mal auf eine halbe Stunde Bewegung täglich.18 Das heißt, dass bei vielen Menschen die Atmung vermutlich mit einem biochemischen Ungleichgewicht einhergeht.

Selbst der einfache Vorgang des Sprechens kann eine zu intensive Atmung verursachen. Es ist normal, dass beim Sprechen sowohl die Atemfrequenz als auch das Atemzugsvolumen steigen. Wenn wir sehr lange sprechen, atmen wir meist zu stark. Menschen, die im Handel, im Telefonmarketing oder in der Lehre tätig sind, wo sie den ganzen Tag lang sprechen müssen, wissen nur allzu gut, wie müde und erschöpft einen das bis zum Feierabend machen kann. Neben der biochemischen Wirkung verursacht sehr langes und intensives Sprechen auch einen trockenen Hals und kann die Herzfrequenz erhöhen.

Biomechanische Auslöser

Dysfunktionale Atmung ist oft mit mangelnder Koordination des Zwerchfells, der Bauchmuskeln und der Muskulatur des Brustkorbs verbunden.19 Hier besteht ein enger Zusammenhang mit der Körperhaltung. Der wichtigste Atemmuskel ist das Zwerchfell. Diese dünne Muskel-Sehnen-Platte befindet sich unterhalb der Rippen und trennt Brust- und Bauchraum. Bei jedem Atemzug, der im Ruhezustand in die Lungen gesogen wird, bewegt sich das Zwerchfell ein bis zwei Zentimeter nach unten. Wenn Sie bei der Arbeit regelmäßig über Ihrem Schreibtisch einen krummen Rücken machen, können Sie nicht effektiv atmen – einfach, weil das Zwerchfell nicht genug Platz hat, um sich frei zu bewegen.

Effektive Zwerchfellatmung hilft, die Stabilität der Wirbelsäule zu erhalten. Das heißt, dass ein enger Zusammenhang zwischen Körperhaltung und funktionalen Atemmustern besteht.

Wenn Sie gesund atmen, werden Sie sich auch gesund bewegen können. Falsche Atmung kann zu Schmerzen im unteren Rücken führen. Umgekehrt können Schmerzen im unteren Rücken und Nacken die Arbeit der Atemmuskulatur beeinflussen; Spannungen in diesen Bereichen haben oft automatisch eine Brustatmung zur Folge.20 Wenn Sie in Ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, sei es durch eine Verletzung, eine Krankheit oder Ihre Lebensgewohnheiten, wird Ihre Atmung darunter leiden. Abgesehen von solchen chronischen Beschwerden ist eine schlechte Körperhaltung der Hauptfaktor für eine biomechanisch verursachte dysfunktionale Atmung. Es ist einfach so: Wenn Ihre Atmung gestört ist, dann ist auch Ihre Bewegungsfähigkeit gestört und umgekehrt.

Psychische Auslöser

Forschungen haben belegt, dass Symptome im Zusammenhang mit Atemstörungen stark von Ängsten und anderen emotionalen Zuständen beeinflusst werden.21 In einigen Fällen stellen die psychischen Einflüsse sogar die Ursache für die physischen (körperlichen) Symptome dar. Manche Menschen haben auch eine genetische Prädisposition dafür, schlecht Luft zu bekommen. Menschen, die zu Angstzuständen, Asthma oder Panikstörungen neigen, haben ein höheres Risiko für eine dysfunktionale Atmung, weil zwischen den Gefühlen von Atemnot und Panik ein sich selbst verstärkender Kreislauf entsteht. Eine Verschlechterung der Atemmuster kann eine Stressantwort auslösen, Angstgefühle hervorrufen oder Angstzustände und Asthmasymptome verschlimmern. Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus und Zwanghaftigkeit können sich ebenfalls auf das Atemverhalten auswirken.

Stress ist ein häufiger Auslöser mit ernsten Langzeitfolgen. Wenn die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiviert wird, beschleunigt sich die Atmung, um uns bereit für körperliche Aktivität zu machen. So war es schon bei unseren Vorfahren, wenn diese mit einer Bedrohung konfrontiert waren. Allerdings haben wir in unserer modernen Gesellschaft kaum einmal die Gelegenheit zu der intensiven körperlichen Aktivität, die nötig wäre, um das durch den Stress freigesetzte überschüssige Adrenalin wieder abzubauen. Angesichts einer wichtigen Deadline oder eines nervenaufreibenden Telefonats ums Büro zu sprinten, würden wir als unpassend empfinden. Hinzu kommt, dass die Art von Stress, mit der wir es heute zu tun haben, mit höherer Wahrscheinlichkeit chronisch wird, während Stress für unsere Vorfahren in der Regel etwas Kurzzeitiges und Vorübergehendes war.

Die Atmung aus biochemischer Sicht

Die Biochemie der Atmung umfasst den Austausch und die Verstoffwechslung von Gasen, darunter den Verbrauch von Sauerstoff und die Produktion von Kohlendioxid (CO2). Wie der Autor eines 2017 erschienenen Reviews über die Biochemie von Atemübungen im Yoga erläutert, »wird uns in der medizinischen Ausbildung beigebracht, Sauerstoff sei gut und Kohlendioxid schlecht«. Tatsächlich brauchen wir aber, um gesund zu bleiben, einen gewissen Anteil von CO2 im Blut. Vor allem »bedingt CO2 die biologische Verfügbarkeit von Sauerstoff für Zellen und Gewebe«. Sauerstoff ist der Hauptnährstoff, den jede Zelle in unserem Körper braucht. Ohne CO2 würden die Gewebe selbst dann an Sauerstoffmangel leiden, wenn Sauerstoff im Blut vorhanden ist. Anders gesagt: CO2 ist nicht immer ein Abfallstoff.22

CO2: Mehr als ein Abfallprodukt

Historisch betrachtet hat Kohlendioxid immer ein eher gemischtes Ansehen genossen. Die alten Griechen und Römer nutzten es in ihren natürlichen Thermalbädern als therapeutisches Hilfsmittel. Das Wasser enthielt einen hohen Anteil an CO2 in Form von Kohlensäure. Der griechische Arzt Hippokrates empfahl die Bäder in seinen Schriften aus dem 4. Jahrhundert vor Christus bei Kopfschmerzen, Gicht, Asthma und zur Wundheilung.

Im 16. Jahrhundert kamen die Bäder wieder in Mode und blieben über mehrere Jahrhunderte hinweg populär. Man glaubte, die Wässer aus bestimmten Gebieten hätten einen geheimen, lebensspendenden Inhaltsstoff; heute wissen wir, dass es sich um Kohlensäure (H2CO3) handelt. Je mehr H2CO3 das Wasser enthielt, so die Annahme, desto stärker war die revitalisierende Wirkung. In dem Buch History of Industrial Gases (auf Deutsch »Geschichte der industriellen Gase«) heißt es, in einem 20-minütigen Kohlensäurebad nehme der Körper etwa sechs Liter des Gases auf.23 In Wasser gelöstes CO2 erzeugt ein Kribbeln auf der Haut, weil die oberflächlichen Blutgefäße sich weiten. Wenn Sie mit Kohlensäure versetztes Wasser trinken, bekommen Sie einen Eindruck von diesem Gefühl. Darüber hinaus setzen solche Bäder Mineralsalze frei.

Um 1800 zogen die Thermalbäder im französischen Royat Tausende Besucher an, die bei Fettleibigkeit, Angsterkrankungen, Asthma, Ekzemen und anderen Erkrankungen auf Linderung hofften. In einer E-Mail schrieb mir James Nestor, Autor des Bestsellers Breath24, im Juli 2020: »Nach einem kurzen Bad im Thermalwasser ist die Haut rosig [...]. Asthmatiker berichten, dass sie auf einmal frei atmen konnten. Übergewichtige Badegäste stellen fest, dass Fettansammlungen an Bauch oder Beinen sich straffen und verschwinden.« Auch heute noch besuchen die Menschen, zum Beispiel im Osten von Ungarn, Mofetten; das sind Heilbäder, die kohlendioxidreiche vulkanische Gasausströmungen zur unterstützenden Behandlung verschiedener Probleme, von Herz-Kreislauf-Erkrankungen über gynäkologische Leiden und Hauterkrankungen bis zu Stress und Erschöpfung, nutzbar machen. Bei der Behandlung sitzt man in dem Heilgas und inhaliert es unter therapeutischer Aufsicht.25

Der Begriff Mofette stammt aus dem Italienischen und ist laut Oxford Dictionary ein altes Wort für Fumarole; das ist eine Öffnung in der Erdkruste, aus der Wasserdampf und Gase austreten.26 Diese vulkanischen Öffnungen treten häufig auf dem Gebiet Frankreichs, Rumäniens und Italiens auf und finden sich auch im Death Gulch im Yellowstone-Nationalpark. Als Behandlung bei Verletzungen wurden Mofetten erstmalig im 16. Jahrhundert in den Werken des Schweizer Arztes und Alchemisten Paracelsus erwähnt.

Seit den 1930er-Jahren hatten Ärzte in Royat begonnen, CO2 direkt über die Lunge zu verabreichen. Nestor führt dazu aus, dass »man herausgefunden hatte, dass sich dadurch Atem- und Hauterkrankungen doppelt zu schnell heilen ließen wie durch Bäder«.

Etwa um dieselbe Zeit fand die Kohlendioxid-Therapie ihren Weg über den Atlantik in die USA. Die Harvard Medical School und das Boston City Hospital führten mehrere innovative Studien mit dem Gas durch, um seine klinischen Anwendungsmöglichkeiten bei der Behandlung körperlicher und psychischer Krankheiten zu erforschen. Man ging davon aus, dass Erkrankungen im Bereich des Gehirns von zu geringer Durchblutung und verengten Blutgefäßen verursacht wurden. Im Rahmen von Versuchen mit der CO2-Therapie an Epilepsiepatienten stellte man fest, dass sich das Auftreten von Anfällen bereits nach wenigen Behandlungssitzungen reduzierte. Der an der Yale University tätige Physiologe Yandell Henderson fand heraus, dass sich mit einer Mischung aus Sauerstoff und fünf Prozent CO2 bei Patienten mit Asthma, Schlaganfällen, Lungenentzündungen, Herzinfarkten, bei Asphyxie (Sauerstoffmangel durch unzureichende Atmung) bei Neugeborenen27 und bei verschiedenen Atemwegserkrankungen aufgrund der raschen Oxygenierung der Gewebe (das heißt der Versorgung mit Sauerstoff) erstaunliche Resultate erzielen ließen.28 In hoher Dosierung wirkt CO2 zudem als (tödliches) Betäubungsmittel.29

In den 1940ern und 50ern nahm die Verbreitung der Therapie Fahrt auf und ihr Nutzen wurde weiter erforscht. Sie war unglaublich kostengünstig und einfach zu verabreichen – eine Tatsache, die möglicherweise gleichzeitig zu ihrem Niedergang betrug. Das Gas wurde so populär, dass in manchen zusätzlichen Shows beim Zirkus seine narkotische Wirkung bei hohen Konzentrationen öffentlich demonstriert wurde, und schließlich begann eine Kampagne das Gas für gefährlich zu erklären. Dr. Ralph M. Waters, ein in Ohio tätiger Arzt, der für die Professionalisierung der Anästhesie bekannt wurde,30 warnte in seinen Äußerungen über Kohlendioxid zum Beispiel, es handle sich um ein »toxisches Abfallprodukt, wie Urin«.31 Ob er nun potenziell gefährliche Therapien mit 30 Prozent CO2 mit sehr wirksamen Therapien mit fünf Prozent CO2 verwechselte, unregulierte Heilbehandlungen befürchtete oder durch sein Eigeninteresse motiviert war – die Behandlungen, auf die sich Waters spezialisiert hatte, waren sowohl fachkundig als auch teuer.

Allerdings entbehrten seine Behauptungen nicht der wissenschaftlichen Grundlage. Wenn es nicht fachgerecht verabreicht wird, kann Kohlendioxid tödlich sein. Ein Beispiel ist der Fall der Tochter des berühmten Chemikers James Watt, des Erfinders der Watt’schen Dampfmaschine. Jessie Watt starb nach einer mehrstündigen CO2-Therapie an ihrer Tuberkulose. Allerdings war ihre Krankheit laut ihres Arztes, Thomas Beddoes, der viele andere Patienten erfolgreich behandelte, bei Beginn der Behandlung bereits in einem zu fortgeschrittenen Stadium. Ihr Vater arbeitete gemeinsam mit Beddoes weiter an der Entwicklung von Apparaturen und Techniken zur medizinischen Verabreichung verschiedener Gase.

Was auch immer Watsons Absicht gewesen sein mag: Es gelang ihm, die medizinische Nutzung von Kohlendioxid in Verruf zu bringen. Die Behandlung wurde verdrängt und ihr eigentlicher Zweck wurde durch falsche Behauptungen, Rechtsstreitigkeiten und selektive Studien verzerrt dargestellt. 100 Jahre Erfahrung aus medizinischer Forschung, die bewiesen hatte, dass CO2 zur Therapie vieler Krankheiten eingesetzt werden kann, waren so gut wie vergessen.

1904 entdeckte der dänische Physiologe Christian Bohr, dass Kohlendioxid die Abgabe von Sauerstoff an die Zellen erleichtert. Sauerstoff wird, gebunden an den Blutfarbstoff Hämoglobin, in roten Blutkörperchen durch den Körper transportiert. Bohr entdeckte, dass Kohlendioxid als Katalysator für das Hämoglobin fungiert, seine Sauerstoffladung freizugeben, damit der Körper es nutzen kann. Wenn die CO2-Konzentration im Blut niedrig ist, wird O2 (Sauerstoff) fester an Hämoglobin gebunden. Das bedeutet, dass der Körper nicht so gut auf den Sauerstoff im Blut zugreifen kann, und es führt zu einer mangelnden Sauerstoffversorgung des Körpers.

2017 verfasste ein Arzt am Subharti Medical College in Indien eine detaillierte Überblicksarbeit über den Nutzen von Kohlendioxid. Der Autor, Dr. Singh, ist Yogapraktizierender und hat viel Zeit auf die Erforschung der Funktionsweise von Yoga verwendet.32 Dr. Singh entdeckte, dass CO2 den Vagusnerv stimuliert – das ist ein wichtiger Hirnnerv, über den Sie in Kapitel 4 mehr erfahren werden. Er fand heraus, dass ein höherer CO2-Gehalt im Blut den Vagusnerv aktivieren und die Herzfrequenz senken kann.33 Er beschreibt Kohlendioxid als »natürliches Beruhigungsmittel«. Es senkt die Erregbarkeit der Bewusstseinszentren im Gehirn und fördert unsere Fähigkeit zur Nutzung der Logik, der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes. Ohne CO2 können wir ängstlich, depressiv und wütend werden.34

Kohlendioxid steuert außerdem Aspekte der Homöostase des Blutes. Über die Homöostase erfahren Sie ebenfalls mehr in Kapitel 4; für den Moment genügt es, zu wissen, dass es dabei um die Regulierung der Blutgase und des pH-Werts des Bluts geht, damit alle Funktionen innerhalb gesunder Rahmenbedingungen ablaufen. Singh erklärt, dass wir, wenn CO2 so gut für uns ist, daran arbeiten sollten, den Anteil des Gases in unserem Körper zu erhöhen. Wenn Sie die Luft anhalten, reichert sich sukzessive CO2 im Blut an. Durch Übung können Sie Ihre CO2-Sensitivität verringern. CO2-Sensitivität bedeutet Empfindlichkeit gegenüber (steigenden) CO2-Konzentrationen im Blut: In den Blutgefäßen befinden sich Messtellen (Chemorezeptoren) für CO2, die bei steigenden Werten sozusagen den Befehl geben, schnell wieder einzuatmen. Dies versetzt Sie in die Lage, höhere Konzentrationen des Gases in Ihrem Blut zu tolerieren, was Ihnen, wie Dr. Singh es ausdrückt, eine umfassende Schnellladung ihrer Gesundheit ermöglicht. Im Widerspruch zu den alarmierenden Aussagen von Dr. Waters zitiert Singh Forschungsergebnisse, die belegen, dass eine Erhöhung des CO2-Gehalts im Blut innerhalb gesunder Grenzen keine schädlichen Auswirkungen hat.35 Singh geht noch weiter und sagt: »Kohlendioxid ist wahrlich der Atem des Lebens.«

Die Biochemie der Rückkehr zur gesunden Atmung

Die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft deuten darauf hin, dass bei dysfunktionaler Atmung die körperliche Sensitivität für Kohlendioxid eine wesentliche Rolle spielt. Wenn die für die Steuerung der Atmung zuständigen Chemorezeptoren übermäßig sensibel für CO2 sind, reagieren die Atemmuster stärker auf das Steigen und Fallen des CO2-Gehalts im Blut. Diese verstärkte Reaktion der Atmung auf die Blutgase erschwert die Atemkontrolle. Menschen mit einer hohen Sensibilität gegenüber CO2 neigen dazu, schneller zu atmen als der Durchschnitt und nutzen dazu oft vor allem die Brustatmung.

Umgekehrt atmen Menschen, die eine höhere Toleranzschwelle entwickelt haben und weniger CO2-empfindlich sind, generell ruhiger und gesünder. Ihre Atmung bleibt sowohl während Ruhephasen und im Schlaf als auch bei intensiveren und längeren Phasen in Bewegung vergleichsweise leicht. Eine niedrigere Empfindlichkeit gegenüber CO2 ist vorteilhaft für die sportliche Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden. Studien haben sogar gezeigt, dass das ein Aspekt ist, der Menschen mit herausragender Ausdauerleistung von der Masse unterscheidet.36

Während anstrengender körperlicher Beanspruchung steigt der Sauerstoffverbrauch des Körpers. Dadurch sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut leicht. Gleichzeitig wird durch die gesteigerte Muskelaktivität und Stoffwechselrate mehr CO2 produziert. Normalerweise beschleunigt sich die Atemfrequenz proportional, wenn der CO2-Gehalt steigt. Dadurch wird sichergestellt, dass ausreichend CO2 ausgeatmet wird, um den Gehalt im Normalbereich zu halten.

Eine 1979 in dem Fachmagazin Medicine & Science in Sports & Exercise veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass die für Ausdauersportler typische leichte, mühelose Atmung den Zusammenhang zwischen der Sensitivität der Chemorezeptoren für CO2 und außergewöhnlicher Leistungsfähigkeit erklären könnte.37 2007 zeigte ein Versuch des französischen Biologen und Experten für Leibeserziehung Xavier Woorons, dass niedrigere Atemfrequenzen bei trainierten Männern sowohl auf Meereshöhe als auch in Höhenlagen mit geringerem Luftsauerstoff mit einer reduzierten Sensitivität der Sensoren in den Blutgefäßen für Kohlendioxid in Zusammenhang stehen.38 Ausdauersportler zeigen im Vergleich zu Nicht-Sportlern in der Regel eine geringere Atemantwort auf Veränderungen des Sauerstoff- und CO2-Gehalts im Blut.39 Allerdings stellt diese Studie die verbreitete Auffassung infrage, dass der Atemimpuls (und damit das Gefühl der Atemlosigkeit) nur durch intensives körperliches Training verringert werden kann.40

Letztendlich ist eine Trainingsintensität, die nötig wäre, um dieses Ziel allein durch Training zu erreichen, für die meisten Menschen unrealistisch. Um diese Herausforderung auf andere, machbare Weise anzugehen, eignen sich die einfachen, in diesem Buch vorgestellten Techniken zur Herabsetzung der Atemantwort des Körpers auf den Anstieg von CO2 im Blut. Wenn eine Person ihren BOLT-Wert erhöht, sinkt ihre Empfindlichkeit gegenüber CO2.

Einen weiteren biochemischen Vorteil bietet die Nasenatmung, wie sie in diesem Buch gelehrt wird. Nasenatmung ermöglicht dem Körper die Nutzung von nasalem Stickstoffmonoxid (NO) – Erläuterungen folgen in Kapitel 3 – und des Kohlendioxids im Blut. Beide chemische Stoffe sind Vasodilatatoren, das heißt, dass sie die Blutgefäße entspannen und dadurch erweitern. Während die Bedeutung von CO2 für den Blutfluss und den Sauerstoffmetabolismus seit Langem bekannt ist,41 wissen wir erst seit Kurzem, welche Rolle nasales Stickstoffmonoxid bei der Erweiterung der Blutgefäße in der Lunge spielt.

Die Biomechanik gesunder Atmung

Das Hinein- und Herausströmen von Luft in unseren Atemwegen geschieht über zyklische Veränderungen des Lungenvolumens. Wenn sich Zwerchfell und Brustwand bewegen, ändert sich der Druck in der Brust und initiiert das Ein- und Ausatmen von Luft. Im Idealfall spannen wir bei einem tiefen Atemzug das Zwerchfell an, um die Luft tief in unsere Lungen zu ziehen. Wenn wir allerdings einen großen Atemzug durch den Mund einsaugen, gelangt die Luft in der Regel nur bis in den oberen Brustbereich. Effektive, dauerhafte Zwerchfellatmung lässt sich wirklich nur durch Nasenatmung erreichen.

Neben ihrer zentralen Bedeutung für die Atmung spielt das Zwerchfell eine wichtige Rolle bei der Haltungskontrolle. Bei der Einatmung bewegt sich das Zwerchfell nach unten. Dieses Absenken erhöht den Druck im Bauchraum, der zur Haltungskontrolle und Stabilität beiträgt. Der Druck wirkt wie ein Luftballon, der aufgeblasen wird, und unterstützt die Vorderseite der Wirbelsäule und das Becken.42 Umgekehrt verbessert eine gute Haltung die Atmung. Durch Zwerchfellatmung lassen sich mehrere wichtige Dinge erreichen:

Verlangsamung der Atmung

Beruhigung des Geists

Beförderung der Luft tiefer in die Lungen

Verbesserung des Gasaustauschs

Unterstützung der funktionalen Atmung und damit der funktionalen, gesunden Bewegungen

Erzeugung von intraabdominellem Druck (IAP) zur Haltungskontrolle und Wirbelsäulenstabilität

Die Psychologie des Atmens

In unserer modernen Welt scheint es kaum möglich, in einem Umfeld zu leben, das frei ist von Stress. Doch wir können die Sorgen und den Druck des täglichen Lebens handhabbar machen – einfach, indem wir korrekt atmen. Wissenschaftler haben kontemplative Atempraktiken untersucht, den Zusammenhang zwischen der Atmung und der Kampf-oder-Flucht-Reaktion, die Art und Weise, wie unsere Atmung unsere Kognition beeinflusst, und sogar die Wechselwirkungen verschiedener sozialer Interaktionen mit unserem Atemsystem und wie sich diese auf unser psychisches und körperliches Wohlbefinden auswirken. Wir werden uns all diese Themenbereiche später im Detail ansehen. Für den Moment genügt der Hinweis, dass unsere Atmung einen wesentlichen Einfluss auf unseren psychischen Zustand hat, ebenso wie sich unser psychischer Zustand positiv oder negativ auf unsere Fähigkeit auswirken kann, frei zu atmen.

Ein Lösungsansatz für funktionale Atemstörungen

Die Ursachen für Atemstörungen lassen sich in die drei bereits beschriebenen Kategorien einteilen: biochemische, biomechanische und psychische Ursachen. Im Rahmen meiner Trainings biete ich Lösungen für dysfunktionale Atmung, die an der Biochemie, der Biomechanik und an der Atemkadenz ansetzen. Der Begriff Atemkadenz bezieht sich auf die Praxis der Reduktion der Atemfrequenz auf einen Wert zwischen 4,6 und 6 Atemzüge pro Minute.

Die Atemkadenz

Der Begriff Kadenzatmung fällt oft bei Sportarten wie dem Laufen und beschreibt eine Methode der kontrollierten Atmung, bei der der Sportler die Atmung mit seinen Körperbewegungen abstimmt. Zum Beispiel könnte ein Läufer immer beim Aufsetzen der Ferse des dominanten Beins einatmen. Das ist aber nicht das, was ich mit Kadenz meine. Ich nutze den Begriff in Bezug auf die Kontrolle der Atemfrequenz durch die Verlangsamung der Atmung, sodass die Ein- und Ausatmung mit einer Frequenz von sechs Atemzügen in der Minute (AZ/min) geschieht.

Übungen, die darauf abzielen, die Atmung auf lange Sicht zu verlangsamen, können Atemlosigkeit reduzieren und die Leistung bei intensivem körperlichem Training verbessern.43 Sie fördern zudem die allgemeine körperliche und psychische Gesundheit. Unzählige Studien haben gezeigt, dass eine Absenkung der Atemkadenz auf 6 AZ/min die Sauerstoffversorgung optimiert, die Blutdruckrezeptoren stimuliert und den sogenannten Totraum in der Lunge reduziert, das Auftreten von Entzündungen eindämmt und die Herzfrequenzvariabilität und den Vagotonus erhöht (diesen beiden letztgenannten Aspekten widmen wir uns in Kapitel 4).

Totraum ist das Atemvolumen, das eingeatmet wird, aber nicht am Gasaustausch (also der Abgabe von Sauerstoff an das Blut) beteiligt ist. Am Ende jeder Einatmung füllt sich der Raum in den oberen und unteren Atemwegen mit Luft. Dieser Raum umfasst die Nasenhöhle, den Rachenraum und die Luftröhre (Trachea). Etwa 150 Milliliter dieser eingeatmeten Luft verlassen den Körper unverändert, da diese Menge nie zu den Alveolen gelangt ist, den kleinen Luftbläschen in den Lungen, in denen der Gasaustausch stattfindet. Die Verlangsamung der Atemfrequenz reduziert den im Totraum verlorenen Luftanteil und verlängert die Zeit, in der (mehr) Sauerstoff aus den Lungen ins Blut diffundieren kann. In Formeln gegossen sieht das folgendermaßen aus:

Die unten stehenden Berechnungen zeigen deutlich, was geschieht, wenn die Atemfrequenz von zwölf Atemzügen pro Minute auf sechs reduziert wird.

Bei zwölf Atemzügen pro Minute erreicht ein Luftvolumen von 4,2 Litern die Alveolen. Bei sechs Atemzügen erhöht es sich auf 5,1 Liter. Das bedeutet eine Zunahme der Atemeffizienz um 20 Prozent.

Diese Zahlen werden durch Forschungsbefunde gestützt, die bestätigen, dass die Steigerung der Blutoxygenierung bei langsamem Atmen auf ein proportional größeres Luftvolumen, das die Alveolen erreicht, statt im Totraum zu verbleiben, zurückgeführt werden kann.46

Das hat Auswirkungen für den Sport, den Aufenthalt in Höhenlagen, die Ausdauer und die Leistung; und es steht in Zusammenhang mit Atemwegs- und Herzerkrankungen.

Laut einem wissenschaftlichen Beitrag von 2008 ist die Atemfrequenz ein wesentliches Vitalzeichen beim Erkennen ernster Erkrankungen.47 Vitalzeichen sind Messwerte, die Ärzte bei Patienten auf Akutstationen mindestens einmal täglich abnehmen. Dazu gehören Puls, Temperatur, Blutdruck und Atemfrequenz. Leider wurde in multizentrischen Studien festgestellt, dass die Dokumentation in vielen Krankenhäusern mangelhaft ist. Die Atemfrequenz wird oft nicht protokolliert, selbst in Fällen, in denen die Grunderkrankung des Patienten eine Atemwegserkrankung ist, obwohl gerade beschleunigte Atmung nachweislich ein Merkmal ist, mit dem sich Herzinfarkte und eine erforderliche intensivmedizinische Behandlung vorzeitig erkennen lassen.48

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Forschung zeigt, dass eine Atemfrequenz von mehr als 27 AZ/min auf Krankenhausstationen der wichtigste Prädiktor für Herzinfarkte ist und dass bei medizinisch instabilen Patienten Schwankungen der Atemgeschwindigkeit viel höher ausfallen als Veränderungen beim systolischen Blutdruck oder bei der Herzfrequenz. Das lässt darauf schließen, dass die Atemfrequenz genauere Messwerte für Risikopatienten erbrächte als andere Vitalzeichen. In einer Studie von 2005 heißt es, dass 21 Prozent aller stationären Patienten mit einer Atemfrequenz zwischen 25 und 29 AZ/min im Krankenhaus starben.49 In einem weiteren Beitrag von 2007 wurde dargestellt, dass mehr als die Hälfte der Patienten auf Allgemeinstationen, die einen Herzstillstand erlitten oder auf die Intensivstation verlegt werden mussten, eine Atemfrequenz von über 24 AZ/min aufwiesen.50 In 95 Prozent der Fälle hätten diese Menschen nicht weniger als 24 Stunden, bevor ihr Zustand ernst wurde, als Hochrisikopatienten identifiziert werden können.

Auch wenn die meisten von uns nicht zu dieser Hochrisikokategorie gehören, können wir alle erheblichen Nutzen aus der Verlangsamung der Atmung ziehen; in diesem Buch werden wir diese Effekte gemeinsam erkunden.

Wann ist Atmung gesunde Atmung?