Erfolgsfaktor Sauerstoff - Patrick McKeown - E-Book

Erfolgsfaktor Sauerstoff E-Book

Patrick McKeown

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Einfach, aber revolutionär! Ohne es wahrzunehmen, atmen die meisten Menschen viel zu viel, was zu verminderter Leistungsfähigkeit und Gesundheitsproblemen führen kann. Kontrolliertes Atmen versorgt Muskeln und Organe mit der genau richtigen Menge an Sauerstoff. Das erhöht Fitness und Wohlbefinden und hilft sogar beim Abnehmen. Patrick McKeowns wissenschaftlich belegte Techniken, die auf der Buteyko-Methode basieren, zeigen Ihnen, wie richtiges Atmen geht. Anhand eines Selbsttests können Sie bestimmen, wie effizient Ihr Körper Sauerstoff nutzt, und lernen dann, diesen Wert durch einfache Atemübungen zu verbessern. Eine Vielzahl an Trainingsplänen hilft Ihnen dabei, die perfekten Übungen für Ihre individuellen Bedürfnisse auszuwählen. Egal, ob Sie Übergewicht oder Atemwegserkrankungen wie Asthma bekämpfen, Höhentraining für eine gesteigerte aerobe und anaerobe Ausdauer simulieren oder mehr Energie, Fitness und Konzentration im Alltag erlangen wollen – mit Patrick McKeowns Programm atmen Sie sich ganz einfach zu mehr Lebensqualität!

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

info@m-vg

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

7. Auflage 2024

© 2018 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015 bei William Morrow, an imprint of

HarperCollins Publishers unter dem Titel The oxygen advantage.

© 2015 Paul Patrick McKeown. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Carmen Achter

Redaktion: Doortje Cramer-Scharnagl

Umschlaggestaltung: Laura Osswald

Umschlagabbildung: shutterstock/Umberto Shtanzman

Illustrationen: Bex Burgess

Abbildung S. 29, 117, 203, 265: shutterstock/Umberto Shtanzman

ePub by Konvertus

ISBN Print 978-3-7423-0468-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-967-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-966-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.m-vg.de

Dieses Buch ist all meinen Schülern und Lesern gewidmet, die diesem Werk ihre Aufmerksamkeit schenken und dazu beitragen, die zugrunde liegenden Erkenntnisse weiterzuverbreiten. Ich widme es außerdem meinem verstorbenen Vater Patrick, der mich stets zu einer eigenen Sichtweise ermutigte, meiner Mutter Teresa, meiner Frau Sinead und Lauren, meiner Tochter – danke für euer wunderbares Lächeln.

Inhalt

Vorwort

Einleitung – Weniger ist mehr

Teil 1 – Das Geheimnis der Atmung

Kapitel 1 – Das Sauerstoff-Paradox

Kapitel 2 – Wie fit sind Sie wirklich? Der BOLT-Test

Kapitel 3 – Die Nase ist zum Atmen da, der Mund zum Essen

Kapitel 4 – Reduziert und richtig atmen

Kapitel 5 – Das Wissen unserer Vorfahren

Teil 2 – Das Geheimnis der Fitness

Kapitel 6 – Sichern Sie sich den Vorsprung – auf natürliche Weise

Kapitel 7 – Holen Sie den Berg zu sich

Kapitel 8 – Im Flow sein

Teil 3 – Das Geheimnis der Gesundheit

Kapitel 9 – Schneller Gewichtsverlust ohne Diät

Kapitel 10 – Verletzungen und Erschöpfung reduzieren

Kapitel 11 – Die Sauerstoffversorgung des Herzens verbessern

Kapitel 12 – Trainingsbedingtes Asthma behandeln

Kapitel 13 – Trainieren, trainieren!

Teil 4 – Ihr persönliches Programm

Zusammenfassung und Basisprogramm

Kurzüberblick

Zusammenfassung der Übungen

Reduziert und richtig atmen für Fortgeschrittene

Allgemeines Programm

Trainingsprogramm bei BOLT-Werten unter 10 Sekunden

Trainingsprogramm bei BOLT-Werten von 10 bis 20 Sekunden

Trainingsprogramm bei BOLT-Werten von 20 bis 30 Sekunden

Trainingsprogramm bei BOLT-Werten über 30 Sekunden

Trainingsprogramm zur Gewichtsabnahme

Trainingsprogramm für Kinder und Jugendliche

Anhang

Sportliche Höchstleistungen – angeboren oder anerzogen?

Grenzen des Atemanhaltens

Quellen

Stichwortverzeichnis

Über den Autor

Dank

Wichtige Hinweise vor dem Start

Das in diesem Buch vorgestellte Programm ist für die meisten Menschen gesundheitlich unbedenklich. Allerdings beinhaltet es eine Reihe anspruchsvoller Übungen, die ein Höhentraining simulieren und mit hoher Intensität ausgeführt werden (dazu gehören auch Übungen, die die Nase befreien). Beidem sollten Sie sich nur widmen, wenn Ihre Gesundheit und Ihr Trainingszustand es zulassen.

Für Schwangere ist dieses Programm nicht geeignet. Für Menschen mit Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-1-Diabetes, Nierenerkrankungen, Depressionen oder Krebs ist es ratsam, nur die Nasenatmung zu üben. Führen Sie sanftere Übungen wie zum Beispiel die Atemregeneration und die Übung »Reduziert und richtig atmen« im Ruhezustand und bei körperlicher Aktivität aus, bis die Beschwerden sich gelegt haben.

Wenn Sie gesundheitliche Probleme haben, dann sollten Sie dieses Programm nur mit der Zustimmung Ihres Arztes durchführen. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Homepage www.OxygenAdvantage.com.

Es ist nicht der hohe Berg vor dir, der dich zermürbt, es ist der Kieselstein in deinem Schuh.

MUHAMMAD ALI

Vorwort

von Dr. Joseph Mercola

Studien belegen, dass Menschen, die in höheren Lagen leben, tendenziell länger leben. Welche Mechanismen im Einzelnen dahinterstehen, ist nicht bekannt – der Effekt könnte auf mehrere verschiedene Faktoren zurückzuführen sein. Die am nächsten liegende Erklärung ist der mit zunehmender Höhe abnehmende Sauerstoffpartialdruck.

Dass eine Beschränkung der Kalorienzufuhr die Lebensdauer verlängert, belegt die Forschung sehr eindeutig. Die Wirkung von Sauerstoff wird jedoch in der Regel nicht berücksichtigt. Genauso wie überflüssige Kalorien dem Stoffwechsel schaden können, können jedoch auch durch ein Zuviel an Sauerstoff freie Radikale entstehen, die Ihr Gewebe schädigen. Diese hochreaktiven und zerstörerischen Moleküle verursachen Schäden an den Lipiden Ihrer Zellmembranen, an körpereigenen Proteinen und der DNA. Freie Radikale entstehen beim ganz normalen Abbau von Sauerstoff im Rahmen von Stoffwechselvorgängen. Wir alle produzieren eine bestimmte Menge an freien Radikalen, einfach indem wir atmen. Atemübungen zu absolvieren, die darauf abzielen, ein gesundes Atemzugvolumen aufrechtzuerhalten, kann daher eine wirkungsvolle Strategie sein, um den Sauerstoff in Ihrem Körper auf einem optimalen Level zu halten. Das minimiert wiederum den Schaden, der durch freie Radikale entsteht.

Darüber hinaus ist das Höhentraining eine Taktik, mit der viele Spitzen- und Ausdauersportler sich einen Wettbewerbsvorsprung erarbeiten. Denn eine Möglichkeit, zusätzliche Ressourcen des Körpers anzuzapfen, ist es, für kurze Zeit gezielt die Sauerstoffzufuhr zu vermindern. Dies verbessert sowohl die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu transportieren, als auch die maximale Sauerstoffkapazität (VO2max) – also die Menge an Sauerstoff, die der Körper eines Sportlers pro Minute verwerten kann.

Nun leben die meisten von uns nicht besonders hoch über dem Meeresspiegel, sodass sie diesen Effekt nicht ohne Weiteres nutzen können. Es gibt jedoch einige einfache Strategien, anhand derer Sie die Vorteile des Lebens in Höhenlagen und der damit verbundenen verminderten Sauerstoffaufnahme nutzen können: Halten Sie beim Atmen den Mund geschlossen und praktizieren Sie die verschiedenen Übungen, die in diesem Buch beschrieben werden. Aufgrund unseres natürlichen Atemhungers kann das bei intensivem Training sehr herausfordernd sein – aber genau davon werden Sie am meisten profitieren.

Ich selbst nutze die Informationen aus diesem Buch im Rahmen meines Hochintensitätstrainings. Zugegeben, es hat mich mehrere Wochen gekostet, bis ich den Übergang zur Atmung durch die Nase gemeistert habe; aber als ich es geschafft hatte, wurde das Atmen weit effizienter.

Ich bin ein großer Verfechter des Ansatzes, mit einfachen Lebensstiländerungen teure, risikoreiche Medikamente und Operationen zu vermeiden. Die Strategien in Erfolgsfaktor Sauerstoff sollte meiner Meinung nach jeder in seine Auswahl gesundheitsfördernder Aktivitäten aufnehmen. Ich kann schlichtweg keine Nachteile erkennen – das Programm hat ausschließlich Vorteile. Ich persönlich nutze es und kann Ihnen nur wärmstens ans Herz legen, es auch in Ihr Leben zu integrieren. Es lohnt sich!

EINLEITUNG

Weniger ist mehr

Wir können wochenlang ohne Nahrung und tagelang ohne Wasser leben, aber nur wenige Minuten ohne Luft auskommen. Während wir viel Zeit und Aufmerksamkeit darauf verwenden, was wir essen und trinken, schenken wir der Atemluft so gut wie keine Beachtung. Dass bei der täglichen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowohl die Qualität als auch die Quantität eine wichtige Rolle spielen, ist allgemein bekannt. Eine Über- oder Unterversorgung führt zu Problemen. Uns ist auch klar, dass wir gute Luft brauchen. Aber was ist mit der Menge? Welches Maß an Atemluft benötigen wir für optimale Gesundheit? Wäre es nicht logisch anzunehmen, dass auch für die Luft, die doch für das menschliche Überleben noch wichtiger ist als Nahrung oder Wasser, ebenfalls ein paar ganz grundlegende Anforderungen gelten?

Die Menge der eingeatmeten Luft kann alles verändern, was Sie glaubten, über Ihren Körper, Ihre Gesundheit und Ihre Leistungsfähigkeit zu wissen. Das gilt unabhängig davon, ob Sie jemand sind, dem es schwerfällt fürs Training das Sofa zu verlassen, ob Sie ein Sonntagssportler sind, der gelegentlich zehn Kilometer läuft, oder ein Profiathlet auf der Suche nach dem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Sie fragen sich vielleicht, was ich in diesem Zusammenhang mit »Menge« meine. Schließlich ist Luft nichts, was Sie sich am späten Abend kurz mal am Küchentisch reinziehen – oder bei einem Gelage am Wochenende. Aber was wäre, wenn genau das in gewisser Hinsicht der Fall wäre? Was wäre, wenn gesunde Atemgewohnheiten für das Erreichen eines maximalen Fitnesslevels genauso wichtig wären wie gesunde Ernährungsgewohnheiten – oder sogar noch wichtiger?

In diesem Buch werden Sie die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Sauerstoff und wichtigen körperlichen Abläufen kennenlernen. Die Verbesserung Ihrer Leistungsfähigkeit wird dadurch erreicht, dass Sie die Sauerstoffversorgung Ihrer Muskeln, Ihrer Organe und Ihres Gewebes optimieren. Eine solchermaßen erhöhte Sauerstoffsättigung ist nicht nur gesünder, sondern ermöglicht auch eine höhere Übungsintensität und lässt Sie weniger schnell außer Atem kommen. Kurzum: Sie werden gesünder, fitter und leistungsfähiger.

Wenn Sie an Wettkämpfen teilnehmen, werden Sie feststellen, dass Sie sowohl das Training als auch den Wettbewerb selbst mehr genießen denn je. Der Grund: Sie werden in der Lage sein, mit weniger Aufwand mehr zu erreichen. Unsere allgemeine Fitness und sportliche Leistungsfähigkeit wird nämlich in der Regel durch die Lunge begrenzt – nicht durch die Beine, die Arme oder den Geist. Jeder, der sich regelmäßig bewegt, weiß, dass das Empfinden von Atemnot die Trainingsintensität weit mehr beeinflusst als jede Muskelermüdung. Die Grundlage für Spaß am Sport und eine Steigerung der körperlichen Aktivität ist deshalb eine möglichst effiziente Atmung.

Chronisches Hyperventilieren

Zu lernen, wie man richtig atmet, ist fundamental – das beweisen wissenschaftliche Untersuchungen ebenso wie die Erfahrungen Tausender Menschen, mit denen ich gearbeitet habe. Das Problem ist, dass die richtige Atmung, die uns eigentlich in die Wiege gelegt sein sollte, in unserer modernen Gesellschaft zu einer großen Herausforderung geworden ist. Wir gehen davon aus, dass der Körper immer reflexartig weiß, wie viel Luft er im jeweiligen Moment benötigt. Doch leider ist das nicht der Fall. Im Laufe der Jahrhunderte haben wir unsere Umwelt so dramatisch verändert, dass viele von uns die angeborene Fähigkeit zum Atmen verlernt haben. Der natürliche Atemprozess ist durch chronischen Stress, überwiegend sitzende Tätigkeiten, ungesunde Ernährung, überheizte Häuser und mangelnde Fitness aus dem Ruder geraten. All diese Faktoren tragen zu schlechten Atemgewohnheiten bei. Und schlechte Atemgewohnheiten haben wiederum Trägheit, Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Atembeschwerden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Folge.

Unsere Vorfahren ernährten sich natürlich und arbeiteten hart. Sie lebten in einem Umfeld, das weit weniger wettbewerbsorientiert war als das unsere – und das war einem effizienten Atemmuster zuträglich. Vergleichen Sie dies mit unserem modernen Alltag, in dem wir stundenlang an einem Schreibtisch vor dem Computer sitzen und telefonieren, mittags schnell beliebiges Fastfood hinunterschlingen und ohne Unterlass versuchen, eine scheinbar endlose Reihe von Aufgaben und finanziellen Verpflichtungen zu bewältigen.

Durch diese modernen Lebensumstände erhöht sich sukzessive die Menge der Luft, die wir atmen. Mehr Sauerstoff in den Lungen – das mag erst einmal positiv klingen. In Wirklichkeit ist es jedoch vielmehr ein leichter Atem, der von einem guten Gesundheits- und Fitnesszustand zeugt.

Stellen Sie sich zwei Menschen vor, die zu den olympischen Sommerspielen anreisen: ein übergewichtiger Tourist und ein Wettbewerbsteilnehmer. Was meinen Sie, wer mehr schnauft und keucht, wenn er sein Gepäck abholt und es die Treppe hochträgt? Sicherlich nicht der Sportler.

Das größte und selten identifizierte Hindernis auf dem Weg zu Gesundheit und Fitness ist chronisches Hyperventilieren, also Überatmen. Wir können zwei- bis dreimal so viel Luft einatmen, wie wir benötigen, ohne es überhaupt zu bemerken. Beantworten Sie folgende Fragen, um herauszufinden, ob Sie überatmen:

Atmen Sie manchmal während Ihrer täglichen Aktivitäten durch den Mund?

Atmen Sie im Tiefschlaf durch den Mund? (Falls Sie sich nicht sicher sind: Wachen Sie morgens mit trockenem Mund auf?)

Schnarchen Sie oder halten Sie im Schlaf den Atem an?

Können Sie Ihre Atmung im Ruhezustand sichtbar wahrnehmen? Um das herauszufinden, wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit jetzt gleich Ihrer Atmung zu: Nehmen Sie sich eine Minute Zeit und

beobachten

Sie die Bewegungen Ihrer Brust oder Ihres Bauchs während jedes Atemzuges. Je mehr Bewegung Sie sehen, desto tiefer atmen Sie.

Wenn Sie Ihre Atmung beobachten, nehmen Sie dann in Brustbereich oder am Bauch mehr Bewegung wahr?

Seufzen Sie den Tag über regelmäßig? (Ein gelegentlicher Seufzer ist kein Problem. Regelmäßiges Seufzen führt jedoch zu chronischem Überatmen.)

Hören Sie im Ruhezustand manchmal Ihren Atem?

Leiden Sie an Symptomen, die durch gewohnheitsmäßiges Überatmen hervorgerufen werden, wie z. B. eine verstopfte Nase, verengte Atemwege, Erschöpfung, Schwindel oder Benommenheit?

Wenn Sie eine oder mehrere der oben genannten Fragen mit Ja beantwortet haben, deutet dies auf eine Tendenz zum Überatmen hin. Die beschriebenen Merkmale sind typisch, wenn wir mehr Luft einatmen, als wir brauchen. Ebenso wie bei der täglichen Versorgung mit Wasser und Nahrung gibt es auch bei der Atemluft ein Optimum. Überatmen kann ebenso schlecht für die Gesundheit sein, wie zu viel zu essen.

Die unbewusste Gewohnheit der Überatmung hat in allen Teilen der industrialisierten Welt epidemische Ausmaße erreicht. Das ist äußerst schädlich für unsere Gesundheit. Chronisches Hyperventilieren führt zu Krankheiten, mangelnder Fitness und Leistungseinbußen. Es befördert zahlreiche Beschwerden, darunter Angstzustände, Asthma, Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Herzprobleme und sogar Fettleibigkeit. Es mag seltsam erscheinen, dass ein Spektrum so unterschiedlicher Probleme durch Überatmung verursacht oder verstärkt wird. Aber der Lebensatem beeinflusst buchstäblich jeden Aspekt unserer Gesundheit.

Ziel dieses Buches ist es, Sie in einen Zustand zu versetzen, in dem Sie wieder leben und atmen, wie es von der Natur vorgesehen ist. Ich werde Ihnen einfache Methoden zeigen, die schlechten Atemgewohnheiten entgegenwirken, die eine neue Basis für Ihre kardiovaskuläre Fitness legen und die Ihre Gesundheit und Ihr allgemeines Wohlbefinden steigern. Profisportler werden ein höheres Leistungsniveau erreichen, Fitnessbegeisterte bisher unerreichte Potenziale ausschöpfen. Und all diejenigen, die einfach versuchen, ihr Befinden zu verbessern, werden ihre Schwierigkeiten überwinden und zu einer gesünderen Lebensweise gelangen.

Aber um ein Leiden zu heilen, muss man es erst einmal verstehen.

Wie Sie im Alltag atmen, so atmen Sie auch bei körperlicher Betätigung. Wenn Sie täglich, in jeder Stunde und in jeder Minute, zu viel atmen, werden Sie beim Training mit Atemnot zu kämpfen haben. Denn wenn unsere Atmung schon im Ruhezustand miserabel ist, wäre es unsinnig zu erwarten, dass sie sich während körperlicher Anstrengung von selbst korrigiert. Die scheinbar harmlose Neigung, tagsüber oder nachts durch den Mund und im Ruhezustand sichtbar zu atmen, macht Sie beim Training kurzatmig und schränkt Ihr Vermögen ein, Ihre Leistung zu verbessern.

Diese schlechten Atemgewohnheiten können den Unterschied zwischen einem gesunden, dynamischen Leben und einem kränklichen, schwachen ausmachen. Überatmen führt zu einer Verengung der Atemwege. Das schränkt die Fähigkeit des Körpers ein, sich mit Sauerstoff aufzuladen, und die Verengung der Blutgefäße führt zu einer verminderten Durchblutung des Herzens und anderer Organe sowie der Muskeln. Diese systemischen Auswirkungen beeinträchtigen Ihre Gesundheit, egal ob Sie ein Profisportler sind oder Ihre Hauptübung darin besteht, die Treppen in Ihrem Haus zu erklimmen. Überatmen kann Sportkarrieren stagnieren lassen oder sogar verkürzen. Übermäßiges Atmen fordert seinen Tribut: Die Lungen lassen ihren Besitzer im Stich, unabhängig davon, wie stark der Rest des Körpers ist. Wie die meisten Sportler wissen, versagen unsere Lungen lange vor unseren Armen und Beinen.

Alles, was wir brauchen, ist die unsichtbare, aber entscheidende Grundlage des menschlichen Lebens: Sauerstoff. Das Paradoxe daran ist: Die Menge des Sauerstoffs, die Ihre Muskeln, Organe und Ihr Gewebe nutzen können, ist nicht vollständig abhängig von der Sauerstoffmenge im Blut. Die Sauerstoffsättigung unserer roten Blutkörperchen liegt zwischen fünfundneunzig und neunundneunzig Prozent, was für anstrengendes Training auch absolut ausreichend ist. (Einige meiner Klienten mit ernsthaften Lungenerkrankungen haben einen niedrigeren Sauerstoffsättigungsgrad, aber das ist sehr selten.) Darüber, wie viel Sauerstoff Ihr Körper wirklich nutzen kann, entscheidet die Menge an Kohlendioxid in Ihrem Blut. Sie wissen vielleicht noch aus Ihrem Biologieunterricht, dass wir Sauerstoff einatmen und Kohlendioxid, also CO2, ausatmen. Nach verbreiteter Auffassung ist Kohlendioxid nur ein Abfallstoff, ein Abgas, das wir über unsere Lungen loswerden, aber das stimmt nicht. Kohlendioxid ist der Schlüssel zur Freisetzung des Sauerstoffs aus den roten Blutkörperchen; ohne diesen Schlüssel könnte der Körper den Sauerstoff nicht umwandeln. Die dahinterstehenden Zusammenhänge bezeichnet man als Bohr-Effekt. Wenn Sie dieses physiologische Prinzip berücksichtigen, können Sie die Überatmung verhindern.

Der vor über hundert Jahren entdeckte Bohr-Effekt erklärt, wie die Abgabe von Sauerstoff an die aktiven Muskeln und Organe funktioniert. Was die meisten Menschen nicht wissen: Die Menge an Kohlendioxid in unseren Blutzellen bestimmt darüber, wie viel Sauerstoff der Körper nutzen kann. Der springende Punkt ist: Wie wir atmen, entscheidet über den Kohlendioxidgehalt in unserem Blut.

Wenn wir richtig atmen, nehmen wir eine ausreichende Menge Kohlendioxid auf und unsere Atmung ist ruhig, kontrolliert und rhythmisch. Wenn wir überatmen, wird unsere Atmung schwerer und intensiver; wir atmen zu viel Kohlendioxid aus und lassen unseren Körper buchstäblich nach Sauerstoff ringen.

Es erschließt sich intuitiv: Wenn wir besser atmen, erhöhen wir die Menge an Kohlendioxid in unserem Körper, wir können unseren Muskeln und Organen – einschließlich des Herzens – mehr Sauerstoff zuführen und damit unsere körperliche Leistungsfähigkeit steigern. Eigentlich tun wir damit nichts anderes, als den Körper dabei zu unterstützen, so zu funktionieren, wie er sollte.

Der Berg kommt zu Ihnen

Ich möchte Ihnen anhand eines Beispiels veranschaulichen, wie der zweite Teil meines Programms funktioniert. Das Beispiel ist Ihnen sicher bekannt. Schauen wir uns das Höhentraining an, eine Trainingsmethode, die häufig von Spitzensportlern eingesetzt wird, um ihre kardiovaskuläre Fitness und Ausdauer zu verbessern. Während der Olympischen Sommerspiele 1968, die in Mexiko-Stadt auf 2 300 Metern Höhe stattfanden, wurden Trainer wie Athleten erstmals auf die Möglichkeiten des Höhentrainings aufmerksam. Viele Teilnehmer stellten fest, dass ihr Leistungsniveau über ihrer bisherigen persönlichen Bestleistung lag, nachdem sie auf Normalhöhe zurückgekehrt waren. Daraufhin drängten sie ihre Trainer, der Sache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, ob Sportler bessere Leistungen erbringen, wenn sie in Höhenlagen leben oder trainieren.

In großer Höhe ist die Luft dünner und der Sauerstoffpartialdruck vermindert. Der Körper passt sich dieser Umgebung an, indem er die Zahl der roten Blutkörperchen erhöht. Stellen Sie sich die roten Blutkörperchen als Popeyes Spinat vor, nur dass sie aus Ihrem Körper statt aus einer Dose kommen. Die erhöhte Menge roter Blutkörperchen verbessert die Sauerstoffversorgung der Muskeln, begünstigt den Säureabbau und steigert die Gesamtleistung. Das bringt eine längere Ausdauer und ein geringeres Entzündungs- und Verletzungsrisiko mit sich. Der Haken daran ist natürlich, dass die meisten von uns nicht in der richtigen Umgebung für ein Höhentraining leben. In diesem Buch werde ich Ihnen daher einen alternativen Ansatz vorstellen: Sie brauchen nicht zum Berg zu gehen, der Berg kommt zu Ihnen.

Ich werde Ihnen zeigen, wie Sie durch einfache Techniken Ihren ganz persönlichen Gipfel erklimmen. Man kann Höhentraining nämlich simulieren. Indem Sie das erlernen, steigern Sie das Potenzial Ihrer roten Blutkörperchen und erhöhen die Kapazität Ihres Blutes, Sauerstoff aufzunehmen und zu transportieren. Außerdem hilft Ihnen die Technik, Ihren Fokus während der körperlichen Aktivität stärker auf die Psyche zu richten, da der bewusste Vorgang des Atmens in den Hintergrund rückt. Dies gibt Ihnen die Freiheit, mehr Aufmerksamkeit auf die richtige Ausführung zu lenken oder an der Ausgestaltung Ihrer Strategie im Wettkampfsport zu arbeiten.

Wenn Sie Ihre Atmung reduzieren und die Luftaufnahme korrekt regulieren, bringen Sie Ihrem Körper bei, effizienter zu atmen. Sie werden gesünder. Unabhängig vom ursprünglichen Trainingszustand wirkt sich eine Verbesserung der Atmung extrem positiv auf Kondition, Ausdauer und Leistung aus. Ich kann Ihnen das bestätigen, weil ich es selbst erlebt habe: Ich habe früher selbst chronisch hyperventiliert.

1997 war ich Führungskraft in einem Unternehmen, doch da ich unter Asthma litt, war ich schon seit meiner Kindheit gesundheitlich angeschlagen. Meine Identität beruhte auf Defiziten: Ich war nicht fit, nicht gesund und nicht selbstsicher. Ich suchte verzweifelt nach einer Lösung für meine gesundheitlichen Probleme. Dann fand ich sie.

Mein Leben änderte sich für immer, als ich auf das Werk des mittlerweile verstorbenen Dr. Konstantin Buteyko stieß, eines brillanten russischen Arztes, der im Rahmen des Wettlaufs ins All zwischen der Sowjetunion und den USA an der optimalen Atmung für Astronauten forschte. Durch den Kalten Krieg blieben seine bahnbrechenden Erkenntnisse zunächst auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs beschränkt, aber ab den 1990er-Jahren verbreiteten sie sich in der ganzen Welt. Durch Atemübungen, die auf Buteykos Lehren basieren, besiegte ich meine Schlafapnoe und mein chronisches Asthma und erholte mich in der Folge vollständig von den Beschwerden, die mich mein ganzes Leben lang begleitet hatten. Ich war begeistert, hängte meinen Firmenjob an den Nagel und wurde ein Schüler von Dr. Buteyko.

Dank seiner Arbeit erfuhr mein Leben eine tiefgreifende Veränderung. Wenn man so etwas erlebt, kann man gar nicht anders: Man entwickelt den Wunsch, es weiterzugeben. So kam es, dass ich das Teilen dieser Erkenntnisse schließlich zu meinem Beruf gemacht habe.

In den letzten dreizehn Jahren habe ich auf Dr. Buteykos innovativem Ansatz aufgebaut und mein Programm entwickelt. Es ist darauf angelegt, den allgemeinen Gesundheitszustand und die Fitness zu verbessern und einen Beitrag zur erfolgreichen Behandlung von Asthma zu leisten. Ich habe mit mehr als fünftausend Klienten gearbeitet – die Bandbreite reicht von lebenslangen Couch-Potatos bis zu waschbrettbäuchigen Olympiateilnehmern.

Aus diesem Erfahrungsschatz heraus möchte Ihnen exemplarisch drei Geschichten von Menschen erzählen. Ihr Leben hat sich radikal verändert, nachdem sie gelernt haben, mit dem Überatmen aufzuhören. Einer von ihnen ist ein Leistungssportler, einer ein frisch gebackener Fitnessjunkie und einer hatte es sich einfach nur zum Ziel gesetzt, abzunehmen und ein wenig gesünder zu leben.

Übermäßiges Atmen

Im Croke-Park-Stadion in meiner Heimatstadt Dublin drängen sich regelmäßig mehr als achtzigtausend Fans, um ihre Lieblingsmannschaften zu sehen. Im Croke Park fühlt sich jedes Spiel an wie der Super Bowl. Fußball ist bei uns in Irland mehr als ein Sport – Fußball ist pure Leidenschaft, ein eigener Lebensstil und ein Quell unseres Nationalstolzes. Während die Spieler eher als semiprofessionell gelten, investiert das Management erhebliche Summen in die neueste Sporttechnologie für die Mannschaftsmitglieder. Sie überwacht ihren Lebensstil und ihre physiologischen Parameter rund um die Uhr. Wenn ein Spieler spät nachts eine einzelne Fritte isst, weiß das Management darüber Bescheid.

Ich lernte David kennen, als er im Begriff war, einer der Stars des Croke Park zu werden. Er war zwanzig Jahre alt und trainierte fünf Tage pro Woche mit seinem Team. Zwar war er in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung, aber er hatte häufig mit Atemnot zu kämpfen. Zudem hatte er oft eine verstopfte Nase und musste husten. Es gab für David nichts Aufregenderes, als in dem brechend vollen Stadion zu spielen, aber nach jedem Spiel quälte ihn ein bellender Husten und seine Lungen fühlten sich an, als wären sie voller Dreck. Er trainierte hart und tat alles, seine Symptome vor seinen Trainern und ihren elektronischen Überwachungssystemen zu verstecken. Schließlich konsultierte er einen Arzt und bekam Medikamente verschrieben, die seine Beschwerden geringfügig linderten; dennoch hatte er sehr zu kämpfen, um mit seinen Mitspielern mitzuhalten. Schließlich machte er sich ernsthafte Sorgen, dass seine Trainer ihn aus der Mannschaft werfen würden, wenn sie von seinen Problemen erführen.

Als ich anfing, mit David zu arbeiten, zeigte er alle typischen Merkmale eines Menschen, der weit mehr atmete, als es sein Körper brauchte. Er atmete tief und durch den Mund, sogar im Ruhezustand. Er pumpte Sauerstoff in seine Lungen, aber es war zu viel, und sein Atem regulierte sich nicht in einer Weise, die natürlich und für einen Leistungssportler zwingend erforderlich war. Durch über Jahre hinweg entwickelte schlechte Gewohnheiten war sein Körper nicht mehr mit seinem Atem im Einklang. So konnte er eine ausreichende CO2-Konzentration nicht mehr sicherstellen.

David durchlief mein komplettes Programm und praktizierte die Übungen genau so, wie sie in dem vorliegenden Buch beschrieben werden: Atemreduktion, Luftanhalten während des Trainings und nachts mit geschlossenem Mund schlafen, um das Atmen durch die Nase wieder zu lernen. Heute gehört David zu den Stars seiner Mannschaft und hat keine Beschwerden mehr, die er vor seinem Trainer verbergen muss – nur seine Liebe zu Pommes hält er weiterhin geheim.

Wie David atmen viele Leistungssportler übermäßig, unabhängig davon, auf wie viele Trainingsjahre sie bereits zurückblicken. Bei einigen führt das dazu, dass sie ihr Potenzial nie voll ausschöpfen, und wenn sie noch so hart trainieren. Darüber hinaus müssen sie sich mehr ins Zeug legen als ihre Kollegen, um ihre Fitness zu erhalten. Wenn Sportler zum ersten Mal von den Auswirkungen chronischer Hyperventilation hören, dauert es manchmal einige Zeit, bis sie die Tragweite des Ganzen verstehen. Andererseits ist es oft eine Offenbarung: Endlich haben sie eine Antwort auf Fragen, die ihnen seit Jahren im Kopf herumgehen, und sie entwickeln ein vollkommen neues Trainingsverständnis. Ein Faktor, der Spitzensportler von anderen abhebt, ist ihr Vermögen, mit höherer Intensität und längerem Atem zu trainieren. Auch Sie können Ihr Training intensivieren, ohne Ihre Lungen zusätzlich zu belasten, indem Sie in Ihr bestehendes Workout einige einfache Übungen einbauen.

Dieses Buch hilft Ihnen zu verstehen, welche Faktoren am Sauerstofftransport hin zu den Organen und Muskeln beteiligt sind, und ermöglicht es Ihnen, Ihre Effizienz beim Laufen zu verbessern (also weniger Energie dazu aufwenden zu müssen) und Ihre maximale Sauerstoffkapazität VO2max (also die Fähigkeit Ihres Körpers, Sauerstoff zu transportieren und zu verwerten) zu erhöhen.

Über die Jahre durfte ich miterleben, wie alle Arten von Sportlern mit dieser Methode außerordentliche Ergebnisse erzielten, darunter Rugbyspieler, Fußballspieler, Läufer, Radfahrer, Schwimmer und Olympiateilnehmer. Viele dieser Athleten hatten Atemprobleme und ein schwaches Zwerchfell. Das Erlernen einer effizienteren Atmung hat sich in ganz erstaunlicher Weise auf ihre sportliche Leistungsfähigkeit ausgewirkt. Es ist kontraproduktiv, den Körper zu trainieren und dabei die Atmungseffizienz außer Acht zu lassen. Dieses Buch erklärt Ihnen, wie Sie Ihre Atemausdauer im Zuge jedes beliebigen Trainingsprogramms verbessern können.

Das sportliche Potenzial voll ausschöpfen

So beeindruckend Davids Geschichte ist: Lassen Sie sich nicht zu dem Glauben verleiten, dass bessere Atemtechniken nur Elitesportlern zugute kommen. Sie wirken bei jedem und bei durchschnittlich trainierten Menschen oft noch viel stärker.

Nehmen wir den Fall von Doug. Doug ist ein leistungsstarker Mittvierziger. Seit seiner Kindheit litt er unter Asthma und hatte daher nur wenige sportliche Ambitionen. Dougs Bruder hingegen war eine echte Sportskanone. Als die beiden Kinder waren, ging sein Bruder mit ihrem Vater regelmäßig in den Park, um Basketball zu spielen; Doug war die Rolle des Zuschauers vorbehalten. Immer hatte er das Gefühl, dass mit seinem Körper etwas nicht stimmt. Er versuchte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und schaffte es, sich ein Jahr lang in der Rudermannschaft seines Colleges zu halten. Doch nach jedem Training winselten seine Lungen um Gnade. Seine mangelnde aerobe Kapazität schränkte ihn ein und schien einen sportlicheren Lebensstil unerreichbar zu machen. Aber als sein Vater anfing, alt und gebrechlich zu werden, beschloss Doug, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um selbst für seine Kinder und Enkelkinder da sein zu können.

Doug begann mit dem Laufen. Schon nach wenigen Schritten schnappte er wie gewohnt nach Luft. Er erkannte, dass er seine kardiovaskuläre Fitness von Grund auf neu aufbauen musste, und wandte sich an mich. Indem er das einfache Programm, das in diesem Buch beschrieben wird, in sein reges berufliches und privates Leben aufnahm, begann er rasch, Fortschritte zu machen. Anfangs gelang es ihm nur über eine Distanz von drei Metern, mit geschlossenem Mund zu laufen. Ein paar Monate später lief er schon zehn Kilometer am Stück. Dann nahm er an einem Halbmarathon teil und schließlich, weniger als ein Jahr nach Beginn unserer Zusammenarbeit, lief er an der kalifornischen Pazifikküste den Big-Sur-Marathon.

Dazu musste Doug seine Atemgewohnheiten, die ihn über sein gesamtes bisheriges Leben begleitet hatten, aufgeben. Das Überatmen hatte seine Selbstwahrnehmung verzerrt und ihn zu jemandem gemacht, der er gar nicht war. Ich konnte Doug vermitteln, dass eine ererbte Veranlagung für Asthma nicht zwangsläufig bedeutete, dass er zu einem von Atemproblemen geprägten Leben verurteilt war. Asthma gibt es seit Tausenden von Jahren, die ersten Beschreibungen stammen aus dem alten Ägypten. Allerdings tritt es seit den 1980er-Jahren gehäuft auf. Wenn man nun bedenkt, dass sich unser Erbgut binnen vierzig Jahren eher nicht verändert, kommen wir nicht umhin, unseren Lebensstil als Verursacher genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, welchen Einfluss er auf unsere Atmung hat. Gegenwärtig hat generationenübergreifend fast jeder Zehnte Asthma, und wenn man all diejenigen miteinbezieht, die nach sportlicher Anstrengung unter Belastungsasthma oder anderen Lungenbeschwerden leiden, schießt die Zahl noch mehr in die Höhe.

Im Laufe der Jahre habe ich mit Tausenden von Menschen zusammengearbeitet, bei denen Asthma diagnostiziert wurde und denen es ähnlich wie Doug ging. Es ist fast immer dieselbe Geschichte: Ein hohes vorhandenes sportliches Potenzial wird durch eine Voraussetzung limitiert, von der die Betroffenen annehmen, dass sie nicht überwunden werden kann. In der Folge konzentrieren Enthusiasten wie Doug oft ihre gesamte Willenskraft auf Trainingspraktiken, die sie keinen Schritt weiterbringen – anstatt sich den Ursachen ihrer Probleme zu widmen. So muss es nicht sein. Auf den ersten Blick mag es unlogisch erscheinen, dass ein paar einfache Atemtechniken binnen kurzer Zeit eine jahrzehntelange Beschränkung aufheben können, aber genau diese Transformation schafft die Korrektur des Atemflusses. Übungen, bei denen der Atem angehalten wird, machen die Nase frei und sind wirkungsvoll bei keuchendem Atem oder Husten. Durch sie können Hobbysportler – auch Asthmatiker – ihre Energie und Begeisterung auf ein ganz neues Niveau heben.

Doch vielleicht verfolgen Sie gar keine großen sportlichen Ambitionen, sondern wollen einfach nur abnehmen und sich beim Blick in den Spiegel besser fühlen? Auch bei vielen Menschen, die ihr Gewicht reduzieren wollen, ist die Hürde die Menge an Luft, die sie aufnehmen. Falsch zu atmen ist, als würde man eine Rolltreppe, die nach unten führt, hinaufgehen – man kommt nicht von der Stelle.

Gegen das Gefühl des Scheiterns angehen

Es gab keine Diät, die Donna nicht ausprobiert hatte. Sie kennen sie vermutlich alle zumindest vom Hörensagen: Low Carb, South Beach, Sears, Weight Watchers, Jenny Craig, Mittelmeer-Küche, Atkins, Slim Fast. Donna hat alles versucht, was Sie sich nur vorstellen können. Ihr Arzneischrank war gefüllt mit Kohlenhydratblockern, Präparaten, die versprachen, die Fettverbrennung anzukurbeln, und einer unüberschaubaren Zahl an Appetitzüglern. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte sie bei jeder neuen Diät geglaubt, dass sie ihr helfen würde, endlich die rund zwanzig Kilo zu viel, die sie herumschleppte, loszuwerden. Dass sie danach endlich etwas anderes tragen könnte als die ewige schwarze, weite Kleidung, unter der sie ihren Körper verbarg. Und dass Sie sich wieder so gesund fühlen würde wie in jüngeren Jahren. Aber jedes Mal ließ die Begeisterung für die neue Diät nach einiger Zeit nach. Die mühsam abgenommenen Kilos kehrten zurück und ein tiefes Gefühl des Scheiterns setzte sich bei ihr fest.

Als Donna zu mir kam, war sie am Boden zerstört. Sie hatte Tausende von Dollars ausgegeben, um abzunehmen, hatte aber immer noch ihre fast zwanzig Kilo Übergewicht. Sie hatte ebenso viele Trainingsprogramme wie Diäten begonnen, sie aber jedes Mal abgebrochen, weil ihr schon nach der kleinsten Anstrengung der Atem ausging. Wie es bei so vielen Menschen der Fall ist, fühlte sich Sauerstoff für sie eher wie ein Gegner als wie ein Verbündeter an. Das Gefühl der Atemnot schränkte ihr körperliches Durchhaltevermögen weit stärker ein, als die Ermüdung ihrer Muskeln das vermochte.

»Ich kann nicht trainieren, weil ich zu schwer dazu bin«, sagte Donna. »Und ich kann nicht abnehmen, weil ich nicht trainieren kann.« Bei ihren wenigen Besuchen im Fitnessstudio fühlte sich Donna unsicher und vollkommen fehl am Platz.

Sie keuchte auf dem Laufband, während zu beiden Seiten perfekt geformte Körper in figurbetonter Kleidung mühelos dahinjoggten. Das versetzte ihrem Selbstbewusstsein einen weiteren Schlag. Es war ein Teufelskreis, den ich schon oft beobachtet hatte: Ihr Körper verstoffwechselte den Sauerstoff nicht richtig. Donna brauchte ein einfaches Programm, das ihren Körper nicht übermäßig belastete, ihre Atmung schonte und ihr darüber hinaus schnell die nötigen Resultate lieferte, um sie zu motivieren und ihr Selbstvertrauen zu stärken. Ich zeigte ihr ein paar einfache Atemübungen und wies sie an, beim Fernsehen oder bei der Arbeit am Schreibtisch durch die Nase zu atmen.

Binnen zwei Wochen verlor Donna knapp drei Kilogramm. Sie stellte ihre Ernährung nicht um, aber die Atemreduktion sorgte für einen Sauerstoffgehalt in ihrem Blut, der ihren Körper dazu brachte, Nahrung effizienter zu verwerten und ihren Appetit auf natürliche Weise zu regulieren. Sie profitierte von einem der erstaunlichsten Aspekte meines Programms: Denn Sie können ganz beachtliche Ziele erreichen, ohne groß etwas dafür tun zu müssen. Wenn Sie diesen Durchbruch erleben, sind gemütliche Sofastunden jedoch das Letzte, wonach Ihnen der Sinn stehen wird. Heute hat Donna über dreizehn Kilo abgenommen und was noch wichtiger ist: Es fällt ihr nicht schwer, ihr Gewicht zu halten.

Mein Ansatz bei der Arbeit mit Donna und so vielen anderen Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, hat nichts damit zu tun, was man essen oder nicht essen sollte. Stattdessen kommt es darauf an, einen Schritt zurückzutreten, um das große Ganze in den Blick zu nehmen. Wir nehmen nur ab, wenn wir mehr Kalorien verbrennen, als wir zu uns nehmen – und unsere Atmung hat einen unmittelbaren Einfluss auf diesen Prozess. Indem wir uns nicht nur darauf konzentrieren, wie viel wir essen, sondern auch wie viel wir atmen, sorgen wir dafür, dass das Verhältnis von Verzehr zu Verbrennung ausgeglichen wird. Mit im richtigen Maß sauerstoffgesättigten Zellen arbeitet unser Körper effektiver, auch und sogar bei passiven Tätigkeiten wie dem Sitzen. Das Bedürfnis nach mehr Wasser und naturbelasseneren, weniger stark verarbeiteten Lebensmitteln wächst dann von selbst. Deshalb geht es in diesem Buch auch nicht um Diäthalten. Die einzige Orientierungshilfe, die ich Leuten wie Donna gebe, ist es, zu essen, wenn sie hungrig sind, und aufzuhören, wenn sie satt sind, damit die Selbstbeherrschung sich ganz natürlich von innen heraus entwickeln kann. Indem Sie die Verbesserung Ihrer Atmung ins Zentrum Ihres Gesundheitsplans stellen, werden Sie besser aussehen und sich besser fühlen.

Das in diesem Buch beschriebene Programm ist das Ergebnis meiner Arbeit mit Tausenden von Menschen wie David, Doug und Donna. Es befähigt Menschen ungeachtet ihres körperlichen Aktivitätslevels, ihre Gesundheit, ihre Fitness und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Das funktioniert, ohne mehr zu trainieren oder irgendwelche Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen. Das Programm versetzt in die Lage, Fortschritte einfach und exakt zu messen, und es gewährleistet, dass die Übungen sicher durchgeführt werden, sodass das Verletzungsrisiko reduziert wird. Und schließlich kann das Programm auf jeden einzelnen Menschen und seinen Lebensstil angepasst werden, sodass es sich problemlos mit Ihren täglichen Verpflichtungen vereinbaren und in Ihr Traingsprogramm integrieren lässt.

In den folgenden Kapiteln vermittle ich Ihnen das nötige Wissen und die Atemtechniken, um die Sauerstofffreisetzung auf zellulärer Ebene zu optimieren. Die einfachen Übungen, die ich Ihnen vorstelle, sind den meisten Sportlern unbekannt, werden aber seit dem Altertum sehr wirkungsvoll eingesetzt. Alles, was Sie brauchen, um sie anzuwenden, ist ein einfaches Verständnis davon, wie Ihre Atmung die Sauerstoffversorgung Ihres Körpers beeinflusst.

Teil 1 dieses Buches, »Das Geheimnis der Atmung«, erklärt die Funktion von Sauerstoff und CO2 in Ihrem Körper etwas detaillierter und hilft Ihnen zu beurteilen, wie fit Sie wirklich sind. Sie werden erfahren, warum es besser ist, durch die Nase und nicht durch den Mund zu atmen. Und Sie werden die erste Schlüsseltechnik kennenlernen, um dem Überatmen entgegenzuwirken. Ich werde Sie in sehr alte, seit Jahrhunderten genutzte Geheimnisse der Atmung einweihen.

In Teil 2, »Das Geheimnis der Fitness«, erfahren Sie mehr über die roten Blutkörperchen und wie Olympioniken diese für sich arbeiten lassen. Sie werden in ganz neue Gefilde der Fitness eintauchen. Dieser Teil leitet Sie außerdem sowohl im Geiste als auch tatsächlich durch das simulierte Höhentraining.

Teil 3, »Das Geheimnis der Gesundheit«, widmet sich der Frage, wie eine bessere Atmung Sie auf natürliche Weise abnehmen lässt und das Risiko von Sportverletzungen reduziert. Es erklärt darüber hinaus den Zusammenhang zwischen Sauerstoffsättigung und verbesserter Herzfunktion. Den Menschen, die anfällig für Asthma sind, gibt es ein Instrumentarium an die Hand, mit dem sie das Auftreten von trainingsbedingtem Belastungsasthma verhindern können.

Teil 4 fasst noch einmal alles, was Sie bis dahin gelernt haben, zusammen und zeigt Ihnen, wie Sie Ihr persönliches Programm zusammenstellen können. Dieser letzte Teil wartet zudem mit Ratschlägen für die Gesundheit und Fitness spezifischer Anwendergruppen auf.

Atmen erfolgt in der Regel unwillkürlich und unbewusst. Wir denken kaum jemals darüber nach. Dennoch ist unser Atem immer da, in jedem einzelnen Moment unseres Lebens, entweder um uns beim Weiterkommen zu helfen oder um uns zurückzuhalten. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt darin, Ihr Bewusstsein dafür zu schärfen, wie Sie die natürliche Fähigkeit Ihres Körpers wiederherstellen können, so zu atmen, dass Sie ein Leben lang gesund und fit bleiben – unabhängig davon, ob Sie schnell laufen wollen, um Ihre Kinder einzuholen oder um eine Goldmedaille zu gewinnen. Ich verspreche Ihnen, dass die Umsetzung der Konzepte und der einfachen Übungen in diesem Buch jeden Menschen, unabhängig von seinem sportlichen Ehrgeiz, in die Lage versetzt, innerhalb weniger Wochen spürbare, elementare Verbesserungen seiner Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit zu erreichen. Ist es nicht an der Zeit, mehr für sich zu tun – zu trainieren, zu gewinnen, endlich zu leben –, und das mit weniger Anstrengung?

TEIL 1

Das Geheimnis der Atmung

KAPITEL 1

Das Sauerstoff-Paradox

Sport war schon immer Don Gordons große Leidenschaft. Er liebte einfach alles an ihm – den Schweiß, den Wettkampf, die Widrigkeiten, den Triumph. Als Heranwachsender begleitete er seinen Vater zu vielen Rennen und Fußballspielen, sah seinen Lieblingssportlern zu und wollte sein wie sie. Für ihn war nichts mit der Atmosphäre eines guten Spiels zu vergleichen: die Begeisterung der Fans, die Anfeuerungsrufe (oder Beleidigungen, je nach Stand des Spiels) … Und stets hegte er die Hoffnung, eines Tages so zu sein wie diese Sportler, seine Idole.

Als Teenager war Radfahren Dons Sport. Stundenlang trainierte er auf dem Rad, aber er konnte mit seinen Trainingskollegen nie ganz mithalten. Er ermüdete schnell und war oft kurzatmig, während er aus der Ferne zusah, wie seine Freunde weiter und länger mit dem Fahrrad fuhren, als er es jemals könnte. Im Laufe der Zeit gab Don widerwillig seinen Traum auf, sich jemals mit den Sportlern messen zu können, die er als Kind so bewundert hatte. Er akzeptierte schließlich, dass es für ihn in der Welt des Radrennsports keinen Platz gab.

Zwanzig Jahre später wurde Don Leiter des Europageschäfts eines führenden amerikanischen Technologieunternehmens. Während einer Europareise stieß er auf mein Programm. Don hatte zuvor schon so vieles ausprobiert, dass er skeptisch war. Dennoch beschloss er, einen Versuch zu wagen. Er setzte sich mit mir in Verbindung, und in unserer ersten gemeinsamen Sitzung gab ich ihm den Crashkurs, den ich Ihnen in der Einleitung dieses Buches gegeben habe. Don hatte nie über die Verbindung zwischen körperlicher Leistungsfähigkeit und richtiger Atmung nachgedacht. Doch nun fing er – auf der Basis seines neugewonnenen Verständnisses für sein Potenzial der verbesserten Sauerstoffsättigung – damit an, die Übungen zu erlernen, die ich ihm aufgab. Innerhalb weniger Tage fühlte er sich besser und hatte mehr Energie als je zuvor.

Machen wir einen Sprung in die Gegenwart: Don lebt seit mehr als sieben Jahren ohne Atemnot, Allergien und Medikamente. Mittlerweile fährt er wettkampfmäßig Langstreckenrennen. In seinem letzten Rennen belegte er in seiner Altersklasse den ersten Platz. Und das Beste daran ist: Mit inzwischen fünfzig Jahren lag er in der Gesamtwertung auf Platz 29 und damit vor einem weiten Feld von Konkurrenten, unter denen ausgesprochen fitte Zwanzig- bis Dreißigjährige waren. Er reicht schließlich und endlich doch noch an die Sportler heran, zu denen er als Junge so sehr aufgeschaut hat. Die richtige Atmung war der Schlüssel, der für Don alles geändert hat.

Unsere Atmung ist naturgegeben und unbewusst. Wir müssen uns nicht daran erinnern, ein- und auszuatmen. Wenn wir das müssten, würden wir entweder unsere gesamte Zeit und Energie darauf verwenden oder wir würden längst nicht mehr leben. Aber obwohl das Atmen der am tiefsten in uns verwurzelte Instinkt ist, wirken sich viele Faktoren des modernen Lebens negativ auf unsere Atmung aus. Schlimmer noch: Wir sind vollkommen falsch darüber informiert, wie unsere Atmung unseren Körper während körperlicher Anstrengung beeinflusst. Im Rahmen einer Präsentation vor einer Gruppe von Läufern, die am nächsten Tag am Dublin-City-Marathon teilnehmen wollten, stellte ich folgende Frage: »Wer von Ihnen glaubt, dass der Sauerstoffgehalt des Blutes erhöht wird, wenn man pausiert und einen tiefen Atemzug macht?« Ohne zu zögern hoben 95 Prozent der Läufer die Hände. Sie lagen falsch, aber sie sind nicht allein – dieser Glaube ist in der Sport- und Fitnesswelt weit verbreitet. Ein tiefer Atemzug in die Lungen in der Pause erhöht eben nicht den Sauerstoffgehalt. Es ist genau das, was man nicht tun sollte, wenn man mehr Ausdauer erlangen möchte.

Aufgrund dieses Irrglaubens verfolgen viele Sportler die Praxis, während der Ruhephase, beim Training und vor allem dann, wenn ihr Körper überfordert ist, bewusst tief durchzuatmen. Tatsächlich schränken sie damit aber ihre Leistungsfähigkeit ein oder verschlechtern sie sogar.

Es ist jedoch möglich, die beschriebenen negativen Einflüsse des modernen Lebens umzukehren und unseren Körper so zu konditionieren, dass er während der Ruhephasen ein gesundes Maß an Luft aufnimmt. Dadurch stellen wir sicher, dass unsere Muskeln, unsere Lungen und das Herz mit der richtigen Menge Sauerstoff versorgt werden. Dies vermindert das Auftreten von Kurzatmigkeit bei körperlicher Anstrengung – und das ermöglicht es wiederum, ein besseres Fitnesslevel zu erreichen. Bessere Atmung ist das Tor zu ganz neuen Gefilden der Gesundheit.

Bevor Sie mit den Übungen beginnen, ist es wichtig, dass Sie ein grundlegendes Verständnis für das Atmungssystem und die Rolle von Kohlendioxid in Ihrem Körper gewinnen. Wenn Sie diesen wissenschaftlichen Teil überspringen möchten, können Sie direkt bei Kapitel 2 weiterlesen. Aber je mehr Sie wissen, desto mehr können Sie mit Ihrem Körper statt gegen ihn arbeiten.

Das respiratorische System

Ihr Atmungssystem umfasst diejenigen Teile Ihres Körpers, die Sauerstoff aus der Umgebung aufnehmen und an Ihre Zellen abgeben und die das Kohlendioxid aus Ihren Geweben zurück in die Umgebung transportieren. Ihr Atmungssystem ist mit allem ausgestattet, was Sie brauchen, um Ihren Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen, egal ob Sie sich gerade minimal bewegen oder Hochleistungssport betreiben. Sie müssen lediglich zulassen, dass Ihre Atmung richtig funktioniert.

Wenn wir atmen, dringt Luft in den Körper ein und strömt die Luftröhre (Trachea) hinunter, die sich dann in zwei Teile verzweigt, die Hauptbronchien: Ein Bronchus führt zum rechten Lungenflügel, der andere zum linken. Innerhalb der Lungenflügel teilen sich die Bronchien weiter in immer kleiner werdende Zweige. Die kleinsten von ihnen werden Bronchiolen genannt und führen zu einer Vielzahl kleiner Lungenbläschen, den Alveolen. Um dieses komplexe System zu visualisieren, stellen Sie sich einen auf dem Kopf stehenden Baum vor. Ihre Luftröhre ist der Stamm und die Bronchien bilden oben zwei große Äste, aus denen die kleineren Zweige der Bronchiolen wachsen. Am Ende dieser Äste befinden sich die »Blätter« – die runden Bläschen der Alveolen, wo Sauerstoff ins Blut übertritt. Dies ist ein eindrucksvolles Bild des Gleichgewichts und der Schönheit der Evolution. Die Bäume um uns herum, die Sauerstoff abgeben, haben eine ähnliche Struktur wie die »Bäume« in unserer Lunge, die den Sauerstoff aufnehmen.

In der Lunge befinden sich etwa dreihundert Millionen Alveolen, die von winzigen Blutgefäßen (Kapillaren) umgeben sind. Um diese riesige Zahl zu veranschaulichen: Die Berührungszone zwischen den Alveolen und den Blutkapillaren entspricht der Größe eines Tennisplatzes. Diese große, beeindruckend geschlossene Oberfläche hat das Potenzial, äußerst effizient Sauerstoff ins Blut zu übertragen.

Wie gesagt, ist Sauerstoff der Treibstoff, den die Muskeln brauchen, um effizient zu arbeiten. Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum, dass das Einatmen eines größeren Luftvolumens die Sauerstoffversorgung des Blutes erhöht. Eine Erhöhung der Sauerstoffsättigung des Blutes ist auf diese Weise physiologisch nicht möglich, da das Blut fast immer bereits vollständig gesättigt ist. Es ist, als würde man noch mehr Wasser in ein Glas gießen, das bereits bis zum Rand gefüllt ist. Aber was genau ist die Sauerstoffsättigung und wie hängt sie mit der richtigen Sauerstoffversorgung unserer Muskeln zusammen?

Die Sauerstoffsättigung (SO2) ist der Anteil des Oxyhämoglobins (der »rote Blutfarbstoff«, wenn er ein Sauerstoffmolekül gebunden hat) am Hämoglobin insgesamt. Im Ruhezustand liegt das Atemzugvolumen für einen gesunden Menschen zwischen vier und sechs Litern Luft pro Minute, was zu einer fast vollständigen Sauerstoffsättigung von fünfundneunzig bis neunundneunzig Prozent führt. Da Sauerstoff kontinuierlich aus dem Blut in die Zellen abgegeben wird, ist eine hundertprozentige Sättigung nicht möglich. Eine Sauerstoffsättigung von hundert Prozent würde darauf hindeuten, dass die roten Blutkörperchen die Sauerstoffmoleküle zu stark binden, was die Fähigkeit dieser Blutzellen vermindert, Sauerstoff an Muskeln, Organe und Gewebe abzugeben. Wir brauchen das Blut, damit es Sauerstoff freisetzt, nicht um ihn zurückzuhalten. Der menschliche Körper hat tatsächlich einen Überschuss an Sauerstoff im Blut – fünfundsiebzig Prozent davon werden im Ruhezustand und bis zu fünfundzwanzig Prozent bei körperlicher Anstrengung einfach ausgeatmet. Eine Erhöhung der Sauerstoffsättigung auf hundert Prozent bringt keine zusätzlichen Vorteile.

Die Idee, tiefere Atemzüge zu machen, um mehr Sauerstoff aufzunehmen, ist vergleichbar mit einer Person, die bereits genug Nahrung zu sich nimmt, um den täglichen Kalorienbedarf zu decken, und dann mehr isst. Viele meiner Schüler tun sich anfangs schwer, das zu begreifen. Seit Jahren werden sie von wohlmeinenden Stressberatern, Yogalehrern, Physiotherapeuten, Trainern und den Medien über den »Nutzen« tiefer Atemzüge belehrt. Und es ist leicht nachvollziehbar, warum dieser Glaube fortbesteht: Ein tiefer Atemzug kann sich gut anfühlen, auch wenn er eigentlich schlecht für Sie ist. So wie sich eine Katze nach einem Mittagsschlaf genussvoll dehnt, streckt ein kräftiger Atemzug in die Lunge den Oberkörper und lässt ein Gefühl der Entspannung folgen. Leider verleitet das viele Menschen zu der Annahme, dass in Sachen Atmen gelte: Je mehr, desto besser.

Atemregulation

Es gibt zwei Hauptaspekte bei der Art und Weise, wie Sie atmen: die Geschwindigkeit beziehungsweise Anzahl der Atemzüge, die Sie innerhalb einer Minute tun, und das Volumen oder die Menge der Luft, die mit jedem Atemzug in Ihre Lungen strömt. Obwohl das zwei verschiedene Aspekte sind, beeinflusst der eine den anderen grundlegend.

Das Luftvolumen, das wir bei einem Atemzug ein- und ausatmen, wird in Litern und in der Regel über eine Minute gemessen. Aus Sicht der Schulmedizin liegt die durchschnittliche Anzahl von Atemzügen, die ein gesunder Mensch während einer Minute tut, bei zehn bis zwölf. Dabei wird bei jedem Atemzug ein Luftvolumen von etwa 500 Millilitern aufgenommen, was einem Gesamtvolumen von fünf bis sechs Litern pro Minute entspricht. Um diese Luftmenge zu visualisieren, stellen Sie sich vor, wie viel Luft in drei leeren Zwei-Liter-Softdrinkflaschen enthalten wäre. Wenn eine Person mit einer höheren Atemfrequenz atmet – zum Beispiel mit zwanzig Atemzügen pro Minute –, dann ist auch das Luftvolumen höher. Aber Überatmung entsteht nicht nur durch eine erhöhte Atemfrequenz. Eine geringere Frequenz kann den gleichen Effekt haben, wenn die Person mit jedem Atemzug zu viel Luft aufnimmt: Auch zehn tiefe Atemzüge mit einem Volumen von je 1 000 Millilitern wären ein Zeichen für Überatmung. Im nächsten Kapitel erkläre ich Ihnen, wie Sie Ihr eigenes relatives Atemzugvolumen mithilfe eines Atemanhaltetests, des Body-Oxygen-Level-Tests (BOLT), messen.

Wie stellen wir also sicher, dass wir richtig atmen, um unser einzigartiges Atmungssystem optimal zu nutzen? So merkwürdig es auch erscheinen mag, es ist nicht der Sauerstoff, der die Atmungsaktivität am stärksten beeinflusst, sondern das Kohlendioxid.

Die Atemfrequenz und das Atemzugvolumen werden durch Rezeptoren im Gehirn bestimmt. Sie arbeiten ähnlich wie ein Thermostat, der das Heizsystem in einem Haus reguliert. Anstatt jedoch Temperaturschwankungen zu kontrollieren, überwachen diese Rezeptoren nicht nur den pH-Wert des Blutes, sondern auch dessen Kohlendioxid- und Sauerstoffkonzentration. Wenn der Kohlendioxidgehalt über einen bestimmten Wert steigt, regen die empfindlichen Rezeptoren die Atmung an, um das überschüssige Gas loszuwerden.1 Der primäre Atemstimulus ist also überschüssiges Kohlendioxid, das aus dem Körper beseitigt werden soll.

Kohlendioxid fällt beim natürlichen Abbau der Fette und Kohlenhydrate an, die wir essen. Das CO2 wird über die Blutgefäße aus dem Gewebe und den Zellen in die Lunge zurückgeführt und überschüssiges CO2 wird ausgeatmet. Entscheidend ist jedoch, dass beim Ausatmen ein Teil des Kohlendioxids zurückgehalten wird. Die richtige Atmung hängt also von der richtigen Menge an Kohlendioxid ab und führt dazu, dass die richtige Menge Kohlendioxid in der Lunge verbleibt. Das zu verstehen, ist für ernsthafte Athleten ebenso wichtig wie für jeden, der einfach eine gute Basisfitness aufbauen oder sein Gewicht kontrollieren will.

Stellen Sie es sich so vor: CO2 ist wie ein Zugang, durch den Sauerstoff in die Muskeln gelangt. Wenn die Tür nur teilweise geöffnet ist, wird nur ein Teil des Sauerstoffs durchgelassen und wir ringen während des Trainings nach Luft, wobei wir uns oft verkrampfen. Wenn hingegen die Tür weit geöffnet ist, strömt Sauerstoff durch die Tür und wir können uns länger und intensiver körperlich betätigen. Aber um zu verstehen, wie unsere Atmung funktioniert, und um sie so effizient wie möglich zu machen, müssen wir uns eingehender mit der Rolle beschäftigen, die Kohlendioxid dabei spielt.

Unter chronischer Hyperventilation oder Überatmung versteht man einfach die Gewohnheit, ein Luftvolumen zu atmen, das den Bedarf des Körpers übersteigt. Das muss nicht unbedingt zu dramatischen Symptomen führen, wie dem Keuchen einer Person während einer Panikattacke. Wenn wir zu viel atmen, wird zu viel Kohlendioxid aus der Lunge ausgeatmet und damit dem Blut entzogen. Zu viel zu atmen, zwingt die Tür in eine geschlossenere Position und erschwert dem Sauerstoff das Durchkommen. Über kurze Zeiträume zu viel zu atmen, ist kein großes Problem, da keine dauerhafte Veränderung im Körper stattfindet. Wenn wir jedoch über einen längeren Zeitraum, also über Tage oder gar Wochen zu viel atmen, findet in unserem Organismus eine biochemische Veränderung statt, die zu einer erhöhten Empfindlichkeit oder geringeren Toleranz gegenüber Kohlendioxid führt. Mit diesem niedrigeren Sollwert bleibt das Atemzugvolumen oberhalb des normalen Volumens. Der Grund: Die Rezeptoren im Gehirn stimulieren ständig die Atmung, um das Kohlendioxid loszuwerden, das die im Rezeptor einprogrammierten Grenzwerte zu übersteigen scheint. Die Folge ist chronisches Überatmen beziehungsweise chronische Hyperventilation mit all ihren negativen Auswirkungen. Mit anderen Worten: Bestimmte Umstände können unseren Körper so konditionieren, dass er gegen seine eigenen Bedürfnisse atmet. Um diesen schlechten Gewohnheiten entgegenzuwirken, müssen Sie trainieren, besser zu atmen.

Ich frage meine Schülergruppen oft: »Wer von Ihnen fühlt sich müder, als er sein sollte?« In der Regel heben etwa achtzig Prozent der Teilnehmer ihre Hand. Meine Aufgabe ist es, ihnen zu erklären, warum das so ist. Mithilfe eines Pulsoxymeters habe ich die Sauerstoffsättigung Tausender Menschen gemessen und die überwiegende Mehrheit zeigt eine normale Sauerstoffsättigung im Blut von fünfundneunzig bis neunundneunzig Prozent. (Von Zeit zu Zeit treffe ich auf eine Person mit niedrigerer Sauerstoffsättigung, aber dieser Effekt kommt in der Regel durch schwere Atemwegsverengungen zustande, wie z. B. bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen.)

Wie kann das sein? Ihre Sauerstoffsättigung im Blut ist normal und trotzdem fühlen Sie sich ständig müde? Nun, das Problem ist nicht ein Mangel an Sauerstoff in ihrem Blut, sondern dass nicht genug Sauerstoff aus dem Blut an die Gewebe und Organe – einschließlich des Gehirns – abgegeben wird. Das führt zu Abgeschlagenheit und Erschöpfung. All das geschieht, weil zu viel Kohlendioxid aus Ihrem Körper ausgestoßen wurde. Wie wir weiter unten sehen werden, beeinflusst gewohnheitsmäßiges Überatmen die Abgabe von Sauerstoff aus den roten Blutkörperchen. In der Folge werden sowohl das alltägliche Wohlbefinden als auch die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Das führt uns wieder zum Bohr-Effekt, den ich in der Einleitung angesprochen habe und auf den ich an späterer Stelle noch näher eingehen werde.

Das Atemzugvolumen kann das Zwei- bis Dreifache des benötigten Volumens betragen, ohne dass es offenkundig spürbar wird. Sobald sich das Muster der Überatmung einmal festgesetzt hat, wird es oft durch einen gelegentlichen tiefen Atemzug oder Seufzer aufrechterhalten. Wenn eine solche Gewohnheit sowohl mental als auch körperlich tief verwurzelt ist, werden Sie mehr atmen als nötig – in jeder Minute, jeder Stunde und an jedem Tag. Diese kleine, subtile Veränderung Ihrer natürlichen Körperfunktionen kann Sie stark beeinträchtigen. Das geschieht nicht nur, wenn wir wach sind: Viele Menschen schlafen mit offenem Mund, und ob sie es merken oder nicht, geht das mit einem körperlichen und geistigen Energieverlust einher.

Warum also sind die Vorteile leichten Atmens vergleichsweise unbekannt? Es ist schwer, hierauf eine definitive Antwort zu geben, obschon es einige Punkte gibt, die bedenkenswert sind. Erstens ist Luft gewichtslos und damit schwer messbar, zudem kann sich die Atmung während eines Messvorgangs schnell ändern. Die zweite ist, dass Ärzte bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihres Studiums lernen, auf welche Weise Sauerstoff aus den roten Blutkörperchen freigesetzt wird – der Bohr-Effekt ist meist in den medizinischen Grundlagenwerken beschrieben –, sodass diese Informationen im Laufe der Ausbildung womöglich schlichtweg wieder in Vergessenheit geraten. Ein weiterer Grund könnte sein, dass Überatmung Menschen ganz individuell betrifft und zu vielen unterschiedlichen Problemen führt, die nicht zwingend miteinander in Verbindung zu stehen scheinen: von Herz-Kreislauf-Beschwerden über Atem- und Magen-Darm-Probleme bis zu allgemeiner Erschöpfung. Um das Ganze noch verwirrender zu machen: Nicht jeder, der überatmet, entwickelt offensichtliche Symptome, da die Auswirkungen der Hyperventilation von der jeweiligen genetischen Veranlagung abhängen.

Und schließlich nehmen viele chronische Überatmer ihr unzulängliches Fitness- und Energieniveau einfach als gegeben hin, weil sie nichts über den Zusammenhang zwischen Atemzugvolumen und Gesundheit wissen. Wenn wir uns jedoch aus dieser bequemen Haltung gegenüber unserem Atmen herausreißen und das Atmen in den Mittelpunkt unserer Gesundheitsbemühungen stellen, führt das oft zu drastischeren Veränderungen als jede Diät.

Wie können wir also die Luftmenge regulieren, die wir einatmen, um unsere Fitness und unsere sportliche Leistungsfähigkeit zu optimieren? Wie Sie inzwischen wissen, ist Kohlendioxid der Schlüssel.

CO2: Mehr als ein gasförmiges Abfallprodukt

Die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre ist ausgesprochen gering, sodass wir es beim Atmen nicht in die Lunge aufnehmen. Stattdessen produzieren wir es beim Umwandlungsprozess von Nahrung und Sauerstoff in Energie. Das geschieht in den Zellen unserer Körpergewebe. Die Aufrechterhaltung eines angemessenen Atemzugvolumens stellt sicher, dass die optimale Menge an Kohlendioxid in Lunge, Blut, Gewebe und Zellen verbleibt.

Kohlendioxid erfüllt im menschlichen Körper eine Reihe lebenswichtiger Funktionen, darunter:

Abgabe von Sauerstoff aus dem Blut, damit er den Zellen zur Verfügung steht

Dehnung der glatten Muskulatur in den Wänden der Atemwege und Blutgefäße

Regulierung des pH-Wertes im Blut

Sauerstoffversorgung der Muskeln und Organe

Der Blutbestandteil Hämoglobin ist ein Protein, dessen Aufgabe es ist, Sauerstoff aus der Lunge zu den Geweben und Zellen zu transportieren. Eine wichtige Basis für die in diesem Buch beschriebenen Übungen ist es, den Bohr-Effekt zu verstehen – also die Art und Weise, wie Sauerstoff aus Hämoglobin freigesetzt und an Muskeln und Organe abgegeben wird. Dieser Prozess ist der Schlüssel zur Freisetzung Ihres Fitnesspotenzials. Er ermöglicht es Ihnen, höher gesteckte Ziele zu erreichen.

Der Bohr-Effekt wurde 1904 vom dänischen Physiologen Christian Bohr entdeckt, dem Vater des Nobelpreisträgers, Physikers und passionierten Fußballspielers Niels Bohr. Christian Bohr beschrieb den nach ihm benannten Effekt folgendermaßen: »Der Kohlendioxidpartialdruck des Blutes ist als wichtiger Faktor im inneren Atmungsstoffwechsel anzusehen. Nimmt man Kohlendioxid in ausreichender Menge zu sich, kann der aufgenommene Sauerstoff im ganzen Körper effektiver genutzt werden.«2

Der springende Punkt daran ist, dass Hämoglobin Sauerstoff freisetzt, wenn die Kohlendioxidkonzentration stimmt. Wenn wir überatmen, wird zu viel Kohlendioxid aus der Lunge, dem Blut, dem Gewebe und den Zellen abgegeben. Diesen Zustand bezeichnet man als Hypokapnie: Das Hämoglobin »hält den Sauerstoff fest«, was zu einer verminderten Sauerstoffabgabe an Gewebe und Organe führt. Wenn weniger Sauerstoff an die Muskeln abgegeben wird, können diese nicht so effektiv arbeiten, wie wir es uns wünschen.

Auch wenn es jeder Intuition widersprechen mag: Indem wir dem Drang nachgeben, beim Training längere und tiefere Atemzüge zu machen, wenn wir an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit stoßen, bekommen unsere Muskeln nicht mehr Sauerstoff, sondern die Sauerstoffversorgung wird noch weiter eingeschränkt. Im Gegensatz dazu ist der Kohlendioxidpartialdruck im Blut höher, wenn das Atemzugvolumen näher am richtigen Niveau bleibt. Dadurch wird die Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin gelockert und die Sauerstoffversorgung der Muskeln und Organe wird erleichtert. John West, Autor des Buches Respiratory Physiology, beschreibt den Vorgang wie folgt: »Ein trainierender Muskel ist heiß und erzeugt Kohlendioxid. Er profitiert von einer erhöhten Abgabe von O2 (Sauerstoff) aus seinen Kapillaren.«3 Je besser wir unsere Muskeln während der Aktivität mit Sauerstoff versorgen können, desto länger und härter können sie arbeiten. Aufgrund des Bohr-Effekts begrenzt die Überatmung jedoch die Sauerstofffreisetzung aus dem Blut und beeinflusst so wiederum die Leistungsfähigkeit der Muskulatur.

Erweiterung und Verengung der Atemwege und Blutgefäße

In den meisten Fällen ist eine eingeschränkte Blutversorgung des Gehirns auf Überatmung zurückzuführen. Es dauert nicht lange, bis einem schwindelig wird, wenn man einige Male tief durch den Mund ein- und ausatmet. Entsprechend können viele Menschen, die mit offenem Mund schlafen, Schwierigkeiten haben, morgens in die Gänge zu kommen. Unabhängig davon, wie lange sie schlafen, sind sie in den ersten Stunden nach dem Aufwachen müde und erschöpft. Es ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt, dass gewohnheitsmäßige Mundatmung in den Wach- und Schlafstunden zu Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, verminderter Leistungsfähigkeit und Stimmungstiefs führt.6 Damit ist Mundatmung wohl alles andere als ein Erfolgsrezept für eine hohe Lebensqualität oder ein produktives Training.

Dasselbe kann auch auf Personen, die im Beruf viel sprechen müssen, zutreffen – etwa auf Lehrer oder Verkäufer. Den in diesen und ähnlichen Berufen tätigen Menschen ist oft schmerzlich bewusst, wie müde sie sich am Ende eines Arbeitstages fühlen. Aber die Erschöpfung, die auf endlose Geschäftsbesprechungen folgt, ist nicht notwendigerweise auf die geistige oder körperliche Anstrengung zurückzuführen. Es ist normal, dass die Atmung während körperlicher Belastung zunimmt, da der Körper dann mehr Sauerstoff benötigt, um Nahrung in notwendige Energie umzuwandeln. Beim Sprechen nimmt die Atmung jedoch zu, ohne dass tatsächlich mehr Sauerstoff benötigt wird, was die Blutgase durcheinanderbringt und die Durchblutung beeinträchtigt.

Abhängig von der genetischen Veranlagung für Asthma kann der Rückgang des Kohlendioxidgehalts im Blut auch dazu führen, dass sich die glatte Muskulatur der Atemwege verengt, was zu Kurzatmigkeit und Atemnot führt. Ein Anstieg des Kohlendioxids öffnet hingegen die Atemwege, ermöglicht einen besseren Sauerstofftransfer und verbessert nachweislich die Atmung von Personen, bei denen Asthma diagnostiziert wurde.7 Aber letzten Endes bewegen wir uns alle im selben Spektrum, das an einem Ende von gesunden Atemgewohnheiten und am anderen von ungünstigen Atemmustern begrenzt wird. Nicht nur Asthmatiker profitieren von weniger stark verengten Atemwegen. Auch viele Sportler ohne Asthma in ihrer Vorgeschichte kennen Gefühle von Enge in der Brust, Atemnot und Husten. Sie kennen die Unfähigkeit, einen Atemzug zu nehmen, der ihren Bedarf optimal abdeckt. All diese Probleme lassen sich einfach durch die Verbesserung der Art und Weise, wie Sie atmen, beseitigen.

Die Regulation des Blut-pH-Wertes

Neben dem Einfluss auf die Menge des Sauerstoffs, der an die Gewebe und Zellen abgegeben wird, spielt Kohlendioxid eine zentrale Rolle bei der Regulierung des pH-Wertes im Blut – also dabei, wie sauer oder alkalisch Ihr Blut ist. Bei Gesunden beträgt der pH-Wert des Blutes 7.365. Dieser Wert muss innerhalb eines eng definierten Bereiches bleiben; andernfalls ist der Körper gezwungen, ihn auszugleichen. Wenn der pH-Wert zum Beispiel zum Alkalischen tendiert, reduziert sich die Atmung, um den Kohlendioxidspiegel zu erhöhen und den pH-Wert wieder richtig einzustellen. Umgekehrt nimmt die Atmung zu, wenn der pH-Wert des Blutes zu weit im sauren Bereich liegt, um Kohlendioxid loszuwerden und den pH-Wert zu normalisieren. (Ähnlich ist es, wenn Sie zu viele industriell stark verarbeitete Lebensmittel und Fertiggerichte zu sich nehmen.) Ein normaler pH-Wert des Blutes ist für unser Überleben unabdingbar. Wenn das Blut zu sauer ist und der pH-Wert unter 6,8 abfällt oder wenn das Blut zu alkalisch ist und der pH-Wert über 7,8 ansteigt, kann das tödlich sein.8 Denn der pH-Wert beeinflusst unmittelbar die Funktionsfähigkeit unserer inneren Organe und den Stoffwechsel.

Es ist eindeutig wissenschaftlich belegt, dass Kohlendioxid ein wesentliches Element nicht nur für die Atemregulation, die Blutflussoptimierung und die Sauerstoffversorgung der Muskulatur ist, sondern auch für die Aufrechterhaltung eines korrekten Blut-pH-Wertes. Kurzum: Das Verhältnis unseres Körpers zum Kohlendioxid bestimmt, wie gesund wir sind. Es beeinflusst fast alle Aspekte unserer Körperfunktionen. Bei korrekter Atmung stellt das Kohlendioxid sicher, dass alle Teile unseres Organismus harmonisch zusammenwirken, sodass wir unser maximales Potenzial an sportlicher Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Kraft ausschöpfen können.

Ohne die notwendige Menge an CO2